Arbeitszeiterfassung, Stundenvorlagen erlaubt?

  • Hallo Kollegen,


    ich habe da mal eine Frage zur Zeiterfassung.

    Der AG möchte ein Software zur Zeiterfassung einführen, soweit so gut.

    Geplant ist, in der Software Templates/Vorlage zu definieren, so das der MA in der Theorie nichts weiter machen muss.

    Das Template funktioniert wie folgt.

    Der MA hat in der Software pro Woche 40h vorbelegt, 8h am Tag.

    Wenn der MA nichts macht, keine Änderungen an den Zeiten vornimmt, werden die Zeiten am Ende der Woche automatisch gebucht.


    Ist sowas überhaupt denkbar, eine Zeiterfassung in der ggf. der MA nicht mal etwas pflegen muss.

    Ich sehe hier das Risiko, das MA Ihre Zeiten nicht korrekt pflegen und einfach das Template drin lassen und dann quasi 8h am Tag drinsteht, obwohl die tatsächlichen Stunden abweichen.


    Natürlich kann der MA auch 8h pro Tag manuell eintragen, dann hat er es aber bewusst gemacht und musste sich einloggen und selbst tätig werden.


    Was haltet Ihr davon?

  • Das kann ich mir nur vorstellen, wenn es fest vorgegebene Arbeitszeiten gibt und letztlich nur durch Urlaub, Krankheit oder schriftlichen Antrag an die Perso davon abgewichen werden kann. Dann gäbe es zumindest einen anständigen Beleg für eine Abweichung.

    Sollte es aber Gleitzeit geben oder die Arbeitszeiten irgendwie individueller gestaltet sein, hätte ich eher ein Problem mit dem System.

  • Das kann ich mir nur vorstellen, wenn es fest vorgegebene Arbeitszeiten gibt und letztlich nur durch Urlaub, Krankheit oder schriftlichen Antrag an die Perso davon abgewichen werden kann. Dann gäbe es zumindest einen anständigen Beleg für eine Abweichung.

    Sollte es aber Gleitzeit geben oder die Arbeitszeiten irgendwie individueller gestaltet sein, hätte ich eher ein Problem mit dem System.

    Du sprichst es an, hatte ich vergessen zu erwähnen.

    Wir sind im Beratungsgeschäft tätig, wir haben Vertrauensarbeitszeit, es gibt also quasi in der praxis niemanden, der stur 40h arbeitet sondern wirklich zu 85% individuell.

    Der AG möchte ums verrecken diese Templates beibehalten, wir versuchen uns gerade ein Bild dazu zu machen, sind aber generell nicht wirklich zufrieden mit dem Ganzen.

  • Dann bin ich ja ganz schnell bei Arbeitszeitbetrug durch "Vergessen". Es wäre ja nicht ersichtlich, ob ich fälschlicherweise oder bewusst eine falsche Angabe gemacht habe, sobald meine Arbeitszeit davon abweicht.

    Das Template bringt ja keinerlei Mehrwert außer vermutlich für den Chef, dessen Arbeitszeiten da abgebildet sind.

  • Dann bin ich ja ganz schnell bei Arbeitszeitbetrug durch "Vergessen". Es wäre ja nicht ersichtlich, ob ich fälschlicherweise oder bewusst eine falsche Angabe gemacht habe, sobald meine Arbeitszeit davon abweicht.

    Das Template bringt ja keinerlei Mehrwert außer vermutlich für den Chef, dessen Arbeitszeiten da abgebildet sind.

    Hi Tobias,


    vergessen kann ja nicht mehr passieren, da dann automatisch 8h/Tag gebucht werden, wenn die Woche rum ist.

    Oder was meinst du?

    Der Mehrwert für den AG liegt darin, das er die Zeiten von dem MAs immer "korrekt" erfasst hat, denn die Zeiten werden ja automatisch am Ende der Woche gebucht, auch wenn der MA nicht eingreift.

  • M.E. widerspricht das eindeutig dem Urteil 1 ABR 22/21 des BAG, Colaeis ... Denn die ArbZ (Beginn, Ende, Pausen) müssen arbeitstäglich konkret erfasst werden, was bei Eurem AG-Vorschlag nicht der Fall wäre. Und einer rechtswidrigen BV kann der BR nicht zustimmen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Als BR würde ich da niemals nicht mitspielen, egal was der AG da will.

    Es geht darum, die tatsächlichen Arbeitszeiten zu erfassen, nicht irgendwelche fiktiven zu unterstellen. Diese Erfassung dient auch der Überprüfung, ob Pausenzeiten usw eingehalten werden.

    Faktisch aber natürlich eine elegante Lösung des AGers.

    Er sagt ja im Prinzip: Lieber MA ist mache es dir leicht und stelle schon mal was ein. Wenn du nicht gem. der Voreinstellung arbeitest, kannst du es natürlich jederzeit gerne ändern. Der Ball liegt also in deinem Spielfeld. Wenn am Ende die erfassten Arbeitszeiten mit den tatsächlichen nicht übereinstimmen bist du schuld.

    Wie Fried schon schreibt, eine BV die vom BR niemals so unterschrieben werden dürfte.

    Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen

    (Aristoteles)


    Noch ein Tipp für die derzeitige Nachhaltigkeitsdebatte:

    Save Water - Drink Wine !!

  • M.E. widerspricht das eindeutig dem Urteil 1 ABR 22/21 des BAG, Colaeis ... Denn die ArbZ (Beginn, Ende, Pausen) müssen arbeitstäglich konkret erfasst werden, was bei Eurem AG-Vorschlag nicht der Fall wäre. Und einer rechtswidrigen BV kann der BR nicht zustimmen.

    Das mit dem Arbeitstäglich steht aber nicht ganz so konkret in dem Urteil, oder habe ich das falsch interpretiert.

    Bzw. vllt. doch, denn in dem Fall, das der AG das so umsetzt, wie beschrieben, würde der MA nichts "konkret erfassen", liege ich da richtig!?


    Er sagt ja im Prinzip: Lieber MA ist mache es dir leicht und stelle schon mal was ein. Wenn du nicht gem. der Voreinstellung arbeitest, kannst du es natürlich jederzeit gerne ändern. Der Ball liegt also in deinem Spielfeld. Wenn am Ende die erfassten Arbeitszeiten mit den tatsächlichen nicht übereinstimmen bist du schuld.

    Danke euch beiden, das hilft mir schon mal sehr.

    stehipp, deine Ausführung trifft es ganz genau.

  • Colaeis , doch.


    Verkürzt gesprochen argumentiert das BAG mit dem Arbeitsschutz (Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten etc) und dass der AG daraus resultierend verpflichtet ist, Beginn und Ende der ArbZ zu dokumentieren. Und das natürlich bei jedem Arbeitseinsatz.


    Das BAG redet (z.B. in Rn 43, Fettungen von mir) klar von der Verpflichtung der Arbeitgeberinnen, ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst.

    Faktisch aber natürlich eine elegante Lösung des AGers.Er sagt ja im Prinzip: Lieber MA ist mache es dir leicht und stelle schon mal was ein. Wenn du nicht gem. der Voreinstellung arbeitest, kannst du es natürlich jederzeit gerne ändern. Der Ball liegt also in deinem Spielfeld. Wenn am Ende die erfassten Arbeitszeiten mit den tatsächlichen nicht übereinstimmen bist du schuld.

    Und deswegen ist das auch nicht gangbar. Denn die rechtliche Verantwortung trägt alleine der AG. Das von ihm gestellte System muss das, was das BAG fordert, zwingend leisten.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    2 Mal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Geplant ist, in der Software Templates/Vorlage zu definieren, so das der MA in der Theorie nichts weiter machen muss.

    Das Template funktioniert wie folgt.

    Der MA hat in der Software pro Woche 40h vorbelegt, 8h am Tag.

    Wenn der MA nichts macht, keine Änderungen an den Zeiten vornimmt, werden die Zeiten am Ende der Woche automatisch gebucht.

    Hinterlegt werden doch eher Arbeitsmuster, also normale Arbeitszeiten und dazu ggf. ein Gleitzeitrahmen, innerhalb dessen der MA seine Zeiten "schieben" darf.


    Ich habe beispielsweise eine Regelarbeitszeit von 40 Stunden, also Mo-Fr je 8 Stunden. Im System hinterlegt ist eine Normalzeit (inkl. 30-minütiger gesetzlicher Pause nach 6 Stunden Arbeitszeit) von 8 Uhr bis 16:30 Uhr und "drumherum" ein Gleitzeitrahmen von 6 Uhr bis 20 Uhr. Steche ich also morgen schon 07:15 Uhr ein und gehe dennoch erst um 16:30 Uhr, so schreibt mir das System 45 Minuten aufs Gleitzeitkonto, ohne dass ein Vorgesetzter oder Zeitbeauftragter eingreifen muss. Und wenn ich einen morgendlichen Zahnarzttermin habe und erst um 9 Uhr einsteche, habe ich es in der Hand, dennoch z.B. schon 17:00 Uhr zu gehen und 30 Minuten Gleitzeit abzubauen ohne Zutun von Zeitbeauftragten/Vorgesetzten.


    Was bei euch offeriert wurde, Colaeis, ist keine Zeiterfassung, denn es werden ja deiner Beschreibung nach überhaupt keine Zeiten erfasst.

    Da wird nur irgendwas berechnet aufgrund vager Annahmen, hier wird möglicherweise nur auf die Selbstausbeutung der AN gesetzt. Die lassen den Bleistift nicht nach 8 stunden fallen, aber da sie nicht stechen, leisten sie mutmaßlich tagtäglich unbezahlte Arbeit; auch "nur" 10 Minuten pro Tag läppern sich auf Dauer und die kann man nie abbummeln und bekommt sie auch nicht bezahlt, denn sie sind ja nirgends dokumentiert .... und einige nutzen das sicher auch andersrum, was aber in eurem Beratungsgeschäft recht schnell auffallen dürfte.


    Zudem lullt solche "Bequemlichkeit" ein, man muss ja nichts weiter machen - kurzer Einkauf zwischendurch, kleiner Physiotherapietermin, mal eben krankes Kind von der Schule abgeholt, dienstreisenden Partner mal eben fix zum Bahnhof gefahren .... dank Vertrauensarbeitszeit muss man ja nichts weiter machen

    ...... aber wenn Chef das mehrfach notiert, bist du schneller wegen Arbeitszeitbetrug gekündigt, als du "häh?!" sagen kannst.


    Euer System wird euch als bequeme Lösung angepriesen, der MA müsse ja nichts machen, aber das ist Verarsche der Kollegen (von wegen "Vertrauensarbeitsszeit"!!!) und Rechtsbruch obendrein.

    Fried hat ja bereits gut die Rechtslage dargestellt.

    Schon eine konsequent zu führende Excelliste mit Beginn und Ende täglich wäre mehr Zeiterfassung als das eingangs vorgestellte Modell mit "Vermutungs-Templates", aber ohne tatsächliche Erfassung von tatsächlichen Arbeitszeiten.

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.

  • Ich habe beispielsweise eine Regelarbeitszeit von 40 Stunden, also Mo-Fr je 8 Stunden. Im System hinterlegt ist eine Normalzeit (inkl. 30-minütiger gesetzlicher Pause nach 6 Stunden Arbeitszeit) von 8 Uhr bis 16:30 Uhr und "drumherum" ein Gleitzeitrahmen von 6 Uhr bis 20 Uhr.

    Das ist so korrekt.



    Steche ich also morgen schon 07:15 Uhr ein und gehe dennoch erst um 16:30 Uhr, so schreibt mir das System 45 Minuten aufs Gleitzeitkonto, ohne dass ein Vorgesetzter oder Zeitbeauftragter eingreifen muss. Und wenn ich einen morgendlichen Zahnarzttermin habe und erst um 9 Uhr einsteche, habe ich es in der Hand, dennoch z.B. schon 17:00 Uhr zu gehen und 30 Minuten Gleitzeit abzubauen ohne Zutun von Zeitbeauftragten/Vorgesetzten.

    Auch korrekt und auch gut so.


    Was bei euch offeriert wurde, Colaeis, ist keine Zeiterfassung, denn es werden ja deiner Beschreibung nach überhaupt keine Zeiten erfasst.

    Jain, es können Zeiten erfasst werden, die Verantwortung wird aber voll und ganz auf den MA abgeschoben.

    Ist der MA zu faul, vergisst es oder was auch immer, dann gehen halt die 8h + Ruhezeiten automatisch am Ende der Woche ins System.


    Da wird nur irgendwas berechnet aufgrund vager Annahmen, hier wird möglicherweise nur auf die Selbstausbeutung der AN gesetzt. Die lassen den Bleistift nicht nach 8 stunden fallen, aber da sie nicht stechen, leisten sie mutmaßlich tagtäglich unbezahlte Arbeit; auch "nur" 10 Minuten pro Tag läppern sich auf Dauer und die kann man nie abbummeln und bekommt sie auch nicht bezahlt, denn sie sind ja nirgends dokumentiert .... und einige nutzen das sicher auch andersrum, was aber in eurem Beratungsgeschäft recht schnell auffallen dürfte.

    Sehe ich auch so.



    Schon eine konsequent zu führende Excelliste mit Beginn und Ende täglich wäre mehr Zeiterfassung als das eingangs vorgestellte Modell mit "Vermutungs-Templates", aber ohne tatsächliche Erfassung von tatsächlichen Arbeitszeiten.

    Sehr guter Vergleich.

    Mit Euren Tipps komme ich schon mal viel viel weiter, danke euch vielmals!

  • Ist der MA zu faul, vergisst es oder was auch immer, dann gehen halt die 8h + Ruhezeiten automatisch am Ende der Woche ins System.

    Das ist der große Unterschied zu unsere System: vergesse ich an einem Tag das Ein- oder Ausstechen, entsteht kein Zeitpaar und das System kann keine Anwesenheit und (abzüglich pause) Arbeitszeit oder ggf. entstandene Gleitzeit berechnen. Das System generiert eine Warnung "fehlendes Gehen".

    Vergesse ich morgens und abends das Stechen (oder bin krank), gibt es euine andere Warnung, aber uch hier kann mangekls Zeiten keine Berechnung erfolgen.


    Zeitbeauftragte je Abteilung (häufig Vorgesetzte, aber nicht immer) haben die Aufgabe, im System nach entsprechenden Warnungen zu schauen, und fehlend Zeiten mit dem MA zu korrigieren, und schließlich die Warnung auf "erledigt" zu setzen.


    Aber "nicht erfassen -> Standardzeiten" geht nicht.


    Mit Euren Tipps komme ich schon mal viel viel weiter, danke euch vielmals!

    Danke dir für die Rückmeldung, da macht Helfen gleich viel mehr Freude :)

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.