Kann der Betriebsrat bei einem Streit um die betriebliche Altersvorsorge helfen?

  • Im Normfall ist der Betriebsrat für ehemalige Mitarbeiter nicht zuständig, wie sieht es bei Streitfällen um die bAV aus?


    Folgender fiktiver Fall:

    Ein Konzern erteilt seinen Mitarbeitern eine bAV Direktzusage und auch eine Zusage auf betriebliche Invalidenrente bei Festellung der Erwerbsunfähigkeit durch die DRV

    Herr X stellt am 01.09.2013 einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der DRV.

    Herr X unterschreibt im Mai 2014 einen Aufhebungsvertrag des Arbeitsverhältnisses.

    Herr X bekommt seine Betriebsrente kapitalisiert ausgezahlt im Januar 2018 (ohne den Anteil der betrieblichen Invalidenrente).

    Herr X bekommt im Juli 2021 einen Bescheid der DRV über eine volle Erwerbsminderungsrente (entspricht seit 2001 der Erwerbsunfähigkeitsrente).


    Die Konzernbetriebsvereinbarung sieht keinen Antrag ohne Bescheid auf die betriebliche Invalidenrente vor, ein Antrag ist nur mit Vorlage des Bescheids zulässig und möglich. Bei einer Voranfrage lehnt der Konzern die Auszahlung des Anteils der betrieblichen Invalidenrente ab, da die Betriebsrente bereits beantragt und kapitalisiert wurde.


    LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2017 - 6 Sa 983/16 hat es bei einer Direktversicherung anders gesehen und für eine Rückwirkung geurteilt. Bei einer Direktzusage gibt es aber keine AGB, die Betriebsvereinbarung unterliegt aber der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Als Sozialversicherter hat man keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit der DRV oder von Sozialgerichten.


    Ist die Konzernbetriebsvereinbarung in diesem Punkt unbillig?

  • Ich würde in dem Fall mit dem Wissenstand an Daten sagen nein, das kann er nicht.
    Erstens ist er ehemaliger Mitarbeiter, wobei ich das persönlich nicht so streng sehen würde und vielleicht versuchen würde da mal zu vermitteln.
    Und zweitens ist das für mich ich hier ein Individualrechtliches Thema zwischen ehemaligen Mitarbeiter und dem Unternehmen. Und wäre ich dann als Betriebsrat / Schwerbehindertenvertretung raus aus dem Thema.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Ich würde sagen, dass es hier auf den Wortlaut und die Regelungen in der Betriebsvereinbarung geht.


    Theoretisch könntet ihr auch den AG per einstweiliger Verfügung dazu auffordern, sich künftig an die BV zu halten. Allerdings bringt das dem betroffenen MA nur bedingt etwas, da dieser Antrag nur in die Zukunft gerichtet sein kann. Nur wenn der AG einen Prozess meiden möchte, könnte es sein, dass er einlenkt und auch für den Betroffenen eine Lösung sucht.


    Ansonsten hat suppenkasper absolut Recht damit, dass das Individualrecht ist, bei dem der BR relativ wenig tun kann, außer sich den Mund fusslig zu reden.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • In § 2 Abs. 1 BetrVG ist bestimmt, dass Betriebsrat und Arbeitgeber unter Berücksichtigung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten sollen. Dies ist eine Kernaufgabe des Betriebsrats.


    Zweiseitiges Rechtsgeschäft zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, das Rechte und Pflichten der Parteien regelt und verbindliche kollektivrechtliche Normen für alle Arbeitnehmer des Betriebs festlegt (“Gesetz des Betriebs”).


    Der Betriebsrat ist für ehemalige Arbeitnehmer nicht zuständig und kann auch keine BV abschliessen, die ihn für ehemalige AN zuständig macht.

    Eine BV setzt ja voraus, dass der BR zuständig ist und das ist er nur bei AN, nicht bei ehemaligen AN. Somit ergibt sich das es an der Zuständigkeit mangelt und damit ist die BV min. in diesem Punkt ungültig.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


  • Danke für die Antworten.


    Der Betriebsrat hat als allgemeine Aufgabe nach § 80 Betriebsverfassungsgesetz darauf zu achten, dass u.a. die Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Die betriebliche Altersvorsorge wird in einer Konzernbetriebsvereinbarung geregelt, die ist für Arbeitnehmer und spätere Bezieher der Betriebsrente das Maß der Dinge. Da dreht sich die Zuständigkeit aus meiner Laiensicht etwas im Kreis, denn Arbeitnehmer sind niemals gleichzeitig Betriebsrentner.


    Die Betriebsvereinbarung enthält mehrere Punkte, die nachteilig für die Arbeitnehmer und spätere Bezieher sind. Nicht nur die Sache mit der Antragsstellung, sondern auch die Übersetzung der alten Erwerbsunfähigkeitsrente in die neue Erwerbsminderungsrente. Die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde früher immer unbefristet erbracht, die volle Erwerbsminderungsrente wird aufgrund Verwaltungsvorschriften im Regefall befristet geleistet und nur in Ausnahmefällen unbefristet beschieden. Die Betriebsvereinbarung setzt für einen Anspruch die volle unbefristete Erwerbsminderungsrente voraus - diese Voraussetzung anderer Betriebsvereinbarungen wurde schon in mehreren Urteilen von Arbeitsgerichten kassiert.


    Wäre hier zumindest ein Hinweis an den Betriebsrat hilfreich, auch wenn der Anspruch selbst vor dem Arbeitgericht geltend gemacht werden muss?

  • zumindestens in einem Punkt seit ihr als BR ja zuständig: volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit.


    Das sind ja weiterhin AN, nur z.Z. nicht "aktive AN", weil die EMR auf Zeit den AV aufrecht erhält.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.


    Einmal editiert, zuletzt von Randolf ()

  • Randolf Leider hast Du gerade den bereits geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht im Blick. Damit ist befristet oder nicht völlig unerheblich. Der Kollege ist nicht mehr AN des Unternehmens.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Randolf Leider hast Du gerade den bereits geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht im Blick. Damit ist befristet oder nicht völlig unerheblich. Der Kollege ist nicht mehr AN des Unternehmens.




    --> das war nicht auf den o.g. speziellen Fall bezogen sondern auf den letzten Eintrag

    Die Betriebsvereinbarung enthält mehrere Punkte, die nachteilig für die Arbeitnehmer und spätere Bezieher sind. Nicht nur die Sache mit der Antragsstellung, sondern auch die Übersetzung der alten Erwerbsunfähigkeitsrente in die neue Erwerbsminderungsrente. Die Erwerbsunfähigkeitsrente wurde früher immer unbefristet erbracht, die volle Erwerbsminderungsrente wird aufgrund Verwaltungsvorschriften im Regefall befristet geleistet und nur in Ausnahmefällen unbefristet beschieden. Die Betriebsvereinbarung setzt für einen Anspruch die volle unbefristete Erwerbsminderungsrente voraus - diese Voraussetzung anderer Betriebsvereinbarungen wurde schon in mehreren Urteilen von Arbeitsgerichten kassiert.

    als allgemeiner Hinweis:


    zumindestens in einem Punkt seit ihr als BR ja zuständig: volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit.


    Das sind ja weiterhin AN, nur z.Z. nicht "aktive AN", weil die EMR auf Zeit den AV aufrecht erhält.


    Der Kollege um den es oben ging, der hat mit dem Aufhebungsvertrag quasi selbst "sein Schicksal besiegelt".

    Aber er hat das ja aus freien Willen getan, somit sehe ich da auch kein Versäumnis seitens des BR jetzt noch irgendwie tätig werden zu müssen.

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  • Ich bin mir da im Allgemeinen nicht so sicher, ob der Betriebsrat hier tatsächlich nicht zuständig ist.


    Die BV "betriebliche Altersvorsorge" gegelt ja unter anderem Ansprüche, die erst nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb entstehen können. Ähnlich geschieht das ja auch bei Sozialplänen. Ein Betriebsrat ist ja trotzdem noch zuständig, auch wenn der Betrieb evtl. schon stillgelegt wurde. (§21 BetrVG) Hier kann es ja nur um die Durchführung von Betriebsvereinbarungen (Sozialplan/Interessenausgleich) gehen, die bereits abgeschlossen wurden und die für die ehemaligen MA gelten.


    Klar wurde hier extra ein Paragraph eingeführt, um das zu regeln, aber hier ging es eher darum, dass klargestellt wurde, dass ein Betriebsrat trotz eigentlichem Amtsverlust durch Betriebsstilllegung oder Änlichem, für den alten Betrieb zuständig ist.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Wer ist denn "Anbieter" der Altersversorgung? In der Regel sucht sich das Unternehmen ja eine Versicherungsgesellschaft und legt die Beiträge ja nicht selber an.

    Deren Bedingungen sind natürlich zu beachten, von daher muss man auch mal schauen was in der BV überhaupt geregelt werden kann..

  • Bei einer Direktzusage ist das Unternehmen doch selbst zuständig.

    Zitat

    Eine Direktzusage (auch: Pensionszusage) ist eine arbeitsrechtlich bestehende Verpflichtung eines Unternehmens, aus eigenen Mitteln dem Arbeitnehmer oder dessen Hinterbliebenen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen einmalige oder laufende Versorgungsleistungen (Altersrente, Berufsunfähigkeitsrente, Todesfallleistung) zu zahlen


    Früher wurden öfter solche Zusagen gemacht, heute eher seltener.

  • Ein Betriebsrat ist ja trotzdem noch zuständig, auch wenn der Betrieb evtl. schon stillgelegt wurde. (§21 BetrVG) Hier kann es ja nur um die Durchführung von Betriebsvereinbarungen (Sozialplan/Interessenausgleich) gehen, die bereits abgeschlossen wurden und die für die ehemaligen MA gelten.

    das ist aber ja eine völlig ander Situation, wenn ein Betrieb stillgelegt wurde, dann kann ja nur der letzte BR für evt Klärungsfälle zuständig sein, weil der Betrieb ja nicht mehr existiert. Dann hatten die MA auch in der Regel nicht die Möglichkeit ihre Fragen zu klären, weil der Betrieb "abgewickelt" wurde und die Rentenfrage sich gar nicht gestellt hat.


    Hier ist aber ein MA ausgeschieden und somit nicht mehr MA im bestehenden Betrieb, das sind 2 völlig gegensätzliche Ausgangslagen. Hier hatte der MA ja die Möglichkeit während seiner Betriebszugehörigkeit das Thema anzusprechen und zu klären. Wenn sich die Klärung dann über das Ausscheiden hinzieht, dann wäre der BR meienr Meinung nach weiter zuständig, weil es ein laufender Vorgang ist. Hier ist der MA aber erst längere Zeit nach dem Ausscheiden mit dem Anliegen an den BR herangetreten.

    Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit, denn Macht ohne Verantwortung ist wie ein Feuer außer Kontrolle.