Urlaubsanspruch im Jahr des Ausscheidens: In der ersten oder in der zweiten Jahreshälfte

  • Eine Vollzeit -Beschäftigte (5 Tage Woche) kündigt nach mehreren Jahren Betriebszugehörigkeit.
    Im Betrieb gibt es keinen Tarifvertrag, im Arbeitsvertrag steht nichts zum Urlaub. Es gibt eine Betriebsvereinbarung, die 30 Tage Urlaub bei einer 5-Tage Woche im Kalenderjahr vorsieht.

    Wenn im ersten Halbjahr gekündigt wird, z.B. zum 01.06. (letzter Arbeitstag = 31.05.) dann errechnet sich der Urlaubsanspruch gemäß §5 BUrlG:
    Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses wenn c) der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
    Würde also in obigem Beispiel 2,5 (=1/12) * 5 (=volle Monate)= 12,5 +Aufrundung =13 Werktage Urlaub bedeuten.

    Sehe ich das richtig, dass bei Kündigung in der 2. Hälfte des Kalenderjahres, dann der komplette Jahresurlaub fällig wird?
    Beispiel: Kündigung zum 15.07. (letzter Arbeitstag=14.07.)

    Folgende Antwortoptionen sehe ich zur Zeit:
    Bei Kündigung zum 15.07 entsteht ein Urlaubsanspruch von:
    a) 30 Tagen, weil sich §5 auf den gesetzlichen Mindesturlaub und die in der Betriebsvereinbarung zusätzlich vereinbarten Tage bezieht..
    b) 20 Tagen, weil sich §5 nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht.
    c) 15 Tagen [2,5 (=1/12) * 6 (=volle Monate)], weil in der Betriebsvereinbarung folgender Satz steht: "Im Verlauf eines Kalenderjahres eintretende oder ausscheidende Mitarbeiter erhalten für jeden vollen Beschäftigungsmonat, den sie dem Unternehmen angehören, ein Urlaubszwölftel. Bruchteile von Urlaubstagen von 0,5 an aufwärts weren auf volle Urlaubstage aufgerundet " .
    Mein Kommentar zu Version c): Es sieht ja danach aus, als wenn die BV den Arbeitnehmer schlechter stellt, weil ihm auch bei Kündigung in der 2. Jahreshälfte der Urlaub nur anteilig zur Verfügung steht, aber andererseits stellt die BV den Arbeitnehmer ja auch günstiger, weil er 30 statt 20 Tage Urlaub erhält. Andererseits sieht man am Vergleich zwischen Option b) und c), dass der Mitarbeiter mit der BV dann schlechter fährt, als mit den Vorschriften zum gesetzlichen Mindesturlaub-zumindest wenn er in der zweiten Jahreshälfte kündigt.

    Wie seht ihr das?
    Viele Grüße!

  • Hallo Meppen,

    die Höhe des Urlaubsanspruches unterliegt m.E. dem Tarifvorbehalt nach § 77 (3) BetrVG. Eine Betriebsvereinbarung, die 30 Tage pro Jahr Urlaubsanspruch festlegt, wäre demnach unwirksam. Da der Arbeitgeber sich jedoch scheinbar seit Jahren daran hält und im Arbeitsvertrag der betroffenen Kollegin kein Urlaubsanspruch geregelt ist, sind 30 Tage nunmehr betriebliche Übung und damit Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden.

    (Ist das eigentlich üblich bei euch, dass die Höhe des Urlaubsanspruchs nicht im AV steht? Sollte man ändern, denn der Urlaubsanspruch ist ganz klar im NachweisG genannt.)

    Auch die Berechnung des Teilurlaubsanspruches in Jahren, in denen nicht der volle Urlaubsanspruch erworben wird (Zwölftelung), unterliegt, soweit nicht gesetztlich geregelt, dem Tarifvorbehalt. Eine Betriebsvereinbarung wäre also auch hier unwirksam.

    Nach meiner Meinung könnte ein betroffener Mitarbeiter, der im 2. Halbjahr ausscheidet, tatsächlich nach § 5 BUrlG den vollen Jahresurlaub beanspruchen und sogar einklagen. Ich neige daher also deinem Antwortvorschlag a) zu mit Ausnahme der Begründung, dass 30 Tage in einer Betriebsvereinbarung geregelt sind. Statt dessen als Begründung, dass sich die 30 Tage aus der betrieblichen Übung ergeben.

    Es gibt aber bestimmt noch andere Meinungen. :)

    Grüßchen,
    Carola

  • Aus § 5 des Bundesurlaubsgesetzes ergibt sich, dass bei Austritt im zweiten Halbjahr der volle Urlaubsanspruch besteht (vgl. Erfurter Rn 2 zu § 5 BUrlG). Eine Zwölftelungsregelung bei Austritt im zweiten Halbjahr ist aufgrund der Unabdingbarkeitsbestimmungen im § 13 nur den Tarifparteien eröffnet. Eine derartige Regelung in einer Betriebsvereinbarung scheidet also aufgrund der Tarifhoheit aus, es sei denn, der Tarifvertrag enthielte eine Öffnungsklausel.

    Die Arbeitsvertragliche Zwölftelungregelung dürfte zumindest für den gesetzlichen Teil des Urlaubs an § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG scheitern. Demnach kann von den Gesetzesbestimmungen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

    Der Urlaubsanspruch setzt sich meiner Meinung nach aus dem vollen gesetzlichen und dem gezwölftelten tariflichen Urlaub zusammen.

  • Zitat von Meppen:

    ich das richtig, dass bei Kündigung in der 2. Hälfte des Kalenderjahres, dann der komplette Jahresurlaub fällig wird?

    Das siehst Du richtig (und Arbeitgeber sehen das nicht gerne :)

    Sollte man im gleichen Kalenderjahr eine Folgebeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber bekommen, muss dieser neue Arbeitgeber dann nur noch den verbleibenden Rest des tatsächlich genommenen Jahresurlaubs gewähren.

    Ulli

  • Hallo.

    Zitat von Carola:

    (...) die Höhe des Urlaubsanspruches unterliegt m.E. dem Tarifvorbehalt nach § 77 (3) BetrVG. Eine Betriebsvereinbarung, die 30 Tage pro Jahr Urlaubsanspruch festlegt, wäre demnach unwirksam.

    Insoweit stimme ich Carola zu. Die BV dürfte unwirksam sein, d.h. dass die Zwölftelungsregelung unwirksam ist, womit der gesetzliche Anspruch auf den vollen Urlaub greift. Man wird aber trotz unwirksamer BV von einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen ausgehen müssen, wenn kein anderer arbeitsvertraglich festgehalten ist. Aber nicht wegen betrieblicher Übung, sondern weil man den Bindungswillen des AG von Anfang an so annehmen muss:

    Zitat von Carola:

    Da der Arbeitgeber sich jedoch scheinbar seit Jahren daran hält und im Arbeitsvertrag der betroffenen Kollegin kein Urlaubsanspruch geregelt ist, sind 30 Tage nunmehr betriebliche Übung und damit Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden.

    Das ist falsch. Aus einer BV (auch aus einer ungültigen) kann niemals eine betriebliche Übung entstehen. Im Ergebnis sind Carola und ich uns aber einig, der Urlaubsanspruch von 30 Tagen steht.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.