Krankmeldung aus der Türkei

  • Zitat von Tyler Durden :


    bin gespannt. tyler

    Moin BRler, hallo Tyler

    auch andere haben mit Spannung den Ausgang des Prozesses verfolgt, z.B. die Kollegen des Gekündigten.

    Bevor der Prozess nun am 12.11.2010 weiter ging, wurde durch den Konzern (so weit oben ist der Fall schon angekommen) entschieden, den Syndikus des Arbeitgeberverbands nicht mehr mit der Vertretung vor dem ArbG zu betrauen, sondern einen anderen Rechtsanwalt (Kanzlei ca. 400 km von hier entfernt) zu beauftragen. Angeblich gibt es von der Konzernleitung bereits heute die Anweisung, gegen ein Urteil in der ersten Instanz Beschwerde beim LAG einzulegen.

    Unser BRV war als Zuschauer in der Kammerverhandlung. Allerdings wurde er auf Antrag des AG-Vertreters des Saals verwiesen, weil er als möglicher Zeuge benannt wurde. Dadurch kann ich jetzt nur vom indirekten Hören-Sagen weiter berichten.

    Nachdem die Vorsitzende die Einleitung durch hatte, sollte der AG-Vertreter die Gründe für die Kündigung darlegen. Einer der ehrenamtlichen Richter hat danach den AG-Rechtsanwalt ein paar Fragen gestellt. Die Fragen waren scheinbar recht unangenehm. So zumindest kann man sich erklären, dass der AG-Rechtsanwalt als Folge gegen den ehrenamtlichen Richter ein Befangenheitsantrag gestellt hatte. Die Vorsitzende musste darauf hin die Kammerverhandlung unterbrechen. Ein neuer Termin ist für Mitte/Ende Dezember angesetzt. Ich gehe davon aus, dass die Kammer mit einer neu besetzten Richterbank die Fortsetzung durchführen wird - Aber nicht, weil dem Befangenheitsantrag stattgegeben wird, sondern weil am örtlichen ArbG zu jeder Verhandlung die Richterbank ausgewechselt wird. Ich bin selbst ehrenamtlicher Richter, daher weiß ich das.

    Gruß
    Rolf

  • Zitat von Rolf L :

    sondern weil am örtlichen ArbG zu jeder Verhandlung die Richterbank ausgewechselt wird.

    Das wäre ein astreiner Anfechtungsgrund, übrigens. Wenn in einer Sache über mehrere Termine verhandelt wird, haben die selben RichterInnen an allen teilzunehmen. Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zwischenbericht...

    Die Vorsitzende der verantwortlichen Kammer wurde versetzt und alle Vorgänge dieser Kammer wurde zunächst ruhen gelassen und nun neu terminiert. Es soll wohl mit der Abarbeitung der laufenden Fälle am 1. März 2011 weiter gehen.

    Zitat von Winfried :

    Das wäre ein astreiner Anfechtungsgrund, übrigens. Wenn in einer Sache über mehrere Termine verhandelt wird, haben die selben RichterInnen an allen teilzunehmen. Winfried


    Kannst du mir hierzu einen Gesetzestext posten? Ich meine, dass die Grundlage für die Besetzung einer Richterbank länderspezifisch ist. In Niedersachsen wird in der ersten Instanz immer die Kammer mit den auf einer Abarbeitungsliste nächsten eRi besetzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Land Niedersachsen gegen eine Prozessordnung verstößt.

    Gruß
    Rolf

  • Hallo Rolf,

    Grundlage ist ein Bundesgesetz, das ArbGG (http://www.gesetze-im-internet.de/arbgg/index.html). Da die ehrenamtlichen und hauptamtlichen RichterInnen zusammen den Beschluß bzw. das Urteil fällen, müssen auch alle am kompletten Verfahren, also an allen Kammerterminen, also z.B. auch an allen Beweiserhebungen, ZeugInnenaussagen etc., partizipiert haben.

    Ich habe selbst einmal erlebt, dass ein Kammertermin platzte und vertagt werden mußte, weil der Vorsitzende Richter nicht daran gedacht hatte, die RichterInnenbank beim zweiten Kammertermin mit den selben ehrenamtlichen RichterInnen zu besetzen, wie beim ersten.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Es geht weiter...

    Gestern wurde die Verhandlung fortgesetzt.
    Dem Befangenheitsantrag der AG-Seite wurde stattgegeben. Es verhandelte eine komplett neue Richterbank.
    Nach Einführung in den Sachstand trug die AG-Seite folgende Argumentation vor:
    Der AN hatte seine Rückreise aus der Türkei nach der Krankheit erst am Freitag angetreten und konnte nach Routenplanung nicht so rechtzeitig wieder am Wohnort sein, um, nach einer vernünftigen Ruhezeit, am Sonntagabend zu Beginn der Nachtschicht ausgeruht zur Verfügung stehen (3800 km, Reise mit eigenem PKW). Somit sei also bewiesen, dass er nicht geplant hätte, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Dies wurde gestern vorgetragen. Nun hat die AN-Seite zur Erwiderung etwa 4 Wochen Zeit.

    Gruß
    Rolf

  • Ich binn jezt erst auf den Fall hier Aufmerksam geworden aber das ganze liest sich wie ein Krimmi sehr Spannend bin gespannt wies weiter geht.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Hallo Rolf,

    mit diesem Vortrag
    um, nach einer vernünftigen Ruhezeit, am Sonntagabend zu Beginn der Nachtschicht ausgeruht zur Verfügung stehen (3800 km, Reise mit eigenem PKW).
    wird mE der AG aber ziemlich auf die Nase fallen, da es ihn grundsätzlich nichts angeht, wie und wann ein AN sich erholt oder sonstwie seine Freizeit verbringt. Wenn er nicht mehr in der Hand hat und der AN-Anwalt was taugt, wird das wohl teuer für den AG.

  • Hallo,

    ich stimme Whoepfner zu, meine aber, mit diesem Vortrag wird der AG auch noch aus einem weiteren, rein formalen, Grund auf die Nase fallen: Er kann nämlich im Kündigungsschutzprozeß keine Tatsachen vortragen, die er nicht schon in der Anhörung des BR vorgetragen hat.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat


    ich stimme Whoepfner zu, meine aber, mit diesem Vortrag wird der AG auch noch aus einem weiteren, rein formalen, Grund auf die Nase fallen: Er kann nämlich im Kündigungsschutzprozeß keine Tatsachen vortragen, die er nicht schon in der Anhörung des BR vorgetragen hat.

    Der AG-Vertreter soll erklärt haben, dass der vorsitzende Richter sehr gut auf seinen Vortrag reagiert hat.

    In der Anhörung für den BR war tatsächlich dieser Aspekt vollkommen unberücksichtigt. Wird dem AN-Anwalt eigentlich eine Kopie der BR-Anhörung zur Verfügung gestellt? Wenn der AN-Anwalt grundsätzlich die Anhörung bestreitet, dann reicht doch die Stellungnahme des BR aus, um den Beweis zur ordentlichen BR-Anhörung anzutreten, oder?

    Gruß
    Rolf

  • Hallo,

    die anwaltliche Vertretung der AN-Seite sollte in der Erwiderung auf jeden Fall darlegen, dass hier Sachverhalte in das Verfahren eingebracht worden sind, die nicht Teil der Anhörung des BR waren und damit nicht verwendet werden dürfen. Das müßte die AG-Seite dann widerlegen.

    Im Übrigen erzählen AG-VertreterInnen nach ArbG-Terminen immer gerne sonstwas, wie "positiv" das ArbG auf ihre Argumente reagiert habe, und dann sind sie sehr verwundert über das Urteil. Zumindest ist das meine Erfahrung.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Stand der Dinge:

    Es erging beim letzten Kammertermin ein Auflagenbeschluss. Danach muss die AN-Seite zu der neuen Darstellung der AG-Seite Stellung nehmen. Der nächste Kammertermin ist am 12. Juli.

    Was aber das Ganze für den AG so risikolos macht ist die Tatsache, dass der AN bisher ununterbrochen krankgeschrieben ist. Somit müsste der AG also keinen Lohn nachzahlen, wenn der Prozess aus Sicht des AGs verloren wird.

    Der nächste Kammertermin ist mitten in meiner Urlaubszeit. Wenn ich aus meinem wohlverdienten Urlaub (jemand anderer Meinung? :evil: ) zurück bin, werde ich euch wieder informieren.

    Gruß
    Rolf

  • Hallo Rolf,

    ganz so preisgünstig ist die Angelegenheit nicht, da zumindest nach EuGH-Rechtsprechung für 2011 neuer Urlaub anfällt.
    Da vor dem 12.07. keine Entscheidung ergeht, fällt schon mal der komplette gesetzliche Urlaubsanspruch für 2011 an.

  • Zitat von whoepfner :


    ...ganz so preisgünstig ist die Angelegenheit nicht
    ...fällt schon mal der komplette gesetzliche Urlaubsanspruch für 2011 an.

    Na klar, da hast natürlich recht. Aber im Verhältnis ist dies doch ein geringes "Restrisiko" (mir gefällt dieses Wort so gut :D )

    Gruß
    Rolf

  • So, vorläufig ist der Fall abgeschlossen. Am 13. Juli kam es zum "Show Down". Dem AN-Vertreter wurde also aufgegeben, die Richtigkeit der Dokumente (Krankschreibung, Krankenhausaufenthalt etc.) aus der Türkei zu beweisen. Dies hat der AN-Vertreter auch fristgerecht gemacht, allerdings soll dann beim Kammertermin nicht mehr auf die Dokumente eingegangen worden sein.

    Der Richter hat nochmals versucht, einen Vergleich abzuschließen (Wie es auch das Gesetz vorsieht). Der AN-Vertreter soll erklärt haben, dass ein Vergleich nicht zur Debatte steht, weil "das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört sei" und der Kläger nach wie vor die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt haben möchte.

    Ich war während des Kammertermins im Urlaub und habe den Verhandlungsverlauf nur aus Erzählungen unseres Geschäftsführers und eines Freundes des Klägers. Ich kenne den AN-Vertreter sehr gut und glaube nicht, dass er so wie oben beschrieben vorgegangen ist.

    Auf jeden Fall soll also die Kammer aufgrund des zerstörten Vertrauensverhältnisses die fristlose Kündigung in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt haben.

    Wenn das alles tatsächlich so abgelaufen ist, dann wird wahrscheinlich von AN-Seite Beschwerde beim LAG eingelegt werden. Das Urteil ist noch nicht geschrieben. Ich weiß auch noch nicht, ob ich das Urteil der ersten Instanz zu sehen bekommen, weil das Arbeitsgericht hier am Ort die Urteile (noch) nicht im Internet veröffentlicht.

    Gruß
    Rolf

  • Moin, moin,

    gestern habe ich zufällig den Rechtsanwalt des Arbeitskollegen in der Stadt getroffen und ich habe ihn natürlich sofort auf die Sache angesprochen.

    Der RA hat inzwischen das Urteil vorliegen und hat es mit seinem Mandanten (mein Kollege) bereits besprochen. Die ganze Sache wird also demnächst vor dem LAG Hannover ausgetragen. Der RA meinte noch, dass der Richter noch sehr unerfahren sei und man ihn auf diesem Weg noch ein wenig nachschulen kann. Er ist davon überzeugt, dass dem ArbG der ersten Instanz das Urteil "um die Ohren fliegen wird".

    Gruß
    Rolf