Hallo zusammen,
gleich zu Beginn, dies ist keine wirkliche Sachfrage. Ich muss eher mal meinem Frust Ausdruck verleihen und würde gerne die eine oder andere Meinung dazu hören, bzw. lesen.
Die Situation ist, dass wir derzeit über eine BV zur Arbeitszeit verhandeln, was bei einem Rettungsdienst durchaus eine komplexe Angelegenheit ist, da so gut wie alle Ausnahmeregelungen des ArbZG auf uns anwendbar sind und wir unterschiedliche Arbeitsbereiche mit unterschiedlichen Regelungen haben. Bereiche mit verlängerter AZ mit 12h Schichten und 45h/Woche und Bereiche ohne verlängerte AZ mit 8h Schichten und 38,5h/Woche und jeweils auch 24/7 Bereiche mit Schicht-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und Bereiche ohne.
BR & AG haben jeweils kompetente Arbeitsrechtler, welche sich auch sehr gut in unserem TV auskennen, als Sachverständige. Soweit so gut.
Nun gestalten sich die Verhandlungen aber extrem schwierig. Auf der AG-Seite sitzt unser Betriebsleiter und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen jede langfristige Planung, was jetzt nicht ungewöhnlich ist (maximale Flexibilität bis zum bitteren Ende), aber so weit geht, dass unser Anwalt (und durch die Blume auch der Anwalt des AG) ihm erhebliche, fachliche Defizite bei der Dienstplanung bescheinigt.
Viel problematischer ist aber, dass derzeit innerhalb des BR die Meinungsbildung sehr gestört ist und es kaum gelingt eine gemeinsame Position zu finden.
Wir haben ein paar sehr engagierte, neue BRM seit der letzten Wahl, welche auch sehr gewerkschaftsaktiv sind (was ich grundsätzlich sehr begrüße), aber leider keinerlei Kompromissbereitschaft mitbringen, sondern im Gegenteil, jede Kompromissbereitschaft lautstark als Verrat am Mitarbeiter kategorisieren.
Jeder (bei Verhandlungen ja übliche) Gedanke wie "wenn ich das haben will, muss ich vielleicht dieses hergeben" führt zu sofortiger Empörung darüber, dass man ja aus lauter Liebe zum AG den MA jetzt das Messer in den Rücken rammen will.
Dieses Narrativ wird so lautstark und auch teils betriebsöffentlich gepflegt, dass inzwischen auch einige der "altgedienten" BRM spürbar verunsichert sind.
Wenn ich das ganze sachlich betrachte, sehe ich in erster Linie ganz erhebliche Defizite bei der sauberen Trennung von BR-Arbeit und Gewerkschaftsarbeit, bei diesen "jung-BRM". Bei Verdi bereiten wir uns derzeit auf die anstehenden Tarifverhandlungen vor, planen Aktionen und bereiten uns auf den Arbeitskampf vor. (Alles super, bin ich voll dabei). Nun ist es ja so, dass Tarifverhandlungen und Verhandlungen zu einer BV zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, dies wird aber leider nicht verstanden und man ist der Meinung, dass man auch Verhandlungen zu einer BV mit möglichst extremen Forderungen führen muss, welchen man mit viel öffentlichem Tumult, Plakaten, Fahnen und Bengalos Nachdruck verleiht. (...na gut, Bengalos hatten wir zum Glück noch nicht).
Dies gipfelte nun darin, dass 2 BRM (eigeninitiativ ohne jede Rücksprache mit dem BR, dem AG oder Verdi), im Rahmen eines Dienstes an einer Rettungswache, einen dort stehenden Rettungswagen, welcher aufgrund von Personalmangel nicht besetzt war, quasi als "Werbefläche" verwendet haben. Der Rettungswagen wurde beschildert mit selbst gemalten Plakaten "wir kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen" (usw.) und am Rand einer viel befahrenen Straße abgestellt.
Wie zu erwarten war blieb dieses natürlich nicht unbemerkt, wurde fotografiert und verbreitet. Betriebsleiter, Geschäftsführer und sogar der Präsident unserer gesamten Hilfsorganisation sind maximal verärgert.
Zwar haben die BRM umgehend klargestellt, dass sie nicht als BRM, sondern als MA gehandelt haben, dies hilft aber auch nur bedingt.
(Heute haben die ein Gespräch mit dem AG und ich weiß noch nicht, was da raus kommt).
Ich bin nun ehrlich gesagt mit meinem Latein ziemlich am Ende. Ich weiß nicht so recht, wie ich diese Verhandlungen zu einem vernünftigen Abschluss bringen soll, mit 2 BRM die mit solchen Aktionen jeden guten Willen auf der AG-Seite zerstören und gleichzeitig jedem BRM lautstark "Arbeitgebernähe" vorwerfen, der sagt "man muss sich halt irgendwo in der Mitte treffen, aber möglichst weit auf unserer Seite".
Was es nicht leichter macht ist, dass ich diese BRM persönlich durchaus schätze (vermutlich deutlich mehr als sie mich) und auch ihr ganz erhebliches Engagement für die Gewerkschaft wirklich bewundernswert finde. Ich weiß aber nicht was ich noch tun kann, um sie zu einer sauberen Trennung von BR-Arbeit und Gewerkschaftsarbeit zu bewegen (oder wie ich klar machen soll, dass ich die persönliche Meinung unseres Gewerkschaftssekretärs zwar sehr zu schätzen weiß, aber dass sie nicht höher zu bewerten ist, als die fachliche Meinung unseres Anwalts).