Echt lange BR-Sitzungen - Möglichkeiten der Straffung?

  • Hallo Kollegen,


    ich wende mich mit einer Frage zur Durchführung der Betriebsratssitzungen an euch. - Ich selbst bin "nur" SBV (1. Stellvertreter), kenne mich daher im BetrVG nicht so gut aus, als dass ich meine Frage selbst beantworten könnte.


    Jedenfalls spiele ich mit dem Gedanken, mich bei der nächsten Wahl zum BR selbst aufzustellen, habe aber das Gefühl, dass mich dieses zusätzliche Amt (SBV möchte ich unbedingt weiter machen) zeitlich zu sehr belasten würde. Insbesondere wegen der in meinen Augen unverhältnismäßig langen BR-Sitzungen, die einen kompletten Arbeitstag "fressen" würden. Das liegt hauptsächlich daran, dass zu Beginn einer jeden Sitzung über ein, zwei, manchmal zweieinhalb Stunden sämtliche Personalmaßnahmen vorgelesen werden, um die sich der Betriebsausschuss in der vergangenen Woche gekümmert hat. Also sämtliche Umgruppierungen, Änderungen von Arbeitszeiten etc. pp. - Bei vielen tausend Mitarbeitern an unserem Standort dauert das halt öfter mal extrem lange. Zudem wird auch noch das Protokoll der letzten Sitzung verlesen, was auch gerne 20-30 Minuten dauert.

    Ich fragte nun schon das ein oder andere Mal bei BR-Kollegen nach, ob es denn nun wirklich sein müsse, sämtliche Maßnahmen und auch noch das Protokoll im großen Gremium vorzulesen oder ob es nicht auch möglich sei, das Gremium vorab mit einem Schreiben oder über geteilte Dokumente in Teams oder sonst was über alles zu informieren. - Nein, das BetrVG sähe vor, dass alles vorgelesen werden müsse. - Ist das nun wirklich so? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das der einzige Weg ist. Wie läuft das denn dann in noch größeren Betrieben ab? Dann würde sich eine Sitzung ja über Tage hinziehen...


    Aktuell nehme ich nur selten an den Sitzungen teil, da mein Kollege in der SBV (die Vertrauensperson) auch Betriebsrat ist und in der Rolle immer an den Sitzungen teilnimmt. Und mir graust es schon immer, wenn ich ihn in der Sitzung vertreten muss, da ich dann kaum mit meiner eigentlichen SBV-Arbeit hinter her komme...


    Okay,

  • Hallo dklb,


    Wenn der Betriebsausschuss die Personalangelegenheiten zur selbstständigen Erledigung übertragen bekommen hat, ist es nicht notwendig dies in einer BR Sitzung zu verlesen. Was Sinn macht ist eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte, die Relevanz für den BR / das unternehmen haben.

    Auch das Verlesen des letzten Protokolls sehe ich nicht als notwendig an.

    Bei uns gibt es einen festen Tagesordnungspunkt in dem abgefragt wird ob es noch Anmerkungen zum Protokoll gibt. Die Protokolle sind bei uns auf einem BR eigenen Laufwerk gespeichert und jedes BR Mitglied hat die Aufgabe sich das Protokoll anzuschauen.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Hallo,


    solche "Spielchen" kenne ich aus meiner Zeit als "Rebell" und 1-Mann-Opposition in der ersten Hälfte der 90er, als ein machthungriger Patriarch mit Kontrollzwang das Gremium bevormundete (und die Mehrheit sich das gefallen ließ). Natürlich lässt sich das anders regeln - zB durch eine GO. Dann kann es zB ein sog. "Personalbuch" geben, das auf der Sitzung umläuft und das Protokoll wird mit der Einladung verschickt.

    Solange alle im Gremium sich ihrer Verschwiegenheitspflicht gem. § 79 BetrVG bewußt sind, hat ein BR hier einen weiten Regelungsspielraum.


    Und wenn das Gremium groß genug ist, um beschließende Ausschüsse gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 zu bilden, sollten zB personelle Einzelmaßnahmen mit als erstes delegiert werden.


    Es spricht im Übrigen viel dafür, daß die SBV im Rahmen eines Doppelmandates auch BRM ist, wenn die "Rollenverteilung" klar ist. Und wenn das mehr Zeitaufwand (mit Freistellung) bedeutet, dann ist das eben so.

  • Ergänzend könnte der Betriebsrat auch auch einen Personalausschuss dafür wählen. Dann hätte vielleicht auch der Betriebsausschuss mehr Zeit für andere und vielleicht wichtigere Dinge. :)

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Nein, das BetrVG sähe vor, dass alles vorgelesen werden müsse.

    Das würde ich mal als groben Unfug deklarieren wollen.


    Ja, das BetrVG sieht vor, dass alle BRM den gleichen Informationsstand haben (können sollen) (guckst du § 34 (3) BetrVG), aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass "jeder Furz und Feuerstein" auch verlesen werden muss.


    Aber, und das ist vermutlich das Entscheidende an der Stelle

    Solange alle im Gremium sich ihrer Verschwiegenheitspflicht gem. § 79 BetrVG bewußt sind, hat ein BR hier einen weiten Regelungsspielraum.

    Und das bedeutet, nur weil es auch anders ginge, muss es nicht anders gemacht werden. Wenn die Mehrheit der BRM der Meinung ist, sie wollen es so haben, dann ist politische Arbeit angesagt. Wege aufzeigen, vormachen, überzeugen.


    Die Erfahrung zeigt, ab einer gewissen Gremiumsgröße hast du immer auch solche BRM dabei sitzen, die überhaupt keinen Plan haben, worum es gerade geht. Weil sie weder die Einladung oder das Protokoll der vergangenen Sitzung gelesen haben... und wenn alle ins Boot geholt werden sollen, dann ist alles verlesen zumindest eine Möglichkeit dazu. Es per GO als Holschuld den BRM auf's Auge zu drücken wäre eine andere. ;)



    Wie läuft das denn dann in noch größeren Betrieben ab?

    Das kann ich dir nur aus der Außenansicht schildern, aber als der GBR unserer Muttergesellschaft irgendwann bei über 35 Teilnehmern war, gab es, wie im Bundestag, einen strengen Terminplan, wieviel Zeit für welchen TOP zur Verfügung stand. Und wenn die Zeit ohne Ergebnis verstrichen war, dann wurde das Thema auf die nächste Sitzung verschoben. (d.h. die Schreibkraft des GBR war mit notieren für das Protokoll beschäftigt, während der GBR-Vorsitzende permanent auf die Uhr geschaut hat)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Das kann ich dir nur aus der Außenansicht schildern, aber als der GBR unserer Muttergesellschaft irgendwann bei über 35 Teilnehmern war, gab es, wie im Bundestag, einen strengen Terminplan, wieviel Zeit für welchen TOP zur Verfügung stand. Und wenn die Zeit ohne Ergebnis verstrichen war, dann wurde das Thema auf die nächste Sitzung verschoben. (d.h. die Schreibkraft des GBR war mit notieren für das Protokoll beschäftigt, während der GBR-Vorsitzende permanent auf die Uhr geschaut hat)

    Im KBR waren wir am Anfang über 20 Mitglieder, es gab eine klar definierte Tagesordnung mit festgelegten Zeitfenstern. Ein Mitglied machte den Ordner und erteilte jeweils das Wort in der Reihenfolge der Meldungen, ein zweiter hatte den Zeitplan im Auge. Schriftführer gab es außerdem. Es dauerte etwas, bis wir uns alle an die Struktur gewöhnt hatten. Aber wenn man halt nur alle x Wochen tagt, muss man effektiv arbeiten. Der Vorsitzende war halt oft auch der Vortragende und sollte sich auf seinen Beitrag konzentrieren können. Vom Vorlesen des Protokolls kamen wir schnell ab, es gab wichtigeres. Also wurde das Protokoll schon vorher gelesen und nur nach Änderungswünschen gefragt.

  • Bei uns wird auch kein Protokoll in den Sitzungen vorgelesen. Diese wird bei jeder Einladung mitgeschickt.

    Ob diese dann gelesen wird oder nicht, ist uns dann auch egal. Wir haben allumfassend informiert.

    Und ich sehe es immer noch so, dass wir in den Sitzungen keine Informationsveranstaltung sind. Dafür sind die Sitzungen nicht da.

    Jedes BRM kann sich nach §37 Abs 2 selbst freistellen und ins BR Büro kommen um auf den neuesten Stand zu sein.


    Der Betriebsausschuss erledigt seine Aufgaben selbstständig und liest auch nichts vor. Wer sich dafür interessiert kann sich die Protokolle durchlesen.

  • bei uns gibt es auf der TO den Punkt: Anmerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung


    wenn dann einer auf die merkwürdige Idee kommen sollte, anzumerken das er das Protokoll nicht gelesen hat und es vorgelesen haben möchte, dann werten wir das als Änderungsantrag zur TO.


    unter dem nächsten TOP: "Fragen /Anmerkungen/Anträge zur TO" wird der Antrag dann abgelehnt und weiter geht es.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Bei uns werden auch keine Protokolle vorgelesen. Diese sind in unserem BR-Ordner einsehbar. In der Sitzung wird nur gefragt, ob es Einwände gibt und dann ist gut.


    Allerdings berichten die Ausschüsse in der Sitzung schon. Aber nicht jeden einzelnen Fall sondern z.B.: "Wir hatten 3 Versetzungen 4 Umgruppierungen und zwei Einstellungen" Allen Anträgen wurde zugestimmt außer bei einer Umgruppierung aus diesem oder jenem Grund."

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand