kann der AG ein Ersatzmitglied von einer BR-Sitzung fernhalten?

  • Hallo,
    ist es möglich, dass der Arbeitgeber ein Ersatzmitglied nicht freistellen muß, damit es an einer BR-Sitzung teilnehmen kann?
    Wir haben bisher immer unsere BR-Sitzungen inklusive der 2 nächsten Nachrücker durchgeführt. Jetzt gibt es mit einem leitetenen Angestellten das Problen, dass dieser dem Ersatzmitglied nicht freistellen will.
    Wie ist die Rechtssprechung zu diesem Thema?
    Ich würde mich über eine kurze Antwort - am besten mit Gesetzes bzw. Litaraturhinweisen - freuen.
    mfg Martin

  • Zitat von mkuhr :


    Wir haben bisher immer unsere BR-Sitzungen inklusive der 2 nächsten Nachrücker durchgeführt.

    Das wäre rechtswidrig und würde zur Anfechtbarkeit der gefällten Beschlüsse führen.

    Ein Freistellungsanspruch besteht hier nicht.

  • Entschuldigung,
    wir haben die Nachrücker nur an den Sitzungen teilnehmen lassen, die Abstimmung haben immer nur (in unserem Fall 5) stimmberechtigte Mitglieder (ordentliche oder bei Abwesenheit eines ordendlichen Mitgliedes ein Ersatzmitglied) durchgeführt.
    Wir haben die Nachrücker nur wegen der Informationen an der BR-Sitzung teilnehmen lassen. Es macht im Ernstfall wenig Sinn, wenn ein Ersatzmitglied über eine Sache abstimmen muß und keine Ahnung hat.
    Mir geht es darum, kann der AG diese Freistellung zu den BR-Sitzungen für Ersatzmitglieder verhindern.
    Ich hoffe, damit wird meine Frage klarer
    mfg Martin

  • Die Frage ist immer noch so klar wie vorher und auch an meiner Antwort ist nichts zu ändern!

    Ihr handelt schlichtweg rechtswidrig und die EBRM haben keinen Freistellungs- oder Entgeltanspruch.

  • Hallo!

    Zitat von mkuhr :

    Mir geht es darum, kann der AG diese Freistellung zu den BR-Sitzungen für Ersatzmitglieder verhindern.

    Ja. Absolut. Ist kein BRM verhindert, ist keinE NachrückerIn zu laden. Alles andere ist rechtswidrig. Der BR begeht hier einen dauerhaften Amtspflichtverstoß, und die unrechtmäßig anwesenden Ersatzmitglieder haben keinen Entgeltanspruch und ggf. sogar arbeitsrechtliche Sanktionen zu vergegenwärtigen. Ich stimme Timo voll und ganz zu, die Konsequenz ist u.U. auch die Anfechtbarkeit aller BR-Beschlüsse, egal ob die unrechtmäßig anwesenden Ersatzmitglieder nun an der Beschlußfassung aktiv teilgenommen haben oder nicht.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von mkuhr :


    Wir haben bisher immer unsere BR-Sitzungen inklusive der 2 nächsten Nachrücker durchgeführt.

    Die Betriebsratssitzungen finden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt >>> habt ihr zwei Nachrücker / Ersatzmitglieder geladen, und zwar nicht weil zwei BRMs verhindert waren, sondern einfach so, waren die zwei "Öffentlichkeit". Da seh ich schon die Beschlüsse in Gefahr, ich glaub dem Vorsitzenden (weil der muss ja laden) könnt man ziemlich ans Bein pissen und ich glaub sogar dass, wenn das über längere zeit und regelmässig passiert ist, das ganze gremium in gefahr wäre (§23 I BetrVG)

  • Timo Beil
    Das wäre rechtswidrig und würde zur Anfechtbarkeit der gefällten Beschlüsse führen

    Winfried
    Ich stimme Timo voll und ganz zu, die Konsequenz ist u.U. auch die Anfechtbarkeit aller BR-Beschlüsse, egal ob die unrechtmäßig anwesenden Ersatzmitglieder nun an der Beschlußfassung aktiv teilgenommen haben oder nicht.

    Das ist Quatsch. Beschlüsse sind nicht anfechtbar. Sie können nur nichtig sein.

  • Zitat von jakob2010 :


    Das ist Quatsch.

    Ah ja!


    Zitat von jakob2010 :

    Beschlüsse sind nicht anfechtbar. Sie können nur nichtig sein.

    Wollen wir hier jetzt einen rechtstheoretischen Diskurs über ex tunc und ex nunc führen? Oder was ist Anlass Deiner UdG-Kritik?

  • Hallo!

    Zitat von Timo Beil :

    Ah ja!

    Wollen wir hier jetzt einen rechtstheoretischen Diskurs über ex tunc und ex nunc führen? Oder was ist Anlass Deiner UdG-Kritik?

    Jakob: Quatsch ist eher, was Du da geschrieben hast.

    Timo: Lieber nicht. Ich hab’ nämlich kein Latinum... ;)
    Timo Nr. 2: "UdG"? Heißt? Da krieg’ ich ja Akronymitis...

    Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Beschlüsse des BR können nicht angefochten werden, da §19 mangels einer gesetzlichen Grundlage auf sie nicht anwendbar ist. Fitting §33 Rn 51

    Die ArbG können die Rechtsunwirksamkeit von BRBeschlüssen nur feststellen, wenn sie wegen Rechtswidrigkeit nichtig sind. Rn 52

    :wink:

    Da habe ich doch richtig gelesen.

  • [QUOTE=jakob2010 :]
    Beschlüsse des BR können nicht angefochten werden, da §19 mangels einer gesetzlichen Grundlage auf sie nicht anwendbar ist. Fitting §33 Rn 51

    Die ArbG können die Rechtsunwirksamkeit von BRBeschlüssen nur feststellen, wenn sie wegen Rechtswidrigkeit nichtig sind. Rn 52

    Das hast du so weit richtig gelesen. Aber da Sie auf jeden Fall für nichtig erklärt werden können, ist das ja nichts anderes als anfechten, oder??
    Das Arbeitsgericht wird die Rechtsunwirksamkeit feststellen, weil er nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Da ihr ja ein Sitzungsprotokoll anfertigen müsst, habt ihr bestimmt auch im Protokoll stehen, dass zwei Leute mehr an den Sitzungen teilnehmen, als das Gremium groß ist. Somit ist nicht mehr nachvollziehbar, wer an der Beschlusssfassung teilgenommen hat und wer nicht. Oder schreibt Ihr etwa noch die Namen hinter der abgegeben Stimme?
    Ich frag nur so, weil ich das schon mal von einem anderen Betriebsrat gehört habe, der das sogar öffentlich gemacht hat, wer mit "ja" und wer mit "nein" gestimmt hat.

  • Anfechtbarkeit und Nichtigkeit ist eben nicht das gleiche. Schau dir mal die Unterschiede bei der Wahlanfechtung und Nichtigkeit an. Während die Wahlanfechtung nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig ist, ist die Nichtigkeit ohne Frist möglich. Das allerdings nur, wenn so gravierend gegen Wahlvorschriften verstoßen wurde, dass nichtmal mehr der Anschein an einer demokratischen Wahl besteht. Für die Anfechtbarkeit reichen dagegen schon nicht so schwerwiegende Verstöße aus.

    Ein Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit führt nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit von Beschlüssen. Es kommt darauf an, ob das Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn das Gebot der Nichtöffentlichkeit eingehalten worden wäre.
    Wenn aber zwei zusätzliche Personen gar an der Beschlussfassung teilnehmen, könnte der Fall schon wieder ganz anders bewertet werden. Dann wird der Beschluss nichtig sein.

    Schlimmer als ein Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit ist eine falsche Ladung. Wir hatten bei uns schonmal den Fall, dass keine Ersatzmitglieder geladen wurden obwohl einige verhindert waren, der Vors. aber dennoch dachte wir seien Beschlussfähig, weil mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend waren.
    Die Beschlüsse sind in dem Fall nichtig, weil das Gremium personell falsch zusammengesetzt war.

  • Zitat von jakob2010 :


    Da habe ich doch richtig gelesen.

    Ja, da hast Du richtig gelesen!

    Dann ersetze ich mein
    "Das wäre rechtswidrig und würde zur Anfechtbarkeit der gefällten Beschlüsse führen."
    durch
    "Das wäre rechtswidrig und würde möglicher Weise dazu führen dass ein Antragsberechtigter die in dieser Sitzung gefassten Beschlüsse erfolgreich vom sachlich und örtlich zuständigen Arbeitsgericht für nichtig erklären lassen könnte."

    Wenn Du meinst dass die Aussage in dieser Form hilfreicher ist.


    Für jemanden der nicht einmal bis 15 zählen kann machst Du übrigens eine ganz schöne Welle hier!

  • Hallo!

    Zitat von Timo Beil :

    "Das wäre rechtswidrig und würde möglicher Weise dazu führen dass ein Antragsberechtigter die in dieser Sitzung gefassten Beschlüsse erfolgreich vom sachlich und örtlich zuständigen Arbeitsgericht für nichtig erklären lassen könnte." Wenn Du meinst dass die Aussage in dieser Form hilfreicher ist.

    Sicher nicht, auch wenn das die formal korrektere Formulierung wäre. Weil wir hier kein juristisches Proseminar haben, sondern ein Diskussionsforum für BRM.

    Und deswegen bleibe ich dabei: ggf. anfechtbar wegen Verstosses gegen die Nichtöffentlichkeit - die Prüfung, inwieweit dadurch des Stimmverhalten beeinflußt worden ist, die Jakob in der Kommentierung zum § 30 abgeschaut hat, müßte dann das ArbG wahrnehmen.

    Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo,

    ich vermute mal, auch wenn ich noch rel. neu im Amt bin, kann ich zu der Problematik etwas berichten.

    Wenn, was ich logisch für Nachvollziehbar halte, Ersatzmitglieder die Arbeit mitbekommen sollen, weil sie ja häufig bei einer späteren Sitzung genau zu diesen Themen abstimmen sollen, sie durch "Beisitzung" vorab informiert sein sollen, dann dürfen sie nicht als "zusätzliche" Ersatzmitglieder anwesend sein. In soweit gebe ich den Vorrednern ausnahmslos Recht. Der Arbeitgeber braucht sie somit auch nicht freizustellen soweit sie nicht tatsächlich nachrücken.
    Ich würde aber eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen, wenn sie als Sachkundige geladen werden, jedoch für jede Abstimmung raus geschickt werden, was natürlich im Protokoll vermerkt sein muss, dann vermute ich hier kein Rechtsproblem. Sachkundige müssen meiner Meinung nach auch vom Arbeitgeber frei gestellt werden soweit dies für die ordentliche Erfüllung der Betriebsratstätigkeit erforderlich ist. Ich denke, dass man dies einigermaßen gut begründen kann.
    Jedoch würde ich soweit gehen, dass in diesen Fällen nur die ersten Sitzungspunkte genutzt werden, um die Themen zu besprechen die voraussichtlich in der aktuellen Sitzung zu keinem Abschluss kommen. Dies dürfte u. A. bei personellen Einzelmaßnahmen, in der Regel, nicht der Fall sein, die sind üblicherweise am selben Sitzungstag abgeschlossen.

    Gruß

    RPW

  • Zitat von RPW :


    Ich würde aber eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen, wenn sie als Sachkundige geladen werden, (...)

    Ich denke, dass man dies einigermaßen gut begründen kann.

    Jedoch würde ich soweit gehen, dass in diesen Fällen nur die ersten Sitzungspunkte genutzt werden, um die Themen zu besprechen die voraussichtlich in der aktuellen Sitzung zu keinem Abschluss kommen.(...)

    Ich halte dieses Vorgehen für schlichtweg nicht begründbar. Die Ersatzmitglieder würden hier ja gerade eingeladen weil sie (noch) keine Sachkunde haben.

  • Zitat von Timo Beil :

    Ich halte dieses Vorgehen für schlichtweg nicht begründbar.

    Oh ja. Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Timo Beil :

    Ich halte dieses Vorgehen für schlichtweg nicht begründbar. Die Ersatzmitglieder würden hier ja gerade eingeladen weil sie (noch) keine Sachkunde haben.

    Ich habe da gerade an einen Fall bei uns gedacht, Schichtplanäderung.
    Unter Umständen sind die Ersatzmitglieder selbst Schichtarbeiter.....

    Sicher,ohne Kreativität geht es sicher nicht immer.

    Aber das war nur eine Idee von mir die sicherlich noch von allen Seiten betrachtet werden muss.

  • Hallo!

    Zitat von RPW :

    Ich habe da gerade an einen Fall bei uns gedacht, Schichtplanäderung. Unter Umständen sind die Ersatzmitglieder selbst Schichtarbeiter.....

    Deswegen sind sie doch noch lange keine Sachverständigen! Ich finde das Vorgehen etwas absurd... Zu beachten wäre u.a., dass der BR AN des Betriebes nicht ohne vorherige Absprache mit dem AG als Sachverständige laden kann, und dass Sachverständige auch nur für den TOP geladen werden können, für den sie Sachverstand haben, und nicht für eine ganze Sitzung, und dass der BR die Erforderlichkeit insofern nachweisen muss, als dass er darlegt, dass der Sachverstand im BR nicht vorhanden ist - und das wird er wohl nicht können.

    Wirklich, lass’ es.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo Winfried,

    ich hatte nicht Sachverständiger, sondern Sachkundiger gemeint, das ist meines Erachtens etwas ganz anderes. Ich muss zugeben, ich bin neu im Geschäft als BRM aber auf meinen beiden bisher absolvierten Schulungen meine ich vernommen zu haben, dass ein BR jederzeit einen "Sachkundigen" laden kann aber für einen Sachverständigen, wie Du es auch schreibst, einen Beschluss fällen muss und dies beim AG zu beantragen hat.

    In Kürze haben wir eine BR-Sitzung bei der von unserer Fraktion leider NUR Ersatzmitglieder teilnehmen werden, zwei dieser Ersatzmitglieder haben noch nie einer Sitzung beigewohnt, deshalb ist es mir schon wichtig einen Weg zu finden auch wenn er nicht unbedingt nötig ist.

    Die Ersatzmitglieder werden einer Erweiterung der Tagesordnung nicht zustimmen und ihr weiteres Abstimmungsverhalten vorher mit uns telefonisch absprechen.

    Gruß,

    RPW