Wenn ich Tobias Clausing richtig verstehe, dann könnte Amazon seine logistischen Ziele also im Großen und Ganzen auch erreichen, ohne dass die gesammelten Daten auf einzelne AN rückführbar wären?
Das ist nur meine (rechtlich unbedeutende) Sicht auf den Sachverhalt. Ich will aber gerne aus meiner Sicht versuchen, die Überwachung bei Amazon zu optimieren:
Amazon: Datenerhebung für Einsatzplanung, Feedback und Personalentscheidungen erforderlich
Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und Datenverarbeitung. So würden aktuelle und minutengenaue individuelle Leistungswerte bei der Steuerung der Logistikprozesse kurzfristig dazu benötigt, um auf Schwankungen in einzelnen Prozesspfaden durch Verschiebungen reagieren zu können. Anhand der aktuellen Leistungswerte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne sie erkennen, ob Mitarbeitende an einem bestimmten Tag besonders schnell oder besonders langsam arbeiteten und hierauf durch Umverteilung reagieren.
Alternative: Zu Schichtbeginn nimmt sich jeder MA einen beliebigen Handscanner, der weiterhin detailliert überwacht wird. Stellt sich nun heraus, dass dieser Handscanner (bedingt durch die Müdigkeit irgendeines MA) zu langsam arbeitet, um Same-Day-Lieferungen zusammenzusuchen, dann wird dieser Handscanner über eine Pushnachricht in einen anderen Bereich verschoben, in dem es gerade nicht so sehr auf Geschwindigkeit ankommt. Aus diesem Bereich wird dann der schnellste Handscanner in den Eilbereich geholt. Technisch kann man auch alle Aufträge nach Eilbedürftigkeit bewerten und dann den passenden MA zuweisen. Am Schichtende bekommt jeder MA meinetwegen von seinem Handscanner noch ein kurzes Feedback: "Du (naja, eigentlich ich als Handscanner) warst heute sehr schnell. Toll gemacht!" Oder aber: "Heute lief es mit uns beiden nicht ganz so gut. Morgen wird es bestimmt wieder besser!" Die Vorgesetzten bekommen eine Auswertung, wie die Performanceverteilung der Handscanner war, wo Probleme aufgetreten sind und welche Fehler gemacht wurden.
Mittelfristig würden zurückliegende individuelle Leistungswerte benötigt, um die konstanten Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden zuverlässig erfassen und bei der flexiblen Einsatzplanung berücksichtigen zu können.
Das Feedback vom Handscanner könnte meinetwegen deutlich detaillierter: "Mit uns beiden klappt es bei den Kleinteilen deutlich besser als bei den schweren Kisten!" Möglicherweise ein Feedback an eine Frau. Oder einen Mann mit Rückenschmerzen. Völlig egal! Dieser Mensch geht also nach der Schicht zum Teamleiter und fragt, ob er/sie für die nächsten Tage einen einlesbaren Code bekommen kann, der die Zuweisung für Kleinteile optimiert.
Jau, der Computer weiß dann - in Verbindung mit dem Vorgesetzten, dass "Manfred Hexenschuss" heute mit einem bestimmten Handscanner (wo der Code genutzt wurde) unterwegs ist. Am Ende des Tages bekommt der Vorgesetzte vom System die Rückmeldung, dass der Einsatz des Codes sinnvol erscheint, weil Manfred (der Computer weiß nur, dass es der Code A38 war) tolle Leistungen erbracht hat. Übrigens genauso wie Liselotte Großhand (die für den Computer nur C48 heißt), die zwar kräftig aber auch tollpatschig ist und eher mit den großen Kartons umgehen kann. Diese Nachricht zerstört sich in zehn sekunden von selbst (ja, ich bin dafür alt genug) - will sagen, dass anschließend jeder Zusammenhang zwischen Code und Handscanner gelöscht wird. Das ist später einfach nicht mehr wichtig. Nur der Vorgesetzte weiß, welchen Code er wem gegeben hat.
Nach einer Woche bekommen beide einen neuen Code, der zwar ein bestimmtes Zuweisungsprofil enthält, aber nicht weiter gespeichert wird. Rückmeldungen an den Vorgesetzten gibt es dann auch nicht mehr.
Zudem ermögliche diese Vorgehensweise die Schaffung objektiver und fairer Bewertungsgrundlagen für Feedback und Personalentscheidungen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern könne objektives und individuell leistungsbezogenes Feedback gegeben werden, das nicht durch subjektive Wahrnehmungen beeinflusst sei.
Wenn es denn sein muss, kann ein MA seine Bewertungen ausdrucken und zum nächsten Gespräch mitnehmen. Dann kann er belegen, dass er an den meisten Tagen aus Sicht des Handscanners gut gearbeitet hat.
Oder wir bezahlen einfach alle MA anständig und motivieren sie dazu, als Team eine geile Leistung abzuliefern und nicht immer nur auf den eigenen Vorteil zu schauen. Jeder hat mal einen schlechen Tag und manchmal läuft es richtig geil. Aber im Schnitt machen wir hier nur unseren Job und den so gut wie gerade möglich.
In jedem Prozess und jeder Datenverarbeitung ist Optimierungspotential vorhanden. Das kostet aber Geld, ist aufwändiger und man kann den Low-Performern nicht so einfach ihr "Fehlverhalten" (Manfred und Liselotte werden nicht übernommen, weil sie zu lange die falschen Aufgaben bekommen haben) vorwerfen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass Gerichte hier noch viel schärfer hinschauen und den Arbeitgebern mehr Hausaufgaben mitgeben. Das ist natürlich in der Rechtsprechung schwierig, weil das Urteil am Ende "Ja" oder "Nein" heißen muss. Deshalb kann ich das Urteil nachvollzihen und halte es dennoch für grundlegend falsch. Ich hoffe, dass sich eine höhere Instanz findet, die den Schutz der AN deutlich höher bewertet als eine unmenschliche Optimierungsmaschinerie.