gewaltige Lohnunterschiede

  • Hallo zusammen,


    wir haben kürzlich Einsicht in die Gehaltslisten genommen. Dabei hat sich das bestätigt, was wir gedacht haben bzw. weshalb wir so kurz nach unserem Start als Betriebsrat bereits dieses Thema aufgegriffen haben:


    Wir haben 2 Herren und 1 Dame bei uns im Lager, die theoretisch rotierend arbeiten sollen. In der Paxis schaut alles ein wenig anders aus, aber vom Grundsatz her haben sie die selbe Tätigkeit. Nun ist bei der Einsicht der Gehaltslisten aufgeploppt, dass die beiden Herren ein um knapp 1.400 EUR höheres Gehalt haben, als die Dame (bei gleicher Wochenarbeitszeit).


    Im Einkauf sieht es bei uns sehr ähnlich aus: 1 Herr und 1 Dame, beide machen 1:1 die identische Arbeit, gleiche Wochenarbeitszeit und eine Gehaltsdifferenz von nicht ganz 1.400 EUR.


    In diesen beiden Fällen sieht es meiner Meinung nach nach einer unglaublichen Benachteiligung des Geschlechts aus. Die anderen Differenzen bei den männlichen Kollegen anderer Abteilungen sind auch bei weitem nicht so gravierend. Da dreht es sicht mal um 200 bis 300 EUR.


    Unser Problem ist aktuell, dass unser Betriebsrat noch neu und ohne Erfahrung ist. Wir sind zwar durchweg für die Grundlagenseminare angemeldet, aber würden gerne wenigstens die beiden gravierenden Fälle bereits jetzt angehen.


    Würdet ihr das bereits trotz der Unwissens des BR starten? Wenn, wie würdet ihr hier vorgehen?

    Wir haben keine Angst vor dem AG, wir möchten aber den AN, die hier benachteiligt sind, nichts durch Unwissenheit verbauen.



    Vielen Dank im Voraus für eure Rückmeldungen


    Viele Grüße


    Daniel

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif

  • Hallo


    nein würde ich "noch" nicht machen.

    Ohne Fachkompetenz wird das in die Hose gehen und ihr schafft vielleicht Grundlagen, die ihr in Zukunft nicht wieder bereinigt bekommt.. Grundlagenseminar ist eh Voraussetzung für eine vernünftige BR Arbeit.

    Und in Eurem speziellen Fall noch ein oder zwei Weiterbildungen zum Thema "Eingruppierung / eingruppierungsgrundsätze


    z.B. Mitbestimmung Betriebsrat: Richtige Einstufung und gerechter Akkordlohn (ifb.de)

  • Hallo Daniel,


    auf die Gefahr hin, dass das so gar nicht ist, was du hören möchtest: die individuellen Gehälter sind nicht eure Baustelle!


    Wenn es ein Gehalts- und/oder Eingruppierungssystem gibt (egal ob durch TV oder Haustarif oder durch BV), dann ist es Aufgabe des BR dafür zu sorgen, dass jeder AN auch in der richtigen "Schublade" landet und mindestens das damit verbundene Gehalt erhält. Was der AN individuell noch rausgeholt hat, ist für euch erst einmal völlig uninteressant.


    Kurz gesagt: kurzfristig werdet ihr an den Gehälter (vermutlich) nichts ändern. Nicht weil ihr unerfahren seid, sondern schlicht, weil das ein Projekt ist, das lange Vorbereitung und einen langen Atem braucht. (Wir haben für unser Gehaltssystem insgesamt über 8 Jahre gebraucht!)


    Was ihr sofort machen könnt:

    • mit dem AG reden; Fragt ihn warum und ob er nicht auch der Meinung sei, dass das so nicht passe. Vielleicht ist er ja einsichtig. Darauf setzen würde ich nicht. Und ein Druckmittel habt ihr erst einmal nicht!
    • politischen Druck aufbauen; Macht eine Veröffentlichung, dass der BR sich die Gehaltslisten angeschaut hat und dabei festgestellt hat, dass es für die augenscheinlich gleiche Arbeit sehr unterschiedliche Vergütungen gibt (hier könnt ihr die Differenzen bis zu 1.400,- Euro erwähnen, ohne aber den Bereich oder gar die Kollegen namentlich zu erwähnen). Dies würdet ihr zum Anlass nehmen, euch die Gehaltsstruktur näher anschauen zu wollen um zu verstehen, worin genau die Unterschiede begründet sind, bzw. gemeinsam mit dem Arbeitgeber ein System aufzustellen.


    Damit signalisiert ihr den Kollegen, da ist was faul im Staate Dänemark und lasst dem AG die Möglichkeit hier noch Gründe zu liefern (z.B. zusätzliche Kompetenzen für die Mehrverdienenden).


    Und dann macht ihr genau das: schaut euch an, um welche Fälle es geht und versucht zu verstehen, worin diese Gehaltsunterschiede begründet sind (meistens sind sie "historisch" bedingt, meint, der Mehrverdiener ist ein Urgestein und einfach schon so lange dabei oder hatte mal früher einen anderen, höher dotierten Job, hat dann aber gewechselt).


    Und wenn ihr wirklich ein Gehaltssystem erarbeiten wollt: holt euch Sachverstand ins Haus! Mindestens mit einer entsprechenden Schulung, besser und schneller mit einem entsprechenden Sachverständigen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Ergänzend zu Moritz:
    Habt ihr eine(n) Gleichstellungsbeauftragte(n)? Wenn ja, sollen die Kolleginnen dort mal vorstellig werden. Bei "vom Grundsatz her die selbe Tätigkeit" noch Verträge prüfen lassen (*) und dann ggf. Einblick oder Auskunft nach den Gehältern der männlichen Kollegen in gleicher Position verlangen. Als BR habt ihr wie erwähnt nur den Hebel der "Ordnung im Betrieb" und hier die Eingruppierung bei gleicher Tätigkeit in die gleichen Vergütungsgruppen, die Gleichstellungsbeauftragte sollte da hoffentlich etwas mehr erreichen können, da solche Unterschiede wie von dir beschrieben ihr Ressort und sogar der Grund für die Schaffung solcher Positionen sind.

    So oder so kann ich Moritz' Empfehlung "Holt euch Sachverstand ins Haus!" nur unterstreichen.


    *) Wir haben leider auch einen Fall recht unterschiedlicher Bezahlung, allerdings bei zwei männlichen Kollegen. Ursache ist der einfach viel bessere Altvertrag des einen Kollegen, welcher dank Besitzstand eine über die aktuelle "korrekte" Einstufung hinaus gehende Vergütung bewirkt. So wird es leider immer wieder Fälle geben, wo der Unterschied offenkundig ist, man aber nur wenig daran ändern kann :-/

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.

  • Vielen Dank für deine Antwort Moritz.

    Und schon wieder etwas gelernt ;). Das soll natürlich alles mit Sinn und Verstand angegangen werden. Ein vernünftiges Gehaltssystem ist ganz klar das Ziel, aber wie du schon sagtest: dafür brauchen wir dann jemanden mit dem entsprechenden know How.


    Viele Grüße


    Daniel


    So oder so kann ich Moritz' Empfehlung "Holt euch Sachverstand ins Haus!" nur unterstreichen.

    Vielen Dank Scheeks. Werden wir tun. EInen "Gleichstellungsbeauftragten" gibt es bei uns (noch) nicht. Aber danke für die Info. Werde mich auch hier mal schlau machen müssen.

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif

    Einmal editiert, zuletzt von Daniel0815 () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Daniel0815 mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Ich kenne Eure konkreten Gegebenheiten zu wenig (Anzahl MAs. Oder Größe der Abteilungen mit Personen, die gleiche Tätigkeiten ausüben).

    Jedenfalls könntet ihr prüfen, ob die Kollegin (weil sie "zufällig" davon gehört hat) nicht eine Anfrage im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes stellt.


    Sehr verkürzt: sofern alle Voraussetzungen zutreffen, gibt ihr (bzw. natürlich auch einem männlichen Kollegen) das Gesetz ja ein individuelles Auskunftsrecht für 2 Dinge:

    1. was sind die Kriterien, warum jemand genau das Gehalt bekommt, das er/sie bekommt
    2. was ist das Mediangehalt (nicht Mittelwert!) einer Vergleichsgruppe von mindestens(!) 6 Personen des anderen Geschlechts, die vergleichbare Tätigkeit ausüben.


    Für Details bitte über das Gesetz aufschlauen.


    In Summe klingt das Gesetz besser als es in den meisten Fällen ist. Sofern hinreichend große Vergleichsgruppen bestehen, könnte aber der genannte Median zumindest ein erstes Indiz für ungleiche Bezahlung sein. Und Anlass, das Thema anzugehen. Der Antrag muss aber wie gesagt von der Kollegin (dem Kollegen) selbst kommen.


    Vielleicht mal als Stichwort für später merken.

  • ...ob die Kollegin (weil sie "zufällig" davon gehört hat) nicht eine Anfrage im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes stellt.

    Das wäre auch mein Vorschlag.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)