Betriebsversammlung nach der Schicht

  • Hallo Zusammen,


    wie bewertet ihr folgenden Fall. Es findet eine Betriebsversammlung statt. In dem Betrieb herrscht 24/7 Abdeckung, zudem findet die BV außerhalb der Arbeitszeit von gut 80% der Beschäftigten statt. Das eine Teilversammlung nötig wäre, ist für mich hiermit klar. Der BRV und Großteil des Gremiums ist da anderer Meinung. Nun zur eigentlichen Frage. Wie verhält sich das mit der Arbeitszeit der Teilnehmer, wenn diese nach ihrem Dienst zur BV gehen wollen? Sprich nach einen 8h Tag noch zur BV die bestimmt 4-5h geht. Ist dies möglich? Dann die 10:45 Grenze wäre in dem Fall locker überschritten, wie wäre eurer Meinung nach die Rechtslage hier?


    Vielen Dank euch

  • Hallo,


    auch wenn ein Urteil des OVG Münster vor einiger Zeit Verwirrung gestiftet hat, ist sich BAG und Fachkommentierung einig:

    Betriebsversammlungen sind wie Arbeitszeit zu vergüten, sie zählen aber nicht als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG.

  • Hallo albarracin,


    ja das Problem ist, ich finde hier unterschiedliche Ansichten zu. Auf der Seite Komnet finde ich folgenden Artikel:


    KomNet - Zählt die Dauer einer Betriebsversammlung sowie die zugehörige Wegezeit als Arbeitszeit? (nrw.de)


    dort steht es ist Arbeitszeit im Sinne des ArbZG. Ich finde das ja auch Paradox wenn es nicht so wäre. Denn wenn es nicht Arbeitszeit im Sinne des ArbZG wäre, dann könnt der AG nach der BV ja sagen, die 4h wird hinten dran gehangen, denn es war ja keine Arbeitszeit im Sinne des ArbZG.


    Genauso wäre die Frage mit der 11h Regel. Ich habe auf der Seite des BAG mit dem Suchbegriff Betriebsversammlung keinen Eintrag gefunden, kannst du mir evtl. ein entsprechendes Urteil raussuchen?


    Vielen Dank

  • Festzuhalten ist hier m.E., dass der BR einen Pflichtverstoß begeht: Betriebsversammlungen finden kraft G idR während der AZ statt (...). AZ ist die Zeit, während der ein wesentl. Teil der Belegschaft des Betriebs arbeitet. (ErfK §§ 42-46 BetrVG Rn 2) Dass das bei einmaliger Ansetzung einer solchen Betriebsversammlung schon ein gravierender Pflichtverstoß ist, bezweifle ich aber.


    Dass die Zeit der Betriebsversammlung den AN zwar zu vergüten, aber keine ArbZ iSd ArbZG ist, scheint mir absolut klar (für den Fall, dass sie außerhalb der persönlichen ArbZ von AN stattfindet, bestätigt das übrigens der o.g. Link auch indirekt - insgesamt finde ich ihn in seiner Argumentation eher wenig überzeugend).


    Allerdings halte ich die Ansetzung einer Betriebsversammlung von 4 bis 5 Stunden nach einem 8-Stunden-Arbeitstag schlicht für unzumutbar.


    Denn wenn es nicht Arbeitszeit im Sinne des ArbZG wäre, dann könnt der AG nach der BV ja sagen, die 4h wird hinten dran gehangen, denn es war ja keine Arbeitszeit im Sinne des ArbZG.

    Das kann der AG nicht, und zwar ganz unabhängig von der Frage, ob es sich um ArbZ iSd ArbZG handelt, sondern ganz alleine schon weil das BetrVG eindeutig regelt, dass die Betriebsversammlung in der Arbeitszeit stattfindet. Eine Verlängerung der ArbZ wg einer Betriebsversammlung wäre (abgesehen davon, dass sie ohne Zustimmung des BR eh nicht möglich wäre) auch als Bestrafungsaktion und damit Störung der BR-Tätigkeit wertbar.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    5 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Wichtig ist die Unterscheidung von ArbZG, das im Grunde genommen nur Grenzwerte und Pausen regelt und dem Vergütungsanspruch / vertraglich geschuldete Arbeitszeit. Das ist ganz oft gleich, manchmal aber auch nicht. Einfachstes Beispiel sind Reisezeiten, die nicht immer im Sinne des ArbZG Arbeitszeit sind, aber trotzdem vergütet werden müssen. Oder halt eine Betriebsversammlung, die nicht vom ArbZG erfasst wird, also quasi dagegen verstoßen dürfte, aber trotzdem vollständig zu vergüten ist - inklusive An- und Abreise bei irregulärem Bedarf.

    Allerdings halte ich die Ansetzung einer Betriebsversammlung von 4 bis 5 Stunden nach einem 8-Stunden-Arbeitstag schlicht für unzumutbar.

    Das möchte ich dick unterstreichen. Die Ruhezeiten sollten - gerade in einem produzierenden Mehrschichtbetrieb - ganz dringend eingehalten werden. Da hängt ja auch ein nicht zu verachtendes Gefährdungspotenzial dahinter. Wenn der AG möchte, kann er ja mal die BG fragen, wie die eine Heimfahrt nach 14 Stunden im Betrieb finden.

  • ich neige ja zu der Auffassung das die Ruhezeiten eingehalten werden müssen:


    OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2011 - 4 A 1403/08

    drei Zitate (ob aus dem Zusammenhang gerissen will ich nicht beurteilen)


    Von arbeitsschutzrechtlich erforderlichen Ruhezeiten und Ruhepausen könne nur gesprochen werden, wenn ein Mitarbeiter, der nicht zu der Betriebsversammlung gehe, über seine Zeit frei verfügen könne. Diese Möglichkeit habe er jedoch bei Betriebsversammlungen, die - wie gesetzlich gefordert - während der betrieblichen Arbeitszeit stattfänden, nicht. Ihm bleibe nur die Alternative zu arbeiten.


    Denn maßgeblich für die Anwendung des § 2 Abs. 1 ArbZG sei die Sicherung einer ausreichenden Ruhezeit. So sei es auch letztlich das Anliegen der Klägerin, Ruhezeitverstöße verhindern.


    Bei der Frage, ob eine Tätigkeit als Arbeitszeit im Sinne von § 1 ArbZG zu werten ist, ist demnach maßgeblich zu berücksichtigen, ob sie die Kriterien für eine Ruhepause bzw. -zeit erfüllt. Denn die Begriffe Arbeitszeit und Ruhezeit schließen sich gegenseitig aus und decken jedenfalls den arbeitsbezogenen Lebensbereich vollständig ab.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


    Einmal editiert, zuletzt von Randolf ()

  • M.W. sieht das Schrifttum es anders als das OVG Münster, aber das Thema ist offensichtlich nicht unstrittig (ein OVG ist ja auch nicht irgendein Feld-, Wald- und Wiesengericht).


    Aber! In dem speziellen Fall, der hier im Thread behandelt wird, findet die Betriebsversammlung ja außerhalb der persönlichen ArbZ der meisten AN statt, damit ist sie auch aus Sicht des OVG Münster keine ArbZ iSd ArbZG:

    Von arbeitsschutzrechtlich erforderlichen Ruhezeiten und Ruhepausen könne nur gesprochen werden, wenn ein Mitarbeiter, der nicht zu der Betriebsversammlung gehe, über seine Zeit frei verfügen könne. Diese Möglichkeit habe er jedoch bei Betriebsversammlungen, die - wie gesetzlich gefordert - während der betrieblichen Arbeitszeit stattfänden, nicht. Ihm bleibe nur die Alternative zu arbeiten.

    Hier haben die AN die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Heimgehen, ein Bier aufmachen, Sex mit Partner:in haben, ins Kino gehen, auf dem Sofa sitzend in der Nase bohren, die Katze streicheln, in der Badewanne liegen etc.pp. - oder eben (freiwillig, aber trotzdem vergütet) in die Betriebsversammlung gehen.


    Will sagen, die Antwort auf die konkret hier gestellte Frage bleibt gleich, auch wenn man dem OVG Münster folgt: Für die AN, die außerhalb ihrer persönlichen ArbZ an der Betriebsversammlung teilnehmen, ist es keine ArbZ iSd Gesetzes. Das betrifft also die genannten 80% der AN des Betriebes.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()