Spagat Qualitätskontrolle, Leistungskontrolle

  • Hallo miteinander und ein erfolgreiches neues Jahr,

    wir haben in unserem Betrieb ein Problem. Ein Betriebsratsmitglied ist gleichfall in der Qualitätssicherung unserer Firma. Nun trifft es sich, dass die Geschäftsleitung das BR Mitglied beauftragen will, die Leistungen der Mitarbeiter zu beurteilen. Da wir ein mittlerer Handwerksbetrieb sind, sind die die Handwerker mittels Tablet PC mit der Firma online verbunden. Die Aufträge werden online übermittelt und durch die Kollegen abgearbeitet. Unser Arbeitgeber vermutet Unregelmäßigkeiten, die er dokumentiert haben möchte. Nun kommt unserer BR Mitglied in den Spagat zwischen dem § 87 BetrVG und dem Interesse an der Gleichbehandlung aller Kollegen.
    Habt Ihr hier Erfahrungen? Wie kann man so eine vom AG veranlasste Kontrolle der MA mit gestalten ohne einen bitteren Beigeschmack zu erzeugen? Für Hinweise wären wir sehr dankbar.

    Einen schönen Tag :lol: Carsten

  • Hallo Carsten,

    da sollte eine BV erarbeitet werden, welche den Einsatz der Tablets regelt. Hier müsste klar geregelt werden, welche Daten erfasst werden, welche Daten ausgewertet werden, wozu die Ergebnisse herangezogen werden und wer Zugriff auf die Daten hat. Die Fragen die sich hierbei stellen sind die:

    a.) Sind die Ergebnisse vergleichbar? Eventuell sind die Aufgaben so verschieden, dass sie gar
    nicht miteinander verglichen werden können.
    b.) Eine Vergleichbarkeit der Mitarbeiter untereinander ist m.E. von vorn herein ausgeschlossen
    da zur individuellen Leistungseinschätzung zu viele Daten herangezogen werden müssten, deren
    Verarbeitung Aufgrund des Datenschutzes nicht gerechtfertigt sein dürfte.

    Das ein BR Kollege die Beurteilung vornehmen soll ist m.E. nicht aussergewöhnlich. Kommt bei uns im Betrieb auch vor. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, weil der Kollege beide Seiten (sowohl aus Sicht als AN als auch aus Sicht BR)kennt.

    Gruß
    Wolle

  • M.E. müsste auch vorher schon besprochen werden welche Daten erfasst werden sollen.
    Soll nur geschaut werden wie die MA ausgelastet werden oder sind.
    Soll geprüft werden, wie lange jeder MA für Arbeiten braucht.
    Werden die Daten anonym behandelt oder werden Namen hinter der Auswertung stehen?

    Hier muss man auch bedenken, dass ältere MA vieleicht länger brauchen als Jüngere oder sogar umgekehrt. Was soll den mit der Auswertung bezweckt werden? das ist hier die eigendliche Frage und die sollte der AG beantworten.

  • Hallo und danke für die schnellen Antworten.

    Unser Unternehmen ist sehr jung, an der BV zum Datenschutz sind wir dran, auch deren Auswertungsmöglichkeiten. Hier gilt für uns in erster Linie, die Ergebnisse und deren Datenherkunft, mit der Quellnachweis.

    Bei der Qualitätskontrolle soll es soweit kommen, dass dem Kollegen in einem Zeitabstand von mehr als X und nach Erledigung des Auftrages, hinterher gefahren wird. Ggf soll eine Dokumentation erstellt und die Kunden befragt werden.

    All das möchte die Geschäftsleitung zu Einzelgesprächen nutzen. Problem das BR Mitglied hat die Unterlage erstellt :(

    Es ist verzwickt. Ich bedanke mich für jede Antwort. Liebe Grüße Carsten

  • Hallo Carsten,

    auch wenn der BR-Kollege die Unterlagen erstellt hat heisst das ja nicht, dass das BR-Gremium hier nicht mehr einzubinden ist.
    Bei den Kundenbefragungen sollte man m.E. versuchen über § 94 BetrVG einen Fuss in die Tür zu kriegen.

    Wolle

  • Hallo,

    dem AG muss klar sein, bzw. der BR als Gremium muss es ihm schnellstens klar machen, dass er diese Verhaltens- und Leistungskontrollen nicht durchführen kann, so lange er nicht mit dem BR eine BV darüber abgeschlossen hat.

    Dass ein BRM in der Rolle als AN vom AG beauftragt wurde, die Überwachungsmöglichkeit auszuarbeiten, hat damit nichts zu tun. Den "Spagat" muss das BRM selber aushalten. Es ist gut möglich, dass man als AN eine Überwachungsmöglichkeit ausarbeiten muss, weil man weisungsgebunden ist, und das Ganze dann als BRM ablehnt.

    Ich würde mich als BR so einem Ansinnen des AG zur Schaffung von "gläsernen AN" erstmal prinzipiell widersetzen. Auswertungen im Rahmen der Qualitätssicherung sollten erst einmal nur anonymisiert stattfinden dürfen.

    Wenn man das nicht durchziehen will oder kann, muss bei der Abfassung der BV ganz klar darauf hingearbeitet werden, dass die Persönlichkeitsrechte der AN beachtet werden, dass Daten möglichst sparsam erhoben werden, dass leistungs- und verhaltensbezogene Auswertungen nur bei konkretem Verdacht des groben Mißbrauches bzw. des gravierenden AV-Verstosses stattfinden dürfen, dass solche Kontrollen nach dem 6-Augen-Prinzip stattfinden (DSB, BRM, AG), dass unterhalb dieser Linie jegliche arbeitsrechtliche Maßnahme ausgeschlossen ist etc.pp.

    Vor Verhandlung der BV sollte mindestens 1 BRM eine entsprechende Schulung besucht haben. Außerdem wäre zu überlegen, ob man externen Sachverstand hinzuzieht.

    Was sagt der/die DSB eures Betriebes denn zur Sache?

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Ziehe ich aus den bisher geäußerten Meinungen den richtigen Schluss, dass alles zuvor gesagte nicht wiederholt werden braucht, sondern 1:1 übertragen werden darf, wenn ein Arbeitgeber eine Auswertung von elektronischen Akten auf Einhaltung von vertraglich zugesicherten Reaktionszeiten durchführt?

    Dem BR wurde nur mitgeteilt, dass temporär ein erweitertes Monitoring wg. massiver Kundenbeschwerden eingeführt wird.

    Eine allgemeine Auswertung auf Einhaltung von Reaktionszeiten ist seit jeher üblich, da ja geprüft werden muss, ob wir den vertraglich festgelegten Verpflichtungen unseren Auftraggebern gegenüber nachkommen. Es gibt dazu jedoch keine BV, obwohl natürlich schon immer jeder Vorgang einem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet werden kann (also auch schon lange vor meiner BR-Zeit).

    Erst durch diesen Thread habe ich bewusst darüber nachgedacht, dass es zwar das berechtigte "Urinteresse" des Arbeitgebers ist, seine Dienstleistungsqualität zu überwachen/sichern, aber auch die Mitarbeiter zu schützen sind.

    @ Winfried: Du sprichst den DSB an, an den habe ich noch gar nicht gedacht (unsere Firma hat einen RA als externen DSB). Darf der BR ihn so ohne weiteres ansprechen? Ich meine das in Bezug auf ggf. entstehende Kosten, die der DSB für sein Tätigwerden dem AG berechnet, ohne das der BR dies zuvor mit dem AG geklärt hat.

    Zum eingangs genannten Spagat: Der MA hat ja kein Recht seine Mitwirkung an der Auswertung zu verweigern. Hier wird ja nur die Sphäre des Arbeitnehmers berührt, ohne Berücksichtigung seines BR-Mandats. Er würde sich ja der Arbeitsverweigerung schuldig machen. Als BR ist er auch nur Mitglied eines Gremiums und nicht als Einzelperson "handlungsbevollmächtigt" etwas zu verweigern. Selbst wenn es ein Einzel-BR wäre, müsste er auf der BR-Ebene auf den AG einwirken, müsste aber als AN erstmal den Weisungen nachkommen.

  • Hallo.

    Zitat von fieldcraft :

    Ziehe ich (...) den richtigen Schluss, dass alles zuvor gesagte (...) 1:1 übertragen werden darf, wenn ein Arbeitgeber eine Auswertung von elektronischen Akten auf Einhaltung von vertraglich zugesicherten Reaktionszeiten durchführt?

    Ja, es besteht Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 6 BetrVG.

    Zitat von fieldcraft :

    Dem BR wurde nur mitgeteilt, dass temporär ein erweitertes Monitoring wg. massiver Kundenbeschwerden eingeführt wird.

    Dann muss der BR dem AG schnell mitteilen, dass hier Mitbestimmung besteht und der AG ohne vorherige Beteiligung des BR keine Maßnahmen durchführen darf.

    Zitat von fieldcraft :

    Eine allgemeine Auswertung auf Einhaltung von Reaktionszeiten ist seit jeher üblich (...). Es gibt dazu jedoch keine BV (...).

    "Üblich" mag sein, aber es ist extralegal und sollte vom BR ebenfalls sofort unterbunden werden.

    Zitat von fieldcraft :

    Darf der BR ihn so ohne weiteres ansprechen? Ich meine das in Bezug auf ggf. entstehende Kosten, die der DSB für sein Tätigwerden dem AG berechnet (...).

    Natürlich darf der BR das, m.E. ist der/die DSB als betriebsinterner Sachverstand zu werten, § 80 III BetrVG zieht nicht. Ich würde allerdings zeitgleich den AG informieren, dass Kontakt aufgenommen wird. Wie der DSB das mit dem AG verrechnet, ist nicht Sache des BR. Und eigentlich wäre ja der AG verpflichtet, den DSB einzuschalten bzw. zu informieren. Man könnte es auch andersrum machen und als BR vom AG verlangen, dass er eine Stellungnahme des/der DSB zur Sache vorlegt.

    Zitat von fieldcraft :

    Zum eingangs genannten Spagat:

    Den sehe ich schon auch, aber das BRM muss ihn halt schlicht aushalten. Als AN führt er/sie die Weisung des AG aus, in der Entscheidung als BRM zur Sache ist er/sie aber trotzdem frei.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo,

    ergänzend zu Winfried
    "Natürlich darf der BR das, m.E. ist der/die DSB als betriebsinterner Sachverstand zu werten, § 80 III BetrVG zieht nicht. Ich würde allerdings zeitgleich den AG informieren, dass Kontakt aufgenommen wird."

    möchte ich hier auch noch auf die "Weisungsfreiheit" des DSB gem § 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG hinweisen:
    http://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_1990/__4f.html
    Diese Weisungsfreiheit gilt auch für Auskünfte an bzw. Beratung des BR.
    Im Übrigen halte ich in diesem Zusammenhang eine entsprechende Interpretation des Begriffs der "Betroffenen" in § 4f Abs. 5 Satz 3, die auch den BR bzw. BRM in Ausübung ihres Amtes einschließt, für zulässig, ohne jetzt einen Spezialkommentar zur Hand zu haben.

    Das der AG die alleinige Kostentragungspflicht - unabhängig ob intern oder extern - für die Arbeit des DSB hat, ist u.a. auch aufgrund von § 4f Abs. 5 BDSG unstrittig.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.