Pflicht zur Arbeitszeiterfassung BAG 13.09.2022

  • Hallo zusammen,


    bei uns in der Firma besteht schon seit Jahren eine elektronische Zeiterfassung. Allerdings gibt es ein paar Mitarbeiter, die eine Vertrauensarbeitszeit haben und nicht über das Zeiterfassungssystem erfasst sind.

    Durch das aktuelle Urteil vom September 2022, dass eine Zeiterfassungspflicht besteht, veranlasste nun unser AG ein Schreiben an die betroffenen Mitarbeiter.

    Darin stand, dass die Geschäftsleitung entschieden hat, dass nun wieder alle Beschäftigten ihre täglichen Arbeitszeiten über das Zeiterfassungsterminal erfassen müssen.

    Nun zu meiner Frage:

    Kann die Geschäftsleitung einfach ohne Betriebsrat bestimmen, dass nun wieder alle (auch die mit Vertrauensarbeitszeit) "stempeln" müssen.

    Mir ist bewusst, dass Arbeitgeber bereits kraft Gesetzes verpflichtet sind, ein entsprechendes System einzuführen. Und der Betriebsrat somit kein Initiativrecht diesbezüglich hat.

    Nur wie schon erwähnt, existiert bei uns schon seit Jahren ein System, dies aber nicht von jedem (aufgrund Vertrauensarbeitszeit u.ä.) genutzt wurde.

    Ich weiß auch, dass der Betriebsrat bei der Ausgestaltung, also dem "Wie" ein Mitbestimmungsrecht hat. Aber trifft das auch in unserem Fall zu, da ja ein System schon besteht, das nun eben von allen Mitarbeitern genutzt werden soll.

    Oder heißt in diesem Fall die Mitbestimmung, wie die betroffenen Mitarbeiter jetzt ihre Zeit erfassen müssen? (Also am Terminal, oder schriftlich usw.)

    Ich hoffe, ihr versteht mein Anliegen und dass mir irgendeiner eine hilfreiche Antwort geben kann.

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  • ich sehe hier auch eine Mitbestimmung.

    Das Urteil gibt ja nicht explizit vor, wie diese Erfassung zu erfolgen hat und bis dato gibt es keine nationale Gesetzgebung die das macht. Also hat der BR bei der Ausgestaltung ein MB.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Kann die Geschäftsleitung einfach ohne Betriebsrat bestimmen, dass nun wieder alle (auch die mit Vertrauensarbeitszeit) "stempeln" müssen.

    Um ganz sauber bei der Frage zu bleiben: Ja, kann sie. Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung und es gibt ein BAG Urteil, das explizit eine Mitbestimmung in dieser Frage ausgeschlossen hat (das war der eigentliche Klagegrund für das neue Urteil).


    Bei allen darüber hinausgehenden Fragen ist der BR in der Mitbestimmung, sofern ein technisches System involviert ist. Weist der AG an, die Zeiten auf Papier zu erfassen und am Monatsende einzureichen, damit die Zettel abgeheftet werden können, seid ihr raus.


    Da bei euch bereits ein System besteht, sollte es im Idealfall bereits eine BV dazu geben, ansonsten ist jetzt der beste Zeitpunkt, eine zu erstellen, in der - abgesehen vom "OB?" alles Weitere geregelt wird. Volle erzwingbare Mitbestimmung, einziger Ausweg ist die Erfassung auf Papier für alle.

  • Also hat der BR bei der Ausgestaltung ein MB.

    Grundsätzlich richtig.


    Gleichwohl käme ich in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis.



    bei uns in der Firma besteht schon seit Jahren eine elektronische Zeiterfassung.

    Das klingt für mich so, als hätte der BR hier sein MBR bei der Einführung des Systems schon vor langer Zeit ausgeübt.


    D.h. hier wird kein neues System eingeführt, das ein neues MBR auslösen würde.



    Allerdings gibt es ein paar Mitarbeiter, die eine Vertrauensarbeitszeit haben und nicht über das Zeiterfassungssystem erfasst sind.

    Durch das Urteil wurde jetzt aber klar gemacht, dass es nicht zulässig ist, seine Zeiten nicht zu erfassen. Hätte der AG sich hier irgendwas neues ausgedacht, würden wir über ein neues MBR sprechen. Da es hier aber "nur" darum geht, dass jetzt auch alle das System nutzen, käme (vielleicht!) ein MBR nach Ziffer 1 (Ordnung im Betrieb) in Betracht. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung sehe ich aber zugegebenermaßen noch nicht einmal das.


    Was der BR hier tun könnte, um die Vertrauensarbeitszeit zu retten (wenn er das denn wollte), wäre mit dem AG zu vereinbaren, dass diese Kollegen zwar ihrer Dokumentationspflicht nachkommen, aber das System nur als genau das benutzt wird: reine Dokumentation. Keine Salden, keine Auswertungen, allenfalls eine Überprüfung der Pausen-/Ruhezeiten.


    Tobias Clausing Findest Du das in Ordnung, immer schon das geschrieben zu haben, was ich gerade noch tippe? ;)

    Aber immerhin scheinen wir uns inhaltlich weitgehend einig. Dann will ich noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen... :saint:

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

    Einmal editiert, zuletzt von Moritz () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Moritz mit diesem Beitrag zusammengefügt.

    • Hilfreichste Antwort

    Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung und es gibt ein BAG Urteil, das explizit eine Mitbestimmung in dieser Frage ausgeschlossen hat (das war der eigentliche Klagegrund für das neue Urteil).


    Das klingt für mich so, als hätte der BR hier sein MBR bei der Einführung des Systems schon vor langer Zeit ausgeübt.


    D.h. hier wird kein neues System eingeführt, das ein neues MBR auslösen würde.

    darum geht es aber in der Frage doch gar nicht, die Einführung ist klar, aber die Ausgestaltung ist weiterhin in der MB.

    In dem Fall wieder stempeln für alle.

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  • Hasi

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  • Ich bin etwas hin- und hergerissen :(, aber trotzdem denke ich, dass rtjum verstanden hat, um was es geht.

    Die Ausgestaltung ist auch m.E. weiterhin mitbestimmungspflichtig.

    Gruß

    Hasi

    Einmal editiert, zuletzt von Hasi ()

  • denke ich, dass rtjum verstanden hat, um was es geht

    Ich denke, das habe wir alle. Wir haben hier nur ein unterschiedliches Verständnis. Die einen sehen das MBR rein auf die Technik und den grundsätzlichen Umgang beschränkt (und das Thema scheint durch), während rtjum und du gerne auch noch die konkrete Anwendung bis hin zu "wer benutzt welches Terminal wie" (um es mal zu überspitzen) mitbestimmt sehen möchtet.


    Aber wie pflegt unser Anwalt in solchen Fällen immer zu sagen: Genau dazu sind doch die Gerichte da. Wenn wir nicht einer Meinung sind, sollen die entscheiden, wie das richtig ist. Also ab dafür...

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  • während rtjum und du gerne auch noch die konkrete Anwendung bis hin zu "wer benutzt welches Terminal wie" (um es mal zu überspitzen) mitbestimmt sehen möchtet.

    wenn Du unter konkrete Anwendung das Programm meinst, also Stempelprogramm von Anbieter a, b oder c dann ist sicher der AG frei in der Entscheidung, das dürfen wir "leider" nicht mitbestimmen.

    Aber der

    grundsätzlichen Umgang

    ist für mich das Entscheidende und da gehören solche Punkte wie wer stempelt oder nicht, und das ist m.M.n. noch nicht geregelt wie genau das erfolgen muss, eben zu.

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  • Aber wie pflegt unser Anwalt in solchen Fällen immer zu sagen: Genau dazu sind doch die Gerichte da. Wenn wir nicht einer Meinung sind, sollen die entscheiden, wie das richtig ist. Also ab dafür...

    Warum gleich an´s Gericht wenden?

    Zuerst spricht man das bei der GL an und aufgrund deren Reaktion kann man dann immer noch entscheiden, wie man weiter macht.

    grundsätzlicher Umgang ist für mich das Entscheidende

    Genau auf das wollte ich hinaus.

  • Warum gleich an´s Gericht wenden?

    Von gleich war nie die Rede...

    Wenn wir nicht einer Meinung sind, sollen die entscheiden, wie das richtig ist.

    Um festzustellen, ob man einer Meinung ist oder nicht, muss man selbstverständlich erst einmal miteinander reden.


    Wie sagte ein Dozent mal so schön: "Manchmal ist eine starke Behauptung besser als ein schwacher Beweis."

    Und nur weil wir hier uns nicht einig sind, ob der Personenkreis selber noch zum Umfang des MBRs gehört oder nicht, hindert das euch doch nicht daran, eurem AG gegenüber genau das zu behaupten und einzufordern.

    Und vielleicht reicht es ja schon das einzufordern, dass der AG, auch wenn er ein MBR nicht sieht, keinen Bock auf Stress hat und euch mitkamellen lässt.


    Aber wisst ihr denn schon, wo ihr hinwollt? Wollt ihr nur grundsätzlich einen Streit führen, weil ihr vorher nicht gefragt worden seid, kämt aber eigentlich zum gleichen Ergebnis? Oder habt ihr andere Ideen, die ihr gerne umgesetzt hättet?


    Du hast nach einer Einschätzung gefragt. Die hast du bekommen. Dass dir die Einschätzung, die deiner Meinung näher ist, sympathischer ist, verstehe ich. (Und ich kann ja noch nicht einmal mit irgendwelchen Urteilen aufwarten, die belegen, dass meine Einschätzung da besser/realistischer/valider ist.) Also am Ende werdet ihr selber entscheiden müssen, wie ihr damit umgeht und wo ihr hinwollt...


    Und selbst wenn ein BR weiß, dass er am Ende vor einem Arbeitsgericht keinen Blumentopf gewinnen würde, was hält ihn davon ab, erst einmal selbstbewusst Dinge einzufordern?

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  • (...) es gibt ein BAG Urteil, das explizit eine Mitbestimmung in dieser Frage ausgeschlossen hat (das war der eigentliche Klagegrund für das neue Urteil).

    Das ist falsch - die Begründung des Urteils klärt dieses Missverständnis auf. Der BR hat ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht, aber anders begründet und ausgestaltet als ursprünglich angenommen und eingeklagt. Nachzulesen z.B. in diesem Thread.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Aber wisst ihr denn schon, wo ihr hinwollt? Wollt ihr nur grundsätzlich einen Streit führen, weil ihr vorher nicht gefragt worden seid, kämt aber eigentlich zum gleichen Ergebnis? Oder habt ihr andere Ideen, die ihr gerne umgesetzt hättet?

    Hier geht es um`s Prinzip.

    Unser AG hat schon öfters unser Mitspracherecht ignoriert.

    Man muss ihm einfach immer wieder den Weg leuchten, damit er nicht vergisst, dass ein BR existiert.

    Du hast nach einer Einschätzung gefragt. Die hast du bekommen.

    Dafür bin ich auch dankbar.


    Dass dir die Einschätzung, die deiner Meinung näher ist, sympathischer ist, verstehe ich.

    Ich glaube nicht, dass ich da alleine stehe. So ist der Mensch eben.

    Aber trotzdem "Danke " an alle, die mich mit ihren Beiträgen zum Nachdenken gebracht haben. ;)

  • Hier geht es um`s Prinzip.

    ich denke dann würde ich bei dem Thema keine Kraft verschwenden.

    die meisten Nichtstempler sind doch eh die, die auf den BR "schimpfen§ und sich nur melden wenn sie persönlich einen Vorteil davon haben könnten, so zumindest bei uns.

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  • Hasi , wurde in der BV zur Erfassung der ArbZ der Geltungsbereich definiert? Waren die AN mit Vertrauens-ArbZ inkludiert oder nicht? Wenn ersteres, dann gibt es aktuell für den BR keine Mitbestimmung (aber der AG hat vorher dagegen verstoßen), wenn nein, dann verstößt der AG gg die Mitbestimmung, weil die BV zuerst geändert werden müsste.


    Inhaltlich würde ich da kein Fass aufmachen, kann aber die "pädagogischen" Gründe bestens verstehen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Inhaltlich würde ich da kein Fass aufmachen, kann aber die "pädagogischen" Gründe bestens verstehen.

    So geht mir das auch.


    Unser AG hat schon öfters unser Mitspracherecht ignoriert.

    Man muss ihm einfach immer wieder den Weg leuchten, damit er nicht vergisst, dass ein BR existiert.

    Warum gleich an´s Gericht wenden?

    Dann würde ich mir einen RA schnappen und dem AG einen kostenpflichtigen Brief schreiben lassen. Das ist noch die Vorstufe aber sollte dem AG klar machen, dass die Zeit des Redens sich weitgehend dem Ende zuneigt...

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  • wurde in der BV zur Erfassung der ArbZ der Geltungsbereich definiert?

    Ja, wurde er.

    Waren die AN mit Vertrauens-ArbZ inkludiert oder nicht?

    Da gab es noch keine MA mit Vertrauens-AZ.

    Aber irgendwann kam es dann ans Licht, dass die GL mit einigen MA einfach eine Vertrauens-AZ ausgemacht hat.......also ohne BR :(


    Inhaltlich würde ich da kein Fass aufmachen

    Vielleicht sollten wir wirklich die Füße still halten......

  • Aber irgendwann kam es dann ans Licht, dass die GL mit einigen MA einfach eine Vertrauens-AZ ausgemacht hat.......also ohne BR

    da wäre die Zeit des Fassöffnens gewesen

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  • Aber irgendwann kam es dann ans Licht, dass die GL mit einigen MA einfach eine Vertrauens-AZ ausgemacht hat.......also ohne BR

    Iiiihhh... das würde dann aber bedeuten, dass ihr dem AG jetzt an die Karre fahren wollt, weil er (endlich) die BV richtig umsetzt... auch wenn ich Euren Grell verstehe - taktisch gäbe es sicher bessere Gelegenheiten ihm "ein Hörnchen zu ziehen".

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  • Da gab es noch keine MA mit Vertrauens-AZ. Aber irgendwann kam es dann ans Licht, dass die GL mit einigen MA einfach eine Vertrauens-AZ ausgemacht hat.......also ohne BR

    Das bedeutet, dass Ihr es bisher versäumt habt, dem AG auf die Füße zu steigen.


    Und nun stellt der AG schlicht den rechtmäßigen Zustand her und beachtet Eure BV.


    Die Zeit des Fassaufmachens ist also vorbei.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)