"In Einrichtung / Unternehmen tätig" Vs. Homeoffice

  • Im gestrigen Monatsgespräch hat unsere SBV folgenden Fall angesprochen:


    Eine Kollegin, die aus Gründen auch ihrer Schwerbehinderung seit über 2 Jahren im Homeoffice ist, deren Büro in der Firma gar nicht mehr existiert, deren Büroinventar komplett bei ihr daheim wieder aufgebaut wurde, deren Homeoffice absehbar bestehen bleiben wird, und für die der AG dafür auch Zuschüsse vom Amt kassiert (ich weiß nicht, welche, dafür bin ich im SGB IX nicht firm genug), ist nicht gegen Covid geimpft (sie hat wohl wg ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen Angst davor) und wurde vom AG am 16.3. dem Gesundheitsamt gemeldet. Dieses hat wohl nun Fristen gesetzt und mit Bußgeld gedroht (sie hat dort wohl nur telefonisch mitgeteilt, dass sie die Einrichtung ja nie betritt).


    Der AG weigert sich, auch im Monatsgespräch, der Kollegin eine schriftliche Bestätigung auszustellen, dass sie die Einrichtung ja gar nicht betritt. Politik des Hauses sei, erst auf konkrete schriftliche Nachfragen des Gesundheitsamtes zu reagieren und vorher nicht tätig zu werden.


    Ich lese im § 20a IfSG nichts von der Beschäftigung, sondern von der Tätigkeit in der Einrichtung. In einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums (s. Screenshot) ist die Tätigkeit definiert. Ich gehe davon aus, dass die Kollegin wg Homeoffice nicht in der Einrichtung tätig ist, und dass mögliche vereinzelte Termine (Personalgespräche, betriebsärztl. Untersuchung) daran auch nichts ändern.


    Frage 1: Wie seht Ihr das?


    Frage 2: Hätte der AG sie überhaupt dem Gesundheitsamt melden dürfen, oder war das mangels Tätigkeit in der Einrichtung fehlerhaft?


    Frage 3: Hat die AN ggü dem AG einen (durchsetzbaren) Anspruch auf eine solche Bescheinigung? Bzw ggf als SB (Frage v.a. an albarracin , den "Chefe" in dieser Hinsicht)?

  • Also grundsätzlich finde ich, dass Personen die ausschließlich im HO tätig sind keinen Nachweis benötigen. Das ist aber meine persönliche Meinung.

    Was geschieht wenn eine solche Person dann aber, aus welchen Gründen auch immer, doch mal ins Unternehmen kommen muss. Da müsste dann ja de Zutritt verwehrt werden.

    Da das IfSG aber von "Einrichtungen oder Unternehmen" spricht, denke ich, dass sie kein Anrecht darauf hat. Das Gesetz, so mein Verständnis, meint nicht zwingend nur den Arbeitsplatz "inhouse".

    Aber was ist denn mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sind die nicht für ein entsprechendes Attest ausreichend?

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Was geschieht wenn eine solche Person dann aber, aus welchen Gründen auch immer, doch mal ins Unternehmen kommen muss. Da müsste dann ja de Zutritt verwehrt werden.

    Da meine ich ja, dass aufgrund der Aussagen des Ministeriums (s. Fotodatei) der Zutritt zu gewähren ist, so lange sie nicht "tätig" ist. Arbeitsleistung wird sie in der Einrichtung nicht mehr erbringen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.


    Ich frage mich, ob der AG sie dann ggf "nachmelden" müsste, ähnlich bei ruhenden Arbeitsverhältnissen (AN in Elternzeit z.B. wurden am 16.3. nicht gemeldet, erst bei Wiedereintritt).

    Also grundsätzlich finde ich, dass Personen die ausschließlich im HO tätig sind keinen Nachweis benötigen. (...) Das Gesetz, so mein Verständnis, meint nicht zwingend nur den Arbeitsplatz "inhouse".

    Was nun? Das widerspricht sich doch?


    Ich verstehe aber, was Du meinst. "Unternehmen" ist ein umfassenderer Begriff als "Einrichtung".


    Ich gehe aber davon aus, dass beides sich auf die selbe räumliche Gesamtheit bezieht.


    Wenn man die Begründung für die Impfpflicht liest (gleich am Anfang des BMG-Schreibens, ich stelle hier mal die komplette PDF rein), dann kann sich das imho nur auf das Einrichtungsgelände beziehen, denn im Homeoffice besteht keine Gefährdung für Dritte, insbesondere nicht für die Patient:innen. (Man darf und durfte schon immer im Homeoffice arbeiten, auch wenn man positiv war, und arbeitsrechtlich betrachtet muss der AG, wenn Homeoffice gut möglich ist, einen ja auch bei einem Betretungsverbot dort beschäftigen).

    ... was ist denn mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sind die nicht für ein entsprechendes Attest ausreichend?

    Keine Ahnung. Aber wäre das der Fall, hätte die SBV sicher dahingehend beraten.


    rtjum , vielen Dank jedenfalls für die Antwort. Auch wenn ich wortreich widerspreche, hilft das weiter. :*


    Eine Sache habe ich noch vergessen, die zwar eigentliche bekannt ist, aber nicht so sehr ins öffentliche Bewusstsein eingewickelt ist: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht endet am 31.12.2022.


    D.h. es geht nicht darum, dass die AN nie wieder tätig wird on der Einrichtung, sondern 2022 nicht mehr.

    Dateien

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    3 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Was nun? Das widerspricht sich doch?

    nee. das erste ist meine persönliche Meinung zu dem Thema ohne irgendwelche Verordnungen Gesetze oder was auch immer zu lesen und zu berücksichtigen.

    Das zweite ist meine, total laienhafte, Auslegung des Gesetzestextes.


    Wenn man die Begründung für die Impfpflicht liest

    ohne die Begründung vorher gelesen zu haben wollte ich mit meiner persönlichen Meinung so ziemlich genau das zum Ausdruck bringen.

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  • Hallo Fried,


    in der im ersten Post geteilten Datei auf der zweiten Seite der letzte Absatz heißt es ja eindeutig das kein Nachweis erforderlich ist bei entsprechender räumlicher Trennung und damit die impfpflicht entfällt, von daher wäre diese Person nicht zu melden bzw. erst dann wenn der Arbeitsplatz wieder in die Büroräumlichkeiten verlagert wird.


    Von daher den AG auffordern seine fehlerhafte Meldung entsprechend gegenüber den Behörden zu korregieren.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Bernd_47 , "kann verneint werden" (Fettung von mir) ist ja wieder so ein schwammiger Begriff. Ob daraus folgt, dass das eine Fehlmeldung war, die der AG verpflichtend korrigieren muss? Ich meine auch ja. Der AG sieht es aber wohl anders.


    Ich habe der SBV geraten, dass sie jedenfalls mit der betroffenen Kollegin bespricht, dass diese schriftlich unter Berufung auf dieses Schreiben des Ministeriums dem Gesundheitsamt antwortet und zur Beantwortung weiterer Fragen auf den AG verweist.

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  • Ich würde der Kollegin hier empfehlen von einem Rechtsanwalt ein Schreiben an das Gesundheitsamt aufsetzen lassen und zum einen darüber informieren, dass sie gar nicht in der Einrichtung tätig ist, sondern ausschließlich im Homeoffice und zum anderen, dass die Androhung eines Bußgeldes rechtswidrig ist, wie das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen gerade erst am 22.06.22 entschieden hat. (Az.: 14 ME 258/22).

    Wenn Euer örtliches Gesundheitsamt nicht völlig dämlich ist, werden sie dann wohl von der Bußgeldandrohung Abstand nehmen und dann dem AG die Gelegenheit geben...

    auf konkrete schriftliche Nachfragen des Gesundheitsamtes zu reagieren

    (also wegen Homeoffice nachfragen).

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Paragraphenreiter , ich meine gelesen zu haben, dass mindestens auch das OVG SH ähnlich geurteilt hat, das hatte ich aber schon wieder vergessen. Ich gebe das auch mal an die SBV weiter. Danke!

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    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Fried ich denke die Kollegin muss sich keine großen Sorgen machen. Spätestens seit diesem Urteil ist das ganze ein ziemlich "zahnloser Tiger". Zwangsgeld ist nicht drin, also ist das einzige was das Gesundheitsamt noch tun kann: ein Tätigkeitsverbot in der Einrichtung aussprechen. Was ja dann wieder sinnfrei ist, weil die Kollegin gar nicht in der Einrichtung arbeitet. D.h. selbst wenn das Gesundheitsamt in diesem Zusammenhang nicht endlich bemerken würde, dass sie ausschließlich im Homeoffice arbeitet und das Tätigkeitsverbot tatsächlich ausspricht, würde sie das ja gar nicht tangieren.

    Also selbst wenn hier wirklich alle zu dumm sind, das Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot ausspricht und der AG das zum Anlass nimmt der Kollegin zu kündigen, dann wird spätestens im Kündigungsschutzprozess die Erkenntnis kommen, dass die Kollegin auch durch ein einrichtungsbezogenes Tätigkeitsverbot in keiner Weise daran gehindert ist ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung im Homeoffice zu erbringen, so wie bisher auch. (Also untauglich zur Begründung einer Kündigung).


    Ich finde es doch immer wieder erstaunlich wie viele Menschen offenbar nicht fähig sind den doch eigentlich selbsterklärenden Begriff "einrichtungsbezogen" zu verstehen. Euer AG kann ja scheinbar auch nicht zwischen "in der Einrichtung tätig" und "bei mir angestellt" unterscheiden.

    (Unser AG hatte aber auch mal so abwegige Gedanken, da hab ich ihn wie einen Schuljungen aufgefordert mir erst den Begriff "Einrichtung" zu definieren und dann den Begriff "einrichtungsbezogen". Mehr war gar nicht nötig, das Einsetzen der Erkenntnis war deutlich zu sehen :D).

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    Hanlons Rasiermesser

  • Paragraphenreiter , bzgl der juristischen Einschätzung gebe ich Dir recht. Aber sie hat erstmal Arbeit und Ärger.


    Und ob unser Gesundheitsamt nicht trotz gegenläufiger Rechtsprechung mindestens zweier OVGe Bußgelder ausspricht (wir haben Außenstellen in anderen Landkreisen, da ist das wohl passiert - hier sind sie wohl schon schriftlich angedroht) und die AN den Rechtsweg beschreiten muss, wissen wir auch nicht.


    Ärgerlich.


    Und @all: Ich stelle mir auch die Frage, wie es datenschutzrechtlich zu sehen ist, wenn persönliche Daten von AN an ein Amt weitergegeben werden, das für diese AN gar nicht zuständig ist.

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    Einmal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Ärgerlich.

    ohne jeden Zweifel.


    unnötiger, nervender Behörden-Bullshit mit einem AG der dabei so hilfreich ist wie ein morsches Holzbein.

    Deshalb war ja mein erster Rat, dass die Kollegin einen Anwalt einschalten soll. Schließlich sind die ja für genau so eine Scheiße da.

    Ich habe mich aber etwas unklar ausgedrückt, ich meine sie braucht sich keine großen Sorgen zu machen, dass das am Ende irgendwelche juristischen/arbeitsrechtlichen Konsequenzen für sie hat. Aber bis dahin ist das natürlich viel unnötiger, nervender Behörden-Bullshit mit einem AG der dabei so hilfreich ist wie ein morsches Holzbein.

    Da wird ein Anwalt schon notwendig sein, es ist nie klug sich ganz alleine mit Behörden anzulegen.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Ich frage mich zusätzlich zweierlei:


    1. Wenn der AG eine falsche Meldung an das Gesundheitsamt macht und der/dem AN entstehen dadurch Kosten, ist der AG dann ggf regresspflichtig?

    2. Wie ist es datenschutzrechtlich zu bewerten, wenn der AG persönliche Daten von AN an ein Amt weitergegeben hat, die dieses Amt gar nichts angehen?

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  • Es sei denn man ist in einer Gewerkschaft. Dann lässt man die das Problem erledigen.

    Der Rechtsschutz der Gewerkschaft gilt nur für arbeits- und sozialrechtliche Fragen und greift hier (wo wir uns im sog. Verwaltungsrecht befinden) nicht.

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  • Der Rechtsschutz der Gewerkschaft gilt nur für arbeits- und sozialrechtliche Fragen und greift hier (wo wir uns im sog. Verwaltungsrecht befinden) nicht.

    Richtig. Und im Übrigen greift der DGB-Rechtsschutz auch nur bei entsprechenden Erfolgsaussichten.

    Aber Fragen kostet nichts...

    In diesem Fall ist immerhin das Arbeitsverhältnis unmittelbar berührt, auch wenn das zuständige Gericht nicht das Arbeitsgericht sein dürfte.

  • Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 22.06.2022
    - 14 ME 258/22 -


    Das Niedersächsische Ober­verwaltungs­gericht hat die Beschwerde des Landkreises Diepholz gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover zurückgewiesen, mit dem dieses Eilrechtsschutz gegen einen Bescheid gewährt hatte, der der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgab, einen Nachweis über die Impfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-19 einzureichen.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Wer sprach hier vom DGB? Die einzelnen Gewerkschaften haben eigene Versicherungen mit eigenen Regeln.

    Bei meiner Gewerkschaft ist eindeutig und unmissverständlich vom DGB-Rechtsschutz die Rede.

    Es handelt sich nicht um eine kleine oder "Discount"-Gewerkschaft.


    Natürlich mag es bei anderen Gewerkschaften anders sein, aber ich habe nur meine Erfahrung wiedergegeben.