Reisezeit zu BR-Sitzungen als Arbeitszeit abrechenbar?

  • Hallo Zusammen,
    ich wüsste gern, ob es stimmt, dass ich meine Reisezeiten zu und von dem weiten Ort der GBR-Sitzung ebenfalls voll als Arbeitszeit abrechnen darf.
    Beispiel: Ich fuhr am Montag 05:30 Uhr per Zug von zuhause los, war gegen 12 Uhr am Veranstaltungsort, dann sogleich begann die GBR-Sitzung und danach kam ich 18 Uhr am Hotel an. Ich hätte jetzt 12,5h minus Sitzungspausen kontiert als Arbeitszeit für diesen Tag. Geht das in Ordnung?! ... Auf den Zugfahrten ist oft schlecht Arbeiten am Dienst-Laptop möglich (kein Tisch, kein Datenschutz einhaltbar, nur ein Display statt gewohnter 3 Bildschirme verfügbar, instabile Datenverbindung usw.), so dass ich in der Reisezeit oft BR-Themen statt meiner eigentlichen Software-Testarbeit angehe (Lesen, Recherchieren, Planen)...

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    Der Anspruch des BRM auf Vergütung bzw Ausgleich der für BR-Tätigkeit aufgewendeten Zeiten (und dazu zählt auch die erforderliche Reisezeit) ergibt sich aus § 37 (2)+(3) BetrVG.


    Unterschieden wird zwischen der BR-Tätigkeit, damit auch der Reisezeit, innerhalb und außerhalb der ArbZ.


    Dass erstere komplett zu vergüten ist, ist vollkommen klar, das betrifft die erforderliche Reisezeit des BRM innerhalb der eigenen ArbZ.


    Bei zweiterer unterscheidet man zwischen betriebsbedingten und betriebsratsbedingten Zeiten (Erläuterung dazu bitte in den Kommentierungen nachlesen). GBR-Sitzungen sind dabei eindeutig betriebsbedingt, die Zeit der Sitzungen ist zu vergüten / auszugleichen.


    Lt den mir bekannten Kommentierungen sind zudem die dazugehörigen Reisezeiten komplett zu vergüten/ auszugleichen, wenn auch ein:e "normale:r" AN, der/die diesen Weg zurücklegen würde, um seine/ihre Arbeitspflicht zu erfüllen, einen Anspruch auf Vergütung der Reisezeit hätte.


    Und da sagt das BAG bzgl AN: Erforderliche Reisezeiten sind mit der für die eigentliche Tätigkeit vereinbarten Vergütung zu bezahlen, sofern nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung hierfür eingreift.


    Fazit: Wenn TV und/oder AV keine abweichende Regelung bzgl Reisezeiten für AN getroffen haben, ist auch die (betriebsbedingte) Reisezeit des BRM, hier also die AN- und Abreise zum und vom GBR voll zu vergüten.


    Und dafür muss im Zug übrigens auch nicht gearbeitet werden...

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

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  • Lt den mir bekannten Kommentierungen sind zudem die dazugehörigen Reisezeiten komplett zu vergüten/ auszugleichen, wenn auch ein:e "normale:r" AN, der/die diesen Weg zurücklegen würde, um seine/ihre Arbeitspflicht zu erfüllen, einen Anspruch auf Vergütung der Reisezeit hätte.

    Da möchte ich noch einmal einhaken und ein Beispiel bringen:


    Wir haben vor Jahren eine BV geschlossen, in der geregelt wird, dass AN die aus beruflichen Gründen "durch die Gegend fahren" (bei uns neben dem Vertrieb üblicherweise Kollegen aus den Filialen die in einer anderen Filiale aushelfen) die Fahrzeit komplett vergütet erhalten. Bei Seminarbesuchen wird aber grundsätzlich nur die Tagesarbeitszeit einer Vollzeitkraft berechnet. D.h. wenn ich jetzt also als BR zu einem Seminar in Erfurt, oder noch schlimmer Dresden (Dresden ist eindeutig schöner, aber vom Niederrhein eindeutig weiter weg, bitte nur deswegen schlimmer), fahre, bin ich zwar u.U. deutlich über 8 Stunden unterwegs, bekomme aber nur die 7,8 Stunden bezahlt die bei uns der Vollzeit entsprechen. Das gilt so aber für alle Seminare, die üblicherweise bei uns in der HV veranstaltet werden und dann z.B. Kollegen auch aus Dresden hierhin kommen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Bei Seminarbesuchen wird aber grundsätzlich nur die Tagesarbeitszeit einer Vollzeitkraft berechnet. D.h. wenn ich jetzt also als BR zu einem Seminar (...) fahre, bin ich zwar u.U. deutlich über 8 Stunden unterwegs, bekomme aber nur die 7,8 Stunden bezahlt die bei uns der Vollzeit entsprechen.

    BR-Schulungen sind im § 37 (6) BetrVG gesondert zu finden, nicht in (2)+(3) - dort ist die maximale auszugleichende Zeit tatsächlich auf die ArbZ einer Vollzeitkraft beschränkt.


    Aber, Moritz , kritische Anmerkung: In einer BV kann man nicht in die Vergütung von Reisezeiten zu Ungunsten der AN eingreifen, siehe das von mir oben zitierte BAG-Urteil, das diese Möglichkeit nur über AV und TV zulässt.

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  • siehe das von mir oben zitierte BAG-Urteil, das diese Möglichkeit nur über AV und TV zulässt

    Interessanter Hinweis. Das Urteil stammt aus dem Jahre 2017. Die GBV (müsste ich jetzt nachschauen) irgendwo aus 2003 - 5...


    Ich weiß nicht, ob ich den schlafenden Tiger wecken will... (zumal wir mit dem GBR so gar nichts mehr zu tun haben). Aber ich nehme das mal mit. Danke für den Hinweis.

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  • Danke für eure Antworten. Ich habe nachgeforscht: Wir haben erstens keine Reisezeitregelung im Betrieb. In meinem Arbeitsvertrag steht zweitens drin:
    Fahrten von und zum Arbeitsplatz sind keine Arbeitszeiten. Reisezeiten außerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des AN stellen keine Arbeitszeit dar und werden nicht gesondert vergütet., soweit der AG dem AN keine konkreten Vorgaben über die Nutzung der Reisezeiten zu vertraglichen Zwecken macht und dem Arbeitnehmer zur Durchführung der Reise die Wahl zwischen der Nutzung öffentlicher oder individueller Verkehrsmittel überlässt.


    Meine GBR-Vorsitzende meinte noch dazu: Zugreisezeiten gelten prinzipiell nicht als Arbeitszeiten bei uns (Fahrten mit dem Auto seien anders gelagert), es sei denn, ich habe auf der Zugfahrt für die Firma (Projektarbeit) oder für den GBR (Vorbereiten, Nachbereiten usw.) etwas gemacht.

    Wenn ich euch richtig verstehe, darf ich die hohen realen Zeitaufwände an einem Reisetag, z. B. 10 Stunden (Reisezeiten von Haustür zu Sitzungsort und zurück plus Sitzungszeit abzüglich Pausen) gar nicht abrechnen, sondern sowieso nur max. 8 Stunden (bei 40 Stunden-Woche), weil die Begrenzung "auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers" gilt laut § 37 (6) BetrVG.

    Darf ich das blöd finden, weil ich quasi teilweise Zeit opfere, die unbezahlt bleibt (die Zeit durch Umsteigen und Warten auf Anschlusszüge usw. lässt sich ja nicht wirklich mit Arbeit abdecken)?! Zählt dies dann als freiwilliges Engagement für die BR-Tätigkeit?

  • Radost , die Beschränkung auf die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft gilt im BetrVG nur für Schulungen. Bei allen anderen BR-Tätigkeiten gibt es keine Grenze nach oben, d.h. man kann dann ggf auch 12.5 oder mehr Stunden abrechnen. (Ich habe für Reisezeiten und Teilnahmen an KBR-Sitzungen in einiger Entfernung durchaus regelmäßig solche langen Zeiten abgerechnet.)


    Außer AV oder TV begrenzen das. Und bei Dir ist das wohl lt AV leider so:

    Reisezeiten außerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des AN stellen keine Arbeitszeit dar und werden nicht gesondert vergütet, soweit der AG dem AN keine konkreten Vorgaben über die Nutzung der Reisezeiten zu vertraglichen Zwecken macht und dem Arbeitnehmer zur Durchführung der Reise die Wahl zwischen der Nutzung öffentlicher oder individueller Verkehrsmittel überlässt.

    Blöd? Jein. Das BAG will explizit, dass BRM für ihre Tätigkeit nicht besser und nicht schlechter gestellt sind als AN in gleicher Situation. Würdest Du vergleichbar in dienstlichem Auftrag für den AG reisen, gäbe der AV diese Beschränkung auch vor.

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  • Anmerkung, damit da keine Missverständnisse entstehen:

    Außer AV oder TV begrenzen das.

    Begrenzt werden kann nur der Ausgleich für die Reisezeiten. Die tatsächliche BR-Tätigkeit ist immer voll auszugleichen, z.B. wenn man 15 Stunden in einer E-Stelle sitzt.

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  • Hallo, der Post ist schon älter aber ich würde mich mit einer Frage anschließen. Wie ist das bei einer Teilzeitkraft? Wenn diese 1 Woche auf BR oder SBV Schulung fährt (inkl Übernachtungen). Werden ihr dann nur die z.B. 4 Std pro Arbeitstag (da 20 Std Woche Teilzeit) gut geschrieben?

    Oder darf sie quasi Überstunden aufbauen, weil die Schulung mehr als ihr 20 Wochenstd beträgt? Danke

  • Ab_22n , der § 37 (6) BetrVG sagt, dass in diesem Fall der Umfang des Ausgleichsanspruchs (...) pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers ist (Fettung von mir). D.h. ggf "baut man Überstunden auf" als BRM, salopp gesprochen.


    Ob das bei der SBV analog läuft, weiß ich nicht, das könnte z.B. albarracin beantworten.

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