Urlaubssperre

  • Hallo zusammen,


    ich bin neu hier im Forum und glücklich, dass es Plattformen wie diese hier gibt, da ich leider (noch) sehr wenig Ahnung von der Materie habe und gerne eure Expertise in Anspruch nehmen würde. Doch davor kurz zu mir:


    Ich arbeite seit etwas über 2 Jahren in einem Unternehmen, dass 95 Mitarbeiter beschäftigt. Nach dem letzten Geschäftsführerwechsel sind mehrere Mitarbeiter auf mich zugekommen, ob es nicht sinnvoll wäre, einen Betriebsrat zu gründen. Die Kollegen sind nicht auf mich zugekommen, weil ich Erfahrung in solchen Dingen habe (leider nein...), aber vermutlich, weil sie mir vertrauen.


    Das Thema BR fand ich äußerst positiv und habe mich aus Überzeugung dazu bereit erklärt, weitere Kollegen für den Wahlvorstand zu suchen. Nun nach der Wahl des Wahlvorstandes, der BR-Wahl (2021) und letztendlich der Wahl des BRV kam mir die Ehre zuteil, den Posten des BRV für die Kollegen / Kolleginnen zu übernehmen.

    Jetzt zur eigentlichen Frage / der Situation:


    Die GF hat Anfangs des Jahres eine Urlaubssperre zwischen Weihnachten und Neujahr 2021 verhängt. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Betriebsrat (ein Grund, weshalb der BR gegründet wurde).

    In der 40-jährigen Firmengeschichte wurde noch nie zwischen den Feiertagen gearbeitet.

    Deshalb haben wir eine BR-Sitzung einberufen und einen entsprechenden Beschluß gefasst, dass wir diese Urlaubssperre einstimmig ablehnen. Mehrere Gesprächsversuche mit der GF sind bislang fehlgeschlagen. Er besteht die Urlaubssperre und ignoriert unseren Beschluss.


    Nach dem letzten Gespräch haben wir per Aushang die Mitarbeiter informiert, dass der Betriebsrat die Urlaubssperre abgelehnt hat und sie - sofern sie Urlaub in diesem Zeitraum möchten - diesen beantragen sollen und sich wenn der Urlaubswunsch abgelehnt werden sollte, den Grund schriftlich mitteilen lassen sollen.

    Der Betriebsrat wird sich dann nach $87 Abs.1 Nr. 5 mit der GF auseinandersetzen.


    Innerhalb des BR sind wir uns in Rücksprache mit der IGM einig, dass wir das notfalls über die Einigungsstelle klären.


    Habt ihr da geschicktere Ideen? Unser Unternehmen steht finanziell nicht wirklich gut da, aber hier klein beizugeben geht gar nicht, da dies einer der Punkte ist, warum uns die Belegschaft gewählt hat.


    Ich freue mich auf eure Ideen, Vorschläge & Fragen, falls ich wichtige Informationen vergessen habe.


    Das gesamte Gremium muss hier noch sehr viel lernen. Die Anmeldung für das Grundlagenseminar ist bereits erledigt :) .


    Viele Grüße

    Daniel

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif

  • Hallo Daniel,


    ich habe ein interessantes Urteil gefunden, von dem ich selbst überrascht bin:


    Auch bei Urlaubssperren besteht ein Mitbestimmungsrecht. Man sollte jedoch prüfen, ob eine Urlaubssperre überhaupt Sinn macht. Denn die Sperre entbindet den Arbeitgeber nicht von der Pflicht, Urlaubsanträge zu prüfen, wie das ArbG Braunschweig hier deutlich macht.


    Quelle


    Nach diesem Urteil kann sich der AG nicht dogmatisch auf den Standpunkt stellen, dass er während einer Urlaubssperre Urlaubsanträge rundheraus ablehnen kann, sogar wenn (wie in diesem Fall) der BR der Urlaubssperre zugestimmt hat. Vielleicht könntet ihr den AG ja auf das Urteil hinweisen und ihm verklickern, dass ihr nicht unbedingt eine Klärung in der Einigungsstelle anstrebt, aber falls dies doch notwendig sein sollte, die Kosten auf seine eigene Kappe gehen würden...

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Hallo,

    Aich bin begeistert. In unserem Fall hat unser AG sogar gedroht, wenn wir bei der Ablehnung der Urlaubssperre bleiben, er die Abteilungsleiter anweisen wird, keinen Urlaub in diesem Zeitraum zu genehmigen.


    Unserer Meinung nach kommt das einer Urlaubssperre gleich und fällt demnach wieder unter das Mitbestimmungsrecht.


    Aber dein Hinweis kommt mir super gelegen. Ich besprech das morgen mal mit den Kollegen 👍.


    Viele Grüße

    Daniel

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif

  • Hallo Daniel,

    zuerst möchte ich dir, stellvertretend für die meisten Forumsmitglieder mein aufrichtiges Beileid versichern.

    Eine interessante Situation. Normalerweise gelten Anweisungen, die vor dem bestehen des BR ausgesprochen wurden weiter, auch wenn sie der Mitbestimmung unterliegen. Allerdings habt ihr auch ein initiativrecht und könnt zu bestehenden Anweisungen neue BV's verhandeln. Auch hier habt ihr die Möglichkeit zur einigungsstelle zugehen, falls die Verhandlungen scheitern.


    Die Idee, über die "urlaubswünsche Einzelner" zur Einigungsstelle zu gehen, hat aber durchaus auch Charme.


    Allerdings würde ich mir die Argumente des AG gut anhören und versuchen, eine passende Lösung mit ihm zu vereinbaren.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo Markus,


    grundsätzlich werden wir versuchen, eine andere Lösung zu finden. Die Einigungsstelle wird am Ende das Letzte sein, was wir möchten und sehen das als "letzten Strohhalm", sollten die weiteren Verhandlungen scheitern.


    Argumente seitens des AG gibt es kaum. Kompromissbereit ist er auch nicht, was die Gespräche erschweren. In rund drei Wochen steht die nächste Runde mit dem AG an. Vielleicht kommt es dann doch noch zu einer Einigung (think positiv :) ).


    Viele Grüße

    Daniel

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif

  • Guten Morgen Daniel,


    natürlich sollte die Einigungsstelle das letzte Mittel sein, zu dem ihr greift. Aber ihr solltet euch bewusst sein, dass ihr im Notfall dieses Mittel habt und dementsprechend Selbstbewusst in die Verhandlungen gehen.


    Wir haben die Einigungsstelle bisher auch nicht benötigt. Bisher war es so, dass bei festgefahrenen Verhandlungen es genug war, einfach einmal mit der Einigungsstelle (glaubhaft) zu drohen und schon kam wieder Bewegung ins Spiel.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Ob ihr tatsächlich noch die angeordnete Urlaubssperre rückgängig machen könnt bin ich mir nicht so sicher.

    Wenn aber das hier

    In der 40-jährigen Firmengeschichte wurde noch nie zwischen den Feiertagen gearbeitet.

    tatsächlich so war, dann muss die GF schon gute Gründe haben um einzelne Urlaubsanträge abzulehnen.

    Was hat die GF denn für Gründe angeführt dass nun gearbeitet werden soll wenn sonst immer zu war?



    In rund drei Wochen steht die nächste Runde mit dem AG an.

    ist dann Mitte/Ende Oktober, ganz schön lange, wenn ihr für Weihnachten noch was erreichen wollt und ggfls die Einigungsstelle braucht.

    Auf jeden Fall den Beschäftigten nochmal klar machen dass sie Ihren Urlaub umgehend einreichen sollen.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Was hat die GF denn für Gründe angeführt dass nun gearbeitet werden soll wenn sonst immer zu war?

    Die würden mich auch mal interessieren. Vor allem vor dem Hintergrund hier:

    Unser Unternehmen steht finanziell nicht wirklich gut da,

    Denn Urlaub der nicht genommen wurde, führt regelmäßig zu Rückstellungen, die wiederum zu Gewinnminderungen.


    Übrigens, den Beileidsbekundungen von @'Markus 173 ED' schließe ich mich an ;)


    Noch ein Tipp: Ach wenn ich verstehe, dass ihr sauer seid, habt ihr denn schon mal auf der Sachebene gefragt, ob und was der AG sich von dieser Maßnahme verspricht?


    Wenn ihr wisst, was der AG erreichen will, ist es meist einfacher ihm Alternativen aufzuzeigen, statt einfach nur "Wir machen das jetzt so!" "Nein, macht ihr nicht!" zu spielen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Der AG kann jetzt also erstmal alle Urlaubsanträge individuell ablehnen und die MA müssen dann dagegen angehen ggf. klagen.....Zitat Randolf



    Tut mir leid aber ein wenig Grundwissen solltest Du Dir schon aneignen um hier Tipps zu geben!

    Der Betriebsrat ist auch bei der Lage des Urlaubs für einzelne Mitarbeiter in der Mitbestimmung!

  • Für den einzelnen Urlaubsantrag seit ihr nicht zuständig, nur für Urlaubsgrundsätze

    mit Verlaub, aber das ist Blödsinn!

    BetrVG 87 (1) 5. sagt nun mal:

    Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;


    Also ganz eindeutig auch der einzelne Urlaub!

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Mich würde auch mal die Begründung für die Urlaubssperre interessieren. Seid ihr ein produzierender Betrieb? Wenn man die Begründung kennt kann man sich ja was überlegen, wie man auch dem AG ein Zuckerl anbieten kann, gleichzeitig aber auch für die Mitarbeiter das maximale herausholt.

  • habt ihr denn schon mal auf der Sachebene gefragt, ob und was der AG sich von dieser Maßnahme verspricht?

    Das ist natürlich eine gute Frage, aber nicht nur das. Es geht ja nicht nur darum, was sich der AG davon verspricht.

    Es ist ja auch so, dass der AG Urlaub nicht einfach nach Lust und Laune ablehnen kann, oder nur weil er sich davon irgendwas verspricht.

    Zitat

    § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG

    Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.

    (Hervorhebung durch den zitierenden)

    Bei einer "Urlaubssperre" kann es ja kaum um die "Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen" gehen. Also bleiben als Ablehnungsgrund nur die "dringenden betrieblichen Belange", die der AG aber auch nachweisen können muss. (Um das einordnen zu können hilft vielleicht dieser Link weiter).

    Ich würde also als erstes den AG auffordern detailliert die dringenden betrieblichen Belange darzulegen, die seiner Meinung nach geeignet sind, ihn von seiner Pflicht zu befreien, dem Gesetz entsprechend Urlaub zu gewähren. (...und ja, ich würde das genau so formulieren und nicht nach einer "Begründung für die Urlaubssperre" fragen, sondern schon mit der Fragestellung darauf hinweisen, dass er hier seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachkommt und dieses adäquat begründen muss).

    Wenn der AG dann seine Gründe darlegt und Ihr der Meinung seid, dass diese keine dringenden betrieblichen Belange darstellen, dann könnt Ihr auch erstmal einen Rechtsanwalt als externen Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 BetrVG) beschließen. (So nach dem Motto: "Hör mal lieber AG, wir wollen hier doch alle eine saubere und gesetzeskonforme Vorgehensweise und offenbar sind wir uns nicht darüber einig, wie die aussehen soll. Da wir ja nun mal alle keine studierten Juristen sind, sollten wir da evtl. lieber mal einen Profi fragen, wie der das einschätzt.")

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Hallo zusammen,

    vielen Dank für Eure zahlreichen Antworten.


    Die Begründung ist einfach. Die GF möchte 3 Tage vor Weihnachten mit der Inventur starten und den 27.12. & 28.12. nutzen, um etwaige Nachzählungen vorzunehmen. Deshalb die Urlaubssperre.

    Ich habe mit den „Spaß“ erlaubt und habe alle MA, die ich angetroffen habe gefragt, wie sie dazu stehen. Von 54 angetroffenen Mitarbeitern wollen 50 Urlaub und 4 enthalten sich.


    Wir sind ganz sicher nicht so, dass wir mit der Holzhammermethode durchlaufen möchten. Haben Lösungsvorschläge gebracht, welche aber nicht angenommen wurden.


    Jetzt aber müssen wir „Gas“ geben, weil sonst die Zeit knapp wird.


    Viele Grüße


    Daniel

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif

  • Die GF möchte 3 Tage vor Weihnachten mit der Inventur starten und den 27.12. & 28.12. nutzen, um etwaige Nachzählungen vorzunehmen. Deshalb die Urlaubssperre.

    Inventurarbeiten für den Jahresabschluss können zwar durchaus einen dringenden betrieblichen Grund darstellen, aber pauschal für alle MA? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, wird wirklich jeder einzelne MA benötigt, um diese Inventur ordnungsgemäß durchzuführen? Denn jedem MA, dessen Anwesenheit bei der Inventur nicht zwingend notwendig ist, darf der Urlaub in dieser Zeit nicht verwehrt werden.

    Man könnte jetzt (mit Bezug auf das vom Ledertaschenmann zitierte Urteil: Man sollte jedoch prüfen, ob eine Urlaubssperre überhaupt Sinn macht. Denn die Sperre entbindet den Arbeitgeber nicht von der Pflicht, Urlaubsanträge zu prüfen, wie das ArbG Braunschweig hier deutlich macht.) die Kollegen dazu auffordern Urlaub einzureichen (sofern sie welchen wollen) und diese Urlaubsanträge (in Kopie oder wie auch immer) auch dem BR zukommen zu lassen. Anschließend beim AG aufschlagen und für jeden einzeln begründen lassen, warum gerade dieser Mitarbeiter für die Inventur unentbehrlich ist.

    „Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“

    Hanlons Rasiermesser

  • Man braucht die komplette Belegschaft für "eventuelle Nachzählungen" ??? Na das wird schwierig mit den dringenden betrieblichen Erfordernissen :) .

    Man könnte ja so vorgehen dass man in der Belegschaft rundfragt wer Interesse hätte, Teil des "Inventurteams" zu werden. Und das kann man ja mit einer Bonuszahlung garnieren. Wir haben bei uns z.B. immer Kollegen die sich darum reißen, an den Feiertagen Dienst zu machen. Denn da winken fette Zuschläge.

  • Ob hier eine Urlaubssperre Sinn macht oder nicht, dass kann ich aus der Ferne nicht beurteilen, aber spanisch vorkommen tut es mir auf alle Fälle.


    Bei uns ist es sogar so, dass tendenziell für die Inventur der Betrieb ruht und nur das Inventurpersonal anwesend ist. Allerdings sind wir ein Produktionsbetrieb. Im Einzelhandel kann das durchaus anders ausschauen. Wobei mir 95 Leute im Inventurteam auch da recht hoch vorkommen.

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Wir sind ganz sicher nicht so, dass wir mit der Holzhammermethode durchlaufen möchten.

    Bei einem vom Gesetzgeber gerne angenommenen "verständigen Arbeitgeber" ist das auch nicht nötig, aber das hier

    Argumente seitens des AG gibt es kaum. Kompromissbereit ist er auch nicht, was die Gespräche erschweren.

    klingt eher nach einem AG der testen möchte, ob sein Dickkopf stabiler als euer Holzhammer ist... :evil:

    Für einen Betriebsrat gilt: Lobt dich der Gegner, ist das bedenklich. Schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg. (August Bebel)

  • Man braucht die komplette Belegschaft für "eventuelle Nachzählungen" ??? Na das wird schwierig mit den dringenden betrieblichen Erfordernissen :) .

    Man könnte ja so vorgehen dass man in der Belegschaft rundfragt wer Interesse hätte, Teil des "Inventurteams" zu werden. Und das kann man ja mit einer Bonuszahlung garnieren. Wir haben bei uns z.B. immer Kollegen die sich darum reißen, an den Feiertagen Dienst zu machen. Denn da winken fette Zuschläge.

    Die komplette nicht. Im Grunde braucht er wohl "nur" 20 "Freiwillige". Die Urlaubssperre gilt deshalb für alle MA, damit er sich die, die er haben will, rauspicken kann. Wir hätten es gerne auch so gehabt, dass es eine Prämie als Anreiz für wirklich freiwillige MA gibt. Ist aber nicht gewünscht seitens der GF.

    BRV (seit 2021) - IGM - kein Tarif