schleichender Personalabbau gegenüber gleichbleibenden Zahlen -> Überlastung der MAs

  • Ich bin relativ neu im Betriebsrat und habe bislang (auch aufgrund von Corona) leider nur ein Einsteiger-Seminar belegen können.

    Wir haben einen Punkt in den BR aufgenommen, den wir zwingend bearbeiten möchten. Leider konnte mir im Seminar nicht detailliert weitergeholfen werden, und auch beim Lesen von Gesetzestexten, in anderen Büchern oder in Foren erschließt sich mir unsere Möglichkeit, die wir als BR hier haben noch nicht ganz.


    Folgende Situation (betroffen ist ein Teilbereich /eine Sparte unserer Produktion):

    Es ist zu beobachten, daß an zwei Stellen (Arbeitsvorbereitung im Büro und Schichtführer) schleichend Personal reduziert wird, auch Leute, die gegangen sind, wurden einfach nicht ersetzt. Dazu gibt es immer öfters und immer mehr angeordnete Mehrarbeit, die Aufgrund der Auftragslage auch genehmigt wird durch den BR, da ja offensichtlich viel zu tun ist.

    Vergleich hat ergeben:

    2018 - 4 Personen im Büro und 2 Schichtführer zuständig für 25 Monteure bei fast keiner Mehrarbeit

    2021 - 1,25 Personen im Büro und 1 Schichtführer zuständig für 21 Monteure bei regelmäßiger Mehrarbeit von 2-5 Stunden pro Woche

    Anzahl der Aufträge müssen wir noch gegenprüfen, da ich aber unmittelbar und fast ausschließlich mit diesem Teil der Produktion zusammenarbeite, würde ich behaupten, daß sich an der Summe der Maschinen nicht viel geändert hat.


    Da ich täglich meist mit mehreren Personen aus diesem Bereich telefoniere höre ich sehr oft "es ist zu viel", "ich bin fertig", "mein Kopf dreht sich", "ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist" usw...


    Vor kurzem wurde auch noch der eine und einzige Schichtführer krank und ist 2,5 Wochen ausgefallen. Hier wurde dann ein anderer Schichtführer herangezogen, der diese Aufgabe zusätzlich zu seiner eigenen gemeistert hat (mit wenig weiterer Unterstützung). Als ich ihn in der 2. Woche am Telefon hatte, erzählt er mir, daß ihm am Tag vorher schwarz vor Augen wurde, als er kurz im Büro an seinem Rechner saß - nach ein paar Minuten ging's dann wieder, und er hätte das auch seinem Vorgesetzten gesagt.


    Ich mache mir wirklich Sorgen um diese Leute, und wir als BR würden gerne den AG freundlich bitten, hier dringend etwas zu unternehmen (Verhältnis BR - AG ist bei uns respektvoll und gut, auch wenn es zwei Gegenpole irgendwie sind - so wie es sein sollte, würde ich behaupten).

    Wir würden den AG gerne auf diese Situation hinweisen, ihm unsere Gegenüberstellung zeigen und auch die möglichen Folgen aufzeigen (Langzeitkranke oder Kündigung des ein oder anderen).


    Wie geht man sowas am besten an?

    Der BR möchte das Thema von sich aus angehen. Die Betroffenen beschweren sich ja auch nicht, sondern versuchen einfach überall ihr Bestes.

    Zwei mögliche Vorgehensweisen habe ich bekommen wie folgt, aber die sind in meinen Augen irgendwie nicht richtig zutreffend:

    Überlastungsanzeige: geht ja immer nur von einer einzelnen Person und von dieser selbständig aus, hier betrifft es aber ja eine ganze Abteilung.

    Gefährdungsbeurteilung: beinhaltet irgendwie nur die momentane Situation, aber ja nicht den Vergleich zu einem anderen Zeitpunkt


    Gibt es noch andere Möglichkeiten? Hat jemand etwas Ähnliches schon mal erlebt, was erfolgreich gelöst wurde?


    Für Tipps wäre ich sehr dankbar!

  • Das Problem ist immer, solange alle Überstunden machen, krank (schwarz vor Augen ist krank und der hätte zum Arzt gehört) weiterarbeiten und alles fertig wird hat der AG gar keine Notwendigkeit das Personal aufzustocken.


    Der einfachste Weg für den BR ist erst mal bei den Überstunden einen Riegel vorzuschieben. Das funktioniert aber auch nur wenn die Mitarbeiter dann auch wirklich mal was liegenlassen. Und nicht "ackern wie die blöden" und zur Not noch die Pause durchmachen. Das müsst ihr mal einschätzen wie das aussieht.


    Überlastungsanzeige: geht ja immer nur von einer einzelnen Person und von dieser selbständig aus, hier betrifft es aber ja eine ganze Abteilung.

    Ja dann macht es eben jeder aus der Abteilung!

    2018 - 4 Personen im Büro und 2 Schichtführer zuständig für 25 Monteure bei fast keiner Mehrarbeit

    2021 - 1,25 Personen im Büro und 1 Schichtführer zuständig für 21 Monteure bei regelmäßiger Mehrarbeit von 2-5 Stunden pro Woche

    Wenn das tatsächlich so ist bei gleicher Arbeit und ohne das Einsparungsdinge umgesetzt wurden (Büro z.B. andere EDV, neuere Maschinen, andere Organisation) waren die MA in 2018 nicht ausgelastet oder irgendwas anderes passt nicht. Wenn 1,25 Personen die Arbeit von 4 machen und dann nur 2 Überstd. die Woche... nee das kann nicht sein. Da hat sich doch sicher mehr geändert in den Jahren als das nur fast 3MA weg sind. Aber wie auch immer, trotzdem kann es dem MA zuviel sein und er wird nicht über eine Überlastungsanzeige drum rum kommen wenn sich was ändern soll.

    Oder der BR nimmt sein Mitbestimmungsrecht bei den Überstunden war. Aber das wird vermutlich mit:


    den AG freundlich bitten,

    nichts werden befürchte ich.

  • Überlastungsanzeige: geht ja immer nur von einer einzelnen Person und von dieser selbständig aus, hier betrifft es aber ja eine ganze Abteilung

    Wie Lustiger Vogel schon sagte: auch die Abteilung besteht aus einzelnen Personen. Und je mehr davon eine solche erstellen, umso eher wird sich das zu einem Gesamtbild hinzufügen.


    Gefährdungsbeurteilung: beinhaltet irgendwie nur die momentane Situation, aber ja nicht den Vergleich zu einem anderen Zeitpunkt

    Und? Wo ist das Problem? Es geht doch nicht darum, das "übliche Früher-war-alles-besser-Gejammer" anzustimmen, sondern darum die aktuelle, und offensichtlich unhaltbare, Situation zu betrachten und zu bewerten.


    Ganz offensichtlich ist es bei euch zu einer Arbeitsverdichtung gekommen. Und die müsst ihr aufzeigen und dem AG mal eure Funktion als "Rat" vorführen. Wenn er da nur noch einen Schichtführer hat - was macht er, wenn der andere (der jetzt eingesprungen ist) gerade im Urlaub ist, wenn der krank wird? Oder beide krank sind?


    Sprich, mal dem AG ein "Horrorszenario", fragt ihn, wie er das verhindern will. Und erst dann würde ich entscheiden, ob ich den AG dabei begleite hier einen Weg zu finden oder, wenn er sich querstellt (ach, das geht schon, ging ja bisher auch) ich mich auch als BR (wie von Lustiger Vogel angeregt) querstelle.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

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  • Hallo susan,


    habt ihr ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)? Wenn Leuten schwarz vor Augen wird, deutet das auf ernsthafte Probleme hin. Neben der Sorgfaltspflicht des AG kommen handfeste wirtschaftliche Interessen hinzu, denn wenn dieser einzige Schichtführer länger ausfällt ..... ein eingearbeiteter Ersatz ist sinnvoll. Hier zu sparen könnte teuer werden.

    In der DDR gabe es u.a. die Parole "Spare jeden Pfennig!" - und der Volksmund ergänzte regelmäßig "... koste es, was es wolle."


    Du schreibst von einem respektvollen und guten Verhältnis zum AG, also sprecht ihn an, dass ihr euch Sorgen macht. Und auch wenn du selbst neu im BR bist, bist du da nicht allein (?) und deine BR-Mitstreiter kennen die Situation besser als wir ;)


    MfG

    Scheeks

    Man wird alt wie ein Haus und lernt doch nie aus.

  • Wenn Leuten schwarz vor Augen wird, deutet das auf ernsthafte Probleme hin.

    Kann auch nur der eh immer zu niedrige Blutdruck sein gepaart mit mal wieder zu wenig gegessen/getrunken. Das es sich hier zwangsläufig um Überlastung handelt kann ich daraus nicht schließen.

    Letztlich kann aber nur der Mitarbeiter für sich selbst entscheiden ob er einen Arzt aufsucht oder nicht und ob er das sofort macht oder erst später nach Feierabend.

  • Vielen Dank erstmal für Eure ausführlichen Antworten! Ich werde die Informationen bündeln und natürlich besprechen wir das auch im Gremium. Da wir aber viele Neue da haben (nicht nur ich bin kürzlich erst dazugestoßen), ist einfach noch etwas Verunsicherung da.

    Wenn 1,25 Personen die Arbeit von 4 machen und dann nur 2 Überstd. die Woche... nee das kann nicht sein.

    Das habe ich dann wohl nicht ganz richtig rübergebracht. Ich versuch's nochmal:

    Monteure waren es 2018 25, jetzt sind es nur noch 21, die die Woche 2-5 Überstunden machen. Der Schichtführer und die Personen im Büro machen einiges mehr.

    Ich wollte damit ausdrücken, daß die Monteure nur etwas weniger Arbeitsvolumen haben - 4 Personen weniger, dafür mehr Überstunden als damals. Im Vergleich zu der leicht gesunkenen Maschinenzahl, die hinten rauskommt, aber drastisch weniger Schichtführer und Büromitarbeiter.

    Ist das so besser erklärt?

    Wenn er da nur noch einen Schichtführer hat - was macht er, wenn der andere (der jetzt eingesprungen ist) gerade im Urlaub ist, wenn der krank wird? Oder beide krank sind?


    Sprich, mal dem AG ein "Horrorszenario", fragt ihn, wie er das verhindern will. Und erst dann würde ich entscheiden, ob ich den AG dabei begleite hier einen Weg zu finden oder, wenn er sich querstellt (ach, das geht schon, ging ja bisher auch) ich mich auch als BR (wie von Lustiger Vogel angeregt) querstelle.

    Das ist den Ansatz, den wir auch im Kopf haben, aber eben noch etwas unsicher sind, wie wir das angehen. Gerade im Moment, nachdem der eine ausgefallen ist und eben alles kreuz und quer lief wäre wohl ein guter Zeitpunkt. Der Vorgesetzte hat das ja auch mitbekommen... Dachten daran, den Vorgesetzten zu zweit vom BR mal einzuladen zu einem Gespräch unter 6 Augen, um im Guten Argumente und Bedenken anzubringen.

    Ist das ein gangbarer Weg?