Betriebsänderung, Sozialplan, Abfindung

  • Hallo zusammen,
    gerade angemeldet, vorgestellt und hier kommt auch schon meine 1. Frage.

    Unsere Firma arbeitet bundesweit im Service im Telekommunikationsbereich und unsere Einsatzsteuerung soll jetzt zentralisiert werden. Bisher war sie auf 3 Standorte verteilt. Da das ja eine Betriebsänderung ist, wollen wir einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandeln.
    Den Kollegen/-innen wird angeboten, an dem neuen Dienstort zu den gleichen Bedingungen weiterzuarbeiten. Das würde aber bedeuten, dass die betroffenen Kollegen/-innen umziehen müssten ( ca. 650 km). Meiner Meinung nach ist das nicht zumutbar, da sie ja ihr jahrelanges soziales Umfeld mit Familie, Freunden und Bekannten verlassen müssten. Ein Angebot für eine endsprechende Umzugsregelung ist vom AG gekommen, wir prüfen aber noch, ob sie realistisch ist. Die betroffenen MA des einen Standortes ( die kollegen des anderen Standortes haben sich schon intern wegbeworben), haben signalisiert, dass sie wohl nicht umziehen werden ( Alter jeweils ca 50).
    Die eigentliche Frage ist, ob die betroffenen MA einen Anspruch auf eine Abfindung haben, da es unserer Meinung nach kein zumutbares Angebot für einen neuen Arbeitsplatz ist. Dies müsste dann ja im Sozialplan konkretisiert werden.

    Vielleicht kann man den AG ja dadurch überzeugen, diese Massnahme nicht oder nur teilweise durchzuführen, weil es sonst zu teuer wird.

    Wir werden uns auch anwaltlichen Beistand holen, aber ich denke, hier ist soviel Fachwissen und Erfahrung versammelt ( die fehlt uns leider noch), dass man hier sicherlich gute Tips bekommt bzw. die grundsätzliche Rechtslage in Erfahrung bringt. Irgendwann werde ich sicherlich auch mal fundierte Antworten geben können :D

    Vielen Dank schonmal

    Reddel

  • Du hast es eigendlich selber beantwortet.
    Das Thema Betriebsänderung, Sozialplan, Interresenausgleich ist so Umfangreich, dass man als Aussenstehender hier garnicht richtig antworten kann. Die einzige Antwort zu diesen Themen lautet immer "es kommt drauf an".

    Als Tipp kann ich Dir nur mitgeben: Eurer Wirtschaftsausschuss sollte sich die Informationen frühzeitig (beim ersten Gedankengang des AG) holen, damit man richtig und rechtzeitg informiert ist.

    Habt Ihr vielleicht einen TV der nach einer Gewissen Betriebszugehörigkeit eine Betriebsbedingte Kündigung ausschließen würde?

  • Hallo Bartender,
    danke erstmal für die Antwort.

    Im TV ist nichts endsprechendes angegeben. Wir hatten aber im letzten Jahr einen Betriebsübergang. Im Sozialplan/ Überleitvertrag hat sich unser neuer AG verpflichtet, alle übernommenen MA für mindestens 24 Monate weiterzubeschäftigen. Diese Frist endet am 31.03.2012.

    Der BR ist informiert worden. Der AG wünscht die Zentralisierung des einen Standortes ( Berlin) zum 1.12., des 2. Standortes zum 1.3.2012. Die MA des 2. Standortes haben sich aber schon intern wegbeworben. Es betrifft also nur die MA des 1. Standortes ( 3 Mann). Einer der dortigen Kollegen ist Ersatzmitglied und hat und wird auch sicherlich noch an einigen Sitzungen teilnehmen.

    Ich denke, die Verhandlungen werden noch sehr heftig werden.

    Grüsse

    Reddel

  • Danke für den Link. Werde ich mir mal genauer anschauen. Rechtsbeistand werden wir sicherlich in Anspruch nehemen. Andererseits haben wir in der Beziehung gute Verhandlungspositionen, da der AG diese Massnahmen zum 1.12. bzw. 1.3. vornehmen möchte. Mal schauen, wie die erste Verhandlung face-toface so läuft. Vielleicht kann man den AG auch überzeugen, dass diese Massnahme nicht den gewünschten Effekt bringt bzw. so teuer wird, dass sie sich nicht mehr lohnt. Ich bin mal gespannt.

    Grüsse

    Reddel

  • Zitat von Reddel :

    Das würde aber bedeuten, dass die betroffenen Kollegen/-innen umziehen müssten ( ca. 650 km). Meiner Meinung nach ist das nicht zumutbar,
    Reddel

    Hallo Reddel,

    mit der Zumutbarkeit müsst Ihr sehr vorsichtig umgehen. Was ist wirklich Zumutbar und was nicht, kann nur im Einzelfall entschieden werden und nicht als Gesamtfrage. Schaut Euch hier bitte jeden Einzelfall genau an.

    Im Falle einer Arbeitslosikeit prüft das Arbeitsamt hier sehr genau jeden Einzelfall und macht auch Jobangebote über 650 km hinaus. Unter Umständen könnt Ihr zwar beim Arbeitgeber eine Abfindung herausholen und der Arbeitnehmer muss zunächst nicht umziehen. Das Arbeitsamt fordert aber unter Umständen einen Umzug von mehr als 650 km an den neuen Arbeitsplatz.

    Zum anderen kann es aber gerade bei älteren Arbeitnehmern passieren, dass das Arbeitsamt sagt, die Arbeitnehmer sind auf Grund Ihres Alters nicht mehr Vermittlungsfähig. Dann beantragt das Arbeitsamt die Frühverrentung (Zwangsrente). Diese ist mit sehr hohen Abschlägen verbunden.

    Beachtet bitte auch diese Möglichkeiten.

    Gruß Berny

  • Zitat von Berny :


    Im Falle einer Arbeitslosikeit prüft das Arbeitsamt hier sehr genau jeden Einzelfall und macht auch Jobangebote über 650 km hinaus.

    Berny, was willst Du dem Fragesteller damit sagen? Dass betroffene AN, die das Angebot nicht annehmen, mit einer Sperre rechnen müssen?


    SGB III § 121 Zumutbare Beschäftigungen
    ...
    (4) Aus personenbezogenen Gründen ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung auch nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. Sind in einer Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab.
    Ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs ist einem Arbeitslosen zumutbar, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen wird. Vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einem Arbeitslosen ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs in der Regel zumutbar. Die Sätze 4 und 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund kann sich insbesondere aus familiären Bindungen ergeben.
    ...

    Zitat von Berny :

    Zum anderen kann es aber gerade bei älteren Arbeitnehmern passieren, dass das Arbeitsamt sagt, die Arbeitnehmer sind auf Grund Ihres Alters nicht mehr Vermittlungsfähig. Dann beantragt das Arbeitsamt die Frühverrentung (Zwangsrente). Diese ist mit sehr hohen Abschlägen verbunden.

    In der Eingangsfrage ist die Rede von 50jährigen, eine Frühverrentung kommt hier definitiv nicht in Betracht.

    Reddel,

    ohne anwaltliche Beratung solltet Ihr tatsächlich keinen IA / SP verhandeln. Was die Zumutbarkeit betrifft, würde ich mich an o.g. Zeiten orientieren. Arbeitsgerichte halten durchaus auch eine Pendelzeit von 90 Minuten (ÖPNV) einfache Wegstrecke (Vollzeitbeschäftigte) für zumutbar.
    Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Zumutbarkeitsgrenze mit Spezialistentum steigt. Einem Flugzeugbauer dürfte ein Umzug von Flensburg nach Hintertupfingen eher zuzumuten sein als einer Fleischereifachverkäuferin.

    Gruß
    Kokomiko

  • Hallo berny,

    es tut mir leid, aber das hier...
    "Zum anderen kann es aber gerade bei älteren Arbeitnehmern passieren, dass das Arbeitsamt sagt, die Arbeitnehmer sind auf Grund Ihres Alters nicht mehr Vermittlungsfähig. Dann beantragt das Arbeitsamt die Frühverrentung (Zwangsrente). Diese ist mit sehr hohen Abschlägen verbunden."

    ... ist in dieser Schlichtheit und Pauschalität falsch. Die AA ist für Renten grundsätzlich nicht antragsbefugt. Das gilt sowohl für Alters- als auch Erwerbsminderungsrente. Die AA kann den Betroffenen auch nicht zwingen, gegen seinen Willen einen Rentenantrag zu stellen.

  • Zitat von whoepfner :


    ... ist in dieser Schlichtheit und Pauschalität falsch. Die AA ist für Renten grundsätzlich nicht antragsbefugt. Das gilt sowohl für Alters- als auch Erwerbsminderungsrente. Die AA kann den Betroffenen auch nicht zwingen, gegen seinen Willen einen Rentenantrag zu stellen.

    Hallo Whoepfner,

    folgendes Zitat im Netz gefunden:

    "Zwangsberentung

    • Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit droht eine massive Verschlechterung für ältere Erwerbslose. Ab dem 1. Januar können ALG II-Bezieher, die das 60te Lebensjahr erreicht haben, zwangsverrentet werden. Davon wären bis zu 360.000 Menschen betroffen. Bisher waren diese Menschen durch die so genannte 58er Regelung geschützt. Sie bewahrte ALG I und II-Bezieher zwischen dem 58 und 65 Lebensjahr vor Umschulungsmaßnahmen und Ein-Euro-Jobangeboten. Sie waren in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr aufgeführt. Schließlich hatten Menschen in diesem Alter sowieso wenig Chancen auf einen Arbeitsplatz. Wenn diese Regelung zum 1. Januar 2008 ausläuft, müssten diese Menschen in Rente gehen und dabei Minderungen bis zu 18% in Kauf nehmen. Zusätzliche Beihilfe durch Sozialhilfe würden die Zwangsverrenteten nur bekommen, wenn sie ihr Schonvermögen bis auf eine Höhe von 1600 Euro aufgebraucht haben. Die Betroffenen müssten also Lebensversicherungen und private Altersversorgungen auflösen und zur Bestreitung ihres Unterhalts verbrauchen. Das dürfte besonders jene Menschen gravierend treffen, die in den letzten Jahren durch massive Werbekampagnen zum Abschluss einer solchen privaten Lebensversicherung veranlasst worden sind. Schließlich wurde ihnen dort versprochen, dass sie damit für ihren Lebensabend sorgen könnten. Wenn sie jetzt diese Rücklagen bis zum regulären Renteneintritt verbrauchen müssten, wäre gerade diese Alterssicherung konterkariert. Erwerbslosengruppen sehen gerade in dem Zugriff auf das Schonvermögen einen Grund, warum der Gesetzgeber die 58er Regelung auslaufen lassen will.

    Wenig Kooperation in der Politik Bisher zeigt die Politik keine Bereitschaft, die Regelung noch einmal zu verlängern, meinte der ver.di-Arbeitsmarkt-Experte Bernhard Jirku. Initiativanträge der Fraktionen der Grünen und der Linken, die eine solche Verlängerung erreichen wollten, wurden von der großen Koalition und der FDP abgelehnt. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Betroffenen anscheinend keine große Lobby haben. Besonders benachteiligt wären durch das Auslaufen der 58er Regelung Frauen, die wegen Hausfrauentätigkeit geringere Rentenbeiträge eingezahlt haben, aber auch Minijobber und Menschen, die nur zeitweilig beschäftigt waren. Kurz gesagt, würden diejenigen, die schon bisher wenig Geld hatten, auch im Alter benachteiligt bleiben..."

    unter http://www.gutefrage.net/frage…lose-ueber-58-jahre-sagen

    Mit kollegialen Grüßen
    Berny

  • Hallo Berny,

    dein Link ist total veraltet.
    Die Neufassung des § 12a SGB II war dann materiell deutlich abgeschwächt:
    http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__12a.html
    Nun muss man das auch nicht prickelnd finden, aber auch jetzt ist die AA selbst nicht antragsbefugt, wie Du geschrieben hattest.
    Die AA kann einen Bezieher von ALG II bzw. Aufstockungsleistungen zur Antragstellung auffordern, aber auch dagegen kann man sich wehren. Die Rechtsprechung hat da schon einiges wieder gerade gerückt.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.