Mit oder ohne Gewerkschaft

  • Moin zusammen!


    Wir sind jetzt aktiv dabei einen BR zu gründen (Hotellerie). Das Gespräch mit der Gewerkschaftssekretärin lief recht gut, nur meint sie, dass es ein paar mehr Gewerkschaftsmitglieder werden sollen, damit wir die volle Unterstützung bekommen.


    Allerdings will sie nicht so recht mit der Sprache rausrücken, wie die Unterstützung in der aktuellen Konstellation aussehen würde.


    Daher meine Frage: mit oder ohne Gewerkschaft?

    Soll ich die Dame vlt. darauf hinweisen, dass wir die Schulungen dann von der „Konkurrenz“ durchführen lassen?

    Was meint ihr?

  • Gewerkschaften sind für Betriebsräte wie Kondome: mit ist sicherer, ohne ist schöner. :)


    Je nach dem wie eure Situation ist: der Arbeitgeber zahlt auch eine anwaltliche Beratung, das weiß er vielleicht noch nicht, aber er tut es. Evtl. ist es für euch also eine gute Alternative, euch einen fähigen Arbeitsrechtler zu besorgen. Der hält euch gegenüber die Hand nicht auf; er wartet damit, bis ihr dem AG gegenüber Farbe bekannt habt und schickt dem dann die Rechnung.

  • Daher meine Frage: mit oder ohne Gewerkschaft?

    wenn ihr einen BR gründen wollt, dann ist doch erstmal egal ob mit oder ohne .....


    Wenn die GW Vorbehalte hat, dann eben erstmal ohne, warum nicht?

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Allerdings will sie nicht so recht mit der Sprache rausrücken, wie die Unterstützung in der aktuellen Konstellation aussehen würde.

    Rechtliche Unterstützung bekommt Ihr von der GW und über das BetrVG auch.

    Gewerkschaften haben aber noch mehr Pfeile im Köcher.

    So zB. die Politische Durchsetzung. Diese funktioniert aber nur wenn es eine Durchsetzungsstarke Belegschaft gibt, da ein Gewerkschaftssekretär wenig alleine ausrichten kann.

    Wir sind vor 12 Jahren mit 7 Gewerkschafter gestartet, mit der IG-Metall, heute sind wir 120.

    Welche GW ist denn für euch zuständig?

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Gewerkschaften sind der natürliche Verbündete des BR. Gerade in der Anfangszeit ist es gut, einen Rückhalt zu haben, an den man sich auch man wenden kann, wenn es gerade brennt. Unser Gewerkschaftssekretär hat uns bei der Gründung sehr geholfen, allein wären wir wahrscheinlich schon an den Formalitäten gescheitert. Auch bei den ersten Betriebsversammlungen war der Gewerkschaftssekretär anwesend und konnte den AG im Zaum halten, wenn der etwas eigentümliche Rechtsansichten hatte. Auch bei der Verhandlung zu Betriebsvereinbarungen war er regelmäßig dabei.


    Aber letztendlich arbeiten die Gewerkschaften natürlich nicht aus reiner Menschenliebe, sondern wollen Mitglieder haben, die Beiträge zahlen. Wegen 3 Hanseln in der Gewerkschaft rufen die nicht zum Streik auf. Dafür sollte man auch Verständnis haben.


    Soll ich die Dame vlt. darauf hinweisen, dass wir die Schulungen dann von der „Konkurrenz“ durchführen lassen?

    Was meint ihr?

    Bei Schulungen seid ihr sowieso frei, euch für die Gewerkschaft oder einen privaten Anbieter wie ifb zu entscheiden. (Ich rate, beides mal auszuprobieren.) Aber gleich eine Drohkulisse aufzubauen, ist als wenn du im türkischen Restaurant sagst "wenn ich kein Schweinefleisch bekomme, gehe ich halt zum Griechen..." ;)

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Gewerkschaften sind der natürliche Verbündete des BR.

    Aber auch nur im Sinne von "der Feind meines Feindes ist mein Freund". Ich habe es selbst schon erlebt, wie eine Gewerkschaftssekretärin völlig schmerzfrei den BR diskreditiert hat, nach dem Motto "nur Verdi kann Euch retten", nur um ein paar Mitglieder zu akquirieren. (Sie war damit durchaus erfolgreich, aber für die Stimmung im Betrieb war das halt nicht so ideal).

    Das soll jetzt aber nicht gegen Gewerkschaften gehen, gerade bei einer Neugründung bin ich schwer für mit Gewerkschaft.

    Man sollte sich aber bewusst sein, dass die Gewerkschaft eben kein "Freund" ist, die arbeiten durchaus an Großteils deckungsgleichen Zielen und für die MA, aber mit ihren eigenen Mitteln. Da lässt sich toll zusammenarbeiten und man kann super, jeder mit seinem eigenen "Werkzeugkasten", auf das gleiche Ziel hinwirken. Aber im Zweifelsfall wird eine Gewerkschaft immer die eigenen Interessen über die eines einzelnen BR, eines einzelnen Betriebes stellen und dessen muss man sich halt bewusst sein.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Das BR und Gewerkschaft nicht immer gleicher Meinung ist, sein kann, dem Kann ich zustimmen.

    Aber wenn von der Gewerkschaft geredet bzw. geschrieben wird, sollte man doch wissen das es sich dabei um die Mitglieder handelt die eine GW ausmacht und nicht ein einzelner GW Sekretär.

    Von denen gibt es auch sehr gute und weniger gute.

    Bei Schulungen seid ihr sowieso frei, euch für die Gewerkschaft oder einen privaten Anbieter wie ifb zu entscheiden.

    Hierzu wurde jetzt kürzlich ein Delegierten-Vorschlag einer Geschäftsstelle, zur Abstimmung am hauptdelegierten Tag in Frankfurt, gemacht.

    Alle Träger eines Ehrenamtes sollen dieses entzogen bekommen so Sie denn Schulungen bei privaten Anbieter besuchen.

    In diesem Vorschlag ist sogar von" Feindlich gesinnten Seminaranbieter" die Rede.

    Es wird zwar nicht davon ausgegangen das dieser Antrag durchgeht aber die Gesinnung ist schon erkennbar.

    Für mich ein no go. <X

    Auch rechtlich sehr schwierig.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Alle Träger eines Ehrenamtes sollen dieses entzogen bekommen so Sie denn Schulungen bei privaten Anbieter besuchen.

    wie will eine GW den einem BRM das Ehrenamt entziehen?

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Damit würde sich die Gewerkschaft aber direkt in die Entscheidungsfreiheit des BR einmischen. Klar kann man die GM dann immer zu 'ner eigenen Schulung schicken, aber finster ist das schon. Steht die Gewerkschaft so schlecht da, dass sie auf das Einkommen aus BR-Schulungen angewiesen ist?

  • Erst einmal vielen Dank für die zahlreichen Antworten!

    Ich habe am Donnerstag noch einmal ein persönliches Gespräch mit der Sekretärin (NGG), vielleicht kann ich ihr Zugeständnisse abringen: sie könnte ja die erste Wahlveranstaltung leiten, und so indirekt Werbung für die Gewerkschaft machen…


    Die zahlreichen Vorteile einer Gewerkschaft sind mir sehr bewusst (Ressourcen, Erfahrung, Rechte bestimmte Prozesse auszulösen, etc.); Streik wird nicht stattfinden; man fühlt sich halt sicherer, wenn man beim ersten Mal jemand dabei hat, aber zur Not schaffe ich das auch alleine.


    Der digitale Wahlhelfer und die Unterlagen, die ich bereits erhalten habe, sowie das vertiefte Studium der relevanten Gesetze und Urteile verbessern das Verständnis ungemein.


    […] Aber im Zweifelsfall wird eine Gewerkschaft immer die eigenen Interessen über die eines einzelnen BR, eines einzelnen Betriebes stellen und dessen muss man sich halt bewusst sein.

    Danke für die Erinnerung, das vergisst man gerne


    [..,]


    Bei Schulungen seid ihr sowieso frei, euch für die Gewerkschaft oder einen privaten Anbieter wie ifb zu entscheiden. (Ich rate, beides mal auszuprobieren.) Aber gleich eine Drohkulisse aufzubauen, ist als wenn du im türkischen Restaurant sagst "wenn ich kein Schweinefleisch bekomme, gehe ich halt zum Griechen..." ;)

    Die Überlegung war den entscheidenden Punkt, das Geld, zu treffen.

    Das Problem ist, dass wir auch einige Gewerkschaftsmitglieder haben, die bei der Gewerkschaft mit einem ehemaligen Betrieb gemeldet sind, aber die wollen das nicht melden, da sonst ihre Beiträge steigen 🙄

    2 Mal editiert, zuletzt von Der Markus () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Der Markus mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • vielleicht kann ich ihr Zugeständnisse abringen: sie könnte ja die erste Wahlveranstaltung leiten

    Vorsicht! Versprich nichts, was du nicht halten kannst (und was unnötig ist, denn was taugt solchermaßen "gekaufte" Hilfe?) Sie wird als Externe kaum im Wahlvorstand sein, und dessen Vorsitzender leitet die Wahlversammlung.


    Die Überlegung war den entscheidenden Punkt, das Geld, zu treffen.

    Mach es nicht. Das Eine sollte vom Anderen komplett unabhängig bleiben. BR-Gründung ist das Eine, Schulungsbesuche bei Anbieter X oder Y oder Z das Andere.

    Ich habe hier vier dicke Kataloge von Schulungsanbietern liegen, einen von meiner Gewerkschaft und drei von kommerziellen Anbietern. Ich persönlich bevorzuge die Seminarbesuche bei meiner Gewerkschaft, weil da mit Abstand am meisten für mich "rumkommt", mehr eigentliche/effektive Stunden in der Seminarwoche, mehr Übungen, mehr Austauch mit anderen Betriebsräten, während bei den Kommerziellen - meiner subjektiven Erfahrung nach - mehr doziert und weniger erarbeitet wird. Aber wenn mir Ort und Zeit und Themen dort besser liegen, fahre ich dennoch ab und zu zu Seminaren der kommerziellen Anbieter.


    Das Problem ist, dass wir auch einige Gewerkschaftsmitglieder haben, die bei der Gewerkschaft mit einem ehemaligen Betrieb gemeldet sind, aber die wollen das nicht melden, da sonst ihre Beiträge steigen

    Versteh' ich nicht, denn die Vertrauensleute im alten wie im neuen Betrieb können solche Veränderungen ja unabhängig von den Kollegen mitteilen (bevor ein Betrieb mangels Ab-/Ummeldungen theoretisch mehr Gewerkschaftsmitglieder als Mitarbeiter hat). Aber andererseits hat das auch nichts mit eurer BR-Gründung zu tun.



    PS:

    ... das vertiefte Studium der relevanten Gesetze und Urteile verbessern das Verständnis ungemein.

    Stimmt, aber aus unserer Erfahrung (u.a. Organisation und Durchführung von Wahlen!) würde ich mal sagen, dass du dir mit egal wieviel Mühe nicht alles selber erarbeiten und leider auch von einer Wahl nicht zwingend auf die folgende schließen kannst (habe drei Wahlen als WV binnen eines Jahres hinter mir: BR, SBV und JAV, bei zweien davon auch als erneut antretender Kandidat). Es gibt auch Wahlvorstandsschulungen und vielleicht kannste deiner Gewerkschaftsdame etwas Honig ums Kinn schmieren, wenn du sie um Rat fragst, wann die IGM in eurer Gegend das nächste Wahlseminar abhält ...

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.

    Einmal editiert, zuletzt von Scheeks ()

  • Am besten finde ich grade wie unsere Verdi Sekretäre die Nullrunde im öffentlichen Dienst als großen Erfolg verkaufen wollen <X <X <X

    "Nullrunde"!? Sorry, das ist Blödsinn. 3000€ Inflationsausgleichsprämie brutto wie netto in 2022 und bis zu 17% tabellenwirksame Lohnsteigerung in 2024 ist in Teilen vllt diskutabel (v.a. die nicht tabellenwirksame Zahlung in 2023), aber alles andere als eine Nullrunde.


    Ich als an sich sehr unzufriedenes Ex-Verdi-Mitglied finde diesen Abschluss ziemlich gut. Wenn man ihn z.B. mit allem vergleicht, was die IGM in den letzten Monaten abgeschlossen hat, ist er deutlich besser - und es ist sehr lange her, dass der öD die Metaller mal "abgehängt" hat.


    Der Markus , m.E. ist es ureigenstes Interesse der Gewerkschaft, die Gründung von BRen zu unterstützen, auch bei geringer Mitgliederzahl. Denn die Wahlen und die Gremiumsarbeit bieten die Möglichkeit, als Gewerkschaft einen Fuß in der Türe zu haben


    Das Problem ist, dass wir auch einige Gewerkschaftsmitglieder haben, die bei der Gewerkschaft mit einem ehemaligen Betrieb gemeldet sind, aber die wollen das nicht melden, da sonst ihre Beiträge steigen 🙄

    Das ist im Übrigen sehr, sehr dumm. Denn damit zahlt man zwar vllt einen niedrigen Beitrag, verliert aber komplett den Anspruch auf die satzungsgemäßen Leistungen der Gewerkschaft.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    2 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • "Nullrunde"!? Sorry, das ist Blödsinn.

    Nein, nein! Also bitte Fried! - Hier auf dem Wolkenkukuksponyhof ist der inflationsbedingte "Kaufkraftverlust" ein echtes Argument (auch für die AG) und nicht nur ein Slogan der Gewerkschaften! Hier interessiert es die AG doch nicht was sie das kostet, sondern nur was sich die MA dann tatsächlich von ihrem Gehalt kaufen können. Wir rechnen hier mit dem "Big-Mac-Index", also das Entgelt wird umgerechnet, wie viele Big Macs bekommt man für ein Monatsgehalt nach aktuellem Preis. Bei einer Entgeltsteigerung von 10% heißt das dann 10% mehr Big Macs und diese Menge wird dann wieder, nach dem aktuellen Big Mac-Preis, zurück gerechnet in Geld. - und ja, dann war es eine Nullrunde! :D :D

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Hmmm, meine Antworten sind weg…. vlt. auch nicht abgeschickt 🤪

    Zusammengefasst: ich werde bei dem Gespräch vorschlagen, dass die Gewerkschaft die Gründung bis zum Abschluss der BR-Wahl unterstützt, damit diese indirekt Werbung für sich macht und die Kollegen sehen können, warum es gut ist, wenn man eine Gewerkschaft an seiner Seite hat, denn die eigentlichen Schwierigkeiten entstehen ja wenn der BR im Amt ist.


    Bezüglich meiner Kollegen weiß ich nicht, was die umtreibt, manchmal hilft ja Anschauungsunterricht.

  • Hmmm, meine Antworten sind weg…. vlt. auch nicht abgeschickt 🤪

    Nö, die hat die Putzperle (=meine Wenigkeit) mit schwäbischer Gründlichkeit weggeputzt. :P Du hattest nur den Beitrag von Scheeks komplett zitiert, aber nicht deinen Senf dazu gegeben.


    Du kannst auch die Gewerkschaftssekretärin fragen, ob sie an eurer ersten Betriebsversammlung teilnehmen will. Da hat sie Teilnahme- und Rederecht.

    Bezüglich meiner Kollegen weiß ich nicht, was die umtreibt, manchmal hilft ja Anschauungsunterricht.

    Das Argument, was meiner Erfahrung nach am besten zieht, ist dass sie kostenlose Rechtsberatung und juristische Unterstützung bekommen, z.B. bei Kündigungen, falschen Lohnabrechnungen, Urlaubsverweigerung oder was euer AG so an Garstigkeiten draufhat...

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)