Gibt es eine Pflicht zum Ausschluss eines BRM aus dem BR?

  • Hallo, Gleichgesinnte,

    wir haben in unserem BR einen üblen Fall von Verletzung der Verschwiegenheitspflicht seitens eines BRM aus §99 bzw. §102 und wissen nicht so recht, ob wir nicht selbst den Ausschluss des BRM beim Arbeitsgericht beantragen müssen.

    Worum geht’s?
    Eine personelle Veränderung wurde von einem BRM in die Belegschaft ausgeplaudert, und der betreffende AN beschwert sich vehement beim BR. Das ist natürlich grottendämlich von unserem BR-Kollegen gewesen, und die GF lauert nur auf sowas, um dieses BRM oder gleich den ganzen BR aus dem Amt zu hebeln (nach §23 BetrVG). Der betroffene AN hat den Vorfall ganz sicher zur GF getragen und erwartet unsere Stellungnahme bzw. unsere Maßnahmen.

    Wir wollen es eigentlich bei einer schriftlichen Rüge belassen, weil wir den Vorfall als grenzwertig sehen im Hinblick auf "grobe Fahrlässigkeit", "objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend". Wenn die GF das anders bewertet, kann sie ja den Antrag stellen.

    Andererseits sind wir unsicher, ob wir damit nicht auch eine Pflichtverletzung begehen würden, denn dabei vernachlässigen wir vielleicht das Schutzinteresse des betroffenen AN, dessen Interessen wir doch zuallererst zu vertreten haben.

    Auch nach diversen Recherchen sind wir noch nicht schlauer: keine Rechtsprechung gefunden.

    Kennt Ihr dazu irgendwas?

    Für Eure immer wieder endlos hilfreichen Tipps danke ich jetzt schon mal!

    Gruß, Syselse

  • Hallo syselse
    Im § 23 des BetrVG steht, Kann, heißt muss nicht.
    Allerdings hätte der betroffene Arbeitnehmer, dessen Daten ausgeplaudert wurden, die Möglichkeit gegen das BRM Gerichtlich vorzugehen.
    Denn nur er ist, so wie ich es verstanden habe, der Geschädigte.
    Aber wurde hier denn so Geheimhaltungspflichtige Informationen weitergegeben?:?

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • § 23 BetrVG ist eine Kann-Vorschrift. Insoweit besteht grundsätzlich ein Ermessensspielraum. An euren "Karren fahren" wird man euch wohl nicht können, wenn ihr die Auffassung vertretet, dass der Pflichtverstoß durch die schriftliche Rüge ausreichend sanktioniert ist.

  • Hallo, Ihr wertvollen Ratgeber,

    danke für die superschnellen Antworten!

    Zitat von erco :


    Denn nur er ist, so wie ich es verstanden habe, der Geschädigte.
    Aber wurde hier denn so geheimhaltungspflichtige Informationen weitergegeben?:?

    Ausgeplaudert wurde unmittelbar nach der Anhörung die Rückstufung um eine Hierarchiestufe (aus welchen Gründen auch immer), die erst in ein paar Monaten ansteht. Der Betroffene sagt, er habe sich deshalb gezwungen gesehen, diese Veränderung schon jetzt seinen Mitarbeitern offenzulegen, als er mitbekam, dass von einem BRM bereits getratscht wird, damit er den Vorgang ins richtige Licht rücken kann. Dies beeinträchtige nun seine Autorität in den nächsten Monaten.

    Das ist schon ziemlich übel für ihn, und der Wichtigtuer, der damit sofort zu seinen Buddies gelaufen ist, zieht damit das ganze Gremium in den Verdacht, nicht sorgsam mit den anvertrauten Dingen umzugehen.

    Wir haben uns sogar gefragt, ob wir dieses Vergehen nicht schon deshalb offenlegen sollten gegenüber der Belegschaft. Und da wäre ein BR-Ausschluss, den wir selbst beantragen, das einzige Signal, das das Vertrauen wenigstens ein bißchen wieder herstellen helfen könnte.

  • Zitat von syselse :


    Ausgeplaudert wurde unmittelbar nach der Anhörung die Rückstufung um eine Hierarchiestufe (aus welchen Gründen auch immer), die erst in ein paar Monaten ansteht. Der Betroffene sagt, er habe sich deshalb gezwungen gesehen, diese Veränderung schon jetzt seinen Mitarbeitern offenzulegen, als er mitbekam, dass von einem BRM bereits getratscht wird, damit er den Vorgang ins richtige Licht rücken kann. Dies beeinträchtige nun seine Autorität in den nächsten Monaten.


    Moment! Der Geschädigte ist der von der Maßnahme betroffene, also der MA, der zurückgestuft werden soll! Der könnte nach §120 gegen das BRM vorgehen.
    Wenn der Vorgesetzte des Betroffenen sich als "Betroffener" sieht, weil er sich für die Rückstufung meint rechtfertigen zu müssen, hat er wohl ein ganz anderes Problem. Aber keins, das mit §23 auch nur im entferntesten in Zusammenhang steht.

  • Hallo zusammen,

    m.E. gibt es keine allgemeine Geheimhaltungspflicht für den BR.
    Der § 79 BetrVG gilt lediglich für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und müssen vom AG ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet werden.
    Ohne genau zu wissen, was das BRM denn da "ausgeplaudert" haben soll, würde ich erst einmal sagen: ein wenig unglücklich gelaufen.

    Aber für ein Ausschlussverfahren nach § 23 sehe ich nicht die geringste Veranlassung und auch nicht die geringste Erfolgsaussicht.

    Also Füße stillhalten und harren der Dinge, die da kommen (oder auch nicht kommen).

    Gruß
    Wolle

  • Zitat von Siegbert :


    § 23 BetrVG ist eine Kann-Vorschrift. Insoweit besteht grundsätzlich ein Ermessensspielraum. An euren "Karren fahren" wird man euch wohl nicht können, wenn ihr die Auffassung vertretet, dass der Pflichtverstoß durch die schriftliche Rüge ausreichend sanktioniert ist.

    Wer soll denn hier eine schriftliche Rüge aussprechen?

    Der BR kann das nicht!

    Darf das der AG?

    heig

  • Hallo,

    der BR kann rügen, soviel er will - das hat keinerlei Wirkung. Es gibt nur hopp oder topp - § 23 oder gar nix.

    @Wolle: Deine Antwort erschüttert mich doch ganz schön. Es gibt im BetrVG einige Vorschriften zum Datenschutz, die ein BRM zu beachten hat. In diesem Fall könnte § 99 Abs. 1 Satz 3 relevant sein.
    Und der Verstoss gegen derartige Verschwiegenheitspflichten ist auch grundsätzlich immer ein Fall für den § 23 - zusätzlich zum individuellen Klagerecht des betroffenen AN.
    Schließlich reden wir hier gem. § 120 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG von einer potentiellen Straftat.

  • Zitat von whoepfner :


    Hallo,

    der BR kann rügen, soviel er will - das hat keinerlei Wirkung. Es gibt nur hopp oder topp - § 23 oder gar nix.

    @Wolle: Deine Antwort erschüttert mich doch ganz schön. Es gibt im BetrVG einige Vorschriften zum Datenschutz, die ein BRM zu beachten hat. In diesem Fall könnte § 99 Abs. 1 Satz 3 relevant sein.
    Und der Verstoss gegen derartige Verschwiegenheitspflichten ist auch grundsätzlich immer ein Fall für den § 23 - zusätzlich zum individuellen Klagerecht des betroffenen AN.
    Schließlich reden wir hier gem. § 120 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG von einer potentiellen Straftat.


    Klare Worte, das mag ich.
    Danke Dir sehr, whoepfner.


    Ja, das ist ein Fall nach §99, es geht darum, die erlangten Kenntnisse aus einer Anhörung (zwar nach §102, aber auch darin steht ja der Bezug zu §99) im Interesse des betroffenen Mitarbeiters vertraulich zu behandeln. Dass es um einen bislang Vorgesetzten geht, enthebt uns nicht dieser Pflicht. Und so langsam bin ich sicher, dass es - um das Vertrauen der Belegschaft zu behalten - nur einen Weg gibt:

    Dem BRM den Rücktritt vom Mandat nahezulegen, anderenfalls das Ausschlussverfahren nach §23 einzuleiten.

    Bin gespannt, was meine Gremiumskollegen am Montag finden.

  • Zitat von Petrus :


    Moment! Der Geschädigte ist der von der Maßnahme betroffene, also der MA, der zurückgestuft werden soll! Der könnte nach §120 gegen das BRM vorgehen.
    Wenn der Vorgesetzte des Betroffenen sich als "Betroffener" sieht, weil er sich für die Rückstufung meint rechtfertigen zu müssen, hat er wohl ein ganz anderes Problem. Aber keins, das mit §23 auch nur im entferntesten in Zusammenhang steht.


    Nochmal genau lesen: Der Geschädigte ist der Vorgesetzte, der in ein paar Monaten keiner mehr sein wird. Und solange läuft er jetzt wie ein geprügelter Hund herum und wird nicht mehr ernst genommen als Gruppenleiter. Gestern genau so passiert bei einem Meeting.

  • Zitat von whoepfner :


    Und der Verstoss gegen derartige Verschwiegenheitspflichten ist auch grundsätzlich immer ein Fall für den § 23 - zusätzlich zum individuellen Klagerecht des betroffenen AN.
    Schließlich reden wir hier gem. § 120 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG von einer potentiellen Straftat.

    Der Betroffene will "mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln" gegen das BRM vorgehen.

    Ich bin ziemlich sicher, dass er sich im BetrVG nicht annähernd genug auskennt (und Anwälte ja leider auch oft nicht), er wird wahrscheinlich nur zivilrechtlich vorgehen.

    Ich denke, da sind wir als BR auch verpflichtet, ihn auf die in Frage kommenden BetrVG-Paragraphen hinzuweisen. Auch wenn es dann einen aus unserem Gremium hart treffen wird.

    Is’ nix mit "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus."

  • @ whoefner
    Hallo Wolfgang,
    meine Antwort braucht Dich nicht zu erschüttern.
    Dafür ist ja so ein Forum da, auch einmal gegenteilige Meinungen zu diskutieren.
    Teile Deine Meinung zum § 99.1.3 nicht, da diese Informationen weder dem Inhalt noch ihrer Bedeutung nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, es sei denn, der AG hat ausdrücklich darauf hingewiesen.
    Spätestens der AG wird diese Informationen jedem zugänglich machen.
    Da halte ich es lieber mit der Einstellung, dass wir ein Betriebsrat und kein Geheimrat sind.

    Gruß
    Wolle

  • Hallo Wolle,

    "Teile Deine Meinung zum § 99.1.3 nicht, da diese Informationen weder dem Inhalt noch ihrer Bedeutung nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, "
    Das kann man - zumindest im Vorfeld der "Degradierung" - durchaus anders sehen.

    "es sei denn, der AG hat ausdrücklich darauf hingewiesen. "
    Das spielt bei dieser Vorschrift (§ 9 Abs. 1 S. 3) überhaupt keine Rolle. Sind die Angaben schutzwürdig, ist das Ausplaudern eine Straftat, ganz egal, was der AG vorher gemeint hat.
    Das BRM muß sich beim § 99 Abs. 1 S. 3 schon eigenständig überlegen, was zum geschützten Bereich des AN gehört.

    "Da halte ich es lieber mit der Einstellung, dass wir ein Betriebsrat und kein Geheimrat sind."
    Grundsätzlich d’accord. Aber bei personellen Einzelmaßnahmen gibt es nun mal gesetzliche Grenzen der Transparenz.

  • Hallo, whoepfner und wolle,

    dass man diese Sachlage unterschiedlich bewerten könnte, hat mich zu dieser Frage im Forum veranlasst.

    Genau zwischen solchen (jeweils sachlich begründeten) Meinungspolen befindet sich auch die Diskussion in unserem Gremium. Die einen machen sich mehr Sorgen um das Bild, das der BR in der Belegschaft bekommt, wenn so etwas passiert und der BR es verharmlost. Andere haben Mitgefühl mit dem Kollegen, der sich so dumm verplappert hat und dafür so hart bestraft werden könnte. Und die übrigen machen sich Gedanken, wozu wir eigentlich in so einer Angelegenheit als BR verpflichtet sind.

    Ich bin zwar auch in Sorge, dass nach so einem Vorfall kein Kollege mehr freiwillig dem BR etwas anvertrauen mag, und ich fühle auch mit dem Kollegen, der aus meiner Sicht besser selbst zurücktritt vom Mandat, als sich vom Arbeitsgericht ausfragen und dann ggf. des Amtes entheben zu lassen.

    Vor allem aber möchte ich, dass sich das Gremium verantwortungsvoll und pflichtgemäß verhält. Das schulden wir dem betroffenen Mitarbeiter und der Belegschaft, und das ist Voraussetzung für eine vertrauensvolle Weiterarbeit im Betrieb.

    Dafür hat mir die Diskussion hier schon sehr geholfen.

    Danke!

    Gruß, syselse

  • ich muss einen Senf noch loswerden, weil ich frage mich gerade, ob die Wogen wohl auch so hoch gegangen wären, wenn der Geschädigte nicht degradiert sondern zum Vorgesetzten befördert worden wäre?

  • Vermutlich nicht, Siegbert.
    Genau deshalb galt es ja auch, in diesem Fall Stillschweigen zu bewahren, bis AN oder AG die Sache öffentlich machen. Und das war erst für kurz vor Weihnachten geplant.

    Ich frage mich, ob wir darüber genauso diskutieren würden, wenn es um einen Kollegen auf Sachbearbeiter-Ebene gehen würde, über den ein anderes persönlich schmerzhaftes Detail ausgeplaudert worden wäre.

  • Hallo,

    persoenliche AN-Daten, die dem BR im Rahmen seiner betriebsverfassungsrechtlichen Obliegenheiten zur Kenntnis gebracht werden, z.B. im Rahmen der Anhoerungen nach 99 BetrVG, sind immer schutzwuedrig. Ich wundere mich, dass das hier ueberhaupt als strittig gesehen wird.

    Fuer eine Amtsenthebung nach 23 III BetrVG wird das nicht ausreichen, da es sich zwar um einen Verstoss gegen die Amtspflichten handelt, aber einen einmaligen und wohl noch nicht ausreichend gravierenden.

    Ein Vorgehen des/der geschaedigten AN nach 120 BetrVG ware m.E. der gangbare Weg. Ich wuerde aber auch hier bezweifeln, dass ein Gericht massive Strafen verhaengen wurde.

    Gruesse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Ich bin da bei Winfried. Dumm gelaufen, mit Sicherheit NICHT ok (ohne Wenn und Aber!), aber für gravierende Maßnahmen als einmaliger Ausrutscher nicht ausreichend.

    syselse
    Auch wenn eine Rüge des Gremiums rechtlich keine echte Wirkung hat, solltet ihr aus meiner Sicht den Vorfall zu Protokoll nehmen (mit Namen desjenigen, der geplaudert hat) mit der Aufforderung an alle Kollegen des Gremiums, sich der besonderen Schutzwürdigkeit personeller Daten im Allgemeinen und der besonderen Vertrauenstellung des Betriesbrates im Besonderen gewahr zu werden.

    Wenn es bei euch üblich ist Informationen an die Kollegen rauszugeben (bei uns schimpft sich das Betriebratstelegramm, in dem wir kurz über aktuelle Dinge berichten), dann könntet ihr die Gelegenheit nutzen und euch bei der Belegschaft im Allgemeinen entschuldigen und darauf hinweisen, dass sich das ganze Gremium mit dem Thema beschäftigt hat um so etwas nicht noch einmal passieren zu lassen.

    Den betroffenen Kollegen würde ich ein solches auch direkt und persönlich mitteilen. Frei nach der Devise: sorry, tut uns leid, soll nicht wieder vorkommen. Mehr können wir im Moment nicht tun.

    Natürlich könnte der Kollege von sich aus seinen Rücktritt erklären. Und das wäre sicher auch eine "publikumswirksame" Maßnahme. Aber hilft sie euch wirklich weiter? Auch Betriebsräte sind Menschen. Und Menschen machen Fehler. Und solange es ein einmaliger Ausrutscher ist und bleibt, wäre ich da zurückhaltend. Sollte der Kollege sich aber hinstellen und jegliches Fehlverhalten von sich weisen, dann würde ich auch überlegen, ob ich den Kollegen im Betrieb nicht mitteile, dass es leider keine Möglichkeit gibt da direkt etwas zu ändern, aber die Kollegen bei der nächsten Wahl ja auch dieses Verhalten "honorieren" können.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Danke Euch allen für die Denkhilfen und Meinungen!

    Wir haben unseren Weg gefunden: dem Betroffenen wird geholfen, der Verursacher wird gerügt (auch wenn das keine rechtliche Bedeutung hat).

    Und diese ernste Angelegenheit lässt uns sicherlich jetzt immer zweimal nachdenken, bevor man irgendetwas unbedacht äußert.

    Gruß, syselse

  • Hallo syselse,

    der Beitrag zeigt mir, dass Ihr notwendigen Schulungsbedarf habt. Daher empfehle ich Euch das Seminar beim IFB:

    "Geheimhaltungspflichten, Haftung des Betriebsrats und Arbeitnehmervertretung"

    Die Inhalte des Seminar könnt Ihr auf dieser Seite nachlesen. Der Vorscvhlag ist als Tipp gemeint.

    Gruß Berny

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.