Individuelle Gehaltserhöhungen trotz BV

  • Hallo zusammen,

    wir haben jeweils eine BV für unterschiedliche Gruppen (Bsp. Teamleiter, Vertriebsmitarbeiter). Die BV dient dazu bei Einstellung anhand von Kriterien das Grundgehalt gerecht einzustufen und die Provisionsstufen anhand von Umsatz etc zu regeln. So, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Dabei wird außerdem geregelt, dass bei Erfüllung von unterschiedlichen Zielen (diese werden konkret genannt) automatisch eine Gehaltserhöhung von X€ erfolgt.

    Nun hat Corona und die dazugehörige Kurzarbeit dazu geführt, dass wir die allgemeine Gehalsterhöhungen mit dem BR ausgesetzt wurden und auf nächstes Jahr verschoben wurden (hier gab es diverse Gründe, weswegen wir hier ein Kompromiss eingegangen sind).

    Nun schreien mehrere Vertriebsmitarbeiter und auch Manager dennoch nach Anerkennung und manche wünschen sich einfach eine Gehaltserhöhung - die Kollegen, die eine wollen, haben es individuell der Geschäftsleitung kundgetan mit unterschiedlichen Summen. Es wurde auch nach Sonderprämien gefragt (auch jeweils individuell nicht allgemein durch den BR). Da die GL den Mitarbeitern gesagt hat, dass keine Gehaltserhöhung machbar ist, da eine BV besteht, sind die Kollegen nun auf uns zugekommen und haben gefragt, ob das so korrekt ist.

    Aus unserer Sicht, sind die Anfragen für Gehalsterhöhungen individuell und durchaus legitim und werden nicht durch die BV geregelt. Der Arbeitgeber nutzt meiner Meinung nach die BV als Grund hier keine Lösung finden zu müssen und wir als BR sind der Buhmann. Liegen wir hier falsch?


    Vorab vielen Dank für eure Einschätzungen…

    Grüße und euch einen schönen Abend!

  • Hallo KleinGross,


    es kommt halt darauf an was in der BV konkret vereinbart wurde, gibt es dort die Möglichkeit einer individuellen Gehaltserhöhung? Wenn ich dich richtig verstanden habe dient die BV ja dazu um keine Ungerechtigkeit / Neid aufkommen zu lassen und wenn jetzt einzelne aus diesem Gefüge aussteigen weil sie individuell verhandeln und die anderen die sich an die BV halten haben eine Nullrunde führt das ganz sicher zu Unzufriedenheit.

    Die Gründe warum Ihr in Abstimmung zwischen BR und AG die nach BV vorgesehene Gehaltserhöhung ausgesetzt habt sind euch ja bekannt. Sind die auch den MA bekannt? Kommuniziert diese Entscheidung und die entsprechenden Gründe. Und auch was konkret vereinbart wurde.

    Und ja der BR ist für einzelne auch mal der Buhmann, gerade weil er meist nicht das Wohl des Einzelnen im Blick hat sondern das Wohl aller MA.

    Und jetzt reine Spekulation, aber bei Kurzarbeit ging es wohl im Zusammenhang mit der Aussetzung der Gehaltserhöhung um die Sicherung der Arbeitsplätzen und so etwas muss man den MA auch kommunizieren ala ja dieses Jahr gibt es keine Erhöhung aber dafür behalten alle Ihren Arbeitsplatz.


    Viele Grüße

    Bernd

  • und wir als BR sind der Buhmann.

    Und noch ein Nachsatz dazu: Keine BV der Welt hindert den AG, sich auf individuelle Verhandlungen einzulassen. Und wenn der AG sich hier mit Hinweis auf eine existierende BV weigert, dann seid nicht ihr als BR der Buhmann. Der AG hat diese BV auch unterschrieben.


    Ihr habt gemeinsam Spielregeln festgelegt und der AG will sie einhalten. So ist das mit Spielregeln. Ich fand das auch doof, dass ich nie mehr als drei Schritte mit dem Ball in der Hand laufen durfte. Wurde trotzdem gepfiffen... ;)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Eine solche BV bietet nur einen Rahmen für Mindestansprüche an den AG, bzgl der individuellen Gehaltsabsprachen darüber hinaus hat der BR keine Mitbestimmungsrechte.


    D.h. der AG kann, wenn er will.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Da die GL den Mitarbeitern gesagt hat, dass keine Gehaltserhöhung machbar ist, da eine BV besteht, sind die Kollegen nun auf uns zugekommen und haben gefragt, ob das so korrekt ist.

    das mit der BV war sicher gut gemeint, aber ...


    kündigt die BV würde ich sagen, wir ihr seht, bei einer solchen BV kann man nur verlieren.

    Es gibt keinen Anspruch auf Lohnerhöhungen aus einer BV und somit wird euch das immer wieder zu Nachteil, der AG nutzt es um allgemeine Erhöhungen zu unterlassen und euch die Schuld zu geben, aber gleichzietgi den MA die ihm genehm sind etwas "zukommen" zu lassen.


    wenn der AG so agiert und ich als BR an meine rechtlichen Grenzen stoße, dann die BV kündigen.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Mal eine Frage zu den hier erwähnten individuellen Gehaltserhöhungen, die ein AG mit einzelnen Mitarbeitern verhandelt:


    Nach meinem Verständnis ändern sich durch solche Erhöhungen die relativen (= prozentualen) Gehaltsabstände zwischen einzelnen Mitarbeitern. Das stellt eine Veränderung der betrieblichen Lohngestaltung dar und unterliegt meiner Ansicht somit der Mitbestimmung des BR gem. § 87 Abs 1 Nr 10 Be­trVG (siehe auch div. BAG-Urteile dazu).


    Gibt es für einen AG eine Möglichkeit, individuelle Gehaltserhöhungen für einzelne Mitarbeiter ohne Zustimmung des BR durchzuführen? Falls ja: Auf welche Rechtsgrundlage kann sich der AG hierbei berufen? (Wir haben das Thema gerade bei uns im Betrieb…)

  • Dein Verständnis ist falsch, da individuelle Gehälter klar Individualrecht sind. Eingruppierungsrichtlinien auch in einem TV definieren nur Mindestansprüche bzgl Entgelt, die durch individuelle Vereinbarung auch überschritten werden können. Diesbzgl besteht Vertragsfreiheit.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Nach meinem Verständnis ändern sich durch solche Erhöhungen die relativen (= prozentualen) Gehaltsabstände zwischen einzelnen Mitarbeitern. Das stellt eine Veränderung der betrieblichen Lohngestaltung dar und unterliegt meiner Ansicht somit der Mitbestimmung des BR gem. § 87 Abs 1 Nr 10 Be­trVG (siehe auch div. BAG-Urteile dazu).

    dafür müsste es erstmal eine betriebliche Lohngestaltung geben die Struktur hat.

    Und wenn dann der AG einzelnen AN höhere Zuschläge gewährt, dann kann man das nicht verhindern.


    Was denkbar wäre, dass die anderen AN dadurch benachteiligt werden und nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls versuchen könnten, auch eine Anpassung zu bekommen.

    Aber auch das wäre Individualrecht jedes einzelnen MA, so das jeder MA das für sich selbst einklagen müßte.

    Und ob das am Ende wirklich den gewünschten Erfolg bringt ist auch nicht sicher, weil Lohngleichheit mit Vergleichsgruppen über den Meridian berechnet werden, und das ist eben nicht genau gleich.


    Als BR kann man aber auf den AG zugehen und versuchen ihn zu überzeugen, das er "Unruhe" in die Belegschaft bringt und somit ggf. mit solchen Massnahmen sich selbst am meisten schadet.

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  • Dein Verständnis ist falsch, da individuelle Gehälter klar Individualrecht sind. Eingruppierungsrichtlinien auch in einem TV definieren nur Mindestansprüche bzgl Entgelt, die durch individuelle Vereinbarung auch überschritten werden können. Diesbzgl besteht Vertragsfreiheit.

    Und Jetzt noch die Rechtsgrundlage nach der BRKlaus gefragt hat. Ich würde sie gerne auch wissen wollen.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Gibt es für einen AG eine Möglichkeit, individuelle Gehaltserhöhungen für einzelne Mitarbeiter ohne Zustimmung des BR durchzuführen? Falls ja: Auf welche Rechtsgrundlage kann sich der AG hierbei berufen?

    Die "Rechtsgrundlage" ist hier der Umkehrschluss zum § 87 (1) Ziffern 10 und 11 BetrVG.


    Der BR ist immer im Boot bei kollektiven Regelungen. Aber grundsätzlich außen vor, bei individuellen Vereinbarungen. Um aber den AG den Zahn zu ziehen, dass sie ja mit jedem einzelnen AN eine individuelle Vereinbarung getroffen hätten, sieht die Rechtsprechung hier einen "Schwellenwert" von 5% der AN vor. D.h. in dem Moment, wo mehreren AN eine gleiche Regelung zugedacht wird (gleicher Betrag, gleicher Prozentsatz oder gleichwertiger Arbeitsplatz), rutscht die individuell mitbestimmungsfreie Regelung in das Kollektivrecht, bei dem der BR mitzubestimmen hat.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Danke dir Moritz

    Da wir Tarifgebunden sind und die Tarifparteien, IGMetall und Elektro-Innung, sogar das ausufern nach oben und die Zulagen geregelt haben, habe ich mich damit noch nicht so intensiv beschäftigen müssen.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Und Jetzt noch die Rechtsgrundlage nach der BRKlaus gefragt hat. Ich würde sie gerne auch wissen wollen.

    Die Vertragsfreiheit ergibt sich m.W. nach Rechtsprechung des BVerfG aus Art 2 (1) GG, der sog. "Allgemeinen Handlungsfreiheit". Diese ist durch Gesetze einschränkbar - das BetrVG und auch andere Gesetze sagen aber nichts dazu, dass der BR bzgl individueller Gehälter mitzureden hätte, und auch von TVen darf immer zugunsten von AN abgewichen werden.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • und auch von TVen darf immer zugunsten von AN abgewichen werden.

    Danke für die Infos.

    das Wort Immer halte ich für zu stark.

    Denn wie ich oben geschrieben habe ist es bei uns enger geregelt. Natürlich darf der AG nach oben hin abweichen aber er muss dann gleich über die höchste Entgeltgruppe hinaus gehen.

    Auch sind unsere Zulagenmöglichkeiten eingeschränkt durch den Tarifvertrag.

    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt, sei wachsam

    Reinhard Mey

  • Denn wie ich oben geschrieben habe ist es bei uns enger geregelt.

    Die Frage ist, ist das rechtmäßig enger geregelt? Da hätte ich meine Zweifel.

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