Falsche mündliche Auskunft eines Wahlvorstands - Abbruch der Wahl?

  • Folgender Fall hat sich bei uns zugetragen.


    Wahljahr. Der Tag der Wahl. Mehrheits / Personenwahl, alles einwandfrei und fristgerecht bis dahin. Ich sitze dem Wahlvorstand vor, habe aber gerade keine "Schicht" im Wahlbüro und kümmere mich um irgendeinen anderen Kram an meinem Arbeitsplatz.


    Eine betriebsratskritische Kollegin klopft an und beschwert sich, dass der Wahlvorstand ihr eine falsche Auskunft gegeben hätte und wir ihren Wahlumschlag aus der Urne holen sollen damit sie den Stimmzettel korrigieren kann. Ich unterbreche meine Arbeit um die Lage zu klären und tatsächlich bestätigte ein Wahlvorstand in einem kurzen Moment der Schwäche gesagt zu haben, dass nur ein Kreuz zu machen sei.


    Die Öffnung der Urne wurde verweigert und dem Wähler zugesagt, dass wir das prüfen. Selbstkritische Prüfung ergab, dass auf allen Dokumenten bis zum Stimmzettel die richtigen Angaben waren, aber die falsche mündliche Aussage stand im nunmal im Raum. Bis zum Ende Wahl meldeten sich noch mehr Kollegen die angeblich nicht verstanden hatten, dass sie so viele Stimmen wie zu verteilende Sitze haben. Kollegin droht mit Anfechtung.


    Kurz vor der Auszählung treffen wir die Entscheidung - Abbruch und Neustart.


    Mich interessiert jetzt - hättet ihr genau so gehandelt?

    Fallere me possum solus - wie wir Lateiner sagen. 3er Betriebsrat, BRV, kein Tarif.

  • Ich hätte weder Abbruch oder Neustart gewählt sondern Ausgezählt und Ergebnis veröffentlicht.
    Und natürlich das Meldung der Kollegen (m/w/d) im Protokoll vermerkt. Damit das dokumentiert ist für eine Anfechtung für das Gericht.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Da durch die "falschen mündlichen" Aussagen das Wahlergebnis beeinflusst sein könnte bzw. ist, hätte ich genauso gehandelt. Dumm gelaufen, aber manchmal muss man unbequeme Entscheidungen treffen.
    Denn nach deinen Schilderungen wäre eine Anfechtung der Wahl sehr wahrscheinlich und auch begründet.

    Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen. [YODA] - BRV, 9er Gremium, kein Tarif, sGBRV, sSBV

  • Da durch die "falschen mündlichen" Aussagen das Wahlergebnis beeinflusst sein könnte bzw. ist, hätte ich genauso gehandelt. Dumm gelaufen, aber manchmal muss man unbequeme Entscheidungen treffen.
    Denn nach deinen Schilderungen wäre eine Anfechtung der Wahl sehr wahrscheinlich und auch begründet.

    Ja das Ergebnis könnte beeinflusst worden sein, aber das kann ich ja auch nicht feststellen als Wahlvorstand zu diesem Zeitpunkt.
    Weil wenn ich zu diesem Zeitpunkt, selbst mit der vom Wahlvorstand bestätigten Aussage für die Kollegin, die Wahl abbreche könnte ja fast jeder damit eine Wahl torpedieren.
    Und wenn Mitarbeiter die vorhanden Informationen auf den Wahlunterlagen nicht verstanden haben sehe ich da keinen Grund das hier ein Anfechtungsgrund vorliegen könnte deshalb. Vorausgesetzt die Informationen war verständlich geschrieben für einen "normalen" Mitarbeiter.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Selbstkritische Prüfung ergab, dass auf allen Dokumenten bis zum Stimmzettel die richtigen Angaben waren, aber die falsche mündliche Aussage stand im nunmal im Raum. Bis zum Ende Wahl meldeten sich noch mehr Kollegen die angeblich nicht verstanden hatten, dass sie so viele Stimmen wie zu verteilende Sitze haben.

    Wenn alles in den Dokumenten richtig stand, ist das Nichtverständnis der Kolleg:innen kein Wahlfehler.

    (...) dass der Wahlvorstand ihr eine falsche Auskunft gegeben hätte (...) und tatsächlich bestätigte ein Wahlvorstand in einem kurzen Moment der Schwäche gesagt zu haben, dass nur ein Kreuz zu machen sei.

    Grober Fehler. Klar.

    Mich interessiert jetzt - hättet ihr genau so gehandelt?

    Nein.


    Denn: Die BR-Wahl ist ge­richt­lich an­fecht­bar, wenn ge­gen Vor­schrif­ten über das Wahl­recht, die Wähl­bar­keit oder das Wahl­ver­fah­ren ver­s­toßen wur­de, und wenn die Möglich­keit be­steht, dass da­durch das Wahl­er­geb­nis geändert oder be­ein­flusst wur­de.


    D.h. ich hätte das zu Protokoll genommen und erst einmal ausgezählt. Es ist gut möglich, dass die Reihung der Kandidat:innen bei der Persönlichkeitswahl so eindeutig ist, d.h. von den Stimmergebnissen weit genug auseinander, dass die Stimmen der Kollegin das Ergebnis nicht beeinflussen können.


    Wenn bei der Auszählung herausgekommen wäre, dass das Ergebnis evtl beeinflusst hätte sein können, sieht das evtl anders aus. Also wenn in der Reihung der Gewählten Stimmergebnisse nur um einen Zähler oder gar keinen auseinanderliegen und das für den BR und die Reihung der Nachrücker:innen von Bedeutung ist.


    Aber auch in letzterem Fall hätte ich es vmtl darauf ankommen lassen...

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    3 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Hallo,


    wenn die Unterlagen und dazugehörigen Erklärungen einwandfrei gewesen wären, hätte ich die Wahl definitiv nicht abgebrochen.

    Lesefähigkeit und eigenes Denken darf man Wähler*innen ruhig abverlangen.


    Ich sehe das völlig anders als esci:

    Denn nach deinen Schilderungen wäre eine Anfechtung der Wahl sehr wahrscheinlich und auch begründet.

    Denn das hier

    Bis zum Ende Wahl meldeten sich noch mehr Kollegen die angeblich nicht verstanden hatten, dass sie so viele Stimmen wie zu verteilende Sitze haben.

    ist völlig irrelevant, wenn es eben nicht auf ausdrücklichen Angaben des WV beruht.

    Am Ende hätte dann bei einer Wahlanfechtung das Gericht wahrscheinlich geprüft, ob wegen der fehlenden Stimmen der einen Wählerin, die eine Falschauskunft bekommen hat, sich das Ergebnis noch hätte ändern können. Falls nicht, wäre mE die Anfechtung vom Gericht zurückgewiesen worden.

  • Man fragt sich natürlich schon, was da schief gelaufen ist, wenn ein Mitglied des Wahlvorstandes selber nicht weiß, was da gerade passiert...


    Wir haben uns angewöhnt, die Erklärung, die die Briefwähler erhalten haben, vor dem Wahlraum auszuhängen. Und da steht es dann schwarz auf weiß: "Erste Tür links, jeder nur ein Kreuz..." oder so ähnlich...


    Im Übrigen sehe ich das genauso wie albarracin. Selbst wenn die fehlerhafte Aussage belegt werden könnte, reden wir über einen Stimmzettel. Dass da noch andere auf den Zug aufspringen, sie hätten das ja auch nicht verstanden (!!!) - Schade, liebe Kollegen, das Wahlrecht sieht eine gewisse Mündigkeit des Bürgers vor, solche Dinge, die in den offiziellen Papieren richtig stehen, auch zu erfassen.


    Aber der Drops ist gelutscht. Ich hoffe nur, ihr habt gelernt, wen ihr nicht wieder in den Wahlvorstand setzt, weil er selber zu doof ist um zu verstehen, was der Wahlvorstand da macht...


    Im Übrigen könnte ich mir aber auch sehr gut vorstellen, dass die Kollegin gefragt hat, ob sie da jetzt ein Kreuz machen könne (was viele Kollegen tatsächlich fragen, weil sie Angst (oder besser Sorge) haben, dass ihr Stimmzettel ungültig sei, wenn zu wenige Stimmen drauf wären). Dann wäre die Antwort "ja" nicht falsch und das als Missverständniss erklärbar...

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Dass es hierbei unterschiedliche Meinungen gibt, ist völlig klar. Es wurde danach gefragt und ich hätte vermutlich in dieser Situation auch so entschieden. Oder vielleicht nicht.

    Aus diversen Schulungen zu Wahlvorständen habe ich immer mitgenommen, dass es zwar viel "richtig" und "falsch" gibt bezogen auf Gesetze oder Wahlordnungen, aber am Ende des Tages der Wahlvorstand eine Entscheidung treffen muss. Und so sehe ich das auch hier. Klar, Es laufen zu lassen und einfach abzuwarten, ob die Wahl überhaupt angefochten wird, ist ein gangbarer Weg. Es entstehen auch Mehrkosten für den AG, wenn man sich für Abbruch und Neuanfang entscheidet.

    Doch ich persönlich hätte eben - sofern es wirklich so gewesen wäre, dass mehrere Wähler falsche Informationen hatten - eine neue Wahl für besser gefunden, da mir auch ein demokratisches Ergebnis wichtig ist ohne den Verdacht, dass es anders hätte ausgehen können.

    JMTC

    Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen. [YODA] - BRV, 9er Gremium, kein Tarif, sGBRV, sSBV

  • insofern es wirklich so gewesen wäre, dass mehrere Wähler falsche Informationen hatten

    Das war hier nach den Schilderungen aber eben nicht der Fall.


    Und bei einem einzigen Stimmzettel ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr gering, ...

    dass da­durch das Wahl­er­geb­nis geändert oder be­ein­flusst wur­de

    Jedoch hier ist das Kind eh schon in den Brunnen gefallen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • ich schließe mich suppenkasper , Fried und albarracin an.


    Weiter machen, Einwand im Protokoll vermerken und evtl. die anderen KollegInnen mal genau fragen, was sie denn nicht verstanden haben um es bei der nächsten Wahl vielleicht "besser" zu machen.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • ich stelle mal eine Gegenfrage: (rein aus echtem Interesse)


    ist der Abbruch der Wahl wegen einer solchen "Kleinigkeit" seitens des WV nicht auch schon ein Anfechtungsgrund?


    Auch das beeinflußt ja das Wahlergebnis, in diesem Fall ohne das der WV von einem groben Fehler ausgehen konnte.

    --> immerhin wird bei der "Neuwahl" jetzt nicht nur der "falsch beratene Wähler" korrekt wählen, auch andere Wähler ändern ihr Abstimmungsverhalten wie ich das gelesen habe

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • ist der Abbruch der Wahl wegen einer solchen "Kleinigkeit" seitens des WV nicht auch schon ein Anfechtungsgrund?

    Aber welche Wahl soll angefochten werden? Die abgebrochene ist doch eh vorbei.

    Die neue Wahl mit einem "neuen" Wahlvorstand hat damit ja nichts mehr zu tun.

  • ist der Abbruch der Wahl wegen einer solchen "Kleinigkeit" seitens des WV nicht auch schon ein Anfechtungsgrund?

    Eine bereits abgebrochene Wahl kann nicht angefochten werden. Und eine zukünftige kann wegen eines möglichen Fehlers der vorigen nicht angefochten werden.


    (Wenn Du das bezweifelst, suche bitte selbständig nach Urteilen oder Kommentarstellen, die darlegen, dass ein evtl zu voreiliges Abbrechen und Neustarten einer Wahl künftige Wahlen anfechtbar macht)

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Danke für euer Meinungsbild!


    ist der Abbruch der Wahl wegen einer solchen "Kleinigkeit" seitens des WV nicht auch schon ein Anfechtungsgrund?

    Interessanter Gedanke. Haben wir diskutiert und wir fanden es einfach extrem unwahrscheinlich dass nochmal was kommt. Ist aber eine interessante Frage, gerade vor dem Hintergrund, dass sich auch der Pool an Kandidaten verkleinert hat. Irgendwie hatten einige auf einmal keine Lust mehr...


    Doch ich persönlich hätte eben - sofern es wirklich so gewesen wäre, dass mehrere Wähler falsche Informationen hatten - eine neue Wahl für besser gefunden, da mir auch ein demokratisches Ergebnis wichtig ist ohne den Verdacht, dass es anders hätte ausgehen können.

    Auch ein Aspekt, das neue Gremium sollte felsenfest legitimiert sein ohne Geraune, selbst wenn die Wahl dann doch nicht angefochten wurde.

    Fallere me possum solus - wie wir Lateiner sagen. 3er Betriebsrat, BRV, kein Tarif.

  • Die jetzt erneut durchzuführen Wahl wird m.E. nicht

    mit einem "neuen" Wahlvorstand

    veranstaltet, sondern mit dem existierenden. Dessen Amtszeit endet ja erst mit der erfolgreich durchgeführten Wahl.

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  • Eine bereits abgebrochene Wahl kann nicht angefochten werden. Und eine zukünftige kann wegen eines möglichen Fehlers der vorigen nicht angefochten werden.

    das hätte als Antwort auf eine nicht provozierend gestellte Frage gereicht, weil es den Sachverhalt klärt.


    Interessanter Gedanke. Haben wir diskutiert und wir fanden es einfach extrem unwahrscheinlich dass nochmal was kommt. Ist aber eine interessante Frage, gerade vor dem Hintergrund, dass sich auch der Pool an Kandidaten verkleinert hat. Irgendwie hatten einige auf einmal keine Lust mehr...

    sehe ich auch so: muss mal durchgedacht werden um zu einem Ergebnis zu kommen.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


    Einmal editiert, zuletzt von Randolf () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Randolf mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • gerade vor dem Hintergrund, dass sich auch der Pool an Kandidaten verkleinert hat. Irgendwie hatten einige auf einmal keine Lust mehr...

    Auch deswegen war der Abbruch ein Fehler. Naja: Für die Zukunft draus gelernt.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Auch das beeinflußt ja das Wahlergebnis, in diesem Fall ohne das der WV von einem groben Fehler ausgehen konnte.

    --> immerhin wird bei der "Neuwahl" jetzt nicht nur der "falsch beratene Wähler" korrekt wählen, auch andere Wähler ändern ihr Abstimmungsverhalten wie ich das gelesen habe

    Die alten Wahlumschläge wurden vor der Auszählung vernichtet und für den nächsten Durchlauf die optische Gestaltung geändert. Damit auch keiner auf dumme Ideen kommt es könnte mit dem Ergebnis zu tun haben.


    "Erste Tür links, jeder nur ein Kreuz..."

    Und schon ist es passiert - also der Wahlvorstand hat gesagt ich kriege nur ein Kreuz... :D


    Man fragt sich natürlich schon, was da schief gelaufen ist, wenn ein Mitglied des Wahlvorstandes selber nicht weiß, was da gerade passiert...

    Verschüttete Milch und so. Allerdings hatten wir nicht übel Lust erstmal zusammen auf Schulung zu gehen. Nicht dass nochmal ein Fehler passiert und so... :saint:

    Fallere me possum solus - wie wir Lateiner sagen. 3er Betriebsrat, BRV, kein Tarif.

  • Die alten Wahlumschläge wurden vor der Auszählung vernichtet und für den nächsten Durchlauf die optische Gestaltung geändert. Damit auch keiner auf dumme Ideen kommt es könnte mit dem Ergebnis zu tun haben.

    wie ist das zu verstehen?

    optische Gestaltung wurde verändert?

    was gibt es da viel zu ändern an der Gestaltung eines Wahlzettels und wie will man durch die optische Änderung eines Wahlzettels den Wähler darauf hinweisen: "die Wahlwiederholung hat nichts mit dem Ergebnis zu tun"

    --> da fehlt mir jetzt gerade die Phantasie, außer man nimmt eine andere Farbe des Papier und der Druckfarbe, wobei das ja auch nichts aussagt

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