Hallo liebe Mitstreiter,
bisher war ich nur stiller Mitleser im Forum und konnte dadurch schon die ein oder andere nützliche Information für die tägliche Betriebsratsarbeit mitnehmen - dafür schonmal im Vorfeld danke! Ich bin selbst stellv. Vorsitzender bei uns im Betriebsrat, wobei unser Gremium nach einigen Abgängen (Kündigungen) leider mangels Nachrückkandidaten nur noch aus 7 Personen besteht (Unternehmensgröße +200). Eines noch vorweg: Da wir eine Niederlassung eines ausl. Unternehmens in Deutschland sind und sich die Geschäftsleitung zu 100% aus Nicht-Deutschen (Expats) zusammensetzt, ist die Betriebsratsarbeit mangels Verständnisses für die Stellung und die Aufgaben des Betriebsrats in der deutschen Unternehmenswelt oft sehr schwierig. In anderen Worten, wir als Betriebsrat müssen selbst oft viel Aufklärungsarbeit leisten, wann der Arbeitgeber uns einzubeziehen hat und dieses Recht einzufordern gestaltet sich oft als kompliziert. Aber ich denke da haben viele ähnliche Probleme!
Nun aber zu meinem konkreten Anliegen: Unser AG plant ein neues Regelwerk mit dem Titel "Maßnahmen für den Umgang mit Verstößen von Mitarbeitern" einseitig einzuführen. Um einen Eindruck von dem Dokument zu bekommen, hier einige Auszüge:
Titel: "Maßnahmen für den Umgang mit Verstößen von Mitarbeitern
Artikel 2 "Verstoß" bezieht sich hier auf Verhaltensweisen von Mitarbeitern, die gegen Gesetze, Vorschriften, regulatorische Bestimmungen oder die Regeln der Firma verstoßen. Mitarbeiter, die gegen die Regeln verstoßen, werden in Übereinstimmung mit den örtlichen Gesetzen und Vorschriften, insbesondere dem deutschen Kündigungsschutzgesetz, dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem deutschen Strafgesetzbuch (StGB) und dem deutschen Gesellschaftsrecht, behandelt.
(Anm: soweit liest es sich noch ganz gut... )
Abschnitt 2 Behandlungsarten und Befugnisse
Artikel 6 Die Arten der Behandlung umfassen:
i. Warngespräch;
ii. Schriftliche Verwarnung;
v. Entlassung (einschließlich Anpassung der Arbeitsstellen und Degradierung durch Änderung des Arbeitsvertrags).
Abschnitt 4 Regeln für die Anwendung der Behandlungsklauseln
Artikel 12 Arbeitnehmer, die sich in einem der folgenden Fälle befinden, sind zu entlassen:
i. Durchführung von Verstößen durch Anwendung von Tricks oder Verschwörung mit anderen;
i. Durchführung von Verstößen, wenn man weiß oder wissen soll, dass ihr Verhalten die Interessen der Firma oder öffentliche Interessen gefährden wird;
ii. Persönliche Vorteile für sich selbst oder für andere zu suchen, indem sie ihre Positionen ausnutzen;
iii. Wiederholung desselben Verstoßes oder Weglaufen nach Begehung eines Verstoßes;
iv. Sich der Verantwortung entziehen, anderen etwas anhängen, andere einschüchtern, sich an anderen rächen oder Vergeltung an ihnen üben;
...
Artikel 19 Verantwortliche für ein Problem sollen die ihnen während des Gesprächs vorgelegten Dokumente unterschreiben und das Recht haben, sich zu verteidigen. Wenn die verantwortliche Person sich weigert, die Dokumente zu unterzeichnen, werden zwei Untersuchungsbeamte die Verweigerung auf den Dokumenten vermerken und unterschreiben. Diejenigen, die aufgrund einer Entlassung vor Ort nicht erreicht werden können, sind in der von den örtlichen Gesetzen vorgeschriebenen Weise zu erreichen.
Artikel 20 Beschäftigte, gegen die ermittelt wird, dürfen nicht befördert oder in eine andere Position versetzt werden. Falls erforderlich, kann ihre Arbeit ausgesetzt werden."
und so weiter...
Während sich Artikel 2 noch ganz gut anhört, so geht es spätestens ab Abschnitt 2 ordentlich zur Sache und in Abschnitt 4, den wir als besonders problematisch ansehen, möchte der AG selbstständig "Regeln für die Anwendung der Behandlungsklauseln", sprich der Sanktionen, festlegen. Die Liste ist eigentlich noch viel länger, aber sie legt im Prinzip fest unter welchen Umständen ein Mitarbeiter zu entlassen ist. Art. 19 und 20 schreiben weitere Behandlungsrichtlinien bzw. weitergehende Sanktionen vor.
Wir haben dem AG gegenüber kommuniziert, dass die deutschen Arbeitsgesetze die Verfahren, wie bei einzelvertraglichen Pflichtverletzungen vorzugehen ist, abschließend regeln. Wir sind der Meinung, dass der Arbeitgeber hier ohne unsere Zustimmung (und wohl auch nicht mit unserer Zustimmung?!) keine eigenen Grundsätze und Verfahrensgrundlagen aufstellen kann.
Wie würdet ihr das sehen? Und was sollen wir tun, wenn der AG trotz unserer Einwände das Regelwerk einfach veröffentlicht und für alle KollegInnen als verbindlich deklariert? Anwalt einschalten? Im Email-Verteiler noch einmal öffentlich erklären, dass der Betriebsrat den Regeln widerspricht?
Vielen Dank schon mal dafür, dass ihr euch das bis hierhin durchgelesen habt und ich freue mich auf euer Feedback!
Viele Grüße und bleibt gesund!