Mobile Working - Jetzt haben wir den Salat

  • Hallo mal wieder,


    vor einigen Wochen haben wir eine BV zum Thema "mobile working" / "mobiles Arbeiten" mit der GF geschlossen. Darin ist keine dedizierte Anzahl von Tagen oder Quoten für Präsenz- und mobile Working-Tage definiert oder irgendwelche Regelungen für die Zeit nach dem Urlaub. Eine Gruppe im Gremium konnte sich da leider nicht durchsetzen, mit der Forderung nach einer bestimmten Quote. Die anderen haben sich darauf berufen, dass das ja maximale Flexibilität lässt. In der Praxis haben wir das hier abteilungsübergreifend seit zwei Jahren so: "jede:r muss mind. 1 x die Woche in die Firma kommen" bzw. in anderen Abteilungen "jede:r kommt eine Woche am Stück ins Büro" (wobei dort nach Absprache im Team rolliert wird).


    Wie es nun so ist, kam gestern eine E-Mail eines AL in seine Abteilung, in der er ankündigt: "Der höchstmögliche Anteil der Arbeitszeit im HomeOffice ist in Zukunft auf 50 % der Arbeitszeit beschränkt. (...) Nach einem mindestens einwöchigen Urlaub ist die darauffolgende Woche im Büro zu arbeiten. Diese Regelung gilt dann ab dem 1. April und kann bei Bedarf jederzeit geändert werden."


    Die vorgenannte E-Mail kam für alle in der Abteilung völlig überraschend und anlasslos. Zumal die Abteilung (Sachbearbeiter:innen Antrag & Vertrag Versicherungsbereich) technisch gesehen keinerlei Grund haben, ins Büro zu kommen. Eine betriebliche Notwendigkeit besteht folglich nicht.


    Diese Regelung betrifft alle Kolleg:innen in der Abteilung bis auf eine. Der wollen wir natürlich nicht ans Bein pieseln.


    Unsere BRV (die sogar direkt betroffen ist) meint, dass das ja durch die BV Sache der AL ist, das dann so auszugestalten, weil wir ja keine feste Regelung haben. Ich selbst sehe das etwas anders. Wenn ich es falsch sehe, sagt es mir bitte. Ich für meinen Teil meine, dass hier der AL quasi eigenständig die bisherige BV und betriebliche Praxis aushöhlt und gewissermaßen eine eigene BV für die Abteilung "kreiert". (Einer von den Kandidaten, die ohnehin keine Homeoffice-Fans sind). Ich sehe hier auf jeden Fall ein Mitspracherecht des BR.


    Die BV sagt zur Ablehnung von "mobile working":

    Zitat

    "Die Teilnahme am mobilen Arbeiten setzt einen formlosen Antrag des Mitarbeiters an den zuständigen Vorgesetzten voraus. Dieser prüft zunächst, ob der betroffene Mitarbeiter die Teilnahmevoraussetzungen nach Ziff. 2.2. erfüllt. Ist dies der Fall, haben der zuständige Vorgesetzte und der Mitarbeiter den Antrag gemeinsam mit dem Ziel zu erörtern, zu einer einvernehmlichen Einigung zu gelangen. Gegenstand der Erörterung sind unter angemessener Berücksichtigung der betrieblichen und persönlichen Interessen Lage, Zeitraum und Häufigkeit des mobilen Arbeitens."

    Grundsätzlich kennt unsere BV überhaupt keinen Paragraphen zum Thema bestehende mobile working-Modalitäten ändern und anpassen, außer:

    Zitat

    Aus betrieblichen Gründen kann der Vorgesetzte (bzw. die Geschäftsleitung hinsichtlich mehrerer Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen) jederzeit Einschränkungen der mobilen Arbeit und Erbringung der Arbeitsleistung im Büro anordnen.


    Bei Vorliegen betrieblicher Erfordernisse wie z.B. Personalunterbesetzung, vermehrte Krankheitsfälle, kann die Erteilung der Erlaubnis für den Zeitraum des Vorliegens dieses Hinderungsgrundes, je nach Art des betrieblichen Erfordernisses dauerhaft ausgesetzt bzw. widerrufen werden.

    Ich weiß, ich weiß, und es tut mir leid, dass ich euch immer wieder nerve... manchmal würden auch Fachanwälte usw. helfen, ja. Das wird hier aber nicht passieren und so muss ich versuchen, für die 140 Leute hier Themen irgendwie wenigstens für das Gremium aufzuarbeiten, sodass die dann irgendwie aktiv werden bzw. "Plänen" zustimmen.


    Vielen Dank, dass ihr bis hier her gelesen habt!

    Beste Grüße

    SKRLFT

    ___


    stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

    Versicherungen/ Finanzen


    - für progressive Veränderungen

  • ich denke um Dir dazu eine Antwort zu geben, die Dir hilft müsste man die komplette BV kennen/lesen.


    Aber allein schon das

    "Aus betrieblichen Gründen kann der Vorgesetzte (bzw. die Geschäftsleitung hinsichtlich mehrerer Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen) jederzeit Einschränkungen der mobilen Arbeit und Erbringung der Arbeitsleistung im Büro anordnen."


    macht ja fast alles möglich für die AL (steht das vielleicht für allmächtig? :/ ) möglich

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Hallo,


    Ja im ersten Moment hört sich die BV so an als ob alles in den Händen des AG (vertreten durch die AL) liegt. Allerdings ist die Interpretation/Auslegung nicht alleinige Sache des AG, sondern ist zwischen BR und AG zu besprechen auch im hinblick darauf was in den Verhandlungen besprochen wurde bzw. was damals gemeint/gewünscht war. Und gerade die Regelung nach Urlaub ist definitiv ein Punkt der besprochen werden muss.

    Und ihr könnt euch als BR auch entsprechende Rechte oder Befugnisse in die BV mit reinschreiben, wie zBsp. das bei Wiederruf der Erlaubnis der BR zu informieren ist über den grund ggf. auch Zustimmung des BR erforderlich bei totalem Wiederuf.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Vielen Dank für die Antwort!


    Der Punkt stört mich auch ungemein. Muss man leider in demokratischen Prozessen manchmal aber leider schlucken. :-/


    Die GF verfolgt tatsächlich in einigen Aspekten eher eine Feudalherrscher-Gangart anstatt Kompromiss- und Einsichtsfähigkeit. Ein paar Punkte konnte ich aus der BV rausargumentieren, bei den "Verhandlungen". Aber eben nicht alles Krude.


    Die BV hätte ich hier ...


    LG
    SK


    Hallo Bernd.


    Auch die vielen Dank für die Antwort!


    Ich verstehe deine Antwort so, dass ich auf jeden Fall darauf hinarbeiten werde, dass der BR dem Ganzen auf jeden Fall erstmal widerspricht und um Gespräche bittet? Und dass wir die BV um die "fehlenden" nacharbeiten sollten also erneut mit der GF darüber verhandeln? Würde das nicht, wenn die sich querstellen, voraussetzen, dass wir die BV dann kündigen? Die bliebe ja dann, bis es eine neue gibt, weiter aktiv.


    Gerade was den Urlaub bzw. "die Woche danach" angeht, werde ich jedenfalls nicht locker lassen.


    LG

    SK

    Beste Grüße

    SKRLFT

    ___


    stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

    Versicherungen/ Finanzen


    - für progressive Veränderungen

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  • Hallo SK,


    Ich verstehe deine Antwort so, dass ich auf jeden Fall darauf hinarbeiten werde, dass der BR dem Ganzen auf jeden Fall erstmal widerspricht und um Gespräche bittet? Und dass wir die BV um die "fehlenden" nacharbeiten sollten also erneut mit der GF darüber verhandeln? Würde das nicht, wenn die sich querstellen, voraussetzen, dass wir die BV dann kündigen? Die bliebe ja dann, bis es eine neue gibt, weiter aktiv.


    Gerade was den Urlaub bzw. "die Woche danach" angeht, werde ich jedenfalls nicht locker lassen.

    nun es ist ja so das hier ein AL die BV nach seinem Gusto auslegt, aber die Deutungshoheit ist hier bei den beiden verhandelden Parteien, daher den AG(GF) kontaktieren und erstmal die Rücknahme der Anweisung verlangen, da dies so in der BV nicht enthalten ist (Oder steht dazu etwas in der BV? dass Urlaub im Büro nachgearbeitet werden muss)

    Gekündigt werden muss die BV nicht, es geht nur um die Auslegung, d.h. was war in den Verhandlungen damals gemeint, euch als BR ging es um maximale Flexibilität und nicht um Einschränkungen. Gleichzeitig sollte ja auch die schon bestehende gelebte Praxis nicht eingeschränkt werden. Und dazu kann auch eine Anlage an die bestehende BV gmacht werden oder eine komplette Neufassung, welche dann mit Abschluss die bestehende ersetzt ohne dass vorher explizit gekündigt werden muss.

    Der nächste Punkt ist noch warum gibt es die eine Ausnahme innerhalb der Abteilung?


    Aber wenn bei euch nicht die Gefahr besteht das mobile working dann generell eingestellt wird wäre es auch möglich die BV zu kündigen und dann neu zu verhandeln. Aber momentan würde ich die Deutungshoheit wie die BV zu lesen/umzusetzen ist auf die Ebene BR/AG heben und nicht bei den AL, den dies führt zu komplett verschiedenen Modellen und erhebliche Verwerfungen im Betrieb und damit auch zur Gefährdung des Betriebsfriedens.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Vor allen Dingen würde ich als BR den AG auffordern, die "betrieblichen Gründe" konkret nachzuweisen. Praktisch bedeutet das, der AG ist in der Nachweispflicht darzulegen, dass die Arbeit für die er die MA ins Office holen will unbedingt im Büro erledigt werden muss, und nicht gleichwertig auch im Homeoffice geleistet werden kann.


    Ich finde den Passus gar nicht so schlecht. Lasst euch die betrieblichen Gründe erklären, und falls ihr der Argumentation des AG nicht zustimmt gibt es für die Auslegung einer BV das entsprechende Verfahren vor dem Arbeitsgericht.

  • Vor allen Dingen würde ich als BR den AG auffordern, die "betrieblichen Gründe" konkret nachzuweisen. Praktisch bedeutet das, der AG ist in der Nachweispflicht darzulegen, dass die Arbeit für die er die MA ins Office holen will unbedingt im Büro erledigt werden muss, und nicht gleichwertig auch im Homeoffice geleistet werden kann.

    Danke, genau das war auch mein Gedanke.


    Denn, egal was man jetzt von der BV halten mag, die Anweisung der AL verstößt dagegen.

    Eine pauschale und unbegründete Beschränkung der mobilen Arbeit auf 50% für alle ist von "Bei Vorliegen betrieblicher Erfordernisse wie z.B. Personalunterbesetzung, vermehrte Krankheitsfälle, kann die Erteilung der Erlaubnis für den Zeitraum des Vorliegens dieses Hinderungsgrundes, je nach Art des betrieblichen Erfordernisses dauerhaft ausgesetzt bzw. widerrufen werden." schlicht und einfach nicht gedeckt, da gibt es nicht viel zu interpretieren. - Die BV definiert das Vorliegen betrieblicher Erfordernisse als Voraussetzung für die Einschränkung der mobilen Arbeit und diese werden nicht benannt.

    Also als BR: "Lieber AL, Du hast keine betrieblichen Erfordernisse genannt, also fehlt Dir die formale Voraussetzung zur Einschränkung der mobilen Arbeit. Definiere uns die betrieblichen Erfordernisse, welche Deiner Meinung nach eine Einschränkung der mobilen Arbeit erforderlich machen - für jeden betroffenen MA gesondert - dann können wir darüber reden."

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Wie EDDFBR und Paragraphenreiter sehe ich hier einen Verstoß gg die BV, weil der AG die dort klar geforderte betriebliche Begründung komplett vermissen lässt.


    Es handelt sich also um einen Verstoß gg die Mitbestimmungsrechte des BR, der entsprechend sankionierbar ist.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)