Tatkündigung wegen „Krank mit Ankündigung“

  • Wenn ein Arbeitnehmer „Krank mit Ankündigung“ macht, ist dies als eine schwere Pflichtverletzung in Bezug auf seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen anzusehen?


    Reicht dieser Umstand aus, eine Tatkündigung oder Verdachtskündigung auszusprechen? In dem speziellen Fall gibt es Zeugen, die die Aussagen der betroffenen Mitarbeitenden gegenüber anderen Personen bestätigen. Vorausgegangen ist die Umsetzung der vom Gesetzgeber verfügten 3G-Regel am Arbeitsplatz. Testung für ungeimpfte Mitarbeitende aller 24 Stunden. Diese Regelung lehnte die Mitarbeitende ab und brachte daraufhin (nach dem sie das anderen Mitarbeitenden verkündetet hatte) eine AU Bescheinigung bis Ende Dezember 2021.


    Über die Verfahrensweise bei einer Verdachtskündigung im Vorfeld eine Anhörung der Mitarbeitenden, unter Fristsetzung von einer Woche, müssen wir hier nicht diskutieren.


    Ich gehe davon aus das wir mit einer Tatkündigung rechnen müssen.


    Mir wäre Eure Meinung zu dem Thema wichtig. Wenn es nach §102 BetrVG zur Anhörung kommt müssen wir uns ja eine Meinung bilden. Ich sehe es schon als schwerwiegende Pflichtverletzung. Den immerhin liegt der gravierende Pflichtverstoß der Mitarbeitenden darin, dass ein Straftatbestand, zu Lasten des Arbeitgebers („Erschleichung“ der Entgeltfortzahlung) stattgefunden hat. Meine Meinung dazu tendiert eher auf den Schutz der Mitarbeiter vor Ort Wert zu legen. Unser Arbeitgeber hält sich streng an die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungen Und verweist auf seine Fürsorgepflicht.



    Und bitte keine Grundsatzdiskussionen zu den Corona Richtlinien. Das haben wir hier zur Genüge getan. Mir geht es hier rein eine Sachgrund Diskussion.

  • Arbeitsrecht: Androhung von Krankschreibung rechtfertigt außerordentliche Kündigung | Friedrich Graf von Westphalen
    Tritt der Arbeitnehmer einer Weisung des Arbeitgebers mit der Drohung entgegen, sich krankschreiben zu lassen, so rechtfertigt das grundsätzlich eine…
    www.fgvw.de


    denke mal ganz gut erklärt.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Auf jeden Fall würde ich auch in diesem Fall die Kollegin anhören.

    Vielleicht ist sie nach dem Gespräch mit den Kollegen von der Leiter gefallen, und die AU hat rein gar nichts mit Corona zu tun.

    Anhören würde ich sie allerdings erst nach einem negativen Testergebnis.

  • Ganz so einfach ist es möglicherweise nicht. Beim Lesen des Links von rtjum fällt auf, das der MA in diesem Fall sein "Krank" explizit dem AG gegenüber angekündigt hat. Wenn man das dem AG so ins Gesicht sagt, hat das sicher eine andere Qualität, als wenn man bei den Kollegen "abkotzt".

    nach dem sie das anderen Mitarbeitenden verkündetet hatte

    Wenn man durch den Betrieb läuft und so einen Mist von sich gibt, dann ist das sicher nicht schlau, aber es ist keine Androhung gegenüber dem AG und um genau die geht es in dem Urteil.

    Zitat

    Das LAG Rheinland-Pfalz bestätigte die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liege unter anderem vor, wenn der Arbeitnehmer seine Interessen im Arbeitsverhältnis durch die rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen versuche. Dabei sei nicht entscheidend, ob er damit zugleich den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) oder der Erpressung (§ 253 StGB) erfülle, denn auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle sei ein derartiges Vorgehen mit den wechselseitigen Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis unvereinbar.

    So sei in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Äußerung noch nicht bestehenden Erkrankung für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers (z.B. auf Urlaubsgewährung) nicht entsprechen sollte, einen „wichtigen Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstelle.

    (Hervorhebung durch mich)

    Offenbar geht es hier eher um den Sachverhalt, dass ein MA quasi versucht den AG mit der Androhung von "Krank" zu erpressen. Und dieses ist nach Timmms Beschreibung hier ja nicht der Fall. Der MA hat nicht versucht den AG dazu zu bewegen die Kontrolle zu unterlassen, indem er damit drohte sich dann halt krankschreiben zu lassen. Der MA hat die Weisung des AG hingenommen und nicht versucht ihn zu "erpressen", er hat dann lediglich bei den Kollegen angekündigt, diese Weisung zu umgehen, indem er krank sein wird.

    Also was hat der AG jetzt konkret in der Hand?

    Die AU-Bescheinigung des entsprechenden MA und (böse gesagt) das Geschwätz von ein paar Kollegen. Das wird so für eine Kündigung nicht ausreichen. Das wäre ja auch zu einfach! Da müssten meine zwei gleichgesinnten Kollegen und ich ja nur warten, bis der Kollege Uwe Unbeliebt mal wieder krank ist und dann zum Chef rennen und erzählen, dass der ja schon letzte Woche angekündigt hat heute nicht zu kommen.

    ...und weg ist der Typ!

    Nein, auf keinen Fall.

    Was aber für den AG durchaus möglich sein könnte, ist die AU anzuzweifeln. Die Aussagen der Kollegen (das der MA die AU angekündigt hat), dürften schon ausreichen, um ernsthafte Zweifel an der AU zu haben und diese dann bei Gericht anzuzweifeln. Dann muss der MA nachweisen, dass er auch tatsächlich AU war und dann wird es interessant.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Es da schon gegenüber dem Arbeitgeber klar erklärt werden das er dann Krank ist bzw. werden kann/wird.
    Gegenüber den Kollegen ist das nicht so ganz klug aber könnte nicht für eine Kündigung, auf jeden Fall nicht für eine außerordentliche Kündigung ausreichen. Da bin ich ganz bei Paragraphenreiter.
    Und wenn die AU nichts mit Corona zu tun hat dann wird es noch schwieriger. Wobei wenn das auf einen positiven Test beruht und eine Corona Erkrankung vorliegen würde dann hätte sich der Arbeitgeber bzw. das Gesundheitsamt eher um die Kontaktpersonen zu kümmern als um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

    Wobei man dem Mitarbeiter mal klar sagen sollte als BR was er da für einen Mist macht wenn er so etwas von sich gibt.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Hallo zusammen,


    Danke für eure Ausführungen und Meinung.


    Mir geht es weniger darum herauszufinden wie das Arbeitsgericht in so einem Fall entscheidet. Mir geht es darum wie ich mich als Betriebsrat zu so einer Kündigung positionieren. In diesem Fall wird unsere Vorgehensweise folgende sein. Im ersten Schritt werde ich versuchen die Mitarbeitende zu erreichen, aktuell ist sie nicht im Unternehmen da AU, um Ihre Sicht der Vorwürfe zu erfahren. Sollte es nun von Seiten des Arbeitgebers Zeugen aus dem Kollegenkreis geben, muss ich auch mit diesen Mitarbeitenden das Gespräch suchen. Und das wäre die Faktenlage für die Entscheidung wie sich der Betriebsrat zu dieser Kündigung positioniert. Oder seht ihr das anders?



    Ergänzend, auch wenn dies nicht unmittelbar mit diesem Vorfall im Zusammenhang steht. Die Mitarbeiterin ist im Vorfeld öfters aufgefallen da sie alle Maßnahmen, die der Arbeitgeber auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes umsetzen musste, kritisch bis ablehnend gegenüber stand. Diese Ausführungen sind so weit gegangen, dass die Mitarbeitende die Existenz der Corona Pandemie anzweifelte. Und diese Meinung äußerte sie offen gegenüber einer Vielzahl an Mitarbeitenden.

  • Wenn man durch den Betrieb läuft und so einen Mist von sich gibt, dann ist das sicher nicht schlau, aber es ist keine Androhung gegenüber dem AG und um genau die geht es in dem Urteil.

    ist wohl tatsächlich etwas anders gelagert aber mal ganz ehrlich, wenn eine MA das vor mehreren Kolleg*innen von sich gibt würde ich als AG auch kündigen, auch wenn ich Gefahr laufe im Falle einer Klage zu verlieren (ich persönlich sehe die Gefahr gar nicht so groß) wird diese MA bei mir keinen Schritt mehr in den Betrieb setzen, sowas kann ich mir als AG doch nicht gefallen lassen. Vor allem wenn das hier

    Die Mitarbeiterin ist im Vorfeld öfters aufgefallen da sie alle Maßnahmen, die der Arbeitgeber auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes umsetzen musste, kritisch bis ablehnend gegenüber stand. Diese Ausführungen sind so weit gegangen, dass die Mitarbeitende die Existenz der Corona Pandemie anzweifelte. Und diese Meinung äußerte sie offen gegenüber einer Vielzahl an Mitarbeitenden.

    auch noch der Fall ist.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Das Recht auf Meinungsfreiheit umfasst auch das Recht auf Meinungen, die ich nicht teile oder sogar ausgesprochen dumm finde. Zudem bin ich als BR weder die betriebliche Corona- noch die Gesinnungspolizei.


    Mit der Kündigung würde ich also wie mit jeder anderen auch umgehen: Bei der Kollegin nachfragen und nach Faktenlage möglichst Widerspruch einlegen (im Zweifelsfall für den Angeklagten) oder (wenn absichtliches Krankfeiern zugegeben wird und wirklich gar nichts mehr zu reißen ist) die Kündigungsfrist verstreichen lassen.


    Der AG wird wahrscheinlich eine Tatsachenkündigung und hilfsweise Verdachtskündigung einreichen, wobei der BR dann zu beiden Kündigungen Stellung nehmen muß.


    Mir war bisher nicht bekannt, dass es einen Unterschied macht, ob die Krankheitsandrohung im Kollegenkreis oder gegenüber dem AG ausgesprochen wird, daher Danke für das Urteil. Die Unterscheidung macht aber m.E. auch Sinn, da im Kollegenkreis öfters etwas herausrutscht was eigentlich nicht so gemeint ist. Dazu mal wieder eine zotige Anekdote: Ein Kollege rannte mal zornig herum und kündigte an, den AG zu "f***en". Ich habe ihn gefragt, ob er es ihm selber sagen möchte oder ob ich ihn verkuppeln soll... ;)

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Mit der Kündigung würde ich also wie mit jeder anderen auch umgehen: Bei der Kollegin nachfragen und nach Faktenlage möglichst Widerspruch einlegen (im Zweifelsfall für den Angeklagten) oder (wenn absichtliches Krankfeiern zugegeben wird und wirklich gar nichts mehr zu reißen ist) die Kündigungsfrist verstreichen lassen.

    Ich hoffe mal auf Anhörungsfrist und nicht Kündigungsfrist. :) :)


    . Dazu mal wieder eine zotige Anekdote: Ein Kollege rannte mal zornig herum und kündigte an, den AG zu "f***en". Ich habe ihn gefragt, ob er es ihm selber sagen möchte oder ob ich ihn verkuppeln soll... ;)

    Das Nebengewerbe würde ich dir als Arbeitgeber nicht genehmigen. Auch wenn es mit der Haupttätigkeit keine Konkurrenz darstellt. :) :)

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)