Wahl zum Wahlvorstand

  • Hi, wer hätte es gedacht, wir möchten einen Betriebsrat gründen. Bei den ersten Schritten, zum planen, geht es schon los.

    Am besten Antworten ggf. mit § erklären.


    1. Kann ich eine Betriebsversammlung zum Wahlvorstand "stückeln". Corona bedingt kann ich/wir nicht mal so eben bei 1000+ Mitarbeitern, so 500 Wahlberechtigte einladen. Können wir in Gruppen verteilt, übern Tag einladen?


    2. Welche Zeitliche Frist, nach dem bekanntwerden das wir drei im besten Fall einladen möchten, gibt es? Wohlgemerkt Wahl zum Wahlvorstand.

    Können wir "weit" entfernte, Bsp. in 6 Wochen einladen? Stelle mir vor mit einem Aushang die Belegschaft dadurch auch erstmals wachzurütteln, dass sich was tut.


    3. Uns fehlt im besten Fall noch ein Protokollant bzw. Multisprachen-Ass. Kann ich sowas bei der Einladung mit hinzufügen?

    Sowas wie, wir suchen noch weitere Wahlvorstandsmitglieder? :S


    4. Sollte Frage 1. nicht möglich sein, und mein Betrieb lässt keinen anderen Spielraum zu, muss ich ja zu einem Arbeitsgericht greifen um einen Wahlvorstand durchzubekommen. Blöd aber wie schreibt man einem Arbeitsgericht. Finde kaum geeignete Vordrucke. :/


    Danke

  • Hallo,


    Gewerkschaften leisten umfassende Hilfe bei BR-Gründungen und haben eigene Initiativrechte. Allerdings sollte mindestens eine*r der Initiator*innen Mitglied sein.


    1.

    Nein, wegen § 17 Abs. 2 BetrVG.

    § 17 BetrVG - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

    Das Wort "einer" ist wörtlich zu nehmen.

    Der AG hat ausreichende Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen - ggfs. auch durch Fremdanmietung.


    2.

    Es gibt keine Frist- und Formvorschriften für die Einladung durch Wahlberechtigte. Allerdings muß sichergestellt sein, daß möglichst alle AN, die im Betrieb anwesend sind, davon Kenntnis erhalten können. Üblicherweise sollte die Einladungsfrist schon mindestens zwei Wochen betragen und in größeren Betrieben sollten die (identischen) Aushänge (Aushänge sind ausreichend) an vielen Stellen ausgehängt sein.


    3.

    Die Wahlversammlung wählt alle notwendigen Ämter zur Durchführung der Versammlung selbst - Versammlungsleitung und ggfs. Protokollführung. Bis zur Wahl einer Versammlungsleitung leiten die Einladenden die Versammlung (ErfK, Koch, § 17 BetrVG Rn 3).

    Danach wählt die Versammlung den 3-köpfigen (§ 16 Abs. 1 BetrVG)

    § 16 BetrVG - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

    Wahlvorstand. Diese Wahl kann auch offen erfolgen, wenn es nicht mehr als die gesetzlich vorgeschrieben 3 Bewerber*innen gibt.


    4.

    Eine Bestellung durch das ArbG ist nur dann möglich, wenn es vorher eine Einladung gab und es entweder keine Versammlung gab oder die Versammlung keinen WV gewählt hat (§ 17 Abs. 4 BetrVG).

    Arbeitsgerichte haben eine sog. "Rechtshilfestelle", bei der Rechtspfleger beraten und bei der Abfassung von Klagen bzw. Anträgen helfen.



    Bis zu 6 Wahlinitiatoren genießen ab Aushang der Einladung einen besonderen Schutz vor ordentlicher Kündigung gem. § 15 Abs. 3a KSchG.

    § 15 KSchG - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

  • Guten Tag,


    zu diesem Thema hätte ich auch gleich eine Frage.

    Wir möchten bei uns ebenfalls einen BR gründen und ich habe schon 3 Personen zusammengetrommelt die den Wahlvorstand mit übernehmen würden. Meine Frage ist jetzt: wenn es doch noch ein paar andere Interessierte geben sollte, wie die Abstimmung und Auswertung genau funktioniert.

    Unser Betrieb hat ca. 120 Mitarbeiter.

    Die Wahl würde einfach per Handzeichen stattfinden, also auch öffentlich stattfinden (so zumindest der Plan).

    Person 1: Hat z.B. 80% Zustimmung, Person 2: ebenfalls 80%, Person 3: 52% und Person 4: 65%. Alles unter 50% ist eh hinfällig.

    Entscheidet dann einfach die Mehrheit: also Person 1, 2 und 4?

    Ich bitte um kurze Rückantwort. Vielen Dank vorab.

  • Hallo, noch bin ich ein BR-Neuling, daher bitte ich, noch auf die Antworten der erfahrenen Foristen zu warten, aber was ich bisher nach Studieren des BetrVG (§17) verstanden habe:
    Wenn noch kein BR besteht (auch kein GBR oder KBR), dann wählt die Betriebsversammlung den Wahlvorstand, wobei eine ungerade Anzahl von Leuten im Vorstand sein muss. Im BetrVG ist nichts von "Alles unter 50% ist eh hinfällig." die Rede, aber ich sehe gerade den Passus "von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ... gewählt". 3 Mitglieder im Wahlvorstand genügen jedoch völlig, nur bei Bedarf kann aufgestockt werden.


    Mal sehen, ob meine Aussagen hier Bestand haben. :) Die Antworten interessieren mich auch.

  • Helena2077 , der ErfK lässt sich leider nur sehr kurz aus, jemand mit Fitting könnte das ausführlicher nachlesen als ich. Außerdem war es 2006, dass ich zuletzt eine WV-Schulung hatte, und da wir zu meiner Zeit immer einen vorbestehenden BR hatten, war die Wahl eines WV nie Thema.


    Bei mehr als 3 Bewerber:innen für den 3-köpfigen WV findet die Wahl meiner Erinnerung nach nicht mehr offen statt. Jede:r Wahlberechtigte hat 3 Stimmen und trägt bis zu 3 Kandidat:innen auf einem Stimmzettel ein. Dann wird ausgezählt. Gewählt ist man nach der Reihenfolge des Ergebnisses. Wer unter 50% Zustimmung der Anwesenden hat, kann aber nicht gewählt sein.


    Es empfiehlt sich, dann noch Nachrücker:innen zu wählen.


    So, jetzt aber mal Fitting-Besitzer:innen vor...

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    2 Mal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Im Fitting steht das noch allgemeiner. Ich habe dort nichts zur Art der Durchführung gefunden. Dh. ob geheim oder per Handzeichen - alles möglich.

    Es ist aber auch die erforderliche Mehrheit der an der Versammlung teilnehmenden AN genannt.

    Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen. [YODA] - BRV, 9er Gremium, kein Tarif, sGBRV, sSBV

  • esci , vielen Dank.


    D.h. auch wenn mehr kandidieren, als WVM gewählt werden, kann die Wahl offen, also per Handzeichen, stattfinden? M.E. kann aber niemand mehr Stimmen abgeben, als Posten zu wählen sind, d.h. es müsste gewährleistet sein, dass niemand öfter als 3x die Hand hebt, wenn ein 3er-WV gewählt wird.


    Stimmzettel sind da auf jeden Fall einfacher.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    Einmal editiert, zuletzt von Fried ()

  • Im Fitting steht hierzu nur:
    "Allerdings muss – jedenfalls wenn mehr Kandidaten vorgeschlagen werden, als der Wahlvorst. Mitgl. hat – eine Abstimmung darüber erfolgen, wer dem Wahlvorst. angehören soll"

    Ich stimme dir zu, dass hier eine Wahl per Stimmzettel einfacher ist.

    Tue es oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen. [YODA] - BRV, 9er Gremium, kein Tarif, sGBRV, sSBV

  • Wenn man auch die Enthaltungen (ggf. mehrfach) zählt, dann kann man auch anhand der Zahlen feststellen, ob jemand falsch abgestimmt hat. Insgesamt ist das Verfahren eh schon schwierig, weil zur Versammlung auch MA ohne Wahlrecht eingeladen werden müssen, die dann aber nicht mit abstimmen dürfen.

    Sobald ein Mensch eine geheime Wahl wünscht, sollte dem stattgegeben werden. Dann bleiben nur Stimmzettel.


    Ich würde schauen, wer sich aufstellen lässt. Bei einer echten Wahl würde ich es mit offenen Handzeichen und der Erklärung, wer wahlberechtigt ist, versuchen. Ist das Ergebnis offensichtlich eindeutig, würde ich das so akzeptieren. Wird es aber irgendwo knapp, würde ich eine Pause einlegen und die schriftliche Stimmabgabe vorbereiten und durchführen.

  • Guten Tag,


    gleich nochmal eine andere Frage. Am Mittwoch soll bei uns der Wahlvorstand gewählt werden. Und ein Kollege der sich bereit erklärt hat beim WV mitzumachen kann am Mittwoch jedoch leider nicht an der Versammlung teilnehmen. Kann ich ihn trotzdem vorschlagen und wählen lassen?

    Ich habe bisher nichts gelesen was zwingend vorschreibt das die Person auch anwesend sein muss.

    Sein Einverständnis dass er es machen möchte hab ich ja schon.

    Vielen dank vorab.

  • Helena2077 , Du könntest formal auch ohne das Einverständnis jemanden zum WVM bestimmen, trügest dabei aber das Risiko, dass die Person die Wahl hinterher ablehnt.


    In diesem Fall reicht die mündliche Zusage also sowieso aus - wobei ich den Einwand von Moritz nicht als überflüssig sehe, sondern als "Sicherung" beherzigen würde.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)