Auszahlung von Boni

  • Hallo liebe BR-Kollegen,

    ich hätte eine Frage in die Runde, die mich und meine BR Kollegen (alle "Frischlinge", gerade 2, 3 Monate dabei) aktuell massiv überfordert.

    Ja, ich habe die Frage auch bereits an die Anwältin weitergegeben, die den BR unterstützt - aber unverschämterweise ist diese im Urlaub ;)


    Folgende Situation:
    Zwei Mitarbeiter haben sich mit einer Thematik an den BR gewandt.
    Und zwar werden in der entsprechenden Abteilung (beide in der selben) zum Ende des Geschäftsjahres (immer Ende März) Boni verteilt.
    Diese werden i.d.R. zwei Monate später ausgezahlt, schriftlich festgehalten ist eine Auszahlung noch im selben Quartal (also max. 3 Monate später).

    Entsprechend hätten die Mitarbeiter der Abteilung bis spätestens Ende Juni ihre Bonus-Zahlungen erhalten müssen.

    Die Höhe der Zahlungen wurde auch zum Ende des Geschäftsjahres schriftlich bekannt gegeben, mit der schriftlichen Zusicherung, dass diese bis Ende des Quartales ausgezahlt werden müssen. Dies ist jedoch nicht passiert.

    Begründung seitens AG:
    Im letzten Geschäftsjahr wurde (angeblich) zu viel Bonus ausgezahlt. Nun müsse erst bestimmt werden, wieviel zu viel, und das wolle man dann mit dem aktuellen Bonus verrechnen.

    Nun gibt es diverse Aussagen, was der aktuelle Stand der Dinge ist:
    Mal liegt es in der Personalabteilung. Mal bei der Finanzabteilung. Dann aber bei der Finanzabteilung in einem anderen Land, die übergeordnet zuständig wäre. Zum Teil heißt es auch, dass der Mutterkonzern (US) die Angelegenheit auf dem Tisch habe. Was wirklich der Fall ist - niemand weiß es.


    Dass angeblich im letzten Jahr zu viel Bonus ausgezahlt worden ist, wurde im Vorfeld nie kommuniziert. Auch gibt es (wie oben erwähnt) die o.g. schriftliche Bestätigung (inkl. Auszahlungsfrist) über die Höhe des diesjährigen Bonus. Betroffen ist die gesamte Abteilung, nicht nur ein Mitarbeiter.


    Meine Frage ist nicht, ob da nun irgendwas richtig oder falsch läuft, das ist für mich (erstmal) recht offensichtlich.
    Die erste Reaktion war: "Ihr habt eine Rechtschutzversicherung für berufliche Belange? Super! Schildert den Fall in einem Beratungsgespräch und lasst euch über den rechtlichen Rahmen aufklären". (läuft aktuell, hier liegt noch keine Antwort vor)


    Ungerne möchten einzelne Mitarbeiter hier nun das Gespräch mit dem AG suchen (es will keiner als "schwarzes Schaf" hervorstechen, auch wenn sie alle das Recht dazu hätten). Auch wenn die Abteilung gebündelt vorginge, müsste einer als "Sprecher" fungieren. Und bekanntlich wird der Bote gerne mal geköpft.

    Daher möchte man den Betriebsrat als "Sprachrohr".
    Was natürlich völlig legitim ist, überhaupt keine Frage. Aber bevor wir den AG nun kontaktieren, möchte ich natürlich gerne wissen:
    Was für Rechte, Pflichten und Möglichkeiten haben wir als BR bei einer solchen Thematik?


    Vielen Dank für eure Einschätzung und Erfahrung!

    Viele Grüße

  • Was für Rechte, Pflichten und Möglichkeiten haben wir als BR bei einer solchen Thematik?

    Da muss ich mit der Standardantwort Nummer 1 der Juristen beginnen:


    Das kommt drauf an...


    schriftlich festgehalten ist eine Auszahlung noch im selben Quartal

    Wo ist das schriftlich festgehalten? Gibt es da eine BV zu? Dann könntet ihr natürlich den AG auf Einhaltung der BV in Anspruch nehmen.


    Sind das individualrechtliche Vereinbarung (als Bestandteil der einzelnen Arbeitsverträge), seid ihr grundsätzlich außen vor.


    Das muss euch natürlich nicht daran hindern hier als Sprachrohr zu fungieren und dem AG mitzuteilen, dass die Kollegen unruhig werden und was denn da jetzt genau das Problem sei. Und ob der AG sich ja vielleicht mit einer Abschlagszahlung zumindest erst einmal Ruhe verschaffen möchte?


    Um genau sagen zu können, was ihr tun könnt oder müsst, müssten wir die Rechtsgrundlage des Bonus kennen. (Ist der z.B. gar in einem TV verankert, könnte es sich lohnen auch die Gewerkschaft mit ins Boot zu holen.)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • aber unverschämterweise ist diese im Urlaub ;)

    immer noch? 8) also da würde ich mir aber eine andere suchen...

    Nein Quatsch, ich denke wenn du die Fragen von Moritz beantwortest dann kommen noch mehr und genauere Antworten.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Gehen wir mal davon aus, dass das schriftliche Festhalten per AV, BV, TV oder Generalzusage des AG erfolgt ist. Damit ist das verbindlich. Verspätete Zahlungen führen zu Verzugszinsen.


    Auf welcher Grundlage beruhen die Boni? Was sagt diese Grundlage über die Berechnung?


    Gibt es im AV oder TV Ausschlussfristen, und wenn ja, sind diese kürzer als 1 Jahr? Wenn ja, sind angeblich zu hohe Boni des letzten Jahres eh unerheblich.


    Wenn nein, dürften sie mangels Transparenz und der klaren Zusage des AG an die AN über die aktuellen Boni wohl auch hinfällig sein.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo PMBR_DE,


    wie sieht die Verfallsfrist für Ansprüche in eurem AV oder ggf. TV aus, meist wird eine dreimonatige Frist zur Geltendmachung vereinbart, von daher könnte der möglicherweise zuviel bezahlte Bonus schon verfristet sein.


    Was wir gerne machen wenn es ein Thema gibt bei dem keiner so richtig Position beziehen will, dann nehmen wir das Thema gerne mal in unseren Newsletter auf und schildern da ganz allgemein die rechtliche/betriebliche Lage.


    Rein von den Rechten her

    Keiner kann euch verbieten das ganze Thema in einem Monatsgespräch auf die Tagesordnung zu setzen und entsprechend um Aufklärung über den Vorgang zu bitten.

    Und da es sich um die Auszahlung von Arbeitsentgelten handelt (Prämien gehören für mich dazu) kann man §87 Abs. 1 Punkt 4 BetrVG ins Spiel bringen.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Wenn nein, dürften sie mangels Transparenz und der klaren Zusage des AG an die AN über die aktuellen Boni wohl auch hinfällig sein.

    Auch wenn ich das grundsätzlich auch so sehe, dass der AG sich hier derart weit aus dem Fenster gelehnt hat, als dass er gar nicht mehr anders kann, als die Boni in der von ihm selber veröffentlichten Größe auszuzahlen - nach jetzigem Kenntnisstand scheint das Individualrecht zu sein. Wenn aber keiner den Arsch in der Hose hat, um auch für sein Recht einzustehen - was nutzt es im Recht zu sein, wenn man sich nicht traut es auch einzufordern?


    Im Idealfall ist in solchen Fällen ein BRM betroffen und kann dann den "Musterprozess" führen ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Ist das aber nicht der Fall und gibt es bei der Zivilcourage auch nur eine Fehlanzeige - Pech!


    (Das ist genau so ein Fall, weswegen ich immer sage, da gehören immer zwei zu. Einer der es macht und einer der es mit sich machen lässt. In letzterer Rolle war ich noch nie gut...(Hilft aber hier konkret auch nicht weiter, schon klar.))


    kann man §87 Abs. 1 Punkt 4 BetrVG ins Spiel bringen.

    Mutiger Ansatz. Aber wie sagte ein Referent mal: Manchmal ist eine starke Behauptung wirkungsvoller als ein schwacher Beweis. ;)

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    Einmal editiert, zuletzt von Moritz () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Moritz mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Wo ist das schriftlich festgehalten? Gibt es da eine BV zu? Dann könntet ihr natürlich den AG auf Einhaltung der BV in Anspruch nehmen.


    Sind das individualrechtliche Vereinbarung (als Bestandteil der einzelnen Arbeitsverträge), seid ihr grundsätzlich außen vor.

    Sorry, hätte ich natürlich direkt dazu schreiben können:
    Das ist in der jährlichen Zielvereinbarung schriftlich festgehalten. Nicht im AV, nicht im MTV.

    Das Grundgerüst ist dabei für jeden MA der Abteilung gleich:
    Es werden Ziele festgelegt (i.d.R. drei), diese haben eine festgelegte Wertigkeit bei der Berechnungsgrundlage.
    Ausgegangen wird vom Grundgehalt.
    Wird das jeweilige Ziel erreicht, wird Prozentsatz X an Boni angezahlt.


    immer noch? 8) also da würde ich mir aber eine andere suchen...

    Unverschämtheit, ich weiß.
    Es gibt zwar eine Vertretung, aber da die Thematik nun nicht als "akut" zu bezeichnen ist (zieht sich bereits seit April...), steht das zwar auf der To-Do, wird aber nicht vorrangig behandelt (zumindest gehe ich davon aus)

    Einmal editiert, zuletzt von PMBR_DE () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von PMBR_DE mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Auf welcher Grundlage beruhen die Boni? Was sagt diese Grundlage über die Berechnung?


    Gibt es im AV oder TV Ausschlussfristen, und wenn ja, sind diese kürzer als 1 Jahr? Wenn ja, sind angeblich zu hohe Boni des letzten Jahres eh unerheblich.


    Wenn nein, dürften sie mangels Transparenz und der klaren Zusage des AG an die AN über die aktuellen Boni wohl auch hinfällig sein.

    Im AV ist festgehalten, dass es Boni gibt, es wird verwiesen auf die jährliche Zielvereinbarung die zu Beginn des Geschäftsjahres erfolgt.

    In dieser Zielvereinbarung wird bei Ende des Geschäftsjahres festgehalten, wieviel Bonus zusteht und wann dieser ausgezahlt wird (spätestens zum Quartalsende).

    Ansonsten werden in dieser Zielvereinbarung keinerlei Fristen o.ä. festgehalten.

  • Das ist in der jährlichen Zielvereinbarung schriftlich festgehalten

    dann dürfte das nur individualrechtlich zu klären sein wobei der BR natürlich das Ganze mit dem AG aufnehmen und hinterfragen sollte.

    Aber grundsätzlich habt ihr da ja durchaus auch ein MB.

    §94, Abs. 2, BetrVG eine Zielvereinbarung kann sein bzw ist durchaus ein allgemeiner Beurteilungsgrundsatz.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Moin,


    falls Ihr nicht tarifgebunden seid habt ihr zu dieser Frage (Festlegung und Auszahlung von Boni) ein erzwingbares MBR nach §87 (1) 4. und 10. Aber Vorsicht: Die grundsätzliche Gewährung der Boni ist freiwillig, und der AG hat das Recht diese auch einzustellen. Aber wenn er sie gehwährt, dann seid ihr bei den Grundsätzen der Festlegung und beim Auszahlungsverfahren mit dabei.

  • falls Ihr nicht tarifgebunden seid habt ihr zu dieser Frage (Festlegung und Auszahlung von Boni) ein erzwingbares MBR nach §87 (1) 4. und 10. Aber Vorsicht: Die grundsätzliche Gewährung der Boni ist freiwillig, und der AG hat das Recht diese auch einzustellen. Aber wenn er sie gehwährt, dann seid ihr bei den Grundsätzen der Festlegung und beim Auszahlungsverfahren mit dabei.

    Tarifgebunden sind wir (allerdings gibt es im MTV keinen Passus zur Bonuszahlung).
    Freiwillig ist die Bonuszahlung jedoch nicht, sie ist fester Bestandteil der Vergütung und so im AV festgehalten.

    Greifen §87 (1) 4. & 10. denn in unserem Fall, da es ja individuell um einzelne Mitarbeiter geht, und nicht um das Kollektiv?

  • Greifen §87 (1) 4. & 10. denn in unserem Fall, da es ja individuell um einzelne Mitarbeiter geht, und nicht um das Kollektiv?

    Ich meine: Nein.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)