Ein ganz aktueller Fall. En Kollege wurde wegen häufigem Zuspätkommens bereits 2 mal schriftlich abgemahnt. Das hat sich inzwischen total gebessert.
Nun soll er eine Kündigung bekommen, weil er im Produktionsbereich- wir sind zertifiziert und in der Nahrungsmittelbranche- eine leere Packung "Süßes" in der Hand hatte. Verzehr wurde nicht festgestellt.
Nun meine Frage. Dieser Fall gibt dem AG Anlass zur Kündigung. Es wird sich darauf berufen, dass es bereits 2 verhaltensbedingte Abmahnungen gab. Ist es so richtig? Genügt nur die Art der Verfehlung (verhaltensbedingt), oder muss da ein gleicher Sachverhalt vorliegen?
Danke im Voraus für hilfreiche Beiträge!!!
Abmahnung, nur bei "gleichen" Verfehlungen?
- pillepalle
- Geschlossen
- Erledigt
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Hi,
m.E. können die beiden Abmahnungen nicht mit zur Begründung der Kündigung herangezogen werden.
Das ginge nur, wenn es sich um den gleichen Sachverhalt handeln würde.Gruß
Wolle -
Hallo,
da stimme ich Wolle prinzipiell zu, um Abmahnungen für eine Kündigungsbegründung heranzuziehen, muß es sich schon um den gleichen oder einen ähnlichen Sachverhalt handeln. Das ist hier nicht der Fall.
Ihr produziert Süsses und der/die AN wurde mit einer leeren Packung Eures Produktes in der Hand gesehen? Es besteht also der Verdacht, dass hier Eigentum des AG gestohlen und verzehrt wurde? Und zwar ohne dass nachgewiesen ist, dass der/die AN den Packungsinhalt tatsächlich verzehrt hat - er könnte die leere Packung ja gefunden und nur aufgehoben haben, um sie ordnungsgemäß in den Müll zu entsorgen?
Da sollte Euer AG sich mal etwas ausführlicher mit der Thematik "Verdachtskündigung" beschäftigen, und auch Ihr als BR solltet das tun. Da hat sich schon mancher AG böse verheddert...
Grüsse Winfried
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Nee,Winfried, wir füllen Kaffee ab! Der Kollege hatte eine leere Packung in der Hand, die "aufgefuttert" war. Kein eigenes Produkt. Wollte es jemandem zeigen-hat er erzählt. Ist nicht mehr mit: "Wollte ich entsorgen, weil es da so lag." Bei uns in der Produktion sind alle Ess- und Trinkwaren und Schmuck verboten. Könnten ja ins Produkt fallen. Wir sind auditiert. Ist Kundenwunsch.
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Aha.
Es besteht also der Verdacht, dass der/die AN in der Produktion etwas gegessen hat, obwohl das verboten war. Hier möchte ich lauthals loslachen: Dieses Fehlverhalten ist m.E. so geringfügig, dass es wohl nicht einmal abmahnbar wäre, erst recht wird es keine Kündigung begründen können. Geschweige denn eine Verdachtskündigung.
Euer AG wird, so er diese Kündigung ausspricht, im Falle einer Kündigungsschutzklage vor dem ArbG schwer baden gehen. Davor sollte der BR ihn schützen.
Frage: Das Verbot, während der Arbeit zu essen oder Schmuck zu tragen, betrifft das Ordnungsverhalten. D.h. - Kundenwunsch und QM bzw. Audit hin oder her - es besteht Mitbestimmung des BR nach § 87 I Nr. 1 BetrVG. Habt Ihr denn überhaupt eine BV, in der dieses Verbot geregelt ist?
Grüsse Winfried
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Zitat von Winfried :
Frage: Das Verbot, während der Arbeit zu essen oder Schmuck zu tragen, betrifft das Ordnungsverhalten. D.h. - Kundenwunsch und QM bzw. Audit hin oder her - es besteht Mitbestimmung des BR nach § 87 I Nr. 1 BetrVG. Habt Ihr denn überhaupt eine BV, in der dieses Verbot geregelt ist?Grüsse Winfried
Ich schließe mich der Meinung der Vorschreiber an:wink: .Wenn es Arbeitanweisungen bzw. Arbeitsschutzbestimmungen gibt die essen oder Schmuck tragen verbietet, kann es doch nicht Gegenstand einer BV sein? Dann müßte doch so wie du es schreibst auch das Tragen von Schutzkleidung da mit rein fallen.
Die Grenzen sind hier sicherlich fließend, aber in diesem Fall halte ich den §87(1) BtrVG für nicht zutreffend.
heig
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Hallo Heig,
so, wie der Fall bisher geschildert wurde, liegt hier keine Pflicht zum Verbot von Essen oder Schmuck aus einem Gesetz, einer Verordnung o.ä. vor; ich würde Dir zustimmen, wenn eine solche Pflicht vorläge, die dem AG keinen Gestaltungsspielraum ließe. Ergibt sich diese Anweisung aber aus einem Kundenwunsch oder aus einem QM-Verfahren o.ä., dann hat der BR eindeutig Mitbestimmung.
Pillepalle klärt uns bestimmt noch auf, was hier zutrifft. Gell?
Grüsse Winfried
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Einspruch euer Ehren.
Es handelt sich um einen Lebensmittel produzierenden Betrieb.
Da sind in der direkten Produktion Lebensmittel und das Tragen von Dingen, welche Verunreinigungen beim Endprodukt verursachen können verboten. Dann müsstest du ja auch das tragen von einem Haarnetz und Arbeitsschutzschuhen in einer BV regeln.
Bei uns ist das Tragen von Uhren, Schmuck u.ä. auch untersagt, da es auf unserem Endprodukt Schäden verursachen könnte. Ebenso sind alle Ecken und Kanten (wo möglich) geschützt.
Bei uns war vor Jahren in einem Bereich sogar die Nutzung von Deos oder Haarsprays während der Arbeitszeit untersagt, da durch ihre Benutzung massive Qualitätsprobleme auftraten.heig
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Auch Einspruch, heig und winfried,
das MBR bleibt auch bei der Umsetzung/Ausgestaltung gesetzlicher Vorschriften grundsätzlich erhalten. Die Frage ist lediglich, wie stark sich der Ermessensspielraum des BR evtl. reduziert und/oder begleitende Maßnahmen durchsetzbar sind.
So kann sich z. B. bei einem Rauchverbot in reinen Betriebsstätten der Ermessensspielraum des BR zwar durchaus auf Null reduzieren, aber z. B. die Frage von gesetzeskonformen Rauchgelegenheiten kann dann mitgeregelt werden.
Dies muß der BR in einem normalen MB-Verfahren prüfen können. -
Zitat von Winfried :
Hallo Heig,Ergibt sich diese Anweisung aber aus einem Kundenwunsch oder aus einem QM-Verfahren o.ä., dann hat der BR eindeutig Mitbestimmung.
Pillepalle klärt uns bestimmt noch auf, was hier zutrifft. Gell?
Grüsse Winfried
Es ist tatsächlich so, dass es in QM-Dokumenten steht. Dazu hatte und hat der BR MBR. In "kritischen Hygiene-Bereichen" ist das alles verboten. Es finden auch jährlich Hygieneschulungen statt, wo Teilnahmepflicht besteht, und es immer wieder aufgefrischt wird.
Die Frage ist nun, inwieweit in diesem Fall die sofortige Kündigung angemessen ist- auch im Zusammenhang mit den vorigen Abmahnungen wegen Verspätung am Arbeitsplatz.
Unter der letzten Abmahnung stand:
Im Falle einer weiteren derartigen oder ähnlichen Pflichtverletzung wird ihr Arbeitsverhältnis ohne weitere Abmahnung gekündigt.
In Fettschrift. Ist dieser Fall "derartig oder ähnlich"? -
Also die Abmahnung wegen Unpünktlichkeit spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.Nach meinem Kenntnisstand.
Ob die zweite Verfehlung eine Kündigung rechtfertigt halte ich für fragwürdig.
heig
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Hallo!
Zitat von whoepfner :Auch Einspruch, (...) winfried, das MBR bleibt auch bei der Umsetzung/Ausgestaltung gesetzlicher Vorschriften grundsätzlich erhalten. Die Frage ist lediglich, wie stark sich der Ermessensspielraum des BR evtl. reduziert und/oder begleitende Maßnahmen durchsetzbar sind.
Dein Einspruch ist berechtigt, bloß bin ich der falsche Adressat, denn ich hatte ja darauf verwiesen, dass der BR nur dann keine Mitbestimmung ausüben kann, (Fettung nachträglich) ...
Zitat von Winfried:(...) wenn eine solche Pflicht vorläge, die dem AG keinen Gestaltungsspielraum ließe.
Ich stelle jetzt einfach mal ganz frech Einigkeit zwischen uns fest.
Heig, Dein Einspruch geht fehl, so lange Du nicht weißt, auf welcher Grundlage ein Essensverbot herrscht. Ich gehe mal davon aus, dass in einem Lebensmittel verarbeitenden Betrieb das Essen und Trinken während der Arbeit nicht per Gesetz oder Verordnung und generell (ohne Gestaltungsspielraum) verboten ist. Pillepalle habe ich so verstanden, dass diese Pflicht nicht aufgrund von Gesetz und/oder Verordnung, sondern aufgrund von internen QM-Festlegungen besteht.
Es existiert(e) also ein klarer Mitbestimmungs- und Gestaltungsspielraum. Offensichtlich scheint der BR diese Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 1 BetrVG bereits ausgeübt zu haben.
pillepalle: Nochmal, eine Kündigung, ordentlich oder außerordentlich, ist wegen solch eines Pipifax’ auf jeden Fall unangemessen. M.E. wäre das Fehlverhalten sogar so geringfügig, dass man sich über die Abmahnbarkeit schon streiten könnte. Die älteren Abmahnungen können nicht herangezogen werden, da sie komplett andere Tatbestände betrafen.
Frage: Was wird dem/der AN denn nun vergeworfen? Etwas gegessen zu haben? Eine leere Pralinenschachtel in die Arbeit mitgebracht zu haben? Oder was?
Grüsse Winfried
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Zitat von pillepalle :
Ein ganz aktueller Fall. En Kollege wurde wegen häufigem Zuspätkommens bereits 2 mal schriftlich abgemahnt. Das hat sich inzwischen total gebessert.
Nun soll er eine Kündigung bekommen, weil er im Produktionsbereich- wir sind zertifiziert und in der Nahrungsmittelbranche- eine leere Packung "Süßes" in der Hand hatte. Verzehr wurde nicht festgestellt.
Nun meine Frage. Dieser Fall gibt dem AG Anlass zur Kündigung. Es wird sich darauf berufen, dass es bereits 2 verhaltensbedingte Abmahnungen gab. Ist es so richtig? Genügt nur die Art der Verfehlung (verhaltensbedingt), oder muss da ein gleicher Sachverhalt vorliegen?
Danke im Voraus für hilfreiche Beiträge!!!Hallo Pillepalle,
ich würde hier einen anderen Weg gehen. Erst einmal unabhängig davon, ob eine Kündigung Rechtswirkung hat oder nicht, sollte der BR hier dagegegen stimmen. Auch wenn Ihr der Kündigung widerspricht, wird diese erst einmal wirksam. Aber mit Eurem Widerspruch hat der AN die Möglichkeit eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Wenn der BR dagegen der Kündigung zustimmt, hat der AN bei einer Kündigungsschutzklage keine Erfolgsaussichten mehr.
Gruß Berny
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Zitat von Berny :
Aber mit Eurem Widerspruch hat der AN die Möglichkeit eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Wenn der BR dagegen der Kündigung zustimmt, hat der AN bei einer Kündigungsschutzklage keine Erfolgsaussichten mehr.
Sorry, aber das ist wirklich absoluter Quatsch! Die Möglichkeit, Kündigungsschutzklage einzureichen bzw. die Aussichten einer Kündigungsschutzklage haben nichts, aber auch gar nichts, mit der Reaktion des BR auf die Anhörung zu tun! Winfried
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Wie es in diesem Fall weitergeht, werde ich demnächst berichten. Es kann dann allerdings sein, dass- zumindest Winfried- wirklich von Glauben abfällt. "Die Hoffnung stirbt zuletzt" wie in einem Beitrag in der WA-Rubrik geschrieben. Ich kann es einfach nicht lassen, aus meiner "Insel der Glückseligen" zu berichten. Ich meine die Firma, wo ich beschäftigt bin.
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Zitat von pillepalle :
Es kann dann allerdings sein, dass- zumindest Winfried- wirklich von Glauben abfällt.
Ich bin Agnostiker. Außerdem ist auch mir bekannt, dass so mancher AG Dinge tut, die einer Rechtsüberprüfung nicht wirklich standhalten, sei es nun z.B. im Betriebsverfassungs- oder im Kündigungsrecht. Grüsse Winfried
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Zitat von pillepalle :
Wie es in diesem Fall weitergeht, werde ich demnächst berichten. Es kann dann allerdings sein, dass- zumindest Winfried- wirklich von Glauben abfällt.
Nun berichte ich weiter.
Bei der persönlichen Anhörung im Beisein des BRV wurde dem MA unmißverständlich die beabsichtigte Kündigung mitgeteilt. Am nächsten Tag beim Gespräch nur mit mir, dem BRV, wurde dann erklärt, nachdem ich ihm die Kündigungschancen als ziemlich gering erklärt hatte, "Sie (BR) entscheiden, ob jemand gekündigt wird)!!!!)". Ich dachte, mich trifft der Hammer! (Ich fall` vom Glauben ab). Der BR entscheidet über Kündigung!!
Das soll nun nicht heißen, dass man den MA behalten möchte. Es soll in diesem Fall unbedingt "im gegenseitigen Einvernehmen" eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Nach § 1a KSchG läuft das ab. Abfindung, Freistellung, keine Sperre beim AA, gutes Zeugnis...
Dabei soll wohl der BR(V) mithelfen, dem MA dieses schmackhaft zu machen. Der(BR) sträubt sich aber vehement dagegen. Der MA möchte gerne hier bleiben. Er hätte allerdings zukünftig keinen leichten Stand, angeblich ist er auch bei den Kollegen nicht so wirklich der Held. Bei der nächsten "Auffälligkeit" könnte er dann hinterher ohne etwas dastehen.Oder sollte der BR bei Abwägung aller Risiken auch über eine Aufhebung nachdenken?
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in diesem Fall würde ich lieber nicht vom Glauben fallen und tunlichst die Hände von des Arbeitgebers Aufgaben lassen. Wenn er meint, er müsse das Arbeitsverhältnis beenden, dann möge er das Anleiern. Aber Bitte nicht der Betriebsrat oder dessen Vorsitzender. Das ist nicht euer Job.
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Zitat von Siegbert :
Aber Bitte nicht der Betriebsrat oder dessen Vorsitzender. Das ist nicht euer Job.Ja, dass sehen wir auch so! Wir sind keine Anwälte.
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Zitat von pillepalle :
Ja, dass sehen wir auch so! Wir sind keine Anwälte.
Gut so. Winfried