Betriebsversammlung nicht mehr online -> auswärtige MA?

  • Hallo,


    ich sehe schon, die Frage gibt es schon so ähnlich und viele sagten "mach doch einfach", aber bei uns ist die Situation etwas kritischer.


    Seit einer Weile dürfen die Betriebsversammlungen ja nicht mehr per Videokonferenz durchgeführt werden. Nun hat der Arbeitgeber auch schon vor einer Weile (anderer Zeitpunkt) gesagt, dass Belegschafts- und Betriebsversammlung (am gleichen Tag) nur noch in Präsenz durchgeführt werden. Irgendwie hat er dabei aber nicht an den kleinen Anteil an Mitarbeitenden gedacht, die extern arbeiten, zum Teil auch in anderen Ländern.

    Nach mehreren Betriebsversammlungen und Belegschaftsversammlungen (und zu letzteren muss doch eigentlich jeder anwesend sein) kamen nun doch ein paar Nachfragen der betroffenen Mitarbeitenden, dass sie ja kaum noch was mitbekommen. Einzig die Folien werden ihnen nach den Versammlungen zur Verfügung gestellt, aber an der Diskussion können sie sich nicht beteiligen.


    Wir würden ja gerne den Kollegen wenigstens die Teilnahme per Videokonferenz wieder ermöglichen, aber das Gesetz erlaubt es ja nicht mehr. Und so wie wir gelesen haben, müssten sie die Anreise selber bezahlen, wenn sie vor Ort teilnehmen wollen. Aber keiner wird 4x im Jahr bis zu 1000eu hinblättern, nur um bei einer Betriebsversammlung dabei zu sein.


    "Mach doch einfach" ist bei uns nicht so einfach, da das vermutlich dem Arbeitgeber gegen den Strich gehen wird.

  • Das Gesetz sagt folgendes: Fahrkosten, die den Arbeitnehmern durch die Teilnahme an diesen Versammlungen entstehen, sind vom Arbeitgeber zu erstatten. Lt ErfK (Rn 5) bezieht sich das aber auf BetrVers, die außerhalb der persönlichen ArbZ von AN stattfinden bzw außerhalb des Betriebes mit dann nötiger Anfahrt. Beides träfe hier ja nicht zu.


    Lassen umfangreichere Kommentierungen sich da ausführlicher aus, z.B. über Anreise aus dem HO?


    blueberry99 , wenn sich das nicht positiv klären lässt, kann man zumindest vorher die TO per Mail versenden, konkret Fragen und Problemstellungen erbitten, hinterher ein Protokoll erstellen und ebenfalls verschicken.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Ich habe bei Fitting folgendes gefunden:

    Zitat
    BetrVG § 44 Zeitpunkt und VerdienstausfallSchmidt/Trebinger/Linsenmaier/SchelzFitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, Betriebsverfassungsgesetz
    31. Auflage 2022
    Haben auswärtige ArbN ein Recht auf Teilnahme (→ § 42 Rn. 14, 55), haben sie auch Anspruch auf Fahrkostenersatz. Der Anspruch ist nicht auf Ersatz der Inlandsreisekosten beschränkt

    (Rn41)

    Dies unterscheidet sich von dem Text bei Haufe.

    Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen. [YODA] - BRV, 9er Gremium, kein Tarif, sGBRV, sSBV

  • Dies unterscheidet sich von dem Text bei Haufe.

    Vielen Dank!


    Der Begriff "auswärtige AN" wäre aber noch genauer zu klären. Der bezieht sich m.W. nicht auf HO - zumindest steuerrechtlich findet Auswärtstätigkeit außerhalb der eigenen Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte statt.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Vielen Dank!


    Der Begriff "auswärtige AN" wäre aber noch genauer zu klären. Der bezieht sich m.W. nicht auf HO - zumindest steuerrechtlich findet Auswärtstätigkeit außerhalb der eigenen Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte statt.

    In der Tat, allerdings finde ich, dass der zweite Satz (Der Anspruch ist nicht auf Ersatz der Inlandsreisekosten beschränkt) durchaus ein "Ausland" impliziert.

    Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen. [YODA] - BRV, 9er Gremium, kein Tarif, sGBRV, sSBV

  • In der Tat, allerdings finde ich, dass der zweite Satz (Der Anspruch ist nicht auf Ersatz der Inlandsreisekosten beschränkt) durchaus ein "Ausland" impliziert.

    Es hilft schon weiter, dass Anreisen aus dem Ausland zu erstatten sind.


    Aber es ist m.E. noch nicht klar, ob die Erstattung auf HO zutrifft (egal ob im In- oder Ausland) zutrifft, weil AN im HO u.U. gar keine auswärtigen AN sind.

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  • Vielen Dank!


    Der Begriff "auswärtige AN" wäre aber noch genauer zu klären. Der bezieht sich m.W. nicht auf HO - zumindest steuerrechtlich findet Auswärtstätigkeit außerhalb der eigenen Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte statt.

    Es geht um Mitarbeitende, die permanent an einem anderen Ort tätig sind, der aber kein eigener Firmensitz ist. Quasi ein echtes Homeoffice, nicht im Sinne des mobilen Arbeitens. Teilweise wohl auch mit angemieteten Räumlichkeiten für 1-2 Mitarbeitende. Beispielsweise Vertriebsmitarbeiter, von denen manche im Inland und der Großteil im Ausland sitzt. Diese Mitarbeitenden erscheinen nur zu besonderen Anlässen in der Firma.


    Für diese Mitarbeitenden war es nie vorgesehen, dass ihr Arbeitsplatz am Firmensitz ist, anders als bei den Leuten, die ab und zu am heimischen Tisch mobil Arbeiten. Zudem haben die meisten, der sich im Ausland befindlichen Mitarbeitenden, keine deutsche Staatsangehörigkeit, falls das auch relevant ist.


    Ehrlich gesagt glaube ich aber auch nicht, selbst wenn es bezahlt wird, dass viele davon motiviert sind stundenlang (inkl. Jetlag) zu reisen um sich eine Betriebsversammlung anzuhören. So wichtig wird ihnen das dann bestimmt auch nicht sein.

  • Ehrlich gesagt glaube ich aber auch nicht, selbst wenn es bezahlt wird, dass viele davon motiviert sind stundenlang (inkl. Jetlag) zu reisen um sich eine Betriebsversammlung anzuhören. So wichtig wird ihnen das dann bestimmt auch nicht sein.

    Na gut, das ist dann die Entscheidung des MA, Teilnahme ist ja keine Pflicht.


    Du kannst nur dafür Sorgen, das sie teilnehmen können, wenn sie dann nicht wollen, dann ist es so.

    Und das Gesetz ist auch eindeutig und der AG wird darauf bestehen, damit keine unberechtigten Dritte zuhören können.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Ja schade, dann können wir sie wohl nur darauf hinweisen, dass sie die Möglichkeit haben auf Kosten der Firma anzureisen.

    Und wir können wie von Fried empfohlen vorher die Fragen einsammeln und mitnehmen.


    Zur Belegschaftsversammlung müssten sie ja eigentlich kommen, aber das scheint den Arbeitgeber nicht zu stören, dass sie nicht da sind.

  • Ja schade, dann können wir sie wohl nur darauf hinweisen, dass sie die Möglichkeit haben auf Kosten der Firma anzureisen.

    Steht in den ausführlicheren Kommentaren (mein ErfK fasst sich ja eher kurz, weil das BetrVG eines von vielen Gesetzen darin ist) wirklich nichts zum HO?

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  • Im Fitting gibt es mehr dazu:

    Zitat von Fitting, § 44 BetrVG Rn. 36

    Außer der eigentlichen Zeit der Teilnahme an den Verslg. sind den ArbN auch zusätzliche Wegezeiten, die sie aufbringen müssen, um an den Betr.- bzw. Abteilungsverslg. teilnehmen zu können, wie Arbeitszeit zu vergüten. [...] "Zusätzlich" sind die Zeiten, die der ArbN über die Wegezeit hinaus aufwenden muss, die er zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht benötigt (BAG 5.5.1987 - 1 AZR 292/85, NZA 1987, 853).

    Zur Fahrtkostenerstattung ist sich der Fitting leider ebenfalls nicht ganz sicher, es liest sich eher schwammig:

    Zitat von Rn. 40

    Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob den ArbN notwendige Fahrtkosten zur Teilnahme an den Betr.- und AbtVerslg. zu erstatten sind, die zwar während der Arbeitszeit, jedoch außerhalb des Betriebs oder bei einem weit verzweigten Betrieb mit zahlreichen Betriebsstätten oder Betriebsteilen an einem zentralen Ort oder im Hauptbetrieb stattfinden. Da das G im Allgemeinen davon ausgeht, dass die ArbN durch die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Befugnisse keine finanziellen Nachteile erleiden sollen, ist insoweit die Regelung des § 44 Abs. 1 S. 3 entspr. anzuwenden.

    Ich vermute, dass die dann benannten Quellen nur ein Kreisverweis sind um zu zeigen, dass andere das auch so sehen. Ausgefochten hat das offenbar noch niemand.

  • Tobias Clausing , vielen Dank, m.E. wäre das HO ja analog zu den "weit verzweigten Betriebsstätten" zu sehen. Der Fitting bejaht also die Kostenübernahme in dem Fall.

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  • Die einzige explizite Ablehnung der Kostenübernahme im Fitting sind Entscheidungen aus der persönlichen Lebensführung. Eine Anreise aus dem Ausland muss z. B. nicht erstattet werden, wenn es sich um einen Urlaub handelt (Bei einer Dienstreise sieht das sicherlich anders aus!). Ich würde auch annehmen, dass generell nur die Anreise vom Wohnort oder dem regelmäßigen Aufenthaltsort aus vergütet würde. Aber das sind Feinheiten, die besonders individuell betrachtet werden müssten.


    Ganz generell steht dem Fitting zufolge allen Teilnahmeberechtigten eine komplett kostenneutrale Teilnahme zu.

    (Da gab es im Fitting extra einen Verweis: Unberechtigte Teilnahme - bei "Gästen" wäre ich da z. B. vorsichtig - führt nicht zu diesem Anspruch)

  • Halten wir mal fest, dass der Fitting blueberry99 insofern weiterhilft, als dass er eine Kostenübernahme für eine Anreise von HO-AN aus In- oder Ausland wohl befürwortet. So weit, so gut.


    Jetzt ist es aber auch bei einer Kostenübernahme (die man u.U. beim AG eh erst einklagen müsste) offensichtlich nicht sehr wahrscheinlich, dass HO-AN die Mühseligkeit einer längeren An- und Abreise auf sich nehmen. Wie löst man das?


    Eine Quelle im Netz sagt folgendes: Auch wenn damit eine rein virtuelle Betriebsversammlung nicht möglich ist, soll doch das Zuschalten einzelner Belegschafts- oder Betriebsratsmitglieder möglich sein, gerade wenn diese ortsabwesend sind. Durch die Rechtsprechung abschließend geklärt ist dies indes noch nicht. Wäre das wahr, hülfe das hier weiter.


    Findet das eine Entsprechung in den Kommentierungen? Bzw könnte es überhaupt schon eine Entsprechung finden, die einschlägige letzte Änderung des BetrVG war ja erst vor einem guten halben Jahr? Wie realistisch ist diese Einschätzung?


    Nun hat der Arbeitgeber auch schon vor einer Weile (anderer Zeitpunkt) gesagt, dass Belegschafts- und Betriebsversammlung (am gleichen Tag) nur noch in Präsenz durchgeführt werden.

    Dazu hätte ich noch Fragen: Die Belegschaftsversammlung ist vom AG initiiert und das Erscheinen der AN ist angewiesen? Wie kann es sein, dass die Veranstaltung des AG und die des BR am selben Tag sind?


    Das Ansetzen einer Konkurrenzveranstaltung könnte durchaus als Störung der BR-Tätigkeit gewertet werden.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Das Ansetzen einer Konkurrenzveranstaltung könnte durchaus als Störung der BR-Tätigkeit gewertet werden.

    inwiefern das?


    Wenn beide Veranstaltungen organisatorisch so gelegt sind, das sie nacheinander sattfinden und sich nicht gegenseitig stören - z.B. vormittags die AG initierte Abt-Versammlung und Nachmittags die BR initierte BV


    Zeitgleich oder zeitüberschneidend geht natürlich nicht - das ist klar

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Randolf : Ich schrieb "könnte" und "Konkurrenzveranstaltung". Bevor hier rumspekuliert wird, warte ich eine Antwort von blueberry99 ab.


    Aber das ist eh nur ein Side-Quest (zugegebenermaßen von mir selber initiiert).

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    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()

  • das wäre natürlich optimal, wenn man diese Mitarbeitenden per Videokonferenz dazuschalten könnte.
    Eine reine Onlineveranstaltung war das bei uns eh nie.

    Also das ist folgendermaßen: erst findet die Betriebsversammlung statt und direkt im Anschluss daran die Belegschaftsversammlung. Vor unserer Amtszeit waren beide Veranstaltungen in einer Veranstaltung vermischt, jetzt sind sie zumindest rein organisatorisch getrennt, auch wenn es einen fließenden Übergang gibt.
    Bezüglich der Belegschaftsversammlung hatten wir mal recherchiert, dass es dabei eine Anwesenheitspflicht gibt. Der AG weist sie aber nicht explizit an.