öffentliche Auszählung an zwei Standorten

  • Hallo zusammen,


    Organisatorisch sind wir ein Betrieb mit unter 100 Mitarbeitern. Im Wesentlichen haben wir zwei Standorte, die 900 km entfernt liegen. Wir haben Briefwahl beschlossen, bieten aber an beiden Standorten die persönliche Stimmabgabe an festgeleten Terminen an.

    Der Arbeitgeber will die Kosten nicht übernehmen, dass der Wahlvorstand vom einen Standort mit der versiegelten Urne zum zweiten Standort fährt, sodass eine gemeinsame öffentliche Auszählung stattfinden kann.


    In der WO zur BR-Wahl steht unter §4 Abs. 1 leider dazu nichts konkretes für die Stimmauszählung.


    Wie seht ihr das? Muss die öffentliche Auszählung an einem Ort stattfinden?


    VG

  • Wenn ihr einen gemeinsamen BR wählt, müsst ihr imho NUR EINE Auszählung machen

    Müssen im Sinne von- Ihr dürft nur eine machen und müsst zwingend mit der Urne von Standort A nach Standort B fahren.


    Ansonsten kommt ja mind. heraus welcher Standort wie gewählt hat.


    Und die kosten hat der AG zu tragen, wenn er das nicht will muss ihm das halt ein Gericht beibringen.


    Oder ihr wählt doch 2 BR und gründet einen GBR. DAs wird im Endeffekt deutlich teurer für den AG.

  • Ihr könnt ja schon mal gegenrechnen was dann eine weitere Wahl kostet.
    Eure aktuellen Kosten + die Reisekosten und Gerichtskosten wenn das einer anfechtet. Vielleicht ist der Arbeitgeber dann bereit die Reisekosten zu zahlen. :)

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Muss die öffentliche Auszählung an einem Ort stattfinden?

    Naja, bei der Auszählung muss ja der komplette WV anwesend sein, D.h. zeitgleich an 2 Orten kann schonmal nicht funktionieren. ;)

    In der WO zur BR-Wahl steht unter §4 Abs. 1 leider dazu nichts konkretes für die Stimmauszählung.

    Da hilft

    Zitat

    § 12 Abs. 5 BetrVGDV1WO
    (5) Nach Abschluss der Stimmabgabe ist die Wahlurne zu versiegeln, wenn die Stimmenzählung nicht unmittelbar nach Beendigung der Wahl durchgeführt wird. Gleiches gilt, wenn die Stimmabgabe unterbrochen wird, insbesondere wenn sie an mehreren Tagen erfolgt.

    D.h. die Urne bleibt definitiv zu und es darf nichts entnommen werden, bis alle Stimmzettel da drin sind und die Auszählung beginnt.

    Auch wird klar, dass zwar die Stimmabgabe unterbrochen, bzw. an mehreren Tagen erfolgen kann, die Auszählung aber nicht.

    D.h. nachdem Ihr jetzt schon 2 Wahllokale beschlossen habt (:rolleyes:), bleibt tatsächlich nichts anderes übrig als an einem Standort wählen zu lassen, die Urne zu versiegeln, mit ihr zum nächsten Standort fahren, auch dort wählen zu lassen und direkt im Anschluss dort auszuzählen.


    Allerdings kann ich den Unmut des AG hier ganz gut verstehen, denn es wäre auch deutlich einfacher gegangen.

    2 Wahllokale sind nirgendwo vorgeschrieben und verursachen nur Komplikationen (ich bin mir nicht mal sicher, ob 2 Wahllokale überhaupt zulässig sind, will da aber nichts behaupten).

    Sinnvoller Weise richtet man doch 1 Wahllokal am Standort mit den meisten MA ein und beschließt für die weit entfernten Standorte die Briefwahl (ich meine dafür ist § 24 Abs. 3 BetrVGDV1WO ja schließlich da). So ist es doch genau im Sinne der WO und man hat dieses Problem nicht.

    Man kann hier also durchaus sagen, dass das 2. Wahllokal, für eine ordnungsgemäße Durchführung der BR-Wahl, nicht notwendig ist. Daher hat der AG hier durchaus ein Argument in der Hand, nämlich dass alle mit dem 2. Wahllokal verbundenen Kosten, keine notwendigen Kosten für eine ordnungsgemäße Durchführung der BR-Wahl sind. (zumal Ihr die Briefwahl ja auch noch beschlossen habt!).

    ...und da gibt es auch schon das eine oder andere BAG-Urteil, dass der AG nur die notwendigen Kosten für eine ordnungsgemäße Durchführung der BR-Wahl zu tragen hat.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

    2 Mal editiert, zuletzt von Paragraphenreiter ()

  • § 21 WO

    Nach Öffnung der Wahlurne entnimmt der Wahlvorstand...


    Fitting RN 1: Der Wahlvorst. kann hierbei Wahlhelferinnen oder Wahlhelfer hinzuziehen (→ § 14 Rn. 3). Die Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Stimme hat allein der Wahlvorst. durch Beschluss seiner stimmberechtigten Mitgl. zu treffen.


    Da der WV einen Beschluss fassen muss, muss mindestens eine beschlussfähige Mehrheit anwesend sein.

  • Meine Vorredner:innen haben ja schon deutlich gemacht, dass parallele Auszählungen faktisch nicht machbar sind. Ihr müsst es also so machen, wie ursprünglich geplant, und der AG muss dafür freistellen und die Kosten tragen. Zur Not erklärt ihm das das ArbG im Rahmen einer einstweiligen Verfügung (die der WV natürlich beantragen müsste).


    Ich frage mich, ob die Wahl vor Ort überhaupt gesetzesgemäß stattfand? War der WV denn durchgängig ausreichend in beiden Wahllokalen präsent?

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Wo steht das im Gesetz oder WO?

    ...hat Ohadle ja schon korrekt beantwortet. Wie schon geschrieben muss ja über die Gültigkeit oder Ungültigkeit jeder abgegebenen Stimme beschlossen werden und wenn Beschlüsse zu fassen sind, heißt das zwangsläufig kompletter WV, ist einer Verhindert muss ein Ersatzmitglied des WV einspringen und wenn die auch alle Corona-positiv sind (;)), dann muss mindestens eine beschlussfähige Mehrheit anwesend sein.


    Die bittere Wahrheit ist nun mal, gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Ich bin mir sicher, dass die Idee mit dem 2. Wahllokal gut gemeint war...

    Aber leider ist das hier:

    Wir haben Briefwahl beschlossen, bieten aber an beiden Standorten die persönliche Stimmabgabe an festgeleten Terminen an.

    ...alles andere als gut gemacht.


    Denn auch das hier ist eine absolut berechtigte Frage:

    Ich frage mich, ob die Wahl vor Ort überhaupt gesetzesgemäß stattfand? War der WV denn durchgängig ausreichend in beiden Wahllokalen präsent?

    ...das lässt sich zwar noch retten, da während der Wahl auch Wahlhelfer hinzugezogen werden können und "nur" immer und durchgehend 2 WV Mitglieder oder ein WV Mitglied und ein Wahlhelfer anwesend sein müssen. (§ 12 Abs. 2 BetrVGDV1WO). Ist aber auch wieder ein überflüssiges Problem.


    Ich bin allerdings geneigt Fried auch in diesem Punkt zuzustimmen:

    Ihr müsst es also so machen, wie ursprünglich geplant, und der AG muss dafür freistellen und die Kosten tragen.

    weil es jetzt ja nun nicht mehr anders geht. D.h. zum jetzigen Zeitpunkt ist die Dienstreise notwendig, um die Wahl noch ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen (auch wenn sie es grundsätzlich nicht gewesen wäre).

    Aber der Zug ist abgefahren und die Scheiße wurde schon gebaut (und ja, sorry, da hat der WV echt Scheiße gebaut), daher ist nicht mehr die Frage was notwendig, oder nicht notwendig gewesen wäre, sondern was jetzt notwendig ist.


    Das wird bestimmt kein schönes Gespräch mit dem AG, wenn man ihm jetzt klar machen muss, dass er Kosten zu tragen hat, die nicht nötig gewesen wären, aber jetzt nötig sind und nur durch eine gut gemeinte (aber schlecht gemachte) Entscheidung des WV zustande gekommen sind.

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  • Ansonsten kommt ja mind. heraus welcher Standort wie gewählt hat.

    Und wo ist das Problem? Anonyme Wahl heißt, dass nicht bekannt ist, welcher Wähler wie gewählt hat, nicht welcher Standort wie gewählt hat. Das Auszählungen lokal stattfinden passiert so bei jeder Bundestags-, Landtags- oder auch nur Kreiswahl. Darin sehe ich definitiv kein Problem.


    bei der Auszählung muss ja der komplette WV anwesend sein

    Wo hast Du das denn her? Wenn im Gesetz vom Wahlvorstand die Rede ist, sind sicher nicht nur Teile gemeint, d'accord, aber daraus zu schließen, der WV muss komplett anwesend sein, würde jede Wahl mit einem erkrankten WVM ungültig machen... Der WV muss beschlussfähig sein. Aber selbst das erscheint mir an zwei Standorten schwierig.


    Der Arbeitgeber will die Kosten nicht übernehmen, dass der Wahlvorstand vom einen Standort mit der versiegelten Urne zum zweiten Standort fährt, sodass eine gemeinsame öffentliche Auszählung stattfinden kann.

    Das kann ich absolut nachvollziehen. Warum sollte das notwendig sein? Urne(n) versiegeln, einpacken und verschicken. Dann könnte an dem anderen Standort gemeinsam ausgezählt werden. Hier braucht es niemanden, der die Urne begleitet.


    Aber ich gebe zu: da bin ich dann wieder Pragmatiker. Wenn an beiden Standorten Mitglieder des Wahlvorstands anwesend sind (das geht gar nicht anders als so), dann werden Wahlhelfer bestellt und an beiden Standorten wird ausgezählt. Das Ergebnis wird hinterher an den Ort übertragen, wo der Großteil des WV sitzt (durch die zwingend ungerade Anzahl an WVM muss es so einen Ort geben) und dort wird dann der amtliche Teil (Addition der Stimmen, Ermittlung der Gewählten (inkl. Losverfahren, s.u.), Benachrichtigungen etc. pp) erledigt.


    Damit ist sichergestellt, dass nicht manipuliert wird/werden kann und damit sollte das grundsätzliche Wahlverfahren in Ordnung sein. Und sollte dann irgendwer die Wahl angehen und ein Arbeitsgericht feststellen, nee, so geht es wirklich nicht - dann wird auch der AG verstanden haben, warum der Wahlvorstand es anders machen wollte. Aber der WV muss sich nicht vorwerfen (lassen) er hätte es verdaddelt.


    Wäre das nervig? Klar. Kostet das Geld? Aber ja. Hätte ich da Bock drauf? Nö. Aber wer wäre es Schuld? (Nee, nich der Nubbel) Der AG. Wär trägt die zusätzlichen Kosten? Der AG.

    Warum mich mit dem rumstreiten, wenn er der einzige ist, der dabei den Schaden hätte? (Denn ich sehe es nicht, dass hier irgendetwas derart verletzt wäre, dass die Wahl deswegen nichtig wäre.)


    Noch ein Wort hierzu:

    Wie schon geschrieben muss ja über die Gültigkeit oder Ungültigkeit jeder abgegebenen Stimme beschlossen werden und wenn Beschlüsse zu fassen sind, heißt das zwangsläufig kompletter WV

    Nein, heißt es immer noch nicht, heißt beschlussfähiger WV. Und hier möchte ich dann noch einmal den gerade erst geänderten § 1 der WO ins Spiel bringen. Auch der WV darf remote tagen. D.h. es spricht nichts dagegen, dass sich die beiden WV-Teile bei der Auszählung verlinken um dann gemeinsam über ungültige Stimmen zu entscheiden. (Jedenfalls ist das nicht als Sperr-Tatbestand im Gesetz vermerkt! Im Gegensatz zum Losverfahren, das dann nur dort stattfinden darf, wo sich eine (alleine) beschlussfähige Mehrheit des WV befindet.)


    Immer daran denken: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Gebüsch... (nee, der ging anders, oder?)

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  • Nein, heißt es immer noch nicht, heißt beschlussfähiger WV

    Das ist doch wohl nun wirklich scheißegal Moritz. Du kannst immer nur eine beschlussfähige Mehrheit haben, nie 2 auf einmal.

    ...und das hier:

    uch der WV darf remote tagen. D.h. es spricht nichts dagegen, dass sich die beiden WV-Teile bei der Auszählung verlinken um dann gemeinsam über ungültige Stimmen zu entscheiden.

    fände ich im Rahmen einer Stimmauszählung, naja sagen wir sehr gewagt.

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    Hanlons Rasiermesser

  • Du kannst immer nur eine beschlussfähige Mehrheit haben, nie 2 auf einmal.

    Aber selbst das erscheint mir an zwei Standorten schwierig.

    Verzeih das Understatement, aber genau das war mit "schwierig" gemeint, weshalb ich ja versucht habe aufzuzeigen, dass es die eigentlich gar nicht braucht.


    im Rahmen einer Stimmauszählung, naja sagen wir sehr gewagt

    Ist das gewagt? Ich sehe keinen Gesetzestext der dem widerspräche. Und eine Rechtsprechung dazu gibt es, da remote überhaupt erst neu, auch noch nicht.


    Aber von mir aus, lass es gewagt sein. Bliebe ja immer noch die Alternative, die Urne versiegelt zu versenden. Oder sähest Du das auch als gewagt an?


    [OFFTOPIC]Mein Beileid zur Wiederwahl! ;) [/OFFTOPIC]

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    Einmal editiert, zuletzt von Moritz ()

  • Moritz , der WV darf bei der Stimmauszählung nicht online tagen, denn online ist nur bei nichtöffentlichen Sitzungen ausnahmsweise erlaubt - die Stimmauszählung ist aber zwingend öffentlich. Sie hat also in Präsenz stattzufinden.


    Und weiter, Moritz , wenn in der WO oder im BetrVG "der Wahlvorstand" steht, ist immer das komplette Gremium gemeint. Und Du kannst ein Gremium nicht komplett an zwei Orten zur selben Zeit laden. Noch dazu, selbst wenn dem nicht so wäre und "Rumpfgremien" geladen werden dürften, kann es nicht an zwei Orten zur selben Zeit Beschlussfähigkeit geben, denn es kann logischerweise nicht die Mehrheit des Gremiums gleichzeitig hier und dort sein.

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    4 Mal editiert, zuletzt von Fried () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Fried mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • der WV darf bei der Stimmauszählung nicht online tagen, denn das ginge nur bei nichtöffentlichen Sitzungen

    Du meinst, er darf sich zwar coram publico zusammensetzen und beratschlagen, ob ein Stimmzettel gültig ist oder nicht, aber nicht mehr wenn ein oder zwei WVM sich online zuschalten?

    Ich weiß, das steht genau so im Gesetz. Sinn macht das exakt gar keinen. Aber ich gebe zu, den Passus hatte ich überlesen.


    Dann bleibt wohl doch nur der Postweg für die versiegelte Urne...

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  • Du meinst, er darf sich zwar coram publico zusammensetzen und beratschlagen, ob ein Stimmzettel gültig ist oder nicht, aber nicht mehr wenn ein oder zwei WVM sich online zuschalten?

    Ja.

    Ich weiß, das steht genau so im Gesetz.

    Eben.

    Sinn macht das exakt gar keinen.

    Für mich schon. Ist aber wurscht, ob man das sinnvoll findet oder nicht, ein Verstoß macht die Wahl anfechtbar.


    Ich frage mich, ob die Wahl vor Ort überhaupt gesetzesgemäß stattfand? War der WV denn durchgängig ausreichend in beiden Wahllokalen präsent?

    Die Antwort auf diese Frage würde mich nun noch sehr interessieren.


    Warum wählt Ihr bei der Entfernung einen gemeinsamen BR? Wurde beim zweiten Standort per Abstimmung darüber entschieden?

    Und auch die Antwort hierauf. Denn bei der Entfernung wären zwei BRe zu wählen, außer es wären bestimmte Tatbestände erfüllt (entsprechende TV-Regelung, Abstimmung...)


    Diese ganze Wahl könnte grundlegend rechtswidrig sein...

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  • Dann bleibt wohl doch nur der Postweg für die versiegelte Urne...

    Eine Wahl Urne würde nie per Post verschicken. Das wird nicht, auch nicht vollversiegelt aus der Hand gegeben. Nachdem der Wahlvorstand ja auch reisen muss kommt das mit dem Wahlvorstand persönlich mit.

    Wenn die Urne auf dem Postweg ein paar Umwege macht und nicht rechtzeitig ankommt bzw. ganz verloren geht dann .... =O

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)