Der tödliche Fehler, wenn Sie als Betriebsrat einen Anwalt beauftragen

  • Eigentlich war die Sache ganz einfach. Nachdem sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über die Dienstplangestaltung einigen konnten, wurde die Einigungsstelle angerufen. Der Arbeitgeber bestellte einen Anwalt als Verfahrensbevollmächtigten, der Betriebsrat ebenso. Aber der Betriebsrat machte einen entscheidenden Fehler:


    • Er beschloss zwar ordnungsgemäß, einen Anwalt zu beauftragen.
    • Den Auftrag bekam eine Unternehmergesellschaft mit mehreren Gesellschaftern – verbunden mit einer Honorarzusage.
    • Zu den Gesellschaftern gehörte auch der Anwalt, der im Anschluss für den Betriebsrat tätig wurde und vor der Einigungsstelle als Rechtsanwalt auftrat.
    • Als aber die Rechnung der Gesellschaft kam, weigerte sich der Arbeitgeber, diese zu zahlen.
    • Begründung: Im Rahmen der Einigungsstelle sei allein der Rechtsanwalt (in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt) aufgetreten, nicht die Gesellschaft. Zudem sei diese nicht zur anwaltlichen Vertretung berechtigt. Was stimmte …
    • In einem ersten Verfahren entschied das LAG Düsseldorf: Der Arbeitgeber braucht nicht zu zahlen (Beschluss vom 13.03.2019, Az. 4 TaBV 56/18).

    Die Sache geht weiter:

    • Der Rechtsanwalt stellte daraufhin eine eigene Rechnung aus.
    • Wieder weigerte sich der Arbeitgeber zu zahlen. Begründung: Der Betriebsrat habe nicht den Anwalt, sondern die Unternehmergesellschaft beauftragt.
    • Das LAG Düsseldorf entschied: Ja, auch diese Rechnung braucht der Arbeitgeber nicht zu zahlen (Beschluss vom 28.01.2022, Az. 6 TaBV 32/21).

    Die FINALE Entscheidung

    Nun ist der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht gelandet. Doch das hat kurz und bündig entschieden: „Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. Januar 2022 – 6 TaBV 32/21 – wird zurückgewiesen“ (BAG, 8.3.2023, Az. 7 ABR 10/22).

    Dumm gelaufen. Doch schauen wir uns das mal genauer an:

    Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt Ihr Arbeitgeber die durch Ihre Tätigkeit als Betriebsrat entstehenden Kosten. Zu diesen vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören auch Honorarkosten für einen Rechtsanwalt in einem Einigungsstellenverfahren, sofern Sie die anwaltliche Vertretung für erforderlich halten (BAG, Urteil vom 14.12.2016 - 7 ABR 8/15 und vom 14.02.1996, Az. 7 ABR 25/95).

    Bei der Auswahl des Anwalts müssen Sie so vorgehen, als hätten Sie die kosten selber zu tragen. Sprich: Sie müssen auch die Kosten im Auge behalten. Das heißt auch: Gibt es mehrere gleich geeignete Möglichkeiten zur Durchsetzung Ihrer Interessen, müssen Sie stets die günstigste wählen. Das gilt auch für die Honorarzusage an den Rechtsanwalt (BAG, Urteil vom 14.12.2016, Az. 7 ABR 8/15).

    Doch unabhängig davon gilt:

    Beauftragen Sie dann auch tatsächlich den Anwalt.

    Übrigens:

    Der Betriebsrat braucht trotzdem nicht zu zahlen. Schon das LAG Düsseldorf als Vorinstanz hat festgestellt: Die Forderung des Anwalts ist inzwischen verjährt. Durch den Antrag des Betriebsrats, den Arbeitgeber zu verpflichten, ihn von der Forderung aus der Rechnung eines Rechtsanwalts freizustellen, wird die Verjährung des in der Rechnung geltend gemachten Vergütungsanspruchs nicht gehemmt, so das Gericht.

    Vorsicht Honorarfalle:

    Vereinbaren Sie mit Ihrem Anwalt ein von den gesetzlichen Gebühren abweichendes Honorar, kann Ihr Arbeitgeber die Übernahme solcher Anwaltsrechnungen ablehnen. Das gilt zumindest dann, wenn Sie Ihren Arbeitgeber nicht vorher informiert haben und ihm damit die Möglichkeit genommen haben, übermäßige Kosten zu prüfen und zu verhindern.

    Quelle : Mitbestimmung aktuell

    " Alle Menschen sind klug - die einen vorher, die anderen nachher "

    Voltaire (1694 - 1778)


    " Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen,

    wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht "

    Papst Gregor der Große (540 - 604)


    " Alles was das Böse benötigt, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit "

    Kofi Annan, von 1997 bis 2006 Generalsekretär der UN

  • da hält sich aber mein Mitleid mit einem derart hochkompetenten Anwalt bzw -Gesellschaft in extrem engen Grenzen.

    Der Gedanke kam mir auch.

    Wenn nicht mal von einem Anwalt ein rechtsicherer Beschluss zur Beauftragung ausgearbeitet werden kann, selber schuld.

    Weiß man denn ob der Anwalt/ die Gesellschaft den BR in Regress genommen hat bzw. es versucht hat?

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Weiß man denn ob der Anwalt/ die Gesellschaft den BR in Regress genommen hat bzw. es versucht hat?

    Ich glaube, das ist ausreichend ausdiskutiert und einem halbwegs kompetenten RA sollte klar sein, dass es von einem BR nichts zu holen gibt und nach zwei Urteilen der Gerichte auch bei einem AG keine positive Aussicht mehr besteht. Vielleicht hat der Anwalt das einfach als Lehrgeld verbucht.

  • Was mir aber nicht eingeht: Warum hat der BR die falsche Beauftragung nicht nachträglich geheilt durch einen gesetzeskonformen Beschluss?


    Was mir aber nicht eingeht: Warum hat der BR die falsche Beauftragung nicht nachträglich geheilt durch einen gesetzeskonformen Beschluss?

    Ich ziehe die Frage zurück, da hatte ich einen Denkfehler. Das ist so gar nicht mehr möglich gewesen, der Zug war abgefahren.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    3 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Ich glaube, das ist ausreichend ausdiskutiert und einem halbwegs kompetenten RA sollte klar sein, dass es von einem BR nichts zu holen gibt und nach zwei Urteilen der Gerichte auch bei einem AG keine positive Aussicht mehr besteht. Vielleicht hat der Anwalt das einfach als Lehrgeld verbucht.

    Wieso Lehrgeld. Mit dem BAG Urteil findet er den Ruhm in die Kommentare aufgenommen zu werden. Der Ruhm ist doch eigentlich unbezahlbar.
    Vielleicht war er auch an den weiteren Auseinandersetzungen jetzt bis zum BAG beteiligt, als das Thema mit der Kostentragepflicht geklärt worden ist. Da ist das dann auch vielleicht auch einberechnet.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Nur mal als Test, ob ich das richtig verstanden habe: Mit "Gesellschaft" ist eine Kanzlei gemeint, in der bespielweise 5 Anwälte als "Anwaltskanzlei Müller & Schmidt" firmieren? Der BR beauftragt die Kanzlei Müller & Schmidt mit der gerichtlichen Vertretung und Rechtsanwältin Schulze übernimmt den Fall.


    Die Kanzlei Müller & Schmidt schickt dem AG die Rechnung. Der AG will die Rechnung nicht bezahlen, weil der BR nicht Rechtanwältin Schulze, sondern die Kanzlei Müller & Schmidt beauftragt habe. Dann hätte wohl die gesamte Kanzlei in der E-Stelle aufkreuzen sollen, damit der Form Genüge getan ist?


    Sei's drum, Rechtsanwältin Schulze denkt sich "formalistische Korinthenkacker" und schreibt eine eigene Rechnung für ihre zweifellos erbrachte Dienstleistung, immerhin war sie nachweislich in der Verhandlung dabei. Nun will der AG immer noch nicht zahlen, weil der BR nur die Kanzlei, aber nicht explizit Rechtsanwältin Schulze beauftragt habe? Und während der Verhandlung in der E-Stelle kam niemand, auch der findige AG nicht auf die Idee, Anwältin Schulze zu fragen, was zum Teufel sie ohne Beauftragung dort zu suchen und rumzulabern hätte?


    Dann hoffe ich wirklich, dass mir ein Denkfehler unterlaufen ist, oder unser AG mit einem einzigen Abwasser mal ausnahmsweise nicht gewaschen war. Wir haben nämlich auch immer eine Kanzlei (und keine Anfänger!) nach deren Beschlussvorlage beauftragt und mal den einen, mal den anderen bekommen...


    Nachtrag: Als BR würde ich den Beschluss der Einigungsstelle anfechten, da von BR-Seite eine unbeauftragte Person unterschrieben hat.... ;)

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Mit "Gesellschaft" ist eine Kanzlei gemeint, in der bespielweise 5 Anwälte als "Anwaltskanzlei Müller & Schmidt" firmieren?

    Ich habe mal kurz nachgelesen. Mit Gesellschaft dürfte eine Rechtsanwalt-GmbH gemeint sein. Das ist die eher unübliche Form von Anwaltsrudeln, die es aber gelegentlich geben soll.

    Ich finde aber keinen Beleg dafür, wie und ob man eine Kanzlei oder "mehrere" Anwälte beauftragen kann. Wäre da selber interessiert, ob das möglich ist.

  • Der Mann mit der Ledertasche, Tobias Clausing , es geht nicht um eine anwaltliche Vertretung vor Gericht, sondern um die Benennung und Vergütung von (anwaltlichen) Beisitzer:innen für eine E-Stelle.


    Und da sehe ich einen Unterschied. § 76 (2) BetrVG sprich explizit von Beisitzer:innen und meint damit natürliche Personen. Auf der anderen Seite regelt das Gesetz aber nirgends, dass die Beauftragung von Rechtsvertretung in Gerichtsverfahren an eine natürliche Person zu erfolgen hat, hier kann damit m.E. auch eine Kanzlei beauftragt werden.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Wenn man sich den Sachverhalt genauer anschaut, kann man über den Rechtsanwalt nur den Kopf schütteln - selbst schuld!
    Der Sachverhalt enthält einige Knackpunkte, wo es schief gelaufen ist, finde ich echt lesenswert:
    LAG Düsseldorf, Beschl. v. 28.1.2022 - 6 TaBV 32/21

    Nur mal als Test, ob ich das richtig verstanden habe: Mit "Gesellschaft" ist eine Kanzlei gemeint, in der bespielweise 5 Anwälte als "Anwaltskanzlei Müller & Schmidt" firmieren?

    Genau hier ist das erste große Problem: die Gesellschaft war in dem Fall gerade keine Rechtsanwaltsgesellschaft, sondern eine Unternehmergesellschaft, die nicht zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen befugt ist. Mit dieser wurde der Honorarvertrag geschlossen und nicht mit dem Rechtsanwalt selbst.

    Der Rechtsanwalt selbst hatte damit aus meiner Sicht schon mal keinen Anspruch aus einer Honorarvereinbarung, sondern allenfalls auf die gesetzliche Vergütung.


    Dann der nächste Fehler: der Rechtsanwalt hat einen ggf. bestehenden eigenen Anspruch nicht in unverjährter Zeit beim Betriebsrat geltend gemacht.

  • Nur mal, damit ich es ganz verstehe... Das heißt, die Rechnung zahlt dann quasi einfach niemand?

    Beste Grüße

    SKRLFT

    ___


    stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

    Versicherungen/ Finanzen


    - für progressive Veränderungen

  • Im Normalfall wird sich ein Anwalt danach aber überlegen, ob er noch einmal mit diesem Gremium zusammenarbeiten möchte. Das ist also kein tauglicher Weg, um günstig an einen Anwalt zu kommen.

    Und ein halbwegs intelligenter Anwalt lässt sich von euch spätestens nach einem Vorgespräch die Beauftragung geben/bestätigen. Er kann am besten einschätzen, ob er mit eurem Beschluss am Ende an sein Geld kommt.

  • Das ist also kein tauglicher Weg, um günstig an einen Anwalt zu kommen.

    Das ist auf jeden Fall klar. Mir ging's auch nicht darum, da eine Möglichkeit für einen günstigen Anwalt aufzutun. Ich wollte nur den gesamten Vorgang verstehen können. Wenn es anders rüberkam, bitte ich um Nachsicht.

    Beste Grüße

    SKRLFT

    ___


    stellvertretender Betriebsratsvorsitzender

    Versicherungen/ Finanzen


    - für progressive Veränderungen

  • Der BR als Gremium ist im Rahmen des BetrVG teilrechts- und teilvermögensfähig.


    Entstehen aus einem unwirksamen Handeln des BR Verbindlichkeiten, hat der BR dafür geradezustehen, und zwar entweder in Person desjenigen BRM, das den BR in der Sache rechtsgeschäftlich vertreten hat - regelhaft also der/die BRV, oder in Person derjenigen BRM, die einem entsprechenden Beschluss zugestimmt haben.


    Also nein, die anwaltliche Vertretung wäre nicht auf den Kosten sitzengeblieben, wären sie nicht bereits verjährt gewesen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    2 Mal editiert, zuletzt von Fried ()