Tarifbindung entfällt

  • Hallo,

    in meinem Unternehmen gab es bisher eine Betriebsvereinbarung darüber, dass der AG den Tarifvertrag anerkennt, obwohl er nicht im Arbeitgeberverband ist. Er war auch nie Mitglied in solchem, aber die Firma existiert auch erst seit 2001 und ist aus der Zerschlagung eines Unternehmens hervorgegangen, welches Mitlgied war.
    Wegen diesem historischem Bezug, hat der AG bisher weiterhin nach Tarif bezahlt.

    Meines Wissens nach wurde erstmalig über die Tarifanbindung 2005 eine BV abgeschloßen, wobei aber in dem Zusammenhang die Arbeitszeit auf 40h Woche ohne Lohnausgleich angehoben wurde. Das diese BV nach §77 Abs 3 BetrVG eigentlich nicht rechtens war, ist mir inzwischen bewußt.

    Nun hat sich der AG aber entgültig dazu entschloßen, die Tarifbindung aufzugeben.

    Er hat ein Konzept vorgelegt, wo er Bestandsschutz für die bisherigen tariflichen Leistungen zusagt. Z.Bsp sollen der akt. tarifl. Lohn und der Urlaubsanspruch gleich bleiben. Das Urlaubsgeld soll zuküntig als 1/12 auf den Monatslohn draufgeschlagen, ausbezahlt werden.
    Weiterhin bleiben die tarifliche betriebliche Altersversorgung und die VWL unangetastet.

    Dagegen wird zuküntig das 13. Monatsgehalt Grundlage einer BV sein, wo je nach Unternehmenserfolg von 0%-100% im Folgejahr gezahlt wird.

    Bezahlte Freistellung nach dem MTV sollen ebenfalls in einer BV geregelt werden.

    Des Weiteren soll jedes Jahr im ersten Quartal eine Gehaltsüberprüfung stattfinden und so die bisherigen tariflichen Gehaltserhöhungen individuell zu gestalten

    Man kann schon sagen, das der AG viel Zuckerbrot in sein Angebot reingepackt hat, Sorge macht mir allerdings die Tatsache, das jetzt noch mehr Themen durch BVs geregelt werden, wodurch der BR als Verhandlungsparnter noch stärker unter Druck gerät.

    Ich frage mich, welche Argumente der BR überhaupt in den Verhandlungen hat??? Wo sind Ansatzpunkte, das der BR für die Beschäftigten das beste rausholen kann? Man kann den AG ja leider nicht zwingen und meist sitz er am längeren Hebel.

    Also was kann man überhaupt machen????

    Leider sind in meinem Unternehmen nur sehr wenige in der Gewerkschaft, so das von der Seite auch keine Unterstützung zu erwarten ist. Und auch wenn der Mitgliederanteil sehr hoch wäre, so zwingt es den AG rechtlich doch auch nicht, einen Haustarifvertrag abzuschließen oder???

    Vielen Dank schonmal.

    Vlg

    PS: Die Unternehmenssituation ist zur Zeit leider auch nicht super... Kurzarbeit und mögliche Insolvenz in 1 1/2 Jahren...

  • Hallo Blume,
    bist du dir sicher, dass das Betriebsvereinbarungen sind? Wenn ja, dann müsste geprüft werden inwieweit diese Punkte der Tarifüblichkeit entgegenstehen und somit keine Gegenstände einer Betriebsvereinbarung sein können. Vielleicht ist es bei euch eine Regelungsabrede und keine BV?

    Ich würde erstmal davon ausgehen, dass der Betriebsrat in diesen Punkten kein Mitspracherecht hat. Wenn der Arbeitgeber trotzdem noch freiwillige Leistungen zahlt (also alles was über den vertraglichen Anspruch hinaus geht), dann muss man wohl froh darüber sein.

  • Hallo Jakob,

    ähm, was versteht man denn unter einer Regelungsabrede??? Muß zugeben, das ich das noch nicht kenne. Und was meinst du mit der Aussage, ob sie der Tarifüblichkeit entgegen stehen???

    Und ja, zu den aufgeführten Themen ( Bezahlte Freistellung, Auszahlung eines 13 Monatsgehaltes) sollen dann BV verhandelt werden.

    An sich ist es ja so, wenn keine Tarifanbindung besteht, muß alles einzelvertraglich geregelt werden. Aktuell haben ja alle eine Arbeitsvertrag, wo auf den Tarifvertrag bezug genommen wird. Mit jeder BV, wo die freiwillige Tarifanbindung verlängert wurde, gab es für die AN einen Ergänzung zum Arbeitsvertrag, wo die Laufzeit der Tarifanbindung mitgeteilet wurde.
    Es soll dann zum Vertrag eine Ergänzung geben, wo die Tarifbindung rausfällt, aber der Bestandschutz aufgeführt wird. So stell ich mir das jetzt mal vor, da das ja erst noch kommen wird.

    Hmmm, wie gesagt, der AG ist schon gewillt, den AN durch den Bestandschutz und die Zusage, das es BVs geben wird, die Sache schmackhaft zu machen, er mag sie ja auch nicht verkraulen.

    Und klar, in der Summe wird sich so erstmal nichts ändern, das Lohnniveau wird weiterhin hoch bleiben (immer noch ähnlich wie bei Tarifanbindung) und bis auf die Tatsache, das das Urlaubsgeld nicht mehr als 1xZahlung sondern als 1/12 monatlich gezahlt wird und das das 13. Monatsgehalt nun Verhandlungssache in Abhänigkeit des Unternehmenserfolges ist, wird es weiterhin so sein, als wären wir tarifgebunden.

    Was sich halt ändern wird, ist das zukünfitge Tariferhöhungen, Erhöhung nach Tätigkeitsjahren oder andere Errungenschaften bei uns nicht mehr greifen werden. Desweiteren werden neue Mitarbeiter nicht mehr nach Schema F eingruppiert, sondern müssen es selbst verhandeln. Der AG will sich da wohl aber auch an tarifüblichen Löhnen orientieren.

    Rechtlich frage ich mich, was passiert eigentlich, wenn man den neuen Zusatz zum Arbeitsvertrag nicht unterschreibt??? Die letzte Ergänzung zum Arbeitsvertrag führt die freiwillige Tarifanbindung bis Mai diesen Jahres auf.

    Hmmm, wenn man sich den §77 Abs 3 BetrVG so durchließt, darf eigentlich nichts, was in Tarifverträgen geregelt wird, Bestandteil einer BV sein, aber wozu ist der BR und die BV dann von nutzen, wenn der AG nicht tarifgebunden ist??? Dann würde es ja bedeuten, wenn es keinen Haustraifvertrag durch die Gewerkschaft gibt, müsste alles einzelvertraglich geregelt werden und der BR kann nach Hause gehen????

    Vlg

  • Hallo Jakob, ich habe das mit der Regelungsabrede mal gegoogelt und so wie ich das verstanden habe, wird es sich bei der Aufhebung der Tarifbindung wohl um solche handeln. Darüber wird es wahrscheinlich keine BV geben, nur über die anderen aufgeführten Punkte. Vlg

  • wenn bei Euch die Tarifbindung in den Einzelarbeitsverträgen geregelt ist, dann könnt Ihr dies mit einer Betriebsvereinbarung nicht ändern. Wenn Dein Arbeitgeber also eine Änderung diesbezüglich möchte, dann hat er dies wieder Einzelvertraglich anzugehen. Egal, ob Ihr zur zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber vereinbarten Regelung über die Verlängerung der Tarifanbindung nun Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede sagt, beides dürfte keinen rechtlichen Bestand haben.
    Meines Erachtens solltet Ihr zwingend arbeitsrechtsanwaltlichen Rat einholen und auf jedenfall aufpassen, dass die Kollegen keine Einzelvertraglichen Änderungen zu ihren Ungunsten unterschreiben.
    Ach ja und übrigends, Löhne und Gehälter dürft Ihr als Betriebsrat nicht einmal verhandeln, denn da greift ebenfalls die Tarifsperre nach 77.3 BetrVG. Euer Cheffe kann ohne Tarifbindung dann lohntechnisch nach Gutsherrenart handeln, ganz wie es ihm beliebt. Und ihr guckt in die Röhre.

  • Mit Tarifüblichkeit meine ich die Regelungssperre in §77 Abs. 3 für Betriebsvereinbarungen.
    Hier müsste geprüft werden, inwieweit das auf euch zutrifft.
    Denn die Sperre greift nicht überall und nicht grundsätzlich. Wenn z.B. feststeht, dass eine Tarifanbindung in Zukunft schon jetzt mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dann greift m.E. die Regelungssperre nicht. Da es bei euch aber Gewerkschaftsmitglieder gibt und die Gewerkschaft somit bei euch vertreten ist, kann das wohl kaum ausgeschlossen werden.
    Da es bei euch höchstwahrscheinlich Regelungsabreden sind, ist die Sperre unrelevant.
    Hier müssen aber immer Einzelvertraglich die Änderungen durchgeführt werden, denn eine Regelungsabrede wirkt nicht direkt auf das Arbeitsverhältnis.
    Ich würde sagen: Alles im grünen Bereich bei euch. Der Arbeitgeber handelt richtig.

  • Hallo,

    über diese Aussage ...

    Zitat von jakob2010 :

    Denn die Sperre greift nicht überall und nicht grundsätzlich. Wenn z.B. feststeht, dass eine Tarifanbindung in Zukunft schon jetzt mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dann greift m.E. die Regelungssperre nicht.

    ... kann ich nur den Kopf schütteln. Das ist, offen gesagt, Quatsch. Und hier ...

    Zitat von jakob2010 :

    Ich würde sagen: Alles im grünen Bereich bei euch. Der Arbeitgeber handelt richtig.

    ... geht das nahtlos weiter. Tipp: Sich erst kundig machen über Inhalte und Systematiken, z.B. durch Schulungen, bevor man Aussagen zu solchen Themen trifft.

    Letztlich sind die Informationen nicht ausreichend, um eine absolut sichere Einschätzung abzugeben. Aber für mich deutet alles darauf hin:

    Das jetzige Unternehmen scheint durch Betriebsänderung und Betriebsübergang aus einem TV-gebundenen Unternehmen hervorgegangen zu sein. Zum Ersten gilt hier damit wohl für die "Altbeschäftigten" Tarifbindung, mindestens statisch, wenn nicht sogar dynamisch. Zum Zweiten scheint der TV des weiteren für alle AN über arbeitsvertraglichen Verweis zu gelten, wahrscheinlich dynamisch. Ergo: Die Tarifbindung ist wohl nicht "freiwillig", sie ist wohl zwingend. Sie "entfällt" nicht, sie war da, sie ist da und sie bleibt da. Da kann sich der AG "entschließen", wie er will.

    Davon will der AG runter? Das geht prinzipiell nicht. Nicht über BV und nicht über Regelungsabrede. Das ginge nur über eine Vertragsänderung mit jedem/jeder AN des Betriebes. Das mit dem Angebot des "Bestandsschutzes" ist Augenwischerei, denn es wird etwas angeboten, was jedeR schon hat. Schon die Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden über BV war illegal.

    Hier sitzen die AN am längeren Hebel. Denn sie haben letztlich TV-Bindung mindestens über ihre AVe. Darauf können sie beharren. Und das "Angebot" des AG verschlechtert das nur. Der BR darf hier gar nicht zu Lasten der AN verhandeln. Blume 123, Ihr lasst Euch hier bisher ganz extrem ins Bockshorn jagen.

    Blume123: Warum "kann der BR nach Hause gehen"? Es gibt noch genug Rechte und Aufgaben aus dem BetrVG, die der BR wahrnehmen kann. Man muß es nur tun.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo zusammen,

    also dann versuch ich mal die unklaren Sachen etwas besser zubeleuchten:

    Ja, das Unternehmen ist aus einem Tarifgebundenen Unternehmen hervorgegangen, ist selbst aber nie Mitglied eines Arbeitgeberverbandes geworden.

    Mein Arbeitsvertrag ist von 2004, wo ganz klar auf den Tarifvertrag bezug genommen wird.

    2005 gab es im Rahmen der Arbeitszeiterhöhung eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag.
    In der Ergänzung hat man sich mit der Erhöhung auf 40h bereiterklärt und es steht der Satz drin, das die tariflichen Bestimmungen in ihrer jeweiligen Form für die kommenden 3 Jahre bis zum xx.xx.2005 gelten.

    2008 gab es die nächste Ergänzung zum Arbeitsvertrag: weitere freiwillige Anbindung an die Tarifverträge bis xx.xx.2010, davon abweichend vom Manteltarifvertrag -Arbeitszeit weiterhin 40h/Woche.

    Es gab immer für jeden Mitarbeiter eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag, so das ich mal sagen würde, das die Erhöhung der Arbeitszeit rechtens war. Darüber gab es meines Wissens auch keine BV, nur darüber das die freiwillige Tarifbindung für den jeweiligen Jahre erfolgt.

    Hmm, jetzt bleibt nur noch die Frage, wie es mit der generellen Tarifbindung aussieht.
    Wortlaut in meinem AV: "Für das Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ..... in der jeweils gültigen Fassung."
    Nach meinem Verständnis, ist das sogar eine dynamische Tarifbindung oder????

    Aber an Tarifverträge sind doch nur AG gebunden, die zu einer Tarifvertragspartei gehören???
    Wenn der AG nicht im AG-Verband ist, gibt es doch höchstens nur die Nachwirkung von Tarifverträgen und so wie ich den Sachverhalt der Nachwirkung verstanden habe, gilt die Nachwirkung nur bis zum Abschluß eines neuen TV, oder????

    Also nach deiner Aussage Winfried, würde das jetzt heißen, der AG kommt aus der Tarifbindung nur raus, wenn er bei allen AN mit Altverträgen neue Verträge abschließt, wo die Tarifbindung nicht mehr drin steht.
    Jetzt ist aber die Frage, ob dies durch die Ergänzungsverträge von 2005 und 2008 nicht schon ausreicht, da dort ja die freiwillige Tarifanbindung immer zeitlich befristet wurde?????

    Und naja, die Aussage, das der BR nach Hause gehen kann, war nur daruf bezogen, das in den letzten 5 Jahren versucht wurde, für die AN die Tarifbindung zu erhalten, aber eigentlich ist das gar kein Aufgabengebiet des BR, da da jeder AN selbst gefragt ist, auf seinen Vertrag zu beharren. und scheinbar brauch er sich da heut auch nicht mitbeschäftigen, ausser halt die MA über ihre Recht aufzuklären und fit zu machen für den Konflikt mit dem AG :)

    Hmm, dabei frage ich mich jetzt, das ja im Endeffekt in den ganzen neuen Verträgen keine Tarifbindung mehr drin stehen dürfte. Also für diese AN wäre der Wegfall der "freiwilligen Tarifbindung" ja eher von Nachteil sein. Kommt halt immer drauf an, was im Detail im Vertrag steht?!?

    Vlg

  • [QUOTE=Winfried :]
    Das ist, offen gesagt, Quatsch. Und hier ... [QUOTE]

    Hallo Winfried,
    ich lasse mich gerne eines besseren Belehren. Aber diverse Gerichtsurteil - auch wenn sie schon etwas älter sind - lassen mich zu dem Entschluss kommen, dass die Tarifüblichkeit eben nicht immer und überall greift. Das scheint sehr wohl vom Einzelfall abhängig zu sein.
    Insbesondere das zweite Urteil ist interessant.


    Die Tarifüblichkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 1 ist nicht mehr gegeben, wenn mit Sicherheit feststeht, dass in Zukunft eine Tarifregelung nicht mehr angestrebt wird. Allein aus der Nachwirkung eines TV gemäß § 4 Abs. 5 TVG kann noch nicht auf die Tarifüblichkeit im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 1 geschlossen werden.

    LAG Berlin vom 05.11.1980 - 5 TaBV 2/80 (DB 1981 S. 137)


    BAG – 1 ABR 66/85 (BetrVG)

    Wenn ein AG einzelvertraglich mit den AN die Geltung eines TV vereinbart, von dem der AG nicht erfasst ist, tritt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 nicht ein.

    BAG vom 27.01.1987 - 1 ABR 66/85 (DB 1987 S. 2316; NZA 1987 S. 489)

    http://www.betriebsratszentrum…&keywords=Regelungssperre

  • Hallo!

    Zitat von Blume123 :

    Ja, das Unternehmen ist aus einem Tarifgebundenen Unternehmen hervorgegangen, ist selbst aber nie Mitglied eines Arbeitgeberverbandes geworden.

    Damit gilt m.E. für die Altbeschäftigten der TV weiter, mindestens statisch, u.U. dynamisch.

    Zitat von Blume123 :

    Mein Arbeitsvertrag ist von 2004, wo ganz klar auf den Tarifvertrag bezug genommen wird. (...) "Für das Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ..... in der jeweils gültigen Fassung."

    Dann gilt bei Dir der TV über arbeitsvertraglichen Bezug, und zwar dynamisch.

    Zitat von Blume123 :

    2005 gab es im Rahmen der Arbeitszeiterhöhung eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag. In der Ergänzung hat man sich mit der Erhöhung auf 40h bereiterklärt und es steht der Satz drin, das die tariflichen Bestimmungen in ihrer jeweiligen Form für die kommenden 3 Jahre bis zum xx.xx.2005 gelten.2008 gab es die nächste Ergänzung zum Arbeitsvertrag: weitere freiwillige Anbindung an die Tarifverträge bis xx.xx.2010, davon abweichend vom Manteltarifvertrag -Arbeitszeit weiterhin 40h/Woche.

    Und die AN haben das tatsächlich unterschrieben? Warum das denn? Die genauen Formulierungen wären jetzt interessant. U.U. -- aber nicht zwingend - liegt hier tatsächlich ein Änderungs-AV vor, der die Geltung des TV in gewisser Weise zeitlich befristet. Es wäre aber z.B. auch zu prüfen, ob und inwieweit die Formulierung überhaupt rechtswirksam ist, wenn man z.B. die AGB-Kontrolle durchführt (§ 305 ff. BGB).

    Zitat von Blume123 :

    Jetzt ist aber die Frage, ob dies durch die Ergänzungsverträge von 2005 und 2008 nicht schon ausreicht, da dort ja die freiwillige Tarifanbindung immer zeitlich befristet wurde?????

    Das ist die Frage. Ich würde mutmaßen, dass - wenn überhaupt - per Änderungs-AV nicht die Geltung des TV per se befristet werden konnte. Ich würde eher davon ausgehen, dass die Befristung, so sie überhaupt gültig wäre, dazu führt, dass der TV bis zum Ende der Befristung dynamisch, danach aber statisch gilt.

    Was Deine Befürchtung betrifft, der AG können nun neue AVe ohne Tarifgeltung abschließen: das stimmt. Und der BR wird es keinesfalls verhindern können.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo Jakob!

    Du zitierst hier - verkürzte, aus dem Zusammenhang gerissene und damit letztlich u.U. verfälschende - Leitsätze von Urteilen, ohne zu wissen, welchen genauen Inhaltes sie sind:

    Zitat von jakob2010 :

    LAG Berlin vom 05.11.1980 - 5 TaBV 2/80 (DB 1981 S. 137) (...) BAG – 1 ABR 66/85 (BetrVG) Wenn ein AG einzelvertraglich mit den AN die Geltung eines TV vereinbart, von dem der AG nicht erfasst ist, tritt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 nicht ein.

    Das LAG-Urteil - ich habe es im Netz nicht finden können - wird sich m.E. wahrscheinlich a) auf die Regelungssperre des § 87 I BetrVG (Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: ...) und/oder b) auf bestimmte Regelungen eines ganz bestimmten TV, der in dem bestimmten am LAG verhandelten Fall strittig war, beziehen. Über Lohnhöhen, Umfang der Arbeitszeit, Geltung des TVes an sich besteht aber zum einen keine Mitbestimmung des BR nach § 87 BetrVG, und zum Anderen sind das nicht eingrenzbare Dinge, die in einem bestimmten TV geregelt wurden, in dessen potentiellen Geltungsbereich der fragliche AG gelegen haben könnte, sondern Dinge, die generell und üblicherweise in TVen geregelt werden; hier schlägt m.E. die Regelungssperre des § 77 III BetrVG voll durch. Noch dazu scheint es ja einen TV zu geben, in dessen potentiellen Geltungsbereich man liegt, nämlich den, an den man sich bisher immer dynamisch anpasst und der bis 2001 im Unternehmen galt. Außerdem behandelte das LAG offenbar einen nach § 4 V TVG nachwirkenden - also abgelaufenenen - TV, das ist wohl auch eine andere Baustelle.

    Das BAG-Urteil - das konnte ich finden - beschäftigt sich mit einer ganz anderen Frage, nämlich mit der, ob eine individuelle, zwischen AG und AN vereinbarte, AV-Klausel zur TV-Geltung bei der/dem AN die Mitbestimmung des BR nach § 87 I Nr. 10 BetrVG bzgl. dieses/dieser AN aushebeln kann. Kann sie natürlich nicht. Das BAG formulierte es so: Die Tatsache, daß ein Arbeitgeber die Geltung eines Tarifvertrages, von dessen Geltungsbereich er nicht erfaßt wird, einzelvertraglich mit seinen Arbeitnehmern vereinbart, führt nicht dazu, daß in seinem Betrieb Arbeitsbedingungen im Sinne von § 77 Abs. 3 BetrVG üblicherweise tariflich geregelt sind. Ist aber ein komplett anderes Thema.

    Nochmal: Hier unüberprüft Urteilsbegründungsfragmente, die u.U. gar nicht passen, als "Beweismaterial" heranzuziehen, hilft nicht weiter.

    Das BAG-Urteil passt definitiv nicht.

    Das LAG-Urteil solltest Du komplett recherchieren, und wenn Du dann immer noch meinst, dass es hier passt, poste es. Auch ich lasse mich - u.U. und ausnahmsweise mal :wink: - eines Besseren belehren.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo Winfried,
    sehr interessant. Ich finde das Urteil nirgendwo komplett, ich habe lediglich die verlinkte Seite mit den Zusammenfassungen diverser Urteile gefunden und war doch im ersten Moment erstaunt. Kann sein, dass es sich auf die Mitbestimmungsrechte aus §87 bezieht, wobei ich mich dann frage, warum diese wichtige Info da nicht beisteht. So hat man echt den Eindruck, es gehe um die Tarifüblichkeit generell. Die Mitbestimmungsrechte aus §87 sind ja ein ganz anderes paar Schuhe.
    Deshalb nehme ich alles zurück, solange nicht bekannt ist, worum es da wirklich ging.

  • Also, ich sehe das so.

    Wir sind auch nicht tarifgebunden. Leider.Ansprüche auf tarifliche Zahlungen haben ja nur Tarifpartner!

    Bei euch besteht kein Tarif. Der AG hat jeweils befristet reklärt, bis wann er Teile des TV anerkennt.
    Also kann er jetzt, salopp gesagt machen was er will. Es sei denn es gibt irgendwelche Gewohnheitsrechte (?). Hat er bei uns beim Urlaubs und Weihnachtsgeld ausgeschlossen, durch den Passus, das auch mehrmalige Zahlungen keinen weiteren Rechtsanspruch garantieren. Er hat aber auch bisher immer gezahlt, denn er braucht ja unsere Arbeitskraft und die Zustimmung des BR bei einigen Massnahmen.


    Für den BR gibt es da ausser §87 BtrVG wenig Spielraum. Allerdings haben wir auch Regelungsabreden bezüglich Vergütung von Mehrarbeit... .

    heig

  • Also ich will mal versuchen ein kurzes Resumé zu ziehen, wo selbstverständlich noch ein paar Fragen drin stehen, wo ich mich über Beantwortung freuen würde :) :

    1.) AN mit einem alten Arbeitsvertrag haben eine dynamische Anbindung an die Tarifverträge.
    (Wenn die Klausel drin steht: TV in ihrer jeweiligen Fassung)

    --- Was heißt das genau? Ich verstehe es so, dass so lang der AG keinen neuen AV mit den AN abschließt, gelten die Tarifverträge weiter?!? Auch jeweils neu abgeschlossene?!?
    Das erscheint mir aber nicht logisch, da sonst doch kein AG aus der Tarifbindung raus kommen würde?!?
    Die statische Anbindung würde bedeuten, das der TV in der Fassung weiter gilt, wo die Tarifbindung des AG aufhört - hab ich das so richtig verstanden??? Also macht es doch in dem Fall keinen Sinn, darauf zu bestehen, wenn der AG einen anderen Arbeitsvertrag anbietet, wo alle tariflichen Vorteile Bestandteil des neuen AVs werden, da die statische Tarifbindung irgendwann ziemlich veraltet sein wird, aber im AV ja genau das selbe drin stehen wird. Man darf dann nur nie wieder einen neuen AV unterschreiben, wo der AG unter Umständen wieder etwas weg nehmen will :) ---

    2.) Inwiefern die Formulierungen im Ergänzungsarbeitsvertrag wirklich bindend sind, kann eigentlich nur von einem Anwalt und unter Umständen von einem Gericht geklärt werden?!?

    3.) Regelungssperre nach BetrVG

    --- Eigentlich darf man als BR keine BVs abschließen, die Themen behandeln, welche normalerweise in TV geregelt werden. Der AG hat aber nun angekündigt, weiterhin bezahlte Freistellung nach dem MTV (also im Todesfall, Umzug usw.) zu gewähren. Da der MTV dann nicht mehr gilt, soll darüber eine BV abgeschlossen werden. Im Endeffekt würde das doch der Regelungssperre nach §77 Abs.3 BetrVG widersprechen, aber für die AN wäre das von Vorteil. Wie kann man das also machen? Müsste der AG das auch einzelvertraglich zusichern??? ---

    4.) das wichtigste Fazit: Verhindern kann man es nicht!

    --- Aber könnten den jetzt die AN theoretisch ihren AV einzeln verhandeln? Was passiert, wenn der AG dazu nicht bereit ist, der AN den neuen Vertrag nicht unterschreiben will? Dann gilt doch normalerweise der alte AV weiter, bis eine neue Regelung abgeschloßen wird?!? Aber was gilt dann weiter? Die Tarifanbindung wurde bis xx.xx.2010 begrenzt (gut, die Rechtswirksamkeit müsste da noch geprüft werden), in dem Zusammenhang würde ich aber sogar die Formulierung der 40h/Woche als begrenzt ansehen ("freiwillige Anbindung an den TV bis zum xx.xx.2010, davon Abweichend vom MTV die 40h/Woche"). Also würd ich den ganzen Ergänzungsantrag als zeitlich begrenzt ansehen. Aber die Zeit ist rum, was gilt dann? ---

    @ Winfried: Die AN haben das unterschrieben, da die übliche Masche abgezogen worden ist: Am Mutterstandort (im Ausland) gibt es Entlassungen, wir müssen daher Zugeständnisse machen, da im Ausland ja noch ganz andere (schlechtere) Arbeitsbedingungen herrschen, damit sie unseren Standort nicht platt machen usw... :?

    Vlg

  • Hallo!

    heig: "Ansprüche auf tarifliche Zahlungen haben nur Tarifpartner"? Das ist falsch, Ansprüche auf tarifliche Leistungen können verschiedenen Gründen entspringen. Du verkennst mindestens zwei gewichtige Unterschiede zu Deinem Betrieb: Der Betrieb, über den hier geredet wird, ist aus einem TV-gebundenen hervorgegangen, das hat rechtliche Folgen. Die Geltung des TV ist in dem Betrieb, über den wir hier reden, in den AVen vereinbart, das hat rechtliche Folgen. Der AG kann also nicht machen, was er will. Bei Euch mag das anders sein, weil die entsprechenden Voaussetzungen fehlen.

    Blume123:

    Zitat von Blume123 :

    AN mit einem alten Arbeitsvertrag haben eine dynamische Anbindung an die Tarifverträge. (...) Ich verstehe es so, dass so lang der AG keinen neuen AV mit den AN abschließt, gelten die Tarifverträge weiter?!? Auch jeweils neu abgeschlossene?!? Das erscheint mir aber nicht logisch, da sonst doch kein AG aus der Tarifbindung raus kommen würde?!?

    Letztlich ist es prinzipiell so, wie Du vermutest. Steht z.B. im AV, "es gilt der TVöD in der jeweils gültigen Fassung", dann gilt jede Änderung des Mantels, jede Lohnerhöhung etc., die im Lauf der Zeit erfolgen, automatisch auch für den AV. Und es ist auch nicht unlogisch, dass der AG aus der dynamischen Geltung des TV nicht herauskommt, denn er hat sie ja - freiwillig und sehenden Auges - im AV vereinbart. Und der AV gilt nunmal. Er kommt bei den AN, mit denen die Geltung des TV vereinbart ist, aus dieser nur heraus, wenn er die AVe ändert (was im Prinzip nur einvernehmlich geht, eine Änderungskündigung hielte ich im Bestreitensfalle für ziemlich aussichtslos). Und es ist ihm unbenommen, z.B. bei Neueinstellungen, neue AVe ohne Tarifgeltung abzuschließen.

    Zitat von Blume123 :

    Die statische Anbindung würde bedeuten, das der TV in der Fassung weiter gilt, wo die Tarifbindung des AG aufhört - hab ich das so richtig verstanden??? Also macht es doch in dem Fall keinen Sinn, darauf zu bestehen, wenn der AG einen anderen Arbeitsvertrag anbietet, wo alle tariflichen Vorteile Bestandteil des neuen AVs werden, da die statische Tarifbindung irgendwann ziemlich veraltet sein wird, aber im AV ja genau das selbe drin stehen wird. Man darf dann nur nie wieder einen neuen AV unterschreiben, wo der AG unter Umständen wieder etwas weg nehmen will.

    Das stimmt im Prinzip auch so. Und Deiner Schlußfolgerung stimme ich zu: Bietet der AG bessere AV-Regelungen an als die statische Weitergeltung des TV, dann kann man das prinzipiell unterschreiben. Einen unveränderten AV anzubieten, würde keinen Sinn ergeben.

    Zitat von Blume123 :

    Inwiefern die Formulierungen im Ergänzungsarbeitsvertrag wirklich bindend sind, kann eigentlich nur von einem Anwalt und unter Umständen von einem Gericht geklärt werden?!?

    Was die Formulierungen genau bedeuten und inwiefern sie bindend sind, sollte unter Vorlage aller Informationen von Menschen mit professionellem arbeitsrechtlichen Sachverstand beurteilt werden, ja. Und im Falle eines Rechtsstreites ist dann sowieso das ArbG zuständig.

    Zitat von Blume123 :

    Wie kann man das also machen? Müsste der AG das auch einzelvertraglich zusichern???

    Prinzipiell über eine sog. Regelungsabrede; wenn eine solche Regelungsabrede nur Verbesserungen gegenüber den AVen der AN enthielte, wäre m.E. eine einzelvertragliche Absicherung nicht zwingend erforderlich. Enthielte sie (auch) Verschlechterungen, wäre sie m.E. nur über Änderungs-AV mit allen AN umsetzbar, denn über Regelungsabreden kann nicht (verschlechternd) in AVe eingegriffen werden.

    Zitat von Blume123 :

    Aber könnten den jetzt die AN theoretisch ihren AV einzeln verhandeln? Was passiert, wenn der AG dazu nicht bereit ist, der AN den neuen Vertrag nicht unterschreiben will? Dann gilt doch normalerweise der alte AV weiter, bis eine neue Regelung abgeschloßen wird?!? Aber was gilt dann weiter? Die Tarifanbindung wurde bis xx.xx.2010 begrenzt (gut, die Rechtswirksamkeit müsste da noch geprüft werden), in dem Zusammenhang würde ich aber sogar die Formulierung der 40h/Woche als begrenzt ansehen ("freiwillige Anbindung an den TV bis zum xx.xx.2010, davon Abweichend vom MTV die 40h/Woche"). Also würd ich den ganzen Ergänzungsantrag als zeitlich begrenzt ansehen. Aber die Zeit ist rum, was gilt dann?

    So ist es. Ohne Einigung gilt der alte AV weiter. Und was die Befristungsregelungen betrifft: Was wie ab wann gilt, genau das wäre eben zu prüfen. Die Spannbreite möglicher Ergebnisse ist groß, je nach Formulierung etc.

    Zitat von Blume123 :

    Die AN haben das unterschrieben, da die übliche Masche abgezogen worden ist: Am Mutterstandort (im Ausland) gibt es Entlassungen, wir müssen daher Zugeständnisse machen, da im Ausland ja noch ganz andere (schlechtere) Arbeitsbedingungen herrschen, damit sie unseren Standort nicht platt machen usw... :?

    Okay, die übliche AN-Verarsche also.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.