Beurteilungsgrundsätze § 94 Abs. 2 BetrVG - Individual PIP

  • Liebe Kollegen,


    in meinem Unternehmen gibt es keine BV zum Thema Leistungsbeurteilung / PIP (Performance Improvement Plan). Einem Kollege von mir wurde nun ein Individual Performance Improvement Plan vorgelegt, den er unterschrieben hat. Sollte er die "actions" bzw. Ziele nicht erfüllen drohen im weitere Folgen.


    Wie gesagt, der BR hat keine BV zu diesem Thema. Der AG sagt, dass er freies Recht hat diesen Weg mit dem Kollegen zu gehen, da es sich um individuelle und nicht um allgemeine Beurteilungskriterien handelt. Daher sei der BR nicht mitbestimmungspflichtig und habe somit nichts beizutragen.

    Wenn ich mir folg. Seite anschaue 'https://www.betriebsrat.com/beurteilungsgrundsaetze' finde ich folgendes:


    #

    Allgemeine Beurteilungsgrundsätze nach § 94 Abs. 2 BetrVG sind einheitliche Regelungen, die das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer feststellen sollen, um somit eine Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern herzustellen (F.K.H.E. § 94, RdNr. 28, 20. Auflage)

    ...

    Ausgeschlossen von der Mitbestimmung sind individuelle Beurteilungen des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, die keiner Systematik unterliegen.

    Bei Beurteilungsgrundsätzen mit Entgeltauswirkung ...

    #


    Q1: Die Frage ist nun, verstehe ich das richtig, dass der AG einfach alle Personen mit einem - wie er sagt - individuellen PIP angehen kann ohne dass der BR etwas unternehmen kann?

    Q2: Was wäre wenn wir eine BV hätten. Kann er dann trotzdem einen individuellen PIP initiieren ohne, dass der BR dagegen etwas machen kann?

    Q3: Mir ist bewusst, dass hier dennoch BetrVG §87 (1) Absatz 6 beschnitten wird. Daher hat der BR die Möglichkeit zumindest die Software zu kontrollieren und ggf. hier auf Unterlassung zu klagen. Kennt jemand weitere Möglichkeiten die dem Kollegen bzw. dem BR helfen könnten?


    Ich bin grad ein wenig ratlos.


    Danke für euer Feedback!

  • Kennt jemand weitere Möglichkeiten die dem Kollegen bzw. dem BR helfen könnten?

    Der Kollege hat doch unterschrieben, daher war er doch einverstanden, oder? Der BR scheint hier aber raus zu sein, da es um eine individuelle Vereinbarung geht. Zumindest nach deiner Schilderung.


    Q3: Mir ist bewusst, dass hier dennoch BetrVG §87 (1) Absatz 6 beschnitten wird.

    Zumindest aus deiner Schilderung kann ich hier nicht erkennen, dass hierfür eine neue Software eingeführt wird. Aber kann ja sein.

  • Der AG sagt, dass er freies Recht hat diesen Weg mit dem Kollegen zu gehen, da es sich um individuelle und nicht um allgemeine Beurteilungskriterien handelt.

    mit wie vielen MA wird denn ein solcher Plan gemacht?

    Mit einem? Dann wird der AG wohl Recht haben..

    Mit 100? Wohl kaum mehr, ich will nicht wissen wie oft gleiche Ziele dann vereinbart werden, also von eurem Recht Gebrauch machen, den AG auffordern euch die Vereinbarungen vorzulegen damit ihr prüfen könnt ob MB-Rechte des BR betroffen sind.


    Wenn der AG das nicht macht, müsst ihr dann den Weg aber wohl weiter gehen, also Beantragung Anwalt, Beschlußverfahren etc

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • verstehe ich das richtig, dass der AG einfach alle Personen mit einem - wie er sagt - individuellen PIP angehen kann ohne dass der BR etwas unternehmen kann?

    Nein, so ist das definitiv nicht. Mit einem, wie in deinem Beispiel, sicher. Mit zwei, drei auch noch. Nach gängiger Rechtsprechung erfüllen aber bereits 5% der AN den Tatbestand der kollektiven Regelung. Insofern bin ich da ganz bei rtjum, Information an-/einfordern und prüfen ob/inwiefern hier euer MBR evtl. umgangen wurde/wird.


    Was wäre wenn wir eine BV hätten. Kann er dann trotzdem einen individuellen PIP initiieren ohne, dass der BR dagegen etwas machen kann?

    Da kann ich jetzt nicht umhin, auch mal darauf hinzuweisen, dass das Basiswissen eines BR sein sollte. Eine BV gilt unmittelbar und zwingend für alle AN im Regelungsbereich der BV. Sprich, ist der AN im Regelungsbereich, kann der AG hier nicht an der BV vorbei. Gleichwohl könnte eine BV existieren, die eine solche Regelung z.B. nur für den Vertrieb vorsieht, dann könnte der AG trotzdem noch individuell mit einem AN im Einkauf so etwas vereinbaren.



    Daher hat der BR die Möglichkeit zumindest die Software zu kontrollieren

    Hat der BR sicher, schon klar. Mir ist nur gerade nicht verständlich, was das mit eurem PIP zu tun hat.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • PS: Wenn ich mich irren sollte und der AG einfach

    Hat der BR sicher, schon klar. Mir ist nur gerade nicht verständlich, was das mit eurem PIP zu tun hat.

    Es gibt ja 'Software', die zum Tracken der Tasks genutzt wird. Diese Software ist MB pflichtig.

  • Ich hatte so verstanden, dass es tatsächlich ein Kollege ist. Wenn es mehrere betrifft haben Moritz und rtjum natürlich Recht.

    Es handelt sich um genau einen Kollegen. Die Software, die dafür genutzt wir ist ein simples CRM, was von Sales genutzt wird. Man möchte es im Zuge dieses PIPs ebenfalls zum Tracken der PIP actions / tasks nutzen.


    Mein Verständnis ist daher, dass der BR die Nutzung des CRMs System für den PIP untersagen kann.


    - Ist das korrekt?


    Danke für euren Support. Ich denke, dass das Todo für den BR sein wird eine BV auszuhandeln. Tausend Dank wirklich!!!

  • Mein Verständnis ist daher, dass der BR die Nutzung des CRMs System für den PIP untersagen kann.

    Vermutlich ja, womöglich nein.


    Wenn das CRM bereits in Benutzung ist (wovon ich mal ausgehe), dann wird es auch eine wie auch immer geartete Regelung zu dieser Software geben (wovon ich ebenfalls ausgehe).

    Und hier ist jetzt einfach die Frage(n):


    Was genau ist dazu geregelt?

    Was genau soll mit den actions/tasks darin passieren?


    Abhängig davon gibt es eine Möglichkeit hier noch aktiv zu werden oder nicht.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Die Mitbestimmung zur Software wird euch in dem konkreten Problemfall nicht helfen. Ihr könnt ja auch nicht per BV verbieten, dass Word zum Schreiben von Abmahnungen genutzt wird.

    Ganz am Ende nimmt der AG ein Blatt Papier und schreibt da die Punkte drauf - helfen wird das em Kolegen auch nicht.

  • - Ich ging davon aus, dass BetrVG §87 (1) 6. tangiert wird. Das CRM wird genutzt um die Leistung der Mitsarbeiter zu tracken. - - Eine BV zu diesem CRM ist nicht vorhanden. Meine Firma nutzt etliche tools im daily business.

    - Die tasks sehen vor, dass der Kollege die bspw. die Anzahl der Kundengespräche, die er führt, tracken soll. Ich denke, dass hier die normalen Tätigkeiten des Verkäufers genutzt werden, um seine "Performance" zu messen.

  • Ihr könnt ja auch nicht per BV verbieten, dass Word zum Schreiben von Abmahnungen genutzt wird.

    Da hast Du sicher Recht.


    Aber hier könnte es ja durchaus sein, dass bei der Einführung des CRM-Systems festgelegt wurde, dass mit dem System nur Kundendaten verwaltet werden dürfen und es nicht zur Messung von Leistungen der mit der Kundenbetreuung beauftragten AN dienen darf. (Sogenanntes Verwertungsverbot erhobener Daten)

    Dann könnte (!!!) die Nutzung für das PIP dagegen verstoßen. (Ich weiß ja nicht, warum es gerade da gespeichert/festgehalten werden soll.)

    Ist aber nur die Nutzung allgemein genehmigt worden, ist die Frage, ob durch die "erweiterte Nutzung" (so es denn überhaupt eine ist) die ursprünglich mitbestimmte Genehmigung erlischt. Hier kommt es sehr auf die Details an, weshalb ich mich mit einer Einschätzung gerade sehr schwer tue...


    Das CRM wird genutzt um die Leistung der Mitsarbeiter zu tracken. - - Eine BV zu diesem CRM ist nicht vorhanden. ...


    - Die tasks sehen vor, dass der Kollege die bspw. die Anzahl der Kundengespräche, die er führt, tracken soll.

    Hm... schwierig. Im Prinzip hast du Recht, klar. Wenn damit die Leistung/die Gespräche getrackt werden, ist das ein klarer Fall der Ziffer 6. Ich frage mich nur gerade: wenn die Software doch schon genutzt wird, warum ohne BV? Wurde sie vor dem BR eingeführt? Oder an euch vorbei? Oder gar mit eurer (stillschweigenden) Zustimmung?

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

    Einmal editiert, zuletzt von Moritz () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Moritz mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Ich habe gerade mal im Fitting die entsprechenden Notizen überflogen. Theoretisch ist schon die Speicherung manuell erhobener Verhaltens- und Leistungsdaten Mitbestimmungspflichtig. Also kann man das auf diesem Wege angehen.

    Mein Verständnis ist hier, dass ein Maßnahmenplan quasi nur als Checkliste abgelegt wird und die Erfüllung in dem CRM notiert wird. Die Daten werden (nach meinem Verständnis) nicht vom System erfasst.

    Ihr könnt also euer MBR hier einfordern. Wenn es aber nicht eine totale Zweckentfremdung des Systems ist oder eine bestehende Regelung (wie Moritz schon sagte) dem entgegensteht, werdet ihr die Nutzung trotzdem nicht verhindern können. Genau so, wie letzten Endes in irgendeiner Excel Tabelle bei euch eine Liste mit Low-Performern existiert.

    Der Kündigungsgrund wird am Ende ja die nicht erfüllte Vereinbarung sein. Die Art der Datenspeicherung wird vermutlich nicht viel zur Kündigungsschutzklage beitragen.