Mehr Rücksicht auf ältere Mitarbeiter

  • Bei uns war mal der Gedanke, dass ältere Mitarbeiter keine Nachtschicht mehr machen müssen. Dann kam jedoch der Einwand, dass dieses gegen das AGG verstoßen würde.

    Deshalb sollte man bei dem Thema sehr sehr vorsichtig sein. Außerdem warum sollte ein AG ein in Rente gehenden AN noch Geld "hinterher" schmeißen?

    Interessant finde ich nachfolgendes:

    Über was für einen Zeitraum sollte die Freistellung gehen? Viele AGs rechnen sowieso mit einer höheren Krankenquote (und längeren Ausfallzeiten) . Dann ist es günstiger, wenn der AN in Krankengeld fällt. Hat mir mal ein Geschäftführer einer größeren Firma erzählt.

  • Habt ihr in euren Unternehmen Betriebsvereinbarungen für MA die vor der Rente gehen (z.B. vor der Rente eventuelle Abfindung, Freistellung...)beschlossen?

    Habt ihr allgemein Vorschläge?

    wie wirkt sich das auf die Rente aus?

    wie ist das mit der Freistellung wenn man z.B. vorzeitig in Rente gehen will?


    Ich denke da muss man zuerst einmal die ganzen rechtlichen Aspekte die mit den geltenden Bestimmungen um die Rente zu tun haben abklären.

    Für langjährig Beschäftigte gibt es ja bereits gesetzliche Möglichkeiten, z.T. auch zusätzliche über TV, warum dann noch zusätzliche für genau die MA-Gruppe per BV regeln.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Bei uns ist das tariflich geregelt.

    Von einer BV, die über die Regelungen des TV hinausgeht halte ich nicht wirklich viel.

    Denke einfach, dass es nahezu unmöglich sein wird, eine Regelung zu finden, die für alle passt. Dafür gibt es einfach zu viele Faktoren, die zu berücksichtigen wären.

    Wir regeln das im Betrieb eher individuell für die Kollegen.

    Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen

    (Aristoteles)


    Noch ein Tipp für die derzeitige Nachhaltigkeitsdebatte:

    Save Water - Drink Wine !!

  • Ich sehe hier wg § 77 III BetrVG eh eine weiträumige Regelungssperre, verstehe aber auch nicht, was der inhaltliche Sinn sein soll.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo,


    wir haben im ÖPNV in vielen Bereichen das Problem, ob die Beschäftigten überhaupt das gesetzliche Rentenalter ohne Abschläge erreichen.

    U. A. deswegen gibt es für unsere Branche einen Tarifvertrag zu Problemen der Demographie

    https://www.vka.de/assets/media/docs/0/Tarifvertr%C3%A4ge/tv-nahverkehr-demografie.pdf

    Betrieblich umgesetzt haben wir das mit zusätzlichen freien Tagen zur Entlastung, bei denen der AN einen Eigenanteil von 3% (= 3 freie Tage) erbringt und das Unternehmen zusätzliche freie Tage "drauflegt", beginnend mit Lebensalter 55 sowie 5 Jahren Betriebszugehörigkeit. Die freien Tage steigen von 6,5 (mit Alter 55) bis 20 (mit Alter 67). Maßgeblich ist das Geburtsjahr.


    Dazu verhandeln wir derzeit über eine Novellierung der Inklusionsvereinbarung über Beschäftigungssicherungsmaßnahmen für Berufsunfähige.

  • Bei uns war mal der Gedanke, dass ältere Mitarbeiter keine Nachtschicht mehr machen müssen. Dann kam jedoch der Einwand, dass dieses gegen das AGG verstoßen würde.

    Sorry, aber der Einwand ist Blödsinn. Tatsächlich hat der DGB gerade erst eine BV, mit genau diesem Inhalt, mit einem Innovationspreis ausgezeichnet: Ein Lichtblick für ältere Einsatzkräfte - S+K Verlag für Notfallmedizin

    Wir haben für die Zukunft ein ähnliches Projekt geplant, wo die MA, gestaffelt nach Lebensalter und auf eigenen Wunsch, schrittweise aus dem Nachtdienst aussteigen können.

    Auch ein Lebensarbeitszeitkonto kann durchaus eine interessante Möglichkeit sein.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Ich sehe hier wg § 77 III BetrVG eh eine weiträumige Regelungssperre, verstehe aber auch nicht, was der inhaltliche Sinn sein soll.

    Die Sinnfreiheit sehe ich bzgl der Fragen Abfindung bzw Freistellung - das riecht mir zu sehr nach einem bloßen Abschieben.


    Modelle wie von albarracin oder Paragraphenreiter skizziert dagegen sind imho sehr sinnvoll.


    Den Einwand hier...

    Bei uns war mal der Gedanke, dass ältere Mitarbeiter keine Nachtschicht mehr machen müssen. Dann kam jedoch der Einwand, dass dieses gegen das AGG verstoßen würde.

    ...verstehe ich, hielte ihn aber zumindest bei einer gut formulierten und begründeten BV für fehlgehend.


    Eine sachlich begründete Ungleichbehandlung verbietet das AGG nicht, und wenn die Arbeitsmedizin z.B. tatsächlich mit zunehmendem Alter eine zusätzliche gravierende Gesundheitsgefährdung durch Nachtschichten konstatierte, wäre das so ein sachlicher Grund.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Ich sehe das nicht als fehlgehend.

    In der Chemie sind zum Beispiel Kündigungsfristen vor einigen Jahren aus dem Tarifvertrag angepasst worden. Hier war eine Kennzahl für die Kündigungsfrist bestehend aus Betriebszugehörigkeit und Alter für die Ermittlung der Kündigungsfrist vorgesehen.

    Ebenso ist bei einem mir bekannten Betrieb nachfolgende Regelung kassiert worden. Es gab eine BV wonach die AN ab einem bestimmten Alter keine Nachtschicht mehr machen sollen. Die BV wurde kurz vorm Urteil des Arbeitsgericht vom AG und AN gekündigt. Weil die BV vom Arbeitsgericht kassiert worden wäre.

    Paragraphenreiter: Es war nicht der DGB sondern eine BV zwischen einem BR des DRKs und eine einzelnen gGmbH. Und ich bleib dabei. Die Verstößt gegen das AGG. Aber solange kein Kläger...

    Der von albaracin zitierte Tarifvertrag sagt genauso wie der ältere TV der Chemie aus, das die Arbeitsplätze altersgerecht sein sollen bzw. auch noch im Alter von dem Mitarbeiter besetzt sein kann. Nicht jedoch, dass hieraus "besondere" Vorteile wie vom TO entstehen sollen.

    Sorry, ich sehe das auch älterer AN sehr skeptisch.

  • Es war nicht der DGB sondern eine BV zwischen einem BR des DRKs und eine einzelnen gGmbH.

    Bitte richtig lesen. Diese BV zwischen einem BR des DRKs und einer einzelnen gGmbH wurde vom DGB mit einem Innovationspreis ausgezeichnet. natürlich war es nicht der DGB selbst, der diese BV abgeschlossen hat.

    und ich bleib dabei. Die Verstößt gegen das AGG.

    Das kannst Du gerne tun, aber falsch bleibt es trotzdem ;)

    Allgemeine Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass man "einfach nur alle über einen Kamm scheren muss" und das Thema damit abgearbeitet ist. Das ist zu einfach und viel zu kurz gedacht.

    Gerade in diesem Fall muss Gleichbehandlung bedeuten, dass alle MA gleichermaßen zu Arbeitsbedingungen beschäftigt werden, die keine erhöhte Gesundheitsgefährdung darstellen.

    Da die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse ganz klar aussagen, dass Nachtarbeit mit zunehmendem Alter ein erhöhtes Gesundheitsrisiko darstellt, gibt es sogar eine recht eindeutige gesetzliche Grundlage:

    Zitat

    § 6 Abs. 1 ArbZG

    1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

    Auch das ArbZG selbst gesteht den älteren MA, in Bezug auf die Nachtarbeit, ein erhöhtes Schutzbedürfnis zu:

    Zitat

    § 6 Abs. 3 ArbZG


    (3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

    Wenn man jetzt böse sein wollte, könnte man sagen: Ihr gestaltet Eure Nachtarbeit nicht nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und wollt das mit dem AGG rechtfertigen... :/

    ...aber ich will (heute mal) gar nicht böse sein, sondern aufzeigen, dass man diesen Sachverhalt aus einer anderen Perspektive sehen muss und Gleichbehandlung deutlich komplizierter ist, als es auf den ersten Blick scheint.

    Es ist ja auch so, dass bei einer solchen Regelung jeder MA gleichermaßen mit 50 aus der Nachtarbeit aussteigen kann (was ja auch Gleichbehandlung ist) und auch der Gedanke, dass die jungen "da ja nix von haben" ist schlicht falsch. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es die jungen durchaus begrüßen in einem Betrieb zu arbeiten, in dem sie die Perspektive haben eben nicht bis zum bitteren Ende Nächte buckeln zu müssen. Besonders gut kommt das aber bei den "mittel-alten" meiner Generation (Baujahr 77) an. Da merkt man schon deutlich, dass einem die Nächte zunehmend schwerer fallen. Da ist der Gedanke, in 5 Jahre aus der Nachtarbeit aussteigen zu können, statt noch über 20 Jahre Nachts arbeiten zu müssen, sehr beruhigend. Gerade in dieser Lebensphase haben wir immer wieder Kollegen, die ernsthaft nochmal einen Berufswechsel anstreben (um der Nachtarbeit im Alter zu entgehen), weil die Erkenntnis, wie belastend die Nächte inzwischen sind, schwerer wiegt als die Liebe zum Beruf (welche im Rettungsdienst durchaus ausgeprägt ist).


    Das worum es bei so einer Regelung geht ist, dass alle MA gleichermaßen die Möglichkeit haben den Beruf den sie gewählt haben, bis zum Eintritt in die Rente, ausüben zu können, ohne sich dabei mit zunehmendem Alter einem zunehmendem Gesundheitsrisiko aussetzen zu müssen.

    ...und das ist Gleichbehandlung.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Eine per BV oder Tarifvertrag vorgegebene zwangsweise verbotene Nachtarbeit für ältere Arbeitnehmer ist ein klarer Verstoss gegen das AGG weil aufgrund des Alters nicht differenziert werden darf.

    Gegen eine freiwillige Klausel das Mitarbeiter aus der Nachtarbeit wegen des Alters aussteigen können ist nicht einzuwenden.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Und ich bleib dabei. Die Verstößt gegen das AGG. Aber solange kein Kläger...

    AGG §10 Pkt 2. (Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters)


    2. die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur

    Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,



    Bei uns war mal der Gedanke, dass ältere Mitarbeiter keine Nachtschicht mehr machen müssen. Dann kam jedoch der Einwand, dass dieses gegen das AGG verstoßen würde.

    kann nach AGG §10 Pkt. 2. so geregelt werden


    Eine per BV oder Tarifvertrag vorgegebene zwangsweise verbotene Nachtarbeit für ältere Arbeitnehmer ist ein klarer Verstoss gegen das AGG weil aufgrund des Alters nicht differenziert werden darf.

    ja, aber nur der Zwang ist verboten, nicht die grundsätzliche Regelung in einer BV die dieses für ältere AN, die es in Anspruch nehmen wollen, ermöglicht.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


    2 Mal editiert, zuletzt von Randolf () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Randolf mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Hallo,


    wer bei solchen Themen immer gleich die AGG-Keule


    Dann kam jedoch der Einwand, dass dieses gegen das AGG verstoßen würde.

    schwingt, beweist lediglich, daß er oder sie das AGG nur sehr oberflächlich gelesen hat und/oder nicht verstanden hat.

    Denn das AGG verbietet nicht eine Ungleichbehandlung mit sachlichem Grund und zur Verfolgung eines legitimen Ziels.


    § 10 AGG

    § 10 AGG - Einzelnorm

    nennt sogar ausdrücklich zulässige Ungleichbehandlung wegen Alters.


    Dabei sind Arbeitserleichterungen wegen Alters auf freiwilliger Basis grundsätzlich möglich.


    Das pauschale und undifferenzierte "Herausdrängen" älterer AN - auch mit finanziellen Benefits - ist aber problematisch, denn nicht alle älteren AN wollen früher das Unternehmen verlassen.

  • Solange die Regelung freiwillig ist, also kein Zwang, ist das ja auch kein Problem. Nur ein zwangsweises "Ausgrenzen" ist das Problem. Weil ja nicht jeder Ältere auf Zuschläge für z. B. Nachtarbeit verzichten will und kann.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • AGG §10 Pkt 2.

    Danke Randolf.

    Nur der Vollständigkeit halber:

    Zitat

    § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters

    Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

    1. (...)

    2.die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,

    Durch die von mir zitierten Regelungen des ArbZG war es für mich so offensichtlich, dass so eine (Alters-)Regelung nicht gegen das AGG verstoßen kann, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin mal ins AGG selbst zu schauen.

    Daher danke für den Hinweis, dass das AGG so eine (Alters-)Regelung sogar explizit zulässt.


    Solange die Regelung freiwillig ist, also kein Zwang, ist das ja auch kein Problem. Nur ein zwangsweises "Ausgrenzen" ist das Problem. Weil ja nicht jeder Ältere auf Zuschläge für z. B. Nachtarbeit verzichten will und kann.

    Wir haben für die Zukunft ein ähnliches Projekt geplant, wo die MA, gestaffelt nach Lebensalter und auf eigenen Wunsch, schrittweise aus dem Nachtdienst aussteigen können.

    Das sollte (aus den genannten Gründen) selbstverständlich sein.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

    Einmal editiert, zuletzt von Paragraphenreiter () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Paragraphenreiter mit diesem Beitrag zusammengefügt.