Betriebsversammlungen von der Belegschaft online gewünscht

  • Betriebsratssitzungen sind hybrid möglich, Betriebsversammlungen aber nicht. Das bedeutet, es gibt nur die Präsenzmöglichkeit. Nun haben wir aber Betriebsteile (die sich damals bewusst entschieden haben an der Wahl des Hauptbetriebs teilzunehmen – somit haben wir einen BR für den Hauptbetrieb einschl. der Betriebsteile) die mehrere Autostunden entfernt liegen. Der Aufwand um an der Betriebsversammlung teilzunehmen steht für die Kollegen also in keinem Verhältnis. Wir machen daher zwei Abteilungsbesprechungen pro Jahr je Betriebsteil. Allerdings würden die Kollegen in den Betriebsteilen gerne auch an der Betriebsversammlung im Hauptbetrieb teilnehmen. Daher die Frage:



    Kann man, sofern die Kollegen in den Betriebsteilen dem (schriftlich) explizit zustimmen, zusätzlich zu den Abteilungsbesprechungen, diese auch an online an der Betriebsversammlung im Hauptbetrieb teilnehmen lassen, also diese live und online dazuschalten? Gibt es da Möglichkeiten, die sowohl dem Wunsch aller Kollegen aber auch dem BetrVG genüge tun?

  • Also bei uns herrscht momentan die gleiche Situation. 1-2x pro Jahr ist der BR vor Ort. Bei den "großen" Betriebsversammlungen hat unser BR eine Online-Teilnahme organisiert. Haben vorher aber gefragt, ob die betreffenden MA das auch möchten. Das fanden wir alle prima! Wir konnten zwar nicht "dazwischen quatschen", aber hatten die Möglichkeit, unsere Fragen und Kommentare in einem Chat zu schreiben. Wie gesagt, wir fanden das eine Superidee und haben uns viel Fahrtzeit erspart.

    ~~~ Alle sagten: Das geht nicht! Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht. ~~~

    ~~~ Eine Lösung hätte ich - mir fehlt nur das passende Problem. ~~~

  • Im Betrieb meiner Frau wird es genauso gemacht. Es hat sich während dem blöden C-Wort eingebürgert und wurde danach stillschweigend beibehalten. Beschwert hat sich offenbar noch niemand, zumindest sagte auf meine Nachfrage gerade, dass bisher noch keine Betriebsversammlung für ungültig erklärt wurde. ;)

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Die saubere Vereinbarkeit mit dem BetrVG ist schwierig. Früher war es quasi eine Grauzone, weil es nicht bedacht war. Inzwischen hat der Gesetzgeber virtuelle BR-Sitzungen erlaubt und virtuelle Betriebsversammlungen nicht. Es lässt sich nicht mehr argumentieren, dass das einfach nicht bedacht wurde.

    Wir haben unsere erste Betriebsversammlung (noch vor Corona) mal "semihybrid" durchgeführt. An den drei Standorten hatten wir größere Räume, die dann per Teams miteinander verbunden waren. Da haben sich dann alle Mitarbeitenden eingefunden und so in Präsenz, aber per Videokonferenz teilgenommen.

    Wir hatten da und auch später bei den zulässigen Onlineversammlungen eine sehr hohe Teilnahmequote, die wir in Präsenz bei aktuell hohem Anteil mobilem Arbeiten nicht erreichen würden/werden. Sicherlich steht da inzwischen das BetrVG im Wege, aber da muss sich jemand finden, dem das nicht gefällt.

  • Aber, aber das darf man doch gar nicht! =O

    An den drei Standorten hatten wir größere Räume, die dann per Teams miteinander verbunden waren. Da haben sich dann alle Mitarbeitenden eingefunden und so in Präsenz, aber per Videokonferenz teilgenommen.

    ...und trotzdem machen wir es genau so (nur das es 7 Standorte sind) :D

    (Weil die MA das super finden und explizit einfordern).

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Man darf auch nicht bei Rot über die Fußgängerampel gehen, nicht einmal nachts auf unbelebter Straße. Deshalb macht es natürlich auch niemand... 8o

    Natürlich nicht! Das Befolgen von Regeln ist genauso Bestandteil der deutschen DNA wie Bier trinken und Autos bauen :D

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Naja, die Frage ist ja, was dann die Konsequenzen sind. Beschlüsse werden nicht gefasst und für eine Auflösung des BR dürfte ein einmaliger Verstoß nicht ausreichen. Wenn also jemand den beschwerlichen Weg gehen sollte, dann ist das Ergebnis höchstens ein grimmig guckender Richter (wobei fraglich ist, ob es wegen der vergeudeten Arbeitszeit oder der Versammlung ist). Der BR entschuldigt sich halbherzig und die nächsten Versammlungen sind dann wieder gesetzeskonform.

  • Wenn also jemand den beschwerlichen Weg gehen sollte, dann ist das Ergebnis höchstens ein grimmig guckender Richter (wobei fraglich ist, ob es wegen der vergeudeten Arbeitszeit oder der Versammlung ist). Der BR entschuldigt sich halbherzig und die nächsten Versammlungen sind dann wieder gesetzeskonform.

    Sehe ich ebenso. Die Stoßrichtung ist ja grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten. Ob ein Richter da durchziehen würde weil die Betriebsversammlung nicht galt, hmm.

    Fallere me possum solus - wie wir Lateiner sagen. 3er Betriebsrat, BRV, kein Tarif.

  • Kann man, sofern die Kollegen in den Betriebsteilen dem (schriftlich) explizit zustimmen, zusätzlich zu den Abteilungsbesprechungen, diese auch an online an der Betriebsversammlung im Hauptbetrieb teilnehmen lassen, also diese live und online dazuschalten? Gibt es da Möglichkeiten, die sowohl dem Wunsch aller Kollegen aber auch dem BetrVG genüge tun?

    Rechtskonform geht das nach dem Auslaufen der Corona bedingten Regelungen nicht.
    Und gefährlich könnte für den Betriebsrat der §42 (1) Satz 2 werden. Weil das kann er aktuell ja dann nicht mehr sicherstellen. Natürlich ging das auch bei den Online Betriebsversammlungen nicht.

    Ob das jetzt dem Wunsch der Belegschaft entsprich oder nicht ist von der persönlichen Einschätzung natürlich was ganz anderes. Aber es geht hier ja darum das man ja rechtskonform unterwegs sein will und auch sollte.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Aber es geht hier ja darum das man ja rechtskonform unterwegs sein will und auch sollte.

    Nö. Wenn der Gesetzgeber im gesamten digitalen Zeitalter im Dornröschenschlaf lag, nur einmal kurz angestoßen wurde und schlaftrunken jaja gegrummelt hat, um danach sofort wieder in den Schlaf des Gerechten zu fallen...


    dann führt man ihn derweil mit der "normativen Kraft des Faktischen" ad absurdum. (so wie laut Gesetz in Budapest Sex nur im Dunkeln erlaubt ist, aber die Gefängnisse sehr voll wären, wenn jeder Verstoß dagegen geahndet würde...) ^^

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Auch wenn wir bei einer Online-Versammlung gegen das Gesetz verstoßen und es mir auch lieber wäre, wenn das zulässig wäre, finde ich die Gesetzesregelung gut.

    Sobald die Belegschaft oder der BR eine Präsenzveranstaltung wollen, gibt es für den AG absolut keinen Diskussionsspielraum. Und zwar völlig unabhängig von den Kosten und dem zeitlichen Aufwand. Der BR muss nicht argumentieren oder irgendetwas belegen oder sich auf einen Kompromiss einlassen: Das ist Gesetz - nicht nur Auslegung sondern wortwörtlich.

    Und das finde ich gut. Wenn wir uns alle einig sind, tut das niemandem weh, wenn wir dagegen verstoßen. Aber wenn ich das nicht mehr will, ist es ein Leichtes, mit allen in einem netten Saal zusammenzukommen. Da wäre mir sogar eine "Vorrang-Regelung" wie bei BR-Sitzungen zu AG-freundlich.

  • Nö. Wenn der Gesetzgeber im gesamten digitalen Zeitalter im Dornröschenschlaf lag, nur einmal kurz angestoßen wurde und schlaftrunken jaja gegrummelt hat, um danach sofort wieder in den Schlaf des Gerechten zu fallen...


    dann führt man ihn derweil mit der "normativen Kraft des Faktischen" ad absurdum. (so wie laut Gesetz in Budapest Sex nur im Dunkeln erlaubt ist, aber die Gefängnisse sehr voll wären, wenn jeder Verstoß dagegen geahndet würde...) ^^

    Ok, jetzt verstehe ich dein Problem mit der Gesetzestreue aufgrund deiner sechs Kinder. :)

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • So, nachdem ich bisher nur stille Mitleserin war, gibt es hier mal ein Thema von dem ich nicht nur lernen kann, sondern vielleicht auch mal was beitragen :)


    Die Mitarbeitenden hier im Betrieb möchten auch unbedingt die Möglichkeit zur online-Teilnahme beibehalten und wir im BR wollen jegliche Angreifbarkeit und Absetzungsmöglichkeit verhindern (aus Gründen!).


    Daher war nun unsere Idee die nächste Betriebsversammlung, die im Juni stattfindet (die letzte war im März, da ging ja online bzw. Hybrid ja noch) zwar nur in Präsenz stattfinden zu lassen aber am nächsten Tag eine "Infoveranstaltung" zu machen auf der das Ganze nochmal online präsentiert wird.


    Allerdings gab es bei uns schon immer zwei Veranstaltungen (Deutsch und Englisch), daher weiß ich nicht ob das immer so in allen Fällen umsetzbar wäre. Nach Meinung einer Anwältin, mit der wir in anderer Sache zusammenarbeiten und ihr das nur mal so erzählt hatten, wäre das aber eine gute Lösung.

  • Aber es geht hier ja darum das man ja rechtskonform unterwegs sein will und auch sollte.

    wenn die Belegschaft überwiegend im HO arbeitet (wie bei uns) und Online-BV bevorzugt, dann werden die gesetzeskonformen BV ziemlich einsame Veranstaltungen, da keine Teilnahmepflicht besteht.


    Auch wenn man gegen gesetzliche Vorgaben verstößt, machen da dann Online- oder Hybrid-BV mehr Sinn.

    Man muss halt ggf. beide Möglichkeiten zur Verfügung stellen, entweder durch hybride BV oder zwei Veranstaltungen, damit man alle abholt in der heutigen Arbeitswelt (Gesetz hin-oder-her)

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Hallo,


    als BR muß man ab und an auch mal mit den Kolleg*innen Klartext reden. Dieser Klartext bedeutet, daß eine Betriebsversammlung nun mal nur in Präsenz die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt.


    Und der Gesetzgeber hat diese Entscheidung sehr bewußt getroffen, denn bei Betriebsversammlungen ist noch weniger als bei BR-Sitzungen bei Hybrid- oder vollständigen Online-Formaten die Nichtöffentlichkeit zu wahren. Auch ist der persönliche Austausch bei Präsenzveranstaltungen sehr viel effektiver als bei elektronischer Teilnahme.


    Und das hier

    Nun haben wir aber Betriebsteile (die sich damals bewusst entschieden haben an der Wahl des Hauptbetriebs teilzunehmen – somit haben wir einen BR für den Hauptbetrieb einschl. der Betriebsteile) die mehrere Autostunden entfernt liegen. Der Aufwand um an der Betriebsversammlung teilzunehmen steht für die Kollegen also in keinem Verhältnis.

    ist mE kein Argument, wenn der "Aufwand" einschließlich Fahrtzeit sowie Fahrtkosten voll vergütet wird.