Geplante Einführung eines Leistungsentgeltsystemes

  • Hallo zusammen,

    in unserem Produktionsbetrieb wird geplant ein leistungsbezogenes Entgeltsystem einzuführen. Dieses hat 2 Gründe, der eine Grund ist die momentane wirtschaftliche Lage und der zweite Grund ist, dass ein Anreizsystem die Einführung von KVP unterstützen soll.

    Daraus resultieren für uns 2 Baustellen, da die Geschäftsführung uns mitgeteilt hat, dass das Lohnniveau gleich bleiben soll und für das Anreizsystem nur umgeschichtet werden soll.

    Baustelle 1:

    Eingruppierung in die richtigen tariflichen Lohngruppen.

    In der Vergangenheit war es bei uns so, dass durch die gute wirtschaftliche Lage die Mitarbeiter sehr willkürlich und übertariflich in ihre Lohngruppen eingestuft worden sind ohne darauf zu achten, ob es der Leistung bzw. der Qualifikation der Kollegen entspricht.

    Jetzt wo in der wirtschaftlichen Lage nicht mehr so entspannt ist, möchte man diesen Fehler der Vergangenheit beheben und die Kollegen und Kolleginnen in die richtigen Lohn- und Gehaltsstufen einordnen. Was wir nicht gutheißen können, ist das dabei ca. 90% der Betroffenen schlechter eingruppiert werden sollen als ihre aktuellen Eingruppierungen.
    Allerdings muss man sich auch eingestehen, dass die Kollegen/innen für ihre Tätigkeit wirklich zu hoch eingruppiert sind. Wie müssen wir uns verhalten, wir sind der Meinung, dass die richtige Runterstufung nur sozialverträglich vorgenommen werden kann, indem man von tariflichen Lohnerhöhungen bei den Betroffenen absieht, bis die Lohn- bzw. Gehaltshöhe sich der richtigen Eingruppierung angepasst hat. Ist eine sozialverträgliche Abstufung überhaupt möglich, da der Mitarbeiter für die falsche Eingruppierung nichts kann…

    Der dadurch entstehende Überschuss, soll als Bonusprämie nach dem Leistungsprinzip wieder an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden. Womit wir zur Baustelle 2 kommen.

    Baustelle 2:

    Streichung von „Freiwilligen Zulagen“

    Gleichzeitig möchte der Arbeitgeber möglichst viel – möglichst alles – der freiwilligen Zulagen die die Mitarbeiter für sich zusätzlich ausgehandelt haben streichen um dieses Geld mit dem schon erwirtschafteten durch die oben genannte richtige Eingruppierung zu stecken.

    Hierbei muss man sagen, dass diese freiwillige Zulage bei vielen Kollegen einen sehr hohen Lohn- bzw. Gehaltsanteil ausmacht (bis zu 1/3 !!!). Diese sind allerdings bei den Kollegen/innen bei ihrer Einstellung als Kriterium ausgehandelt worden und bedeuten auch die Sicherung existentieller Grundlagen. Anzumerken sein noch, dass tarifliche Lohnerhöhungen ebenfalls auch auf die freiwilligen Zulangen angerechnet wurden.

    So…lange Rede kurzer Sinn…was können wir machen – was müssen wir machen – wie müssen wir uns verhalten – was würdet ihr machen ???

    Wir möchten eigentlich, dass niemand weniger als vorher bekommt, brauchen aber die nötigen §§ um argumentieren zu können.

    Mit freundlichem Gruß

    MarcoP.

  • zum Punkt 1:
    Abschmelzen halte ich auch für die richtige Strategie.

    bei Pkt 2 würde ich weiterhin an der Anrechenbarkeit festhalten. Ein sofortiges Wegnehmen dürfte zu einschneidend sein.


    Vergesst nicht, dass sbM und leistungsgeminderte KollegInnen nicht unter dem neuen Anreizsystem leiden dürfen. Hier sollten entsprechende Regeln vereinbart werden, wie diese Nachteile ausgeglichen werden können.

  • Hallo,

    ich habe da Fragen: Inwieweit ist die "zu hohe" Eingruppierung in den jeweiligen AVen festgelegt? Bzw., wenn sie nicht über AVe geregelt wurde, wie dann? Was heißt, dass die MA sich freiwilluge Zulagen "ausgehandelt" haben - sind diese jeweils vertraglich fixiert worden? Wenn nicht vertraglich, wie dann?

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Moin, moin,

    da kann ich vielleicht ein wenig auflösen


    1. Der "Alt" - bestand der Mitarbeiter hat zum großen Teil gar keinen AV, bzw. wurde wie oben schon geschrieben sehr willkürlich ohne auf die Qualifikation zu achten eingeordnet und hier dann in nicht wenigen Fällen zu hoch - man konnte es sich ja erlauben.


    2. In den Fällen wo kein AV besteht haben die Kollegen das so gemacht wie es früher üblich war... hin zum Chef, angefragt, genehmigt, bei der nächsten Abrechnung als freiwillige Zulage ausgewiesen.

    Mit AV nennt sich das "eine jederzeit widerrufliche Leistungszulage von...", die man sich im ersten Schritt eben ausgehandelt hat, damit ich als Arbeitnehmer überhaupt meinen Zuschlag gegeben habe und in der Firma angefange. (früher halt)
    Später vom Ma persönlich ausgehandelte Lohnerhöhungen, wurden auch grundsätzlich mit auf die freiwillige Zulage angerechnet, ebenso wie alle tariflichen Erhöhungen auch mit auf die Zulage berechnet wurden. Daraus resultiert eben auch bei vielen Kollegen ein nicht geringer Anteil des Lohns an "freiwilliger Zulage"

    So hoffe ich konnte ein wenig Licht ins Dunkel bringen

    VG

  • Hallo,

    die Informationen reichen mir nicht wirklich aus, um das sicher zu beurteilen, aber die Frage, ob und inwieweit die "zu hohe" Eingruppierung zwischen den AN und dem AG vertraglich fixiert worden ist (sei es nun schriftlich oder nicht: Wer keinen schriftlichen AV hat, hat auch einen AV, aber eben einen nicht-schriftlichen), ist essentiell. Kann diese Eingruppierung als vertraglich festgelegt gelten, kann der AG diese nicht einfach einseitig ändern - es sei denn durch Änderungskündigung, gegen die die AN wiederum Kündigungsschutzklage einreichen könnten. Und mein Verdacht ist nach Euren Schilderungen in der Tat, dass die Eingruppierungen vertraglich fixiert wurden.

    Bsp: Eine Psychologin im öD wird statt in die eigentliche Entgeltstufe 13 in Entgeltstufe 14 eingruppiert, was finanziell einen Unterschied macht, dies ist vertraglich so fixiert. Und bleibt auch so.

    Bei der "freiwilligen Zulage", die auch von Beginn an so ausgewiesen bzw. im AV so fixiert war, ist das wohl anders, diese dürfte prinzipiell revidierbar sein. Ich frage mich allerdings, inwieweit bzw. wie schnell. Denn wenn diese Zulagen einen substantiell hohen Anteil am Gesamteinkommen der betroffenen AN haben und die Rückholung der Zulage die AN und ihre Lebensumstände damit über Gebühr träfe, sähe ich die Gefahr des Verstoßes gegen Treu & Glauben, gegen Recht & Billigkeit; ggf. wären die §§ 305 ff. BGB anwendbar, insbesondere § 307. Ich merke an: da spekuliere ich jetzt munter drauflos, rechtlich überprüfen lassen würde ich es auf jeden Fall.

    Und außerdem: Ihr scheint einem TV zu unterliegen. Leistungsentgelte können und dürfen nur im Rahmen dessen, was der TV zulässt, geregelt werden. Und was sagt Euer TV dazu? Habt Ihr denn bzgl. der Frage schon die Gewerkschaft kontaktet?

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo Winfried,

    vielen Dank ertsmal für deine Ausführung.

    Zitat von Winfried :


    die Informationen reichen mir nicht wirklich aus, um das sicher zu beurteilen, aber die Frage, ob und inwieweit die "zu hohe" Eingruppierung zwischen den AN und dem AG vertraglich fixiert worden ist (sei es nun schriftlich oder nicht: Wer keinen schriftlichen AV hat, hat auch einen AV, aber eben einen nicht-schriftlichen), ist essentiell. Kann diese Eingruppierung als vertraglich festgelegt gelten, kann der AG diese nicht einfach einseitig ändern - es sei denn durch Änderungskündigung, gegen die die AN wiederum Kündigungsschutzklage einreichen könnten.

    Du kannst davon ausgehen, dass die Eingruppierung in den Arbeitsverträgen festgelegt sind. In den uns zur Verfügung stehenden Lohnlisten, ist auch eine Eingruppierung der einzelnen Kollegen/innen vorhanden.

    Zitat von Winfried :


    Bei der "freiwilligen Zulage", die auch von Beginn an so ausgewiesen bzw. im AV so fixiert war, ist das wohl anders, diese dürfte prinzipiell revidierbar sein. Ich frage mich allerdings, inwieweit bzw. wie schnell. Denn wenn diese Zulagen einen substantiell hohen Anteil am Gesamteinkommen der betroffenen AN haben und die Rückholung der Zulage die AN und ihre Lebensumstände damit über Gebühr träfe, sähe ich die Gefahr des Verstoßes gegen Treu & Glauben, gegen Recht & Billigkeit; ggf. wären die §§ 305 ff. BGB anwendbar, insbesondere § 307. Ich merke an: da spekuliere ich jetzt munter drauflos, rechtlich überprüfen lassen würde ich es auf jeden Fall.

    Das sehen wir genauso, dass kann man aus unserer Sicht definitiv nicht von heute auf morgen kürzen, sondern sozialverträglich abschmelzen.

    Zitat von Winfried :


    Und außerdem: Ihr scheint einem TV zu unterliegen. Leistungsentgelte können und dürfen nur im Rahmen dessen, was der TV zulässt, geregelt werden. Und was sagt Euer TV dazu? Habt Ihr denn bzgl. der Frage schon die Gewerkschaft kontaktet?

    Wir unterliegen keinem Tarifvertrag, da unser AG bereits vor einigen Jahren aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Wir lehnen uns jedoch nach Aussage des AG an einen Tarifvertrag an und der besagt folgendes was ich als Anhang beigefügt habe.

    Die Gewerkschaft haben wir noch nicht kontaktet und werden es auch nicht, weil wir nach sehr schlechten Erfahrungen mit Ver.di nicht mehr zusammenarbeiten.

    Wir hoffen dir für deine Argumentation weitergeholfen zu haben.
    Solltest Du noch weitere Fragen haben, so melde dich bitte.

    Viele Grüße

    Marco

  • Zitat von MarcoP. :

    Wir unterliegen keinem Tarifvertrag, da unser AG bereits vor einigen Jahren aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist.

    Hallo,

    Ihr müßt dabei beachten, dass bei einem Austritt des AG aus dem AG-Verband der TV (zumindest statisch) für die Arbeitsverhältnisse, für die er bis dahin gegolten hat, weiter gilt. D.h. grob gesprochen, dass der TV für alle AN, die bei Austritt des AG aus dem AG-Verband beim AG bereits beschäftigt waren und für die der TV damals galt, weiterhin anzuwenden ist.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Winfried :

    Hallo,

    Ihr müßt dabei beachten, dass bei einem Austritt des AG aus dem AG-Verband der TV (zumindest statisch) für die Arbeitsverhältnisse, für die er bis dahin gegolten hat, weiter gilt. D.h. grob gesprochen, dass der TV für alle AN, die bei Austritt des AG aus dem AG-Verband beim AG bereits beschäftigt waren und für die der TV damals galt, weiterhin anzuwenden ist.

    Grüsse Winfried

    Danke für den Hinweis Winfried.
    Dieses war uns aber ausnahmsweise auch schon bekannt :lol:

  • Hallo Winfried,
    Nachwirkung aber nur,wenn Tarifvertrag zwischenzeitlich nicht gekündigt wurde. Sollte TV gekündigt worden sein, dann Nachwirkung nur für Gewerkschaftsmitglieder.

    Gruß
    Schwabe

  • Zitat von Schwabe :

    Nachwirkung aber nur,wenn Tarifvertrag zwischenzeitlich nicht gekündigt wurde. Sollte TV gekündigt worden sein, dann Nachwirkung nur für Gewerkschaftsmitglieder.

    Wirklich? Wo und wie wäre das begründet? (Eventuell müßte man übrigens noch zwischen Nachbindung und Nachwirkung differenzieren) Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von whoepfner :


    Hallo Schwabe,

    da hast Du aber in dem Fall Unrecht, wenn die Anwendung des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag eines nicht tarifgebundenen AN vereinbart wurde. Auch dann besteht für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder Nachwirkung.
    Das ist (leider) ständige Rechtsprechung des BAG seit über 20 Jahren, z. B. BAG vom 24.11.2004:
    http://lexetius.com/2004,3469

    In meinem Arbeitsvertrag steht folgendes:

    Zitat von Arbeitsvertrag :


    § 5 Entgelt und Vergütung

    Entsprechend seiner/ihrer Tätigkeit wird der/die Mitarbeiter/in in der Beschäftigungsgruppe XX des jeweils gültigen Tarifvertrages eingestuft.

    Zitat von Arbeitsvertrag :


    § 13 Urlaub

    Der Urlaubsanspruch richtet sich nach dem gültigen Tarifvertrag.

    Damit müsste eine zwischenzeitliche Kündigung des Tarifvertrages und somit der Ungültigkeit meiner Tarifzugehörigkeit ja ausgeräumt sein oder?

    Wie kann ich denn rausfinden zu welchem Zeitpunkt mein AG dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist? Würde mich da ja lieber auf eine Aussage verlassen die nicht von ihm selbst kommt.

  • Hallo MarcoP,

    ich bin jetzt fern jeglicher Kommentare zum TVG, meine aber: Die Anwendung des TV ergibt sich durch den arbeitsvertraglichen Verweis. Mit Austritt des AG aus dem TV-abschließenden AG-Verband ändert daran erst einmal nichts, der TV gilt im Rahmen dieser AV-Verweise für Dich weiter, und zwar (wohl) statisch (so meine ich die Rechtsprechung des BAG zu erinnern). Die Frage, in welcher Fassung der TV anzuwenden ist, abhängig vom Austrittsdatum aus dem AG-Verband, kann und muß Dir Dein AG beantworten.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Um hier mal was neues in den Raum zu schmeissen, wie siehts denn aus, wenn der AG jedem betroffenen Mitarbeiter eine Änderungskündigung vorlegt um ihn niedriger einzugruppieren, bzw die Freiwilligen Zulage abzuschaffen? Mit einer Änderungskündigung ist dann ja auch die Bindung an den TV erloschen, weil der AG ja zum Zeitpunkt des Eintritts des Mitarbeiters im Arbeitgeberverband sein muss, damit dieser nachwirkend für ihn zählt, oder?

    Viele Grüße

    Marco

  • Zitat von MarcoP. :


    Um hier mal was neues in den Raum zu schmeissen, wie siehts denn aus, wenn der AG jedem betroffenen Mitarbeiter eine Änderungskündigung vorlegt um ihn niedriger einzugruppieren, bzw die Freiwilligen Zulage abzuschaffen?

    ...dann ist diese Änderungskündigung in der Regel rechtswidrig. Eine Änderungskündigung zur Lohnabsenkung ist nach Auffassung des BAG (1. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 )nur in ganz wenigen Ausnahmen zulässig, z.B. um eine drohende Insolvenz zu vermeiden...

  • Zitat von Petrus :

    ...dann ist diese Änderungskündigung in der Regel rechtswidrig. Eine Änderungskündigung zur Lohnabsenkung ist nach Auffassung des BAG (1. Juli 1999 - 2 AZR 826/98 )nur in ganz wenigen Ausnahmen zulässig, z.B. um eine drohende Insolvenz zu vermeiden...

    Das ist ja schonmal gut...eine drohende Insolvenz ist bei uns zum Glück nicht in sichtweite :wink:

    Wenn ich hier so langsam alles zusammenfasse komme ich ja fast zu dem Urteil, das ein Leistungsbonus nur "On Top" gezahlt werden kann, oder sehe ich das falsch?

    Viele Grüße

    Marco

  • Zitat von MarcoP. :

    Wenn ich hier so langsam alles zusammenfasse komme ich ja fast zu dem Urteil, das ein Leistungsbonus nur "On Top" gezahlt werden kann, oder sehe ich das falsch?

    Der Schlußfolgerung würde ich prinzipiell zustimmen. Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.