Betriebsversammlung online / hybrid (ausgelaufener §129 BetrVG)

  • Hallo zusammen,


    leider ist der §129 BetrVG ja zum 19.03.2022 ausgelaufen. Nun stellen wir uns die Frage, wie wir die Betriebsversammlung künftig abhalten können. Theoretisch ist diese in Präsenz durchzuführen. Wir haben aber MA, die regulär gar nicht mehr ins Büro kommen, sondern generell von zu Hause aus arbeiten (und auch mehrere hundert km vom Betrieb entfernt wohnen). Darüber hinaus haben wir eine rege genutzte Mobile Work Betriebsvereinbarung.


    Kurz gesagt: BetrVG sieht online / hybride Betriebsversammlungen nicht mehr vor (Thema ist hier wohl die "nicht Öffentlichkeit"). Fragen:

    1. Wenn wir die BV trotzdem online / hybrid durchführen, ist das dann eine grobe Pflichtverletzung?

    2. Könnten wir einen Ausweg schaffen, indem wir die MA eine Erklärung unterzeichnen lassen, dass sie den Link zur Einladung nicht an Dritte weitergeben und auch sonst sicher zu stellen haben, dass kein Dritter Zugriff auf die Informationen erhält (Beispiel Teilnahme via Laptop am Flughafen)?


    Mit einer reinen Präsenzveranstaltung tun wir uns tatsächlich schwer, zumal wir unsere BVs auch vor dem §129 hybrid durchgeführt haben.

    Habt ihr irgendwelche Erfahrungswerte / Tipps / Ideen?


    Viele Grüße,

    Sylva

  • Im schlimmsten Fall kann man das bei mehrfacher Durchführung der Versammlung als Online-Versammlung sicherlich als Pflichtverletzung sehen. Es stellt sich dabei aber die Frage, wer das anstoßen soll.

    Sowohl die Nutzung moderner Kommunikationsmittel als auch die Abweichung von jeweils einer Versammlung pro Quartal sind ein Verstoß gegen das BetrVG und trotzdem - in bestimmten Einzelfällen - das gewählte Vorgehen. In den meisten Fällen sogar ohne Konsequenzen.

    Wenn ihr euch mit der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber einig seid (wirklich einig, kein fauler Komromiss), dass eine hybride Veranstaltung durchgeführt werden sollte, wer soll euch dann böse sein? Zur unmittelbaren Auflösung des Betriebsrates wird das nicht führen.

  • Hm, eine reine Online-Veransammlung würden wir nicht durchführen, es würde immer bei Hybrid bleiben.

    Euer Input geht aber in die gleiche Richtung - wenn sich alle Parteien einig sind, sollten wir kein Problem haben (wohl wissend, dass wir dennoch gegen das BetrVG verstoßen). Danke euch schonmal dafür!


    Wenn es noch andere Meinungen oder Erfahrungswerte gibt, lese ich die natürlich auch noch gerne :)

  • Kommt natürlich immer darauf an, wie ihr in der Arbeit so organisiert seid.


    Ich befürchte mal, dass eine hybride Veranstaltung sehr schnell einer reine online-Veranstaltung mutiert. Spreche hier aus eigener Erfahrung. Am Ende haben gerade mal 2% der Belegschaft die Präsenzveranstaltung besucht. War irgendwie gruselig, großer Raum und man musste die Leute mit dem Fernglas suchen.


    Evtl. vorher mal bei den Kollegen abklopfen, wer die Präsenzveranstaltung wahrnehmen möchte. Dann kann man die Räumlichkeiten entsprechend wählen und den Ablauf/Inhalt anpassen.

    Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen

    (Aristoteles)


    Noch ein Tipp für die derzeitige Nachhaltigkeitsdebatte:

    Save Water - Drink Wine !!

  • Wir haben das Thema bei einer uns befreundeten Anwältin die recht Gewerkschaftsnah ist mal platziert, aber leider gibt es da auch kein Schlupfloch :(


    Unsere hybriden oder volldigitalen Versammlungen sind sehr viel besser angenommen worden und auch angekommen. Bei uns besteht zusätzlich das Problem, dass unsere Gewerkschaft drauf pocht die in Präsenz zu machen und wenn man 4 mal das gleiche erzählt weil es keine passenden Räumlichkeiten gibt. Unser AG hätte kein Problem damit, schauen wir mal wie die Arbeitsschutzverordnung ab 01.10. aussieht...vielleicht geht da ja dann doch wieder was ;)

  • M.E. kommt Ihr um eine Präsenzveranstaltung nicht herum Rechtlich betrachtet müsst Ihr ja eh, und die Gewerkschaft (als ggf auch Klageberechtigte) besteht darauf.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • und wenn man 4 mal das gleiche erzählt weil es keine passenden Räumlichkeiten gibt

    wir haben letzten Winter Abteilungsversammlungen gemacht und 24x den Tätigkeitsbericht abgegeben, unser Gew-sekretär wird niemals nicht so was fordern dem hing auch die Zunge raus.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • wir haben letzten Winter Abteilungsversammlungen gemacht und 24x den Tätigkeitsbericht abgegeben, unser Gew-sekretär wird niemals nicht so was fordern dem hing auch die Zunge raus.

    Das ist doch irre :( ich kann ja verstehen, digitale/hybride BV nicht ausschließlich anzubieten. Aber das man nicht mal die Möglichkeit hat ist alles andere als zeitgemäß. Und das Thema "Nichtöffentlichkeit" ist halt Bullshit, wenn ich eine Präsenzveranstaltung unbemerkt aufzeichnen will, dann kann ich das auch.


    Ich gebe die Hoffnung da noch nicht auf.


    Übrigens...für "offene Abteilungsversammlungen" oder "additive Infotermine" gibt es doch keine Formerfordernis oder? Is wahrscheinlich zu kurz gedacht...aber ich mein ja nur :saint:

  • Das ist doch irre :( ich kann ja verstehen, digitale/hybride BV nicht ausschließlich anzubieten. Aber das man nicht mal die Möglichkeit hat ist alles andere als zeitgemäß. Und das Thema "Nichtöffentlichkeit" ist halt Bullshit, wenn ich eine Präsenzveranstaltung unbemerkt aufzeichnen will, dann kann ich das auch.


    Ich gebe die Hoffnung da noch nicht auf.


    Übrigens...für "offene Abteilungsversammlungen" oder "additive Infotermine" gibt es doch keine Formerfordernis oder? Is wahrscheinlich zu kurz gedacht...aber ich mein ja nur :saint:

    Da stimmen dir hier wohl die meisten zu. Ändert nur eben nichts an der Tatsache, dass zumindest aktuell die gesetzliche Lage so ist. Und das die Gesetze häufig nicht zeitgemäß sind, das ist ja nun auch kein Geheimnis, da von Politikern gemacht.

    Ich erinnere hier nur an die Aussage von Frau Merkel aus 2013: "Das Internet ist für uns alle Neuland"

    Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen

    (Aristoteles)


    Noch ein Tipp für die derzeitige Nachhaltigkeitsdebatte:

    Save Water - Drink Wine !!

  • Vor Corona hätte man noch annehmen können, dass im BetrVG die Möglichkeit virtueller oder hybrider Sitzungen einfach nur noch nicht bedacht wurden, aber vom Willen des Gesetzgebers gedeckt sein könnten.

    Nachdem aber mit der letzten Überarbeitung die Möglichkeit virtueller Sitzungen aus den Übergangsregelungen in das BetrVG übernommen wurde, muss man anerkennen, dass dies für die Betriebsversammlungen ganz explizit nicht geschehen ist. Übergangsweise war es möglich, beibehalten wurde es nicht.

    Es ist also mit extrem hoher Sicherheit davon auszugehen, dass die Durchführung einer virtuellen oder hybriden Betriebsversammlung unzulässig ist und ein Gericht genau das ohne große Diskussion auch bestätigen würde.


    Alle anderen Arten von Versammlungen (außer den Abteilungsversammlungen gem. § 42/43 BetrVG) müssen mit dem AG abgesprochen werden, weil kein Recht auf Vergütung besteht bzw. kein Recht, diese Versammlungen während der Arbeitszeit durchzuführen. Auch erfüllen sie das Erfordernis der vier Betriebsversammlungen nicht.

  • Die Gewerkschaften scheinen aber auch unterschiedlich damit umzugehen. Unsere hat nur angemerkt,

    dass es keine gesetzliche Grundlage mehr für digitale Betriebsversammlungen gibt und dass der Gesetzgeber dezidiert sagt, dass BVen physisch stattfinden müssen. Aber ein Darauf-bestehen war das nicht...


    Für unsere Geschäftsleitung ist digital okay. Also, wo kein Kläger...

  • Uwe_Isa , warum der Gesetzgeber sich nicht dazu durchringen kann, das unbefristet zuzulassen, bleibt (zumindest mir) aber ein Rätsel.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat:

    Zunächst muss der Betriebsrat aber erst einmal den Beschluss fassen, dass überhaupt eine Betriebsversammlung einberufen werden soll. Außerdem muss der Betriebsrat beschließen, wann und wo die Versammlung stattfinden und welche Tagesordnung sie erhalten soll.


    ttps://www.kluge-seminare.de/br-portal/wissen/allgemeines/betriebsversammlung/


    --> aber selbst wenn ihr mal einen Beschluss faßt, wo keiner notwendig wäre, wäre das nicht nachteilig.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Uwe_Isa , warum der Gesetzgeber sich nicht dazu durchringen kann, das unbefristet zuzulassen, bleibt (zumindest mir) aber ein Rätsel.

    Vermutlich weil die Betriebsversammlung vom Gesetzgeber als eine Versammlung angesehen wird auf der man persönlich Fragen stellen kann und sich damit besser austauschen als nur Online oder Hybrid.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Vermutlich weil die Betriebsversammlung vom Gesetzgeber als eine Versammlung angesehen wird auf der man persönlich Fragen stellen kann und sich damit besser austauschen als nur Online oder Hybrid.

    Ich habe zwei Personalversammlungen online mitgemacht und hatte durchaus nicht den Eindruck, dass der Austausch da schlechter möglich war.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Ich kann mir vorstellen, dass das zum Schutz der Betriebsräte gedacht ist. Betriebsversammlungen sind teilweise eine sehr teure Angelegenheit. Raum, Zeit, Fahrtkosten, Übernachtungen, Ausfall der Produktion / Verkauf zur besten Zeit und und und.


    Wenn jetzt die Möglichkeit der digitalen BetrVers gegeben wird, mit welchem Argument sollen Betriebsräte dann noch eine Präsenzversammlung (die ihre ganz eigenen echten Vorteile hat) gegen den Wunsch des AG durchsetzen?


    Ich glaube, dass es zumindest schwierig wäre, einen fairen Gesetzesentwurf hinzulegen, der dem BR die Gestaltungsmöglichkeit lässt und dabei den AG nicht mehr einschränkt als jetzt.