Kündigungsschutz Ersatzmitglieder

  • Hallo Miteinder,

    manchmal ist einem das Glück doch hold. :wink:

    Ich habe eine sehr interessante Entscheidung des LAG Düsseldorf (26.04.2010, Az.: 16 Sa 59/10) gefunden, welches vor allem Ersatzmitglieder interessieren sollte:
    http://www.justiz.nrw.de/nrwe/…_59_10urteil20100426.html

    Dieses Urteil beschäftigt sich auch mit der Fragestellung, wann eine Verhinderung eines BRM bei Urlaub, Erziehungsurlaub etc. gegeben ist.

    Laut LAG Düsseldorf greift der § 15 KschG bereits ab dem Moment, in welchem eine Verhinderung eines BRM gegeben ist und zwar unabhängig davon, ob ein Ersatzmitglied tätig geworden ist oder nicht.

    Unter dem AZ: 2 AZR 388/10 ist eine Revision beim BAG anhängig und diese Entscheidung darf mit Spannung erwartet werden.

    Gruß
    Kokomiko

  • Hallo Koko,

    habe ich gerade eben in Beitrag von Himmel drauf hingewiesen.
    Bin auch mal auf die Diskussion hier im Forum gespannt.

    Wolle

  • Hallo.

    Zitat von Kokomiko :

    Unter dem AZ 2 AZR 388/10 ist eine Revision beim BAG anhängig und diese Entscheidung darf mit Spannung erwartet werden.

    Oh ja, das ist wirklich sehr spannend, denn das LAG vertritt da eine andere Ansicht, als ich sie bislang aus der Literatur herausgelesen habe. Ich ging anhand der Kommentare davon aus, der Sonderkündigungsschutz greife erst dann, wenn der/die NachrückerIn für den BR tätig werde, das LAG betonte dagegen, er gelte (teilweise) bereits bei Verhinderung des BRM.

    Zur Überzeugung der Kammer ist es für den Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht erforderlich, dass das Ersatzmitglied zu konkreter Betriebsratstätigkeit herangezogen wird. Der Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG hängt nicht davon ab, ob die Ersatzmitglieder bereits tatsächlich Geschäfte eines Betriebsratsmitgliedes wahrgenommen haben, weil er an die Dauer der Mitgliedschaft im Betriebsrat anknüpft und auch die Arbeitsfähigkeit eines vollzähligen Betriebsrates sicherstellen soll (...). Es trifft zwar zu, dass das Bundesarbeitsgericht dies für den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG anders sieht (...). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es aber sachgerecht, die Vorschriften der Sätze 1 und 2 von § 15 Abs. 1 KSchG unterschiedlich auszulegen. Hierfür sprechen sachliche Gründe. Da der nachwirkende Kündigungsschutz die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Amtes eines Betriebsrates gewährleisten soll, bedarf es keiner "Abkühlungsphase", wenn das Ersatzmitglied weder an Sitzungen des Betriebsrates teilgenommen noch andere Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat und deswegen vor einer möglichen Interessenkollision bewahrt worden ist (...). § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG hingegen schützt das Betriebsratsamt als solches, unabhängig von der konkreten Amtstätigkeit.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Das ist ja interessant. Wir haben nämlich genau diesen Fall, dass man ein Ersatz-BRM loswerden möchte. Die erste Kündigung hat nicht geklappt. Jetzt will man bis Mai warten und es dann noch einmal versuchen. Allerdings hätte der EBR im Januar schon wieder einen neuen Kündigungsschutz "aufgebaut".

    Wir sind ein 5er BR, er ist das vierte Ersatzmitglied - Ist also ganz schön knapp.

    Gruß
    Rolf

  • Hallo.

    Zitat von Rolf L :

    Jetzt will man bis Mai warten und es dann noch einmal versuchen. Allerdings hätte der EBR im Januar schon wieder einen neuen Kündigungsschutz "aufgebaut".

    Nein, nach diesem LAG-Urteil zumindest dann nicht, wenn es keine BR-Tätigkeit machte. Im Urteil wird nämlich differenziert, der §15 KSchG für BRM greife sofort bei Verhinderung des BRM, nach Verhinderung des BRM gebe es aber keinen nachwirkenden Kündigungsschutz, wenn nicht BR-Tätigkeit geleistet wurde.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Winfried :


    Nein, nach diesem LAG-Urteil zumindest dann nicht, wenn es keine BR-Tätigkeit machte. Im Urteil wird nämlich differenziert, der §15 KSchG für BRM greife sofort bei Verhinderung des BRM, nach Verhinderung des BRM gebe es aber keinen nachwirkenden Kündigungsschutz, wenn nicht BR-Tätigkeit geleistet wurde.


    Wie jetzt? Muss dann die Kündigung exakt im Vertretungsfall ausgesprochen werden, damit das Urteil greift? Es wird doch immer erst während des einjährigen Kündigungsschutzes gekündigt.

    Sorry, irgendwie stehe ich auf den Schlauch.

    Gruß
    Rolf

  • Rolf, es sind zwei dinge zu unterscheiden:

    In genanntem Urteil geht es allein um den § 15 Abs.1 Satz 1 KschG:
    "Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats,... ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist."

    Dieser Schutz greift nach Meinung des LAG sobald das entsprechende Ersatzmitglied wegen Verhinderung eines BRM zeitweilig nachgerückt ist und zwar unabhängig davon, ob es für BR-Tätigkeiten heran gezogen wurde oder nicht.

    Unabhängig davon ist § 15 Abs.1 Satz 2 KschG zu beachten:
    "Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, ... innerhalb eines Jahres, ... unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht."

    Der nachwirkende Kü´schutz bedingt nach wie vor, dass das Ersatzmitglied tätig geworden sein muss.

    Jetzt könnte es ja sein, dass der AG ein Ersatzmitglied kündigen will, welches in den vergangenen 12 Monaten nicht tätig war. Nach Auffassung des LAG müsste jetzt geprüft werden, ob nicht eine Verhinderung eines BRM vorliegt, für welches dieses Ersatzmitglied automatisch nachgerückt ist. Völlig unabhängig davon, ob dieses E-BRM tätig geworden ist oder nicht. Während der gesamten Zeit der zeitweiligen Vertretung greift § 15 Abs.1 Satz 1 KschG und der BR müsste nach § 103 BetrVG angehört werden.

    Beim BAG war die Revision f.d. 8.9.2011 terminiert, es dürfte also nicht mehr allzu lange dauern, bis der 2. Senat seine Entscheidung veröffentlicht.

  • Kokomiko: Es geht natürlich um den § 15 KschG, nicht § 1.:wink:
    Dem himmel sei Dank, dass dieser Fall hier so gut rüberkommt. Durch seinen Beitrag kam es erst dazu. Bislang war auch ich der Meinung, dass man als EBRM "echt" tätig sein muss, um überhaupt geschützt zu sein. Es ist schon Klasse, wie ein Gerichtsurteil hier so "idiotensicher" erklärt wird, alle Achtung! Ich wundere mich auch immer wieder, mit welcher Ruhe und Geduld das (meist) geschieht. Und das alles "ehrenamtlich". Selbst bin ich ja auch so ein "Hinterfrager", wo dran manche schon verzweifeln würden - oder sind es schon :cry: ...
    Wer hier mitliest, braucht im Streitfall (fast) keinen Anwalt für Arbeitsrecht.- Aber die wollen ja auch leben...

  • Ein sehr interessantes und richtungsweisendes Urteil.

    Ich lese daraus heraus, das ich mir eine Übersicht erstellen muss über die tägliche Verhinderung (Urlaub, Krankheit, Seminar) aller BRM und EBRM um einen ev. Kündigungsschutz der EBRM zu prüfen.

    Wenn der gesammte BR an einem Tagesseminar ausserhalb der Firma teilnimmt, erhalten alle nachrückenden EBRM (in unserem Falle 7) den Kündigungsschutz. Dann müsste ja auch noch geprüft werden ob von den EBRM jemand verhindert ist.

    heig

  • Zitat von heig :


    Ein sehr interessantes und richtungsweisendes Urteil.

    Wenn der gesammte BR an einem Tagesseminar ausserhalb der Firma teilnimmt, erhalten alle nachrückenden EBRM (in unserem Falle 7) den Kündigungsschutz.


    ...alle nachrückenden EBRM den Kündigungsschutz für den einen Tag. Oder sind 7 EBRM mit zum Seminar?

  • Ich hoffe wirklich, dass dieser BAG-Beschluss korrekt gelesen und verstanden wird.

    Kurzform: Während der zeitweiligen Stellvertretung greift § 15 Abs.1 Satz 1 KschG:

    "Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, ... ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist."

    Während dieser Zeit ist es unerheblich, ob das E-BRM tätig geworden ist oder nicht!

    Den nachwirkenden Kü´schutz gem. § 15 Abs.1 Satz 2 KschG muss sich ein E-BRM allerdings noch immer "erarbeiten"!

    "Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ... innerhalb eines Jahres, ... jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht."

    Als BR sollte man künftig sehr konsequent jede Verhinderung eines BRM und gleichzeitig das korrekte E-BRM dokumentieren.

    Auch kommt es künftig noch mehr darauf an, dass ein Losentscheid direkt nach Wahl gemacht wird, falls eine gleiche Stimmenanzahl auf mehrere Ersatzmitglieder entfallen ist! Falls noch nicht geschehen, sollte das umgehend nachgeholt werden, weil die korrekte Reihenfolge der E-BRM muss einwandfrei geklärt sein!

    Gruß
    Kokomiko

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.