Überstunden Anweisung rechtens?

  • Hallo Community,


    ich würde gern zu folgendem Problem eure Meinung hören.

    Unser Fertigungsleiter hat vor Kurzem erneut eine Anweisung bzgl. Überstunden in einem Teilbereich der mechanischen Fertigung (betrifft die MA des Bereichs Bohrwerk) ausgehangen.

    Die Anweisung wurde erstmalig 2019 im März ausgehangen da eine höhere Auftragslage an diesen Maschinen zu erwarten war. An diesen Maschinen erfolgt ein 3-Schichtbetrieb zu je 8 Stunden.

    Der Betriebsrat wurde erst im Nov.22 gegründet.


    Stichpunktartig ist folgender Inhalt in dieser Anweisung (welche seit März 2019 laut seiner Aussage gültig ist):

    • Ab März 2019 wird die Früh- und Nachtschicht 6 Schichten in der Woche arbeiten
      • bedeutet eine zusätzliche Schicht von Freitag Nacht zu Samstag (8h) und eine Zusatzschicht am Samstag früh (6h)
    • Wen es genau betrifft wird am Mittwoch zuvor festgelegt
    • Bei Verhinderung zur Zusatzschicht ist ebenfalls bis Mittwoch Rückmeldung an den Fertigungsleiter zu geben
    • d.h. jeder Mitarbeiter hat mind. 14 Überstunden im Monat (6h für Samstag Frühschicht und 8h für 6te Nachtschicht) anzusammeln


    In dieser Anweisung ist keine Gültigkeitsdauer bzw. Frist dieser Maßnahme angegeben und auch kein Hinweis auf das Absetzen bzw. Auszahlen dieser Überstunden. Dies wird zwar sicherlich im Arbeitsvertrag individuell geregelt sein aber auf Grund der dauerhaften hohen Auslastung haben Kollegen sich mittlerweile so viele Überstunden angesammelt die unmöglich abgefeiert werden können bzw. welche der AG auch ungern auszahlt.



    Mein erstes Problem: ist diese Anweisung überhaupt so zulässig oder verstößt diese schon gegen ein Gesetz und ist somit ungültig (bereits seit 2019)?

    Welche Handhabe hat der Betriebsrat in diesem Fall? M.E. hat dieser seit Gründung ja nun ein Mitbestimmungsrecht bzgl. Arbeitszeit und auch Überstunden. Kann dieser einfach sagen: Nein, gibt’s nicht. Oder muss evtl. nur die Anweisung umgeschrieben werden oder hat diese noch Gültigkeit weil keine andere Regelung diese abgelöst hat.

    (Es gibt dazu keinen Tarifvertrag oder eine BV die das regelt. Zumindest noch nicht ;) )

    Habt ihr zufällig schon Erfahrung mit dieser Thematik?


    Danke vorab für eure Hinweise/Meinungen.

    LG Helena

  • Hallo,


    frühere (einseitige) Anweisungen des AG binden einen neu gegründeten BR in bezug auf die Ausübung seiner Mitbestimmung in keinster Weise.

    Deswegen hätte die neue Verpflichtung von Überstunden zuerst einmal im Rahmen eines Mitbestimmungsverfahrens gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

    § 87 BetrVG - Einzelnorm

    mit dem BR verhandelt werden müssen.


    Der BR kann verlangen - ggfs. mit einstweiligem Rechtsschutz durch das ArbG - daß der Aushang wieder abgehängt wird und erst das Mitbestimmungsverfahren durchgeführt wird.

  • Zweierlei:


    1. Der BR hat Mitbestimmung, d.h. er kann in der Tat sagen:

    Nein, gibt’s nicht.

    Und dann muss der AG diese zurücknehmen und eine neue mit dem BR vereinbaren.


    2. Ein Schichtplan ist immer verbindlich, das Direktionsrecht des AG bzgl der ArbZ ist damit verbraucht, und das kann nur im Einvernehmen zwischen AG und AN geändert werden. Es kann natürlich sein, dass der AV eine kurzfristigere Änderung zulässt - aber selbst dann ist Mittwoch auf Freitag bzw Samstag viel zu kurz, weil die Ankündigungsfristen des § 12 TzBfG (Arbeit auf Abruf) analog anzuwenden sind. Zwischen Ankündigung und Einsatz müssen vier Tage liegen, d.h. Arbeit am Samstag kann spätestens am Montag angeordnet werden.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Deswegen hätte die neue Verpflichtung von Überstunden zuerst einmal im Rahmen eines Mitbestimmungsverfahrens gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

    https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__87.html

    mit dem BR verhandelt werden müssen.

    Die Anweisung ist in dem Sinne ja keine neue Verpflichtung, da sie ja dauerhaft seit 2019 gilt. Deswegen könnte das Mitbestimmungsrecht nicht gelten,oder?


    2. Ein Schichtplan ist immer verbindlich, das Direktionsrecht des AG bzgl der ArbZ ist damit verbraucht, und das kann nur im Einvernehmen zwischen AG und AN geändert werden. Es kann natürlich sein, dass der AV eine kurzfristigere Änderung zulässt - aber selbst dann ist Mittwoch auf Freitag bzw Samstag viel zu kurz, weil die Ankündigungsfristen des § 12 TzBfG (Arbeit auf Abruf) analog anzuwenden sind. Zwischen Ankündigung und Einsatz müssen vier Tage liegen, d.h. Arbeit am Samstag kann spätestens am Montag angeordnet werden.

    Dein Hinweis mit dem Schichtplan ist auch super, denn da steht es nämlich nicht drin, wer denn Überstunden und Extraschicht zu machen hat. :)

    Wobei man bei der Ankündigungsfrist theoretisch sagen kann wen es betrifft und es wird ja dauerhaft eine Extraschicht angewiesen, also ist laut Schichtplan vorher bekannt wer wann Überstunden zu machen hat.

    z.B. Arbeiter A hat Früh-, Arbeiter B- Spät- und Arbeiter C-Nachtschicht, dann ist ja laut Anweisung (die ja schon seit 2019 gilt) klar wer welche Zusatzschichten macht -> A macht zusätzlich Samstag 6h und C- macht von Freitag zu Samstag eine zusätzliche Nachtschicht mit 8h. und dann wird im 3 Wochen Rhythmus gewechselt usw. Es wäre dann nur ein Problem wenn ein Arbeiter nicht kann und Ersatz gefunden werden muss, aber das ist ein anderes Thema.

    Einmal editiert, zuletzt von Helena2077 () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Helena2077 mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • völlig egal, was der Fertigungsleiter aushängt.

    Wie Fried schon geschrieben hat muss euch das nicht interessieren.


    Sitzung ordnungsgemäß einberufen, BEschluß den AG aufzufordern diese Anweisung umgehend zu entfernen und zurückzunehmen und zu Gesprächen auffordern.

    Aufgrund der Dringlichkeit mit einer kurzen Frist. Den AG in diesem Schreiben schon darauf hinweisen, dass ihr das, falls nötig, auch weiter verfolgt also einen Anwalt mit der Durchsetzung eurer Mitbestimmungsrechte beauftragen werdet.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Um es mal auf den Punkt zu bringen, es gibt hier keine bequeme Antwort für Euch Helena2077!

    Es gibt kein Gesetz mit dem Ihr wedeln könnt, welches es dem AG verbietet Überstunden anzuordnen. Es gibt aber ein Gesetz welches Euch als BR berechtigt Überstunden zu verbieten.

    § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

    D.h. Ihr müsst Euch hier selbst ins Feuer stellen und das durchsetzen. Konkret bedeutet die Mitbestimmung bei Beginn und Ende der Arbeitszeit, dass keinerlei Dienstplan ohne Eure Zustimmung veröffentlicht, bzw. angewiesen werden darf.

    Das bedeutet viel (BR-)Arbeit, Ihr müsst Euch regelmäßig alle Dienstpläne, aller MA vorlegen lassen, diese kontrollieren und genehmigen, oder halt nicht genehmigen. - Genau das ist eine der zentralen Aufgaben eines BR, Ihr habt alle Rechtsmittel in der Hand, um diese Überstunden (oder böse gesagt diese Ausbeutung Eurer MA) abzustellen, Ihr müsst sie nur einsetzen.

    (...und ja, Ihr müsst! Auch wenn das unbequem wird, der AG maximal angepisst sein wird und das durchaus zu einem Rechtsstreit mit dem AG führen kann. Genau das ist Eure Pflicht als BR!).

    Denn wenn der AG dann meint er könne die Dienstpläne/Überstunden auch ohne Eure Zustimmung anordnen, dann müsst Ihr umgehend einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung Eurer Mitbestimmungsrechte beauftragen. Aber spätestens danach hat der AG verstanden, dass er nie wieder Dienstpläne/Überstunden ohne Eure Zustimmung anordnet.

    Hier gibt es keinen Kuschelkurs nach dem Moto: "Lieber AG, Du darfst das aus diesem oder jenem Grund nicht. Sorry ist halt nicht erlaubt". Hier gibt es nur die direkte Konfrontation: "Nein AG, wir als BR erlauben Dir das nicht und wenn Du es doch versuchst klagen wir Dir die Scheiße aus dem Leib!" (Na gut, das sollte man schon etwas sachlicher/freundlicher formulieren, aber ich denke so wird klar worum es geht).

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Danke an alle für eure hilfreichen Antworten.

    Ich werd die Sache wie rtjum beschrieben hat angehen und mich auf den Paragrafen §87 berufen und bei der nächsten Sitzung einen Beschluss erwirken „lassen“.

    Ich will auch nicht generell Überstunden verbieten. Manchmal sind diese ja notwendig und solange sich Kollegen dazu bereit erklären sehe ich auch kein Problem. Mein Problem ist die dauerhafte Anweisung von Überstunden seit nun ca. 3 Jahren obwohl alle Kollegen einen Arbeitsvertrag mit max. 40h Woche haben.

    Es kann nicht sein, dass die Kollegen ausgebeutet werden nur weil der Fertigungsleiter entweder seine Personalplanung nicht im Griff hat oder seine Kapazitätsplanung nicht ordentlich durchführt.

    Paragraphenreiter: ich bin auch definitiv nicht auf Kuschelkurs mit dem AG und möchte ihm schon gern zeigen, dass es jetzt einen neuen Mitspieler gibt. ;)

  • Es gibt kein Gesetz mit dem Ihr wedeln könnt, welches es dem AG verbietet Überstunden anzuordnen.

    Naja. Das TzBfG verbietet, wie oben gesagt, zumindest eine solche kurzfristige Anordnung. Außerdem zählen Arbeitsvertrags- und ggf auch Tarifvertragsrecht - ohne spezifische Regelungen dort muss man davon ausgehen, dass mit einem erstellten Schichtplan das Direktionsrecht des AG bzgl der Lage der ArbZ verbraucht ist.


    Es gibt aber ein Gesetz welches Euch als BR berechtigt Überstunden zu verbieten. D.h. Ihr müsst Euch hier selbst ins Feuer stellen und das durchsetzen. Konkret bedeutet die Mitbestimmung bei Beginn und Ende der Arbeitszeit, dass keinerlei Dienstplan ohne Eure Zustimmung veröffentlicht, bzw. angewiesen werden darf.

    Das ist absolut wahr. Als BR könnte man z.B. erst einen Abbau der bereits angesammelt Stunden fordern, bevor man neue genehmigt. Usw.usf.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Das TzBfG verbietet, wie oben gesagt, zumindest eine solche kurzfristige Anordnung. Außerdem zählen Arbeitsvertrags- und ggf auch Tarifvertragsrecht - ....

    Man könnte ergänzend auch den § 315 (1, 3) BGB heranziehen, Billiges Ermessen. Denn der AG hat auch die Wünsche der MA zu berücksichtigen, in deren Lebensplanung er durch derart kurzfristige Anordnungen übermäßig bzw. unverhältnismäßig eingreifen würde.

    Es hat schon Gründe, weshalb die oben erwähnten vier Tage zwischen Ankündigung und Einsatz liegen müssen, denn sonst können die MA ja kaum noch für den nächsten Tag planen ....

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.

  • Es gibt kein Gesetz mit dem Ihr wedeln könnt

    Naja. Das TzBfG verbietet, wie oben gesagt, zumindest eine solche kurzfristige Anordnung. Außerdem zählen Arbeitsvertrags- und ggf auch Tarifvertragsrecht

    Nix da "naja", dass war wörtlich gemeint! Allein beim TzBfG sagt doch der durchschnittlich gebildete AG "Des sin aba doch koi Deilzeitkräfde, do gild des doch gar ned". Da brauchst Du soviel Kommentierungen und Rechtsprechung dazu, dass Du damit (rein physikalisch) gar nicht wedeln kannst! (oder Du brichst Dir beim Versuch die Handwurzel) :D

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  • Hallo Helena,


    da ja mittwochs festgelegt wird wer diese Zusatzschicht antreten muss ist das Datum wann dieser Aushang erstmals erfolgte irrelevant, da die eingentliche Anordnung der Überstunden/zusatzschichten erst am Mittwoch erfolgt. Und dabei jedesmal die Mitbestimmung des BR auslöst


    bitte achtet in diesem Zusammenhang auch auf das Arbeitszeitgesetz bezgl. Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten bzw. Ausgleichszeiträume


    Viele Grüße

    Bernd

  • Da brauchst Du soviel Kommentierungen und Rechtsprechung dazu, dass Du damit (rein physikalisch) gar nicht wedeln kannst! (oder Du brichst Dir beim Versuch die Handwurzel) :D

    Nö. Du brauchst nur einem BR, der die Zustimmung verweigert und zur Begründung auf seine Rechtsansicht verweist. Die Kommentierungen und die Rechtsprechung darf dann der AG studieren, um damit ggf den/die E-Stellen-Vorsitzende:n zu überzeugen.

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