Betriebsvereinbarung Überstunden. Ist die erzwingbar?

  • Hallo,


    wir wollen eine BV machen, dass die Mitarbeiter bis 40 Stunden aufbauen können und diese dann auch bei Bedarf abfeiern können.


    Über 40 Plusstunden sollen dann ausbezahlt werden. Hier wollen wir einen Zuschlag von 25% (wir sind nicht tarifgebunden, aber wenn wir es wären hätten wir die 25%).

    Ist so eine BV erzwingbar?

  • Hallo Hawky,

    Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen.

    So steht's im §87 BetrVG, der unter anderem auch Deinen Regelungstatbestand enthält. Somit wäre die BV erzwingbar.

    Normalerweise rennt man doch aber mit einem solchen Vorhaben beim AG offene Türen ein.

    LG Oenothera



  • Na Ja, aber man macht den AG auch die Tür auf, das er Überstunden als selbstverständlich ansehen darf.


    Wenn der BR vom AG eine "Überstunden-BV" erzwingen will, wird der AG doch auch eine für sich günstige Regelung darin stehen haben wollen, i.d.R. etwas, was ihm die Anordnung von Überstunden erleichtert.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Naja, die Regelung für den AG ist doch immerhin schon, das er für satte 40 Std keine Prozente zahlen braucht...

    muss er jetzt ja auch nicht, wo soll die BV ihm da einen Vorteil bringen zu jetzt?

    die BV zementiert ja einen Nachteil für den AG, wenn er ab 40 Std zusätzliche 25% zahlen muss

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • wir wollen eine BV machen, dass die Mitarbeiter bis 40 Stunden aufbauen können und diese dann auch bei Bedarf abfeiern können.

    Erzwingbar im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 (1) Nr 2+3 BetrVG.

    Über 40 Plusstunden sollen dann ausbezahlt werden.

    Inhaltlich fehlgehend bzw. u.U. gar rechtswidrig, es muss eine Vereinbarungsregel rein, die als Regelfall den Stundenabbau vorsieht und nur bei Einvernehmen zwischen AG und AN die Ausbezahlung.

    Hier wollen wir einen Zuschlag von 25%.

    Das ist nicht nur nicht erzwingbar, sondern darf in einer BV wg § 77 (3) BetrVG gar nicht vereinbart werden, da das durch Tarifvertrag (...) üblicherweise geregelt wird.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Für mich liest sich das ähnlich zur BV "Arbeitszeitkonto", die wir haben (allerdings tarifgebunden).


    Achtung: der AG wird vermutlich darauf drängen, dass Plusstunden, die irgendwo "parken", zum Jahresende abgebaut werden, da er ansonsten eine Rücklage für den entsprechenden Geldwert bilden (und versichern) muss.


    Wie ist das denn bisher bei Euch geregelt? Es scheint ja Überstunden im laufenden Betrieb bereits jetzt zu geben. Werden die monatlich ausgezahlt? Gibt es dazu bereits eine BV "Überstunden und Mehrarbeit"? Falls nicht, wäre die vermutlich sinnvoll gleich mit zu vereinbaren:


    - Ankündigungsfristen für (echte) Überstunden (ggf. gestaffelte Zulagen - je kurzfristiger je höher die Zulage)

    - Kriterien für die Überstundenverteilung (gleichmäßig fair für alle Beschäftigten, die mehr Stunden leisten wollen, wäre ideal)

    - Beziehen sich die 40 Stunden auf Voll- oder Teilzeitkräfte und soll das gleich gehandhabt werden?


    Liebe Grüße

  • Zur Zeit gibt es eine BV wo jede Überstunde ausbezahlt werden (ohne Zuschlag) am Monatsende.


    Die 40 Stunden beziehen sich auch auf Teilzeitkräfte.


    Hintergrund der Sache ist, dass die Mitarbeiter Stundenkonten wollen, damit auch mal frei gemacht werden kann oder am Freitag früher gehen usw.


    Inhalt der BV auch: Angeordneter Überstundenabbau soll 2 Tage vorher mitgeteilt werden (das ist mir eigentlich zu kurz).

  • Das was ihr da gerade plant, ist in vielen Unternehmen bereits üblich.

    Ich sehe hier auch durchaus einen Vorteil für den MA wenn es richtig gemacht ist. MA wollen Flexibilität, und die kann man so gewinnen.

    Ihr solltet unter anderem auch regeln, wie der einzelne MA seine Stunden dann auch wieder abbauen kann.

    Kann er das frei gestalten? Muss das mit dem Vorgesetzten abgestimmt sein? Muss es im Team abgestimmt sein?.....

    Kann er ganze Tage "abfeiern", oder nur einzelne Stunden.

    Kann er es mit Urlaub kombinieren usw.

    Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen

    (Aristoteles)


    Noch ein Tipp für die derzeitige Nachhaltigkeitsdebatte:

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  • Hawky ist nicht tarifgebunden.

    Das tut nichts zur Sache, bitte den Paragraphen und die Kommentierungen genau lesen. Es reicht, wenn es ein Tatbestand ist, der üblicherweise in TVen geregelt wird - und das trifft auf Überstundenzuschläge zu.


    Zur Zeit gibt es eine BV wo jede Überstunde ausbezahlt werden (ohne Zuschlag) am Monatsende.

    Toll. Dann habt Ihr eine nichtige, weil rechtswidrige, BV. Wie bereits oben geschrieben, ist eine Ausbezahlung nur im Einvernehmen zwischen AG und AN denkbar, Überstunden müssen ansonsten abgebaut werden.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Was sagt die Mehrheit im Gremium zu den 2 Tagen Ankündigungsfrist?


    Der Hintergrund (seitens der MA) ist durchaus verständlich, frei statt mehr Gehalt macht bei machen MA je nach persönlicher Situation Sinn.


    Aber: Was steht in Euren Arbeitsverträgen?


    "Befindet sich beispielsweise eine Klausel im Arbeitsvertrag, die den Abbau von Überstunden durch einen Freizeitausgleich verbietet, muss der Chef seinen Mitarbeiter für die geleistete Mehrarbeit entlohnen. Ein Überstundenabbau ist laut Arbeitsrecht in diesem Fall nicht rechtens." (Quelle: abeitsrechte.de)

  • Wie bereits oben geschrieben, ist eine Ausbezahlung nur im Einvernehmen zwischen AG und AN denkbar, Überstunden müssen ansonsten abgebaut werden.

    So pauschal halte ich das für falsch.

    Es ist doch eine durchaus übliche Regelung, dass der AG einen Ausgleichszeitraum hat, in welchem er Überstunden durch Freizeit ausgleichen kann und wenn dies im Ausgleichszeitraum nicht gelingt, wird mit Zuschlag ausbezahlt. (Regelt unser TV auch so). - Da interessiert "Einvernehmen" kein Stück. Freizeitausgleich in Zeitraum xy oder Auszahlung mit Zuschlag, das ist doch eine ganz typische Tarifsystematik. - Natürlich ist der Vorzug des Freizeitausgleichs der Sinn der Regelung, die sagt dem AG ja quasi: "Gleiche zeitnah in Freizeit aus, sonst wirds teurer für Dich, weil Du dann einen Zuschlag zahlen musst".

    Aber ein "verpflichtendes Einvernehmen" für die monetäre Abgeltung von Überstunden? - Woher nimmst Du das? - Quelle bitte!

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • (Regelt unser TV auch so).

    Eben, Du sagst es: Das regelt der TV.


    Und es kann - unbestritten! - (wenn eine tarifliche Regel dazu fehlt) über AV (und damit auch über Einvernehmen zwischen AN und AG) geregelt werden.


    Über AV und TV ist das also möglich bzw machbar.


    Aber eben nur über AV oder TV, nicht jedoch über BV, und über eine BV rede ich hier (der Betrieb ist ja nicht tarifgebunden). Denn letztlich ist das eine (wenn auch monetär kompensierte) Erhöhung der regelmäßigen ArbZ durch die Hintertür. Das geht nicht einseitig durch den AG und das gehört nicht zur "Verfügungsmasse", die in BVen geregelt werden kann.


    Soweit wurde mir das zu meiner Zeit für mich logisch absolut nachvollziehbar von ver.di, dem Fachanwalt für Arbeitsrecht meines damaligen BR und von einem Arbeitsrichter, den ich dazu auch noch fragte, erklärt. Ich nehme das also mal für bare Münze.


    Zusatz, slightly off topic: Und auch TVe hüten sich m.W. davor, die Ausbezahlung als Automatismus laufen zu lassen, sondern sie setzen Bedingungen davor wie z.B. von Dir genannt:

    Es ist doch eine durchaus übliche Regelung, dass der AG einen Ausgleichszeitraum hat, in welchem er Überstunden durch Freizeit ausgleichen kann und wenn dies im Ausgleichszeitraum nicht gelingt, wird mit Zuschlag ausbezahlt.

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  • Und es kann - unbestritten! - (wenn eine tarifliche Regel dazu fehlt) über AV (und damit auch über Einvernehmen zwischen AN und AG) geregelt werden.

    Ok, dann sind wir uns da ja einig :D ...da hab ich dann wohl Deine (auf eine BV bezogene) Aussage fälschlicher Weise für allgemeingültig gehalten.


    Aber eben nur über AV oder TV, nicht jedoch über BV, und über eine BV rede ich hier (der Betrieb ist ja nicht tarifgebunden). Denn letztlich ist das eine (wenn auch monetär kompensierte) Erhöhung der regelmäßigen ArbZ durch die Hintertür. Das geht nicht einseitig durch den AG und das gehört nicht zur "Verfügungsmasse", die in BVen geregelt werden kann.

    Hierbei im Prinzip auch, wobei ich da gerne widersprechen würde, wüsste aber nicht wie :D

    Denn einerseits ist da für mich gedanklich schon auch der Tarifvorbehalt im Weg, aber andererseits...

    Die angedachte Regelung ist ja nicht so völlig aus der Welt, im Prinzip ist sie ja ähnlich wie die tarifliche, die ich eben beschrieben habe. Nur halt mit einem fixen Wert (40 Stunden) statt einem Ausgleichszeitraum. - Bis 40h hat der AG quasi "Puffer" und muss mit Freizeitausgleich versuchen das "in den Griff zu kriegen" und ab 40h muss mit Zuschlag ausbezahlt werden. - Also auch eine Regelung, die den AG zum Freizeitausgleich "motiviert", in dem es eben deutlich teurer für den AG wird, wenn er in Geld, statt in Freizeit ausgleicht.

    Ist es jetzt wirklich so, dass man aufgrund des Tarifvorbehaltes keinerlei Option hat eine solche, oder ähnliche, Regelung zu etablieren? - Heißt das wirklich, dass ich in einem nicht tarifgebundenen Betrieb keinerlei Systematik zu Überstunden, Ausgleichszeiträumen usw. per BV regeln kann? (Habe selbst noch nie in einem nicht tarifgebundenen Betrieb gearbeitet).

    Denn einerseits würde ich vom Wortlaut des Gesetzes her sagen, dass das eindeutig ausgeschlossen ist, aber so rein von der Logik her, würde ich das für unglaublich dämlich halten. 8o

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    Hanlons Rasiermesser

  • Mein Fazit: Eine BV mit einem Stundenkonto ist erzwingbar. Zwei Dinge muss man aber rauslassen: 1. Überstundenzuschläge (wg der Tarifsperre), 2. Ausbezahlungszwang (weil über BV nicht regelbar).

    Ist es jetzt wirklich so, dass man aufgrund des Tarifvorbehaltes keinerlei Option hat eine solche, oder ähnliche, Regelung zu etablieren? - Heißt das wirklich, dass ich in einem nicht tarifgebundenen Betrieb keinerlei Systematik zu Überstunden, Ausgleichszeiträumen usw. per BV regeln kann? (Habe selbst noch nie in einem nicht tarifgebundenen Betrieb gearbeitet)

    Doch, natürlich kann man das, und zwar im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 (1) Nr 2+3 BetrVG. Da ist das "Intro" doch recht eindeutig: Der Betriebsrat hat, soweit eine (...) tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen... 2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; 3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (...).


    Aber der BR kann in diesem Rahmen keine (Überstunden-)Zuschläge vereinbaren. Und keinen Ausbezahlungszwang.

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    3 Mal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Doch, natürlich kann man das, und zwar im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 (1) Nr 2+3 BetrVG. Da ist das "Intro" doch recht eindeutig

    Ja, das ist ja klar.


    Aber der BR kann in diesem Rahmen keine (Überstunden-)Zuschläge vereinbaren. Und keinen Ausbezahlungszwang.

    Genau darauf bezog sich aber meine Frage. - Eben auf eine Systematik, wie man sie aus sehr vielen TVen kennt: Freizeitausgleich bis xy, sonst Auszahlung mit Zuschlag.

    Das ist ja eine durchaus sinnvolle Regelung und ich fände es nach wie vor ziemlich dämlich, wenn man so etwas in einem nicht tarifgebundenen Betrieb nicht einführen könnte.

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    Hanlons Rasiermesser

  • wenn man so etwas in einem nicht tarifgebundenen Betrieb nicht einführen könnte.

    Ist hald doof ohne Tarifbindung. Ist aber so.

    Dann müssen die Kolleg*inne mal den Arsch hoch bekommen und in die zuständige GW eintreten.

    Und dann gemeinsam für Ihre Rechte kämpfen.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Dann müssen die Kolleg*inne mal den Arsch hoch bekommen und in die zuständige GW eintreten.

    Und dann gemeinsam für Ihre Rechte kämpfen.

    oder man macht eine Regelungsabrede, die zwar rechtlich keinen Anspruch auslösen würde, aber alle halten sicht trotzdem dran.

    --> nennt sich "Konsenz" (wenn es funktioniert)


    immer noch besser als deswegen in eine GW einzutreten (meine persönliche Meinung)

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