Rufbereitschaft vs. Bereitschaftsdienst

  • Hallo,

    wir haben eine BV, die Regelungsabrede genannt wurde, die das Thema "Rufbereitschaft" regelt.
    Da hier u.a. geregelt wird, dass Mitarbeiter verpflichtet sind Rufbereitschaft zu leisten und wie diese zu erfolgen hat, dürfte es sich um keine Regelungsabrede sondern um eine BV handeln.

    Nach kurzem googlen habe ich herausgefunden, dass es einen Unterschied zwischen "Rufbereitschaft" und "Bereitschaftsdienst" gibt. Zum Unterschied sagt Wikipedia:

    Zitat

    Der Arbeitnehmer darf sich während der Rufbereitschaft an einem von ihm selbst gewählten Ort aufhalten. Er darf sich aber nicht in einer Entfernung vom Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderläuft, er muss also die Arbeit alsbald aufnehmen können, so dass im Bedarfsfall die Arbeitsaufnahme gewährleistet ist[1].

    Wird allerdings von einem Arbeitnehmer verlangt, dass er ständig binnen eines so kurzen Zeitraumes dienstlich zur Verfügung steht, dass seine Möglichkeit erheblich eingeschränkt wird, sich um persönliche und familiäre Angelegenheiten zu kümmern, beispielsweise an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, oder sich mit Freunden zu treffen, liegt keine Rufbereitschaft mehr, sondern Bereitschaftsdienst vor[2].

    ein weiterer Unterschied ist die Berechnung der Arbeitszeit. Während bei der Rufbereitschaft nur die tatsächliche Tätigkeit berechnet wird, wird bei dem Bereitschaftsdienst die komplette Zeit berechnet, also auch die, in der gerade kein Anruf eingeht.


    In der BV ist u.a. geregelt, dass der Mitarbeiter "unverzüglich" und "jederzeit" einsatzbereit sein muss und an seinem Heimarbeitsplatz zu arbeiten hat.
    Die Begriffe "unverzüglich" und "jederzeit" klingen für mich nicht danach, dass der Mitarbeiter die Möglichkeit hat nebenbei Veranstaltungen oder Freunde zu besuchen.

    Handelt es sich nun Rufbereitschaft oder um Bereitschaftsdienst?

  • Wie sagte mal eine ifb Referentin: Eine Regelungsabrede, die vor beiden Parteien unterschrieben ist, ist eine Betriebsvereinbarung.

    Da der Mitarbeiter "unverzüglich" = ohne schuldhaftes Zögern von seinem Heimarbeitsplatz aus arbeiten muss, ist das m.E. ein Bereitschaftsdienst, denn er kann seinen Aufenthaltsort nicht frei wählen.

    Klassisches Beispiel ist hier auch ein Arzt, der sich während seiner Bereitschaft auf dem Klinikgelände aufhalten muss.

  • Hallo.

    M.E. widersprechen die Formulierungen nicht der Idee der Rufbereitschaft.

    :arrow: "Jederzeit" ist eigentlich klar, während der Rufbereitschaft ist der/die AN verpflichtet, sich bereit zu halten und im Falle des Falles anzutreten.
    :arrow: "Unverzüglich" heißt nur, dass der/die AN den Antritt nicht schuldhaft verzögern darf. Er/Sie kann den Aufenthaltsort (mit erlaubten Einschränkungen, die Du in Deinem Zitat selber erwähnt hast: Ist die Rufbereitschaft in München, wird er/sie sich nicht in Hamburg aufhalten dürfen, aber u.U. am Starnberger See) frei wählen und kommt bei Ruf zum Dienst.

    Es wäre sinnvoll uns ist m.W. auch die Regel, dass in Regelungen zur Rufbereitschaft Latenzzeiten festgelegt sind, d.h. dass - wie es bei Euch nicht der Fall zu sein scheint - klar geregelt ist, dass der/die AN bei Ruf innerhalb einer definierten Zeit anzutreten hat. Je länger diese ist, desto größer die Wahlfreiheit des Aufenthaltesortes, je kürzer, desto näher rutscht die Rufbereitschaft an die Bereitschaft heran.

    Im Übrigen sehe ich es so, dass Ihr faktisch eine BV habt, sobald die Regelung zwischen den Betriebsparteien schriftlich fixiert ist. Ob die AN aber überhaupt verpflichtet sind, Rufbereitschaften zu leisten, wird davon abhängen, ob diese Sonderform der Arbeit in ihren AVen geregelt ist - ohne AV-Reglung kann das auch per BV nicht dekretiert werden.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • ich habe heute eine MA gefragt wie die Tätigkeit abläuft.
    Es ist so, dass der Kunde anruft und der Mitarbeiter direkt seinen Laptop hochfahren muss um den Fall zu bearbeiten.

    Laut Aussage des MA ist es zwar theoretisch möglich an verschiedenen Orten zu arbeiten (man kann ja den Laptop mitnehmen), allerdings funktioniert das in der Praxis nicht. Nicht einmal einkaufen soll möglich sein, denn man müsste sofort alles stehen und liegen lassen, aus dem Supermarkt zum Auto flitzen und den Fall bearbeiten. Rufbereitschaft wäre für mich, wenn ich den Einkauf zuende führen kann und anschließend den Fall erledigen kann.

    Oder sehe ich das zu weit gefasst?
    Das Thema ist ja für die Berechnung der Arbeitszeit wichtig. Denn die gesetzliche Höchstgrenze wird deutlich eher und schneller überschritten, wenn es sich um einen Bereitschaftsdienst handelt.

  • Hallo,

    wenn das faktisch so gehandhabt wird, wenn also die AN sich wegen der kurzen Reaktionszeit faktisch ihren Aufenthaltsort nicht (relativ) frei wählen könnten, dann wäre es in der Tat Bereitschaftsdienst und nicht Rufbereitschaftsdienst, mit den entsprechenden arbeitszeitrechtlichen und vergütungstechnischen Folgen.

    Außerdem müßte man sich darüber unterhalten, ob und inwieweit die Mitbestimmung des BR hier verletzt wird, denn dieser hat in der BV ja nicht einen Bereitschaftsdienst geregelt, sondern eine Rufbereitschaft, und nur dieser hat er zugestimmt.

    Meine Frage, ob die AVe (Ruf)Bereitschaften überhaupt zulassen, ist aber noch nicht beantwortet.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Den Mitarbeitern werden laut dieser BV Vertragsergänzungen angeboten. Und da die meisten befristet beschäftigt sind, werden sie auch unterschreiben.
    Die BV galt vorher nur für einen bestimmten Bereich. Da unser Betriebsteil nun in diesem Bereich eingegliedert wurde, gilt diese BV laut Interessenausgleich auch für unseren Betriebsteil.

    Da werden wir uns noch mal die genauen Gegebenheiten anschauen müssen, denn m.E. stinkt das zum Himmel mit vielleicht fatalen Folgen. Aber selbst wenn tatsächlich nur Rufbereitschaft vorliegt so ist uns schon zu Ohren gekommen, dass die ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden nicht eingehalten wird. Eine MA hat bspw. eine Normalarbeitszeit von 8.00 bis 16.30 Uhr. Danach bis zum nächsten Tag um 8.00 Uhr ist dann Rufbereitschaft. Da kommen dann im Schnitt alle 3 bis 4 Stunden Anrufe rein, so dass es sein kann, dass um 4.00 Uhr morgens der letzte Anruf reinkommt und man um 8.00 wieder im Büro steht.

    Laut BV darf der BR sich die Arbeitszeitkonten anschauen um die Einhaltung der Ruhezeit zu kontrollieren, allerdings ist mir schon zu Ohren gekommen, dass nicht für jeden einzelnen Anruf eine Zeitmeldung abgeschickt wird sondern zusammengefasst in einen Block zu einer falschen Uhrzeit.

    Das ist schon mal das erste Problem, denn wie sollen wir die Einhaltung der Ruhezeiten überprüfen können, wenn alle Anrufe zusammengefasst werden und zu einer falschen Uhrzeit eingetragen werden?

    Noch schlimmer wird es, wenn es sich nicht nur um Rufbereitschaft sondern um Bereitschaftsdienst handelt. Dann hätte man quasi einen 24 Stunden Arbeitstag... und der Vorgesetzte steht mit einem Bein im Knast...

  • Mal eine ganz andere Frage ist in der Regelungsabrede/BV nichts zum Thema Mitbestimmung des BR geregelt?

    Bei uns zB. sind die Rufbereitschaftspläne beim Betriebsrat spätestens 8 Wochen vorher einzureichen und der Betriebsrat muss der Regelung zustimmen sonst wird keine Rufbereitschaft geleistet....

    Deweiteren solltet ihr schon alleine die Mitarbeiter darauf hinweisen, dass sie ihre Arbeitszeiten richtig erfassen sollten, denn das ist auch immer ein Kündigungsgrund.

    Einhaltung der Ruhezeiten ist gesetzlich geregelt und da müssen natürlich die Vorgesetzten drauf achten. Wenn also ein Mitarbeiter um 4 uhr morgens noch einen Anruf bekommt, dann muss er seine Ruhezeit einhalten und dann erst dementsprechend später zur Arbeit erscheinen.

    Die Hauptfrage ist natürlich was ihr (als Betriebsrat) erreichen wollt. Eine Verbesserung der Rufbereitschaft? Schichtdienst? Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes?

  • Erstmal die Ruhezeiten zu beachten und als zweites zu überprüfen, ob nicht eher Bereitschaftsdienst vorliegt.

    Rufbereitschaftspläne sind nicht geregelt. Die Rufbereitschaft wird laut BV in Abstimmung mit dem Vorgesetzten geregelt. Bei einem Konflikt kann dann der Betriebsrat eingeschaltet werden.

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.