Definition des § 3 ArbZG und ein Beschluss des Länderausschusses der dagegen hält?

  • Kann mir bitte jemand erklären, wie der Werktag nun wirklich difiniert wird, der im § 3 ArbZG steht? Ich blicke nämlich im Erfurter Kommentar ( 2012 ) nicht wirklich durch, dort heißt es auf der einen Seite:

    „Der Werktag unterscheidet sich vom Kalendertag. Während der Kalendertag um 0 Uhr beginnt und um 24 Uhr endet, wird der Werktag vom Beginn der AZ des AN ab gezählt und endet 24 Stunden später. Beginnt die Arbeitszeit des AN um 9 Uhr des einen Kalendertages, endet der Werktag dieses AN 24 Stunden später, also um 9 Uhr des folgenden Kalendertages. Innerhalb dieses Zeitraums verbietet § 3 dem AG, die Arbeitszeitgrenze von 10 Stunden zu überschreiten. Das ArbZG geht damit vom individuellen Werktag des jeweiligen AN aus.“

    Der nächste Satz lautet dann aber:

    „Demgegenüber lässt es ein Beschluss des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik vom 15./16. 2. 2000 zu, dass nach einer zehnstündigen AZ und anschließender elfstündiger Ruhezeit eine erneute Arbeitsaufnahme erfolgt, auch bei Überschreitung der Höchstarbeitszeit innerhalb von 24 Stunden.“

    Soll das heißen, dass ein Länderausschuss bestimmen kann das die werktäglich höchstarbeitzeit doch höher als wie im § 3 ArbZG:

    „§ 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer

    Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“

    liegen darf? Falls ja, wäre dies meiner Meinung nach aber keine EU-Konforme Auslegung der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit: http://eur-lex.europa.eu/LexUr…=CELEX:31989L0391:DE:HTML, denn wo bleibt da der Arbeits- und Gesundheitsschutz der AN, wenn ich als AG die AN 13 Stunden pro Werktag bis zur Erschöpfung schindern lassen darf?

    Das kann es ja wohl nicht sein oder? Oder verstehe ich hier nur was falsch?

  • OK, dann mal anders gefragt: Das ArbZG ist ja ein sg. Arbeitnehmerschutzgesetz. Arbeitnehmerschutzgesetze sind zum Schutz von AN aufgestellt worden und werden vornehmlich zu Gunsten der AN auch ausgelegt. Der § 3 ArbZG sieht zum Schutz vor Gesundheits- und Arbeitsschutzgefahren vor, dass AN vor Überarbeitung, Übermüdung und den daraus folgernden Gefahren geschützt werden sollen, so ja in der Tendenz auch die Richtlinie 89/391/EWG. Nimmt man nun auch noch das ArbSchG, genauer den § 4 Abs. 1 Punkt 1, in Haftung, in dem es heißt:

    „Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

    1. Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;“

    dann sollte der Grundgedanke des Gesetzgebers ja eigentlich noch klarer sein, nämlich Gefahren für Leib und Leben der AN fernzuhalten.

    Kann diesen Grundgedanken des Gesetzgebers ein Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ein AN Schutzgesetz derartig missgebildet auslegen? Wer schreibt eigentlich die Gesetze und wer hat das Recht Gesetze rechtsverbindlich zu kommentieren? Auch wenn es keine Vorschrift gibt die eine über elf Stunden Ruhezeit hinausgehende arbeitsfreie Zeit gibt, gibt es den Schutzgedanken des Gesetzgebers, der die AN vor Überarbeitung und daraus folgernden Gesundheitsgefahren schützen will sowie die die Definition des Werktages und die darin befindliche Vorschrift, das werktäglich eine Höchstarbeitszeit von 10 Stunden nicht überschritten werden dürfen.

    Noch eine Frage:

    Gibt es tatsächlich Berufe die eine solche Dienstplangestaltung benötigen, dass in diesen Berufen 13 Stunden gearbeitet werden MUSS? Also mir fällt da keiner ein, nur der Gedanke der Gewinnmaximierung der AG, nämlich durch Einsparung von Personal für eine Dienstplangestaltung nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit und dieser Punkt dürfte wohl kaum schwerer wiegen als den Arbeits- und Gesundheitsschutz der AN zu gewähren oder spinne ich hier jetzt komplett rum?

    Kritiker dieser Regelung, also der og. Länderausschuss, bzw. der Auslegung des § 3 ArbZG sehen den § 5 Abs. 1 als gegenstandslos an, wenn erst 24 Stunden nach der Arbeitsaufnahme wieder eine neue Schicht eingelegt werden dürfte, dann MÜSSTEN ( tatsächlich dieses Wort ) AN nach einer 8 Stunden Schicht eine 14 stündige Ruhezeit einlegen, deshalb wäre § 5 Abs. 1 ArbZG völlig gegenstandslos, [Ironie an ] auweiaaaa, 14 Stunden Ruhezeit? Das geht ja garnicht![Ironie aus] Unglaublich, diese Auslegung eines Arbeitnehmerschutzgesetzes und deren Schutzgedankens!

    Fällt hier tatsächlich niemanden etwas dazu ein?

  • Hallo Michel,

    selbstverständlich kann auch ein LASI nur im Rahmen der geltenden Gesetze agieren. Wer weiß, in welchem Zusammenhang dieser Beschluss ergangen ist. Auch sollte man nicht vergessen, dass sich seit 2000 im ArbZG diverse Veränderungen ergeben haben, welche auch in überarbeiteten LASI Empfehlungen/Handlungsanweisungen zum Thema "Arbeitszeit" berücksichtigt werden.

    Ohne zu wissen, was genau in diesem Beschluss steht, ob dieser Beschluss vielleicht nur noch versehentlich im ErfK erwähnt wird oder ob dieser Beschluss in Eurem Betrieb überhaupt zur Anwendung kommen könnte, kommt bei einer solchen Diskussion/Fragestellung überhaupt nichts raus. Meine Meinung.

    Wenn Du´s genauer wissen willst, solltest Du dich an die für Euch zuständige Aufsichtsbehörde wenden.

    Gruß
    Kokomiko

  • Kokomiko,

    ich werde mal unseren RA dazu befragen bzw. die Antwort auf diese Frage steht noch aus. Das Amt für Arbeitssicherheit wird dann wohl danach eingeschaltet werden, da der AG auch auf die Beschwerde des BR nicht eingegangen ist und die Forsetzung dieser Verstöße auch nach der Beschwerde fortgeführt und ein Straftatbestand damit daraus wird. Wenn es Euch interessiert halte ich Euch auch auf den Laufenden.

  • gemäß § 15 ArbZG kann die Aufsichtsbehörde sowohl Ausnahmen bei der täglichen Arbeitszeit und auch bei der einzuhaltenden Ruhezeit bewilligen, wenn damit zum Beispiel im Kontischichtbetrieb zusätzliche Freischichten erreicht werden. Selbstverständlich wird sie dabei arbeitsschutzrechtliche Aspekte würdigen. Derartiges war früher auch in tarifvertraglichen Regelungen verankert. Dem Arbeitsschutz tragen die abweichenden Regelungen ebenfalls Rechnung, sei es durch freie Tage an anderer Stelle oder mehr freie Wochenenden oder auch durch andere Arbeitsentlastende Maßnahmen.

  • Hallo Siegbert,

    ich weiss das es Sonderregelungen geben kann. Der BR hat den AG auch gefragt ob es eine solche Sonderregelung bei uns gibt, alles in dem Schreiben der Beschwerde wegen den ArbZG Verstößen. Der AG hat sich dazu seit Wochen nicht geäussert und macht munter weiter. Freie Zusatzschichten gibt es bei uns nicht. Bei uns lautet die Devise, drücke alles raus was das Gesetz zulässt, versuche auch noch den letzten Cent aus den AN rauszupressen und sehe mit den Arbeitsbedingungen zu das es den AN bei uns alles andere als gut geht, er soll leiden! Unglaublich aber leider wahr!

  • Ich denke, der LASI hat sich aus seiner Sicht, schon richtig ausgedrückt.
    §5 ArbZG regelt zwar die Ruhezeiten aber in der Öffnungsklausel des §7 sind so viele Ausnahmen in einem TV zugelassen (die auch meistens ausgeschöpft werden), dass es schon wieder die Regel des Arbeitslebens ist.
    Mehr muss man darüber nicht sagen.

  • Ein Tag hat 24 Stunden. Arbeitszeit und Ruhezeit ergeben 24Stunden. Entweder man gibt die Arbeitszeit vor, sodass sich die Ruhezeit errechnet, oder man gibt die Ruhezeit vor, und die Arbeitszeit errechnet sich.

    Bei der europäischen Richtlinie wird die Ruhezeit vorgegeben:

    Die Arbeitszeitrichtlinie setzt keine Tageshöchstarbeitszeit fest, eine solche ergibt sich aber mittelbar aus den Vorschriften über die Ruhezeiten. Die tägliche Ruhezeit hat pro 24-Stunden-Zeitraum mindestens 11 Stunden zu betragen; daher beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit 13 Stunden.

    Europäisches Arbeits- und Sozialrecht von Walter Schrammel, Gottfried Winkler

    Im deutschen Arbeitszeitgesetz wird die Arbeitszeit vorgegeben:

    §3 Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten

    Die tägliche Arbeitszeit darf pro 24-Stunden-Zeitraum 8 Stunden nicht überschreiten, daher beträgt die tägliche Ruhezeit 16 Stunden.

    Ein interessanter Artikel aus dem Jahr 1921, der zeigen soll, dass wir in Deutschland schon mal eine 16-stündige Ruhezeit hatten.

    Deutsche Goldschmiedezeitung Band 24 Seite 177

    Zwar begründet das Erfurter Programm die geforderte Kürzung der Arbeitszeit damit, daß der Arbeiter die Ruhezeit von 16 Stunden zur Erholung und zur Pflege seiner Familie nötig hat, aber eine gesetzliche Bestimmung in der Verordnung über den Achtstundenarbeitstages fehlt, daß der Arbeiter diese Zeit nicht zu bezahlter Nebenarbeit verwenden darf.

    Das LASI macht es sich ganz einfach, 10 Stunden Arbeitszeit und 11 Stunden ununterbrochene Ruhezeit ergibt 21 Stunden. Also dauert ein Tag beim LASI nur 21, und nicht 24 Stunden.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.