Einsicht Gehaltslisten

  • Hallo,


    wir bräuchten mal wieder etwas Input von den erfahrenen Mitstreiter:innen.


    Wir nehmen als BR ohne Wirtschaftsausschuss das erste Mal Einsicht in die Gehaltslisten, kein Tarifvertrag und individuell ausgehandelte Gehälter.
    Einsicht wird durch ein BR-Mitglied genommen, sodass wir nicht bereits vor Ort die Zahlen besprechen können.


    Grundsätzlich heißt es ja, man darf sich Notizen machen, aber die Listen nicht abschreiben. Wir haben bisher keine Vorstellung, wie diese Listen aussehen und welche Angaben darauf enthalten sind (Stundenlohn, Bruttogehalt gerechnet auf Vollzeitstelle oder nur tatsächlicher Lohn bei Teilzeitkräften usw.?).


    1. Da das einsichtnehmende BR-Mitglied ja alle anderen umfassend informieren muss, wie umfangreich dürfen dann aus eurer Sicht die Notizen sein?

    Eigentlich ja doch sehr umfassend (sprich nahezu vollständiges Abschreiben), um auch alle auftretenden Fragen im Anschluss im Gremium besprechen zu können?

    2. Worauf achtet ihr besonders bei solchen Einsichtnahmen?

    3. Gibt es irgendwo etwas, für wieviele Monate die Einsicht gefordert werden darf? Nur die aktuellen Listen oder auch zurückliegend (z.B. wegen Sonderzahlungen)? Finde immer nur etwas zu den Abständen der Einsichtnahme.


    Besten Dank für Eure Unterstützung (und sorry für die doofen Fragen)!

  • gibt keine doofen Fragen, nur doofe Antworten

    Ganz doof ist die Antwort nicht, der Artikel geht aber auf die sehr konkreten Fragen auch nicht weiter ein.


    1. Da das einsichtnehmende BR-Mitglied ja alle anderen umfassend informieren muss, wie umfangreich dürfen dann aus eurer Sicht die Notizen sein?

    Eigentlich ja doch sehr umfassend (sprich nahezu vollständiges Abschreiben), um auch alle auftretenden Fragen im Anschluss im Gremium besprechen zu können?

    Zum zulässigen Umfang der Notizen lässt sich der Fitting leider nicht weiter aus. Klar benannt wird, dass das Fotokopieren oder Abschreiben nicht zulässig ist. Ich fürchte, dass es da keine ganz saubere Grenze gibt. Ganz frech würde ich behaupten, dass schon das Weglassen einer einzelnen Information aus einer Kopie eine Notiz machen könnte. Letztlich würde ich mich auf genau die Informationen beschränken, die ich zur weiteren Arbeit mit den Daten brauche und so meine "Notizen" theoretisch begründen könnte. Gleichzeitig gibt es kein Recht des AG auf Einsicht in die gemachten Notizen. Das würde ich im Zweifel aber nicht ausreizen.


    2. Worauf achtet ihr besonders bei solchen Einsichtnahmen?

    Es braucht für die Einsichtnahme keinen konkreten Anlass. Und dennoch solltet ihr nicht nur aus reiner Neugier in die Daten schauen. Mein Fokus (in einem Unternehmen ohne feste Gehaltsstruktur mit intransparenten Gehältern) läge aktuell bei Unterschieden zwischen den Geschlechtern und aufgrund der letzten Anpassung des Mindestlohns auch auf der Einhaltung des Mindestlohns. Da weiß ich zumindest, dass wir schon mal Menschen eingestellt haben, die unter dem nun gültigen Mindestlohn lagen und - so hoffe ich es zumindest - entsprechend angepasst wurden. Gezahlte Prämien/Sonderzahlungen wären ggf. auch spannend.

    Ihr solltet euch auch vorher überlegen, wonach ihr schauen wollt. Das macht dann auch das Erstellen von Notizen einfacher.


    3. Gibt es irgendwo etwas, für wieviele Monate die Einsicht gefordert werden darf? Nur die aktuellen Listen oder auch zurückliegend (z.B. wegen Sonderzahlungen)? Finde immer nur etwas zu den Abständen der Einsichtnahme.

    Bei der Frage muss ich passen. Der Fitting spricht von "Listen", also im Plural. Allerdings auch von einzelnen Abteilungen oder Bereichen, sodass die aktuelle Liste aus mehreren Bereichen diesen Plural erfüllt.

    Da laut Fitting eine monatliche Einsichtnahme gesondert begründet werden muss, gehe ich davon aus, dass eher die jetzt aktuellen Bruttoentgelte und ggf. die seit der letzten Einsichtnahme gezahlten Sonderleistungen eingesehen werden dürfen. Aber da möchte ich unterstreichen, dass das nur eine Vermutung ist! Vielleicht hat da noch jemand anderes besseres Informationsmaterial zur Hand.

  • (sprich nahezu vollständiges Abschreiben)

    Das solltet ihr dringend lassen. Und das ist auch gar nicht notwendig!


    Ergänzend zu dem, was Tobias Clausing schon geschrieben hat:


    Als Grundlage solltet ihr immer den Jahresbezug nehmen. Sprich, schaut euch die Lohnkonten aus Dezember 2022 an. Einzelne Monate sind nicht sehr aussagekräftig, weil auf diese Art sogenannte Lohnsonderzahlungen aus der Betrachtung rausfallen. Die gehören aber da mit rein! Ihr wollt je eine vollständige/vergleichbare Übersicht.


    Was uns interessiert: Wer hat vergleichbare Jobs und welche Gehälter werden für die gleichen/ähnlichen Aufgaben gezahlt? (Hier gibt es häufig schon die ersten Überraschungen.)

    Fällt auf, dass z.B. die mit dem mehr an Geld immer dem gleichen Geschlecht angehören?


    Um zu berichten braucht es keine Kopie, sondern eben statistische Werte. Was ist der Durchschnittsverdienst für welche Tätigkeiten? Was sind die jeweiligen Höchst- und Niedrigstwerte? Gibt es einen Unterschied im Durchschnitt zwischen Männlein und Weiblein? (Auch wieder auf die Tätigkeit runtergebrochen.)


    Und klar, um das vergleichen zu können, braucht ihr entweder die Anzahl der Wochenstunden (um selber rechnen zu können) oder eine Umrechnung auf Vollzeit. Sonst wird da der ganze Obstkorb miteinander verglichen...


    Und wenn das BRM (ihr solltet hier mindestens zwei hinschicken) sich hier eine Übersicht verschafft hat, kann es/können sie damit in den BR gehen. Sollten sich dort weitere Fragen ergeben, dann muss der Termin eben wiederholt werden. Bzw. der AG kann dann um Beantwortung der konkreten Fragen gebeten werden.


    Wichtig: gelegentlich ist es ganz hilfreich, wenn man die Kollegen und deren Geschichte kennt. So mancher Ausreißer im Entgelt erklärt sich einfach durch die Geschichte und ist nicht unbedingt aussagefähig für die Gesamtheit. Aber auch das könnte eben eine Nachfrage sein: Warum bekommt AN x soviel oder AN y so wenig?

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Vielen Dank für den Input :thumbup: .


    Als Grundlage solltet ihr immer den Jahresbezug nehmen. Sprich, schaut euch die Lohnkonten aus Dezember 2022 an.

    Die Gehaltslisten für Dezember (meist klassicher Monat für Sonderzahlungen) sollen wir nicht bekommen, da wir nur Anspruch auf die aktuellen Listen hätten. Wäre denn aus den Dezembergehaltslisten der ganze Jahreslohn ersichtlich :/ ?

    Und wenn das BRM (ihr solltet hier mindestens zwei hinschicken) sich hier eine Übersicht verschafft hat, kann es/können sie damit in den BR gehen.

    Einsicht erhält bei uns leider nur ein BR-Mitglied, ein Austausch vor Ort ist also nicht möglich :( .
    Es wäre halt schön, wenn man sich nicht bereits vor Ort ewig mit dem Taschenrechner hinsetzen und alles detailliert (Durchschnittslöhne, Mindestlohn, ggf. auch Umrechnung Teilzeitlohn auf Vollzeitlohn bei vielen Kolleg:innen) ausrechnen müsste, sondern dass dann in Ruhe und ggf. auch gemeinsam tun könnte. Und vier bzw. mehr Augen sehen halt auch mehr als zwei.

  • Die Gehaltslisten für Dezember (meist klassicher Monat für Sonderzahlungen) sollen wir nicht bekommen, da wir nur Anspruch auf die aktuellen Listen hätten.

    M.E. besteht ein klarer Anspruch auf die Listen der Jahresentgelte inkl Aufschlüsselung aller Entgeltbestandteile, also auch der Sonderzahlungen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    2 Mal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Hallo,


    wie groß ist den euer Gremium?

    Habt ihr einen BA hat der komplette BA recht auf Einsicht.

    §80 und 28 mal lesen.


    Unsere Personalchefin war auch das erste mal überfordert, als wir die Löhne sehen wollten.

    Auch wenn manche Personalchefs meinen, sie stehen über dem Gesetz ist das eben nicht so :)


    Die Übersicht, die wir bekommen, enthält den Monatsbruttolohn, die Prämienhöhe (falls vorhanden, z.b. bei VertriebsMA) und auch den Preis vom Firmenwagen (falls vorhanden).


    Bei uns ist ein HR Mitarbeiter dabei. Das muss der BR nicht dulden, aber wir finden das gut da er direkt fragen beantworten kann.


    Bei uns macht auch nicht der BA die Einsicht, sondern der BRV und sBRV. Niemanden ist geholfen, wenn 5 Personen um einen Monitor sitzen. Meiner Meinung nach gehört auch da keine Diskussion hin. Die ist viel zu oft wegen Neid nicht sachlich und ich habe keinen Bock das sowas vor dem HR Mitarbeiter passiert.


    Wir haben die Notizen dabei, die wir bei der letzten Einsicht mitgeschrieben haben.


    Aufgeschrieben wird der max. Lohn und der min. Lohn jeder Abteilung für Männlein und Weiblein.

    Die Anzahl der Leute in der Abteilung.

    Sollte es Ausreißer geben, notieren wir uns die Namen um später bei der GF nachzufragen.


    Mich interessiert dabei nicht was Mäxchen oder Lischen verdient.

    Ich stell die Liste so ein, dass man scrollen muss um den Namen zu lesen.

    Hilft etwas gegen die Neugier vom Kollegen, der dabei ist :)


    Gruß

  • da wir nur Anspruch auf die aktuellen Listen hätten.

    Das wäre der Punkt, wo ich schon im Vorfeld den AG fragen würde, ob ihr ihm das nochmal kostenpflichtig von eurem RA erklären lassen sollt, oder ob er lieber selber mal seinen Anwalt fragen will...


    Die Kommentierungen sind da recht deutlich: der BR hat Einsicht in sämtliche Lohnbestandteile. Da aber nicht alle zu jeder Zeit auftauchen, machen singuläre Monatslisten keinen Sinn. Eine sinnvolle Prüfung kann nur über die kumulierten Jahreswerte erfolgen. Dementsprechend hat der BR da auch ein Anrecht drauf. Punkt!

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    Einmal editiert, zuletzt von Moritz () aus folgendem Grund: Kreativen Otto Graf Vieh vertrieben...

  • Vielleicht noch ein Nachtrag, was genau "aktuelle" Listen meint.


    Aktuell im Sinne des Entgelts ist grundsätzlich das laufende Jahr. Der AG muss also nicht mit euch diskutieren, wie das Gehaltsgefüge anno Quark ausgesehen hat und warum. Aber ein Rückblick auf das Vorjahr liegt dabei (vor dem Hintergrund der kumulierten Werte) noch durchaus im Rahmen. Aber z.B. 2021 müsste der AG heute (in 2023) schon nicht mehr liefern.

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  • Laut einem früheren Beitrag ist Sausewind in einem 5er Gremium, ergo kein BA kein WA - und Einsicht hat dann nur der BRV oder ein vom BR mit derGeschäftsführung beauftragtes Mitglied Einsicht

    Leider genau so. Und zweites BR-Mitglied wurde abgelehnt.

    Da wir bisher keine Vorstellungen haben, wie die Listen aussehen, wollten wir uns so gut wie möglich vorbereiten.

    Dezemberlisten geht es uns natürlich um die von 2022 wegen eventuellen unbekannten Prämienzahlungen etc.

    Da aber nicht alle zu jeder Zeit auftauchen, machen singuläre Monatslisten keinen Sinn. Eine sinnvolle Prüfung kann nur über die kumulierten Jahreswerte erfolgen.

    Ist der Arbeitgeber verpflichtet, entsprechende Listen zu haben?
    Anspruch auf Einsicht haben wir m.W. nur in vorhandene Listen. Zur Erstellung von extra Listen ist der AG ja nicht verpflichtet. Sorry, kennen uns in Lohnbuchhaltung bisher überhaupt nicht aus und betreten absolutes Neuland =O.

  • Hallo,


    Und zweites BR-Mitglied wurde abgelehnt.

    was der AG bei Betrieben unter 200 AN lt. BAG-Rechtsprechung darf. (ErfK, Kania, § 80 BetrVG Rn 29). Allerdings muß fairerweise angemerkt werden, daß sich das BAG über den eigenen strengen Wortlaut des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG hinweggesetzt hat und für Betriebe unter 200 AN ein regelmäßiges Einsichtsrecht auch in Lohn- und Gehaltslisten auf Grundlage des Satzes 1 entschieden hat.


    Ist der Arbeitgeber verpflichtet, entsprechende Listen zu haben?

    Ja, diese Listen muß er aufgrund verschiedenster gesetzlicher Dokumentationspflichten (zB ggü Sozialversicherungsträgern oder Gewerbeaufsicht) haben.

    Das absolute Minimum stellt die vom AG zwingend zu erstellende Jahresbescheinigung für seine AN dar.

  • Super, sehr hilfreiche Infos.


    Ich glaube, das wird noch spaßig.
    Abgesehen davon, dass der AG meint, er dürfe bei der Einsicht die ganze Zeit jemanden daneben sitzen haben (sehen ja nur das BAG und der Rest der Rechtsprechung anders) meint er auch, wir dürften gar keine konkreten Gehaltszahlen (auch nicht Rahmen oder das Gehalt einzelner Ausreißer) notieren, nur prozentuale Unterschiede da wo was auffällt :cursing: .

  • meint er auch, wir dürften gar keine konkreten Gehaltszahlen (auch nicht Rahmen oder das Gehalt einzelner Ausreißer) notieren

    Das würde ich mal ganz gepflegt in das Reich des BS verorten... aber hey, wenn der AG sich vor dem Arbeitsgericht über Behinderung der BR-Arbeit streiten will... wie sagt unser Anwalt immer: dafür sitzen die Jungens und Mädels da, damit sie sich um solche Dinge kümmern...


    Nachtrag: Natürlich dürft ihr euch konkrete Zahlen notieren. Problematisch wird es aber wenn hinterher das Gehalt von Kollege Meier durchs Haus kursiert. Hier ist also extreme Vorsicht walten zu lassen!

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

    Einmal editiert, zuletzt von Moritz ()