Alkoholkontrolle (Alkomat) im Betrieb

  • Hallo Kollegen,

    wir sind ein Transportunternehmen im Gefahrgutbereich. Zum Thema "Alkoholkontrollen" besteht eine Betriebsvereinbarung in der geregelt wird, das bei jedem Fahrer bzw Mitarbeiter einmal im Jahr unangekündigt einen Atemalkoholtest durchgeführt wird. Ist so eine BV rechtmäßig und kann sich der MA trotzdem weigern?

    Vielen Dank für Eure Antworten

  • Eine solche BV ist eindeutig rechtswidrig. Anlasslose Alkoholtests, d.h. Tests ohne einen begründeten konkreten Verdacht, ohne Einwilligung der Betroffenen stellen einen eindeutigen und enormen Verstoß gg die Persönlichkeitsrechte der AN dar, was das BAG schon 1999 festgestellt hat.


    Jede:r AN kann und darf sich weigern.


    Und m.E. muss der BR ggü dem AG auf die Nichtigkeit der BV hinweisen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Welcher Anwalt des BR formuliert denn eine derartige BV aus und würgt, wenn er so was liest, nicht das Frühstücksbier hoch?

    Der damalige Anwalt meines BR sagte mal, "wenn ich die Schreiben Ihres Arbeitgebers lese, wird mir immer das letzte Essen zum Geisterfahrer in der Speiseröhre."


    Ich gehe eh davon aus, dass ein rechtlicher Sachverstand bei so einer BV nicht beteiligt war...

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  • Der damalige Anwalt meines BR sagte mal, "wenn ich die Schreiben Ihres Arbeitgebers lese, wird mir immer das letzte Essen zum Geisterfahrer in der Speiseröhre."


    Ich gehe eh davon aus, dass ein rechtlicher Sachverstand bei so einer BV nicht beteiligt war...

    Ja, unserer hat sich auch schon beim Kopfschütteln verletzt; Schleudertrauma.


    Ich hab mir halt die Frage gestellt, ob es tatsächlich BR gibt die BV ohne juristischen Beistand abschließen. Klar, wenn man einen entsprechend Hintergrund im BR hat, das dürfte aber nicht die Regel sein. Oder?

  • Ich hab mir halt die Frage gestellt, ob es tatsächlich BR gibt die BV ohne juristischen Beistand abschließen.

    Nachdem der juristische Sachverstand nicht für lau zu haben ist und ohne Zustimmung des AG nicht bezahlt wird, halte ich das sogar für die Regel. Mein Ex-BR hat das auch so gehandhabt, wobei wir aber extrem viel Wert auf die passende inhaltliche Schulung zur jeweiligen BV sowie auf die Grundlagenschulungen gelegt haben, und ich ausgiebige Arbeit mit den Kommentierungen und Gerichtsurteilen gewohnt war. (Unser Anwalt hat wg der Frequenz von Gerichtsverfahren, die er für uns bestritt, zudem auch eine informelle "Flatrate" angeboten, d.h. er beriet uns auch kostenlos zu manchen Fragen) Außerdem hatten wir sehr guten Kontakt zu einem wirklich fitten Gewerkschaftssekretär, der Fragen gut beantwortete.


    So ein offensichtlicher Fauxpas wie in dem Thread hier wäre uns jedenfalls nicht passiert.


    Mich würde tatsächlich interessieren, wie andere BRe das handhaben. Das ist hier im Thread aber komplett OT, wobei dem/der Threadstarter:in die Frage jedoch bereits abschließend beantwortet wurde.

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  • Wir haben unserer GF klar gemacht, dass die Schulung teurer als der RA ist (zumal da "weil könnte morgen vor den Bus laufen" auch nicht nur ein BRM hin fährt) und es in beiderseitigem Interesse ist, dass die BV qualifiziert formuliert ist. Vor allem geht es so auch deutlich schneller. Wir formulieren die BV vor, legen die zur Einschätzung dem RA vor, verhandeln und geben das Ergebnis zur Ausformulierung. Heißt nicht, dass wir auf Schulungen verzichten, aber man muss nicht für jeden Ruß durch die Botanik reisen und Themen Monate vor sich her schieben.

  • Jede:r AN kann und darf sich weigern.

    Zu dem Ergebnis käme ich auch.

    Berücksichtigt man die verfassungsrechtlich geschützten Arbeitnehmerinteressen, so ist ... davon auszugehen, daß Routineuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis, die vorbeugend klären sollen, ob der Arbeitnehmer alkohol- bzw. drogenabhängig ist, regelmäßig unzulässig sind.


    Frage: wie sähe es denn aus, wenn der AG auf die Idee käme, die Fahrzeuge technisch dahingehend auszustatten, dass sie sich nur nach negativem Atemalkoholtest starten lassen. Dies wäre eine besondere Maßnahme um die Sicherheit im Gefahrguttransport zu gewährleisten, also keine allgemeine Maßnahme, die "jeden erwischen" kann, sondern nur den aktiven Fahrer betrifft. Wäre das anders gelagert? Dann ist es ja keine vorbeugende sondern konkrete Maßnahme.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Moritz , das änderte doch nichts an der Tatsache, dass das ohne einen begründeten konkreten Verdacht und ohne Einwilligung der Betroffenen stattfände, was lt BAG einen unstatthaften Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der AN bedeutete. Im Gegenteil: Der Eingriff wäre ja sogar noch viel massiver als die jährliche Zufallskontrolle, weil arbeitstäglich, und weil eine an sich statthafte Weigerung es technisch unmöglich machen würde, die Arbeit aufzunehmen.


    Dem AG ist es m.W. erlaubt, unter bestimmten Bedingungen die Arbeitsleistung des/der AN abzulehnen, wenn er z.B. im Falle des Gefahrguttransportes den konkreten und begründeten Verdacht einer Alkohol-Intoxikation hat (Geruch, sichtbare Ausfallserscheinungen). Dann, aber nur dann, könnte ggf ein Alkoholtest verlangt werden (auch dazu gibt es m.W. Rechtssprechung vom BAG).

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  • das änderte doch nichts an der Tatsache, dass das ohne einen begründeten konkreten Verdacht und ohne Einwilligung der Betroffenen stattfände, was lt BAG einen unstatthaften Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der AN bedeutete.

    Das war/ist doch aber genau die Frage. Kontrolliere ich "random" irgendwen ist es eine unzulässige Überwachung. Stelle ich aber sicher, dass der Fahrer (und zwar genau nur der, der jetzt auch einen Gefahrenguttransport führen will) auch fahrtüchtig ist, ist es Teil des Sicherheitskonzeptes (ähnlich wie z.B. die Prüfung der Ladungssicherheit). Zumal ja nicht der AG irgendwas erfährt/feststellt, sondern lediglich das Fahrzeug nicht startet.


    Deswegen war halt die Überlegung, ob es dann evtl. anders zu bewerten wäre.


    Oder man könnte es analog zu Frankreich gestalten, wo der Alkoholtester seit 2012 Pflicht an Bord ist. Also ohne technische Verbindung. Aber im Rahmen der "Selbstkontrolle". D.h. der Fahrer könnte immer noch alkoholisiert fahren, sich dann aber nicht mehr damit herausreden, er hätte nicht gewusst, dass sein Restalkohol noch so hoch wäre... (allenfalls behaupten, er hätte vergessen sich zu kontrollieren).


    Ich denke, über die Gefährlichkeit von Alkohol im Straßenverkehr allgemein und bei Gefahrguttransporten im Besonderen, brauchen wir nicht wirklich zu diskutieren (auch wenn ich Dir als Bayer da einen grundsätzlichen "blinden Fleck" zugestehen will ;) (Hoch leben die Vorurteile - aber am Niederrhein ist Bier kein Grundnahrungsmittel! :* )). Aber natürlich ist auch der Persönlichkeitsschutz des Individuums wichtig und notwendig. Ebenfalls keine Frage. Ich versuche nur (gedanklich, praktisch habe ich damit ja nix anne Füße) einen Weg zu finden, wie man vielleicht beiden Seiten gerecht werden könnte. Also die Sicherheit zu erhalten/erhöhen aber trotzdem den Persönlichkeitsschutz nicht auszuhebeln...


    Und da fände ich dann z.B. so einen Alkoholtester an Bord zur reinen Selbstkontrolle gar keine sooo doofe Idee.

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    Einmal editiert, zuletzt von Moritz ()

  • Ich kann Dir ganz schlicht nicht folgen, Moritz : Vllt bin ich ja zu doof, aber ich verstehe immer noch nicht, inwiefern eine regelmäßige oder gar andauernde Überwachung (die ich "Sicherheitskonzept" oder sonstwie nenne) statt einer zufallsbasierten die Aussagen des BAG zu den Persönlichkeitsrechten aufhebt. Noch dazu, wo der Eingriff dadurch ja nicht leichter, sondern gravierender wird.


    Das BAG lässt sich in dem Urteil (wie ja auch in vielen anderen) sehr ausführlich zu den Persönlichkeitsrechten und den Verstoß dagegen aus.


    Wenn man als AN nun solche "zufälligen" Untersuchungen verweigern kann (deren konkretes Ergebnis der AG wg der ärztlichen Schweigepflicht eh nicht erfährt jenseits von geeignet / nicht geeignet), warum sollte man einen Test durch einen Alkomaten im LKW dulden müssen (dessen konkretes Ergebnis der AG erfährt, und zwar dadurch, dass der/die AN den LKW starten und fahren kann oder eben nicht)?


    Eine (...) Untersuchung des Arbeitnehmers mit daran anschließender Offenbarung personenbezogener Daten (...) an den Arbeitgeber führt regelmäßig zu einem Eingriff in die Intimsphäre des Arbeitnehmers. Diese ist jedoch (...) verfassungsrechtlich geschützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Arbeitnehmers. Der Schutz ist um so intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen (...).

    Oder man könnte es analog zu Frankreich gestalten, wo der Alkoholtester seit 2012 Pflicht an Bord ist. Also ohne technische Verbindung. Aber im Rahmen der "Selbstkontrolle". D.h. der Fahrer könnte immer noch alkoholisiert fahren, sich dann aber nicht mehr damit herausreden, er hätte nicht gewusst, dass sein Restalkohol noch so hoch wäre... (allenfalls behaupten, er hätte vergessen sich zu kontrollieren).

    Freiwilligkeit bei einer spezifischen gesetzlichen Grundlage ginge natürlich auch im deutschen Arbeitsrecht. Aber wir reden ja über die Pflicht.

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    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Hm. Fried hat vermutlich Recht mit der rechtlichen Einschätzung, jedenfalls habe ich im Netz nichts gefunden, was die Zulässigkeit von Alkotestern im Gefahrgut erlauben würde.

    Persönlich verstehe ich spätestens bei Personen- oder Gefahrguttransport die Gewichtung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte ./. die körperliche Unversehrtheit potentieller Unfallopfer nicht wirklich.