Freiwillige Reduzierung der Arbeitszeit

  • Muss bei der Einführung eines Systems bei dem freiwillig die Arbeitszeit reduziert werden kann der Betriebsrat beteiligt werden?
    Allen Arbeitnehmern wird die freiwillige Arbeitszeitreduzierung angeboten, es wird jedoch keiner gezwungen die Arbeitszeit zu verringern.

  • Die Anzahl der Wochenstunden ist AV mäßig geregelt.

    oder ergibt sich aus Tarifverträgen.


    Da hat der BR nicht mitzubestimmen.


    Der BR hat ein MBR bei der Verteilung der vertraglich oder TV lichen Arbeitszeit.


    Wenn der AG also jetzt sagt - ich verkürze von 38 auf 35 Stunden, kann jeder MA die Änderung unterschrieben oder auch nicht.

    Der BR hat da nicht mitzubestimmen. Wenn ein MA in Teilzeit geht hat der BR ja auch kein MBR.

  • Hallo Meike,


    es kommt darauf an.

    Ist das Angebot so dass der MA nur für eine gewisse Zeit reduzieren kann und danach gilt wieder die ursprünglich vereinbarte Zeit, so wären wir bei §87 Abs.1 Punkt 3 BetrVG

    ist das Angebot so dass die Reduzierung einmalig erfolgt ohne zeitliche Begrenzung, dann wäre es wohl eher ein Unterrichtungs und Beratungsrecht nach §90 BetrVG und nach §92 BetrVG ggf. kommt auch §92a BetrVG in Betracht.


    Wobei unabhängig wie das Angebot aussieht es sich um eine Versetzung nach §95 Abs.3 BetrVG handeln könnte, hier kommt es allerdings darauf an wie stark sich die Arbeitsbedingungen ändern, welche eine entsprechende Anhörung nach §99 BetrVG nach sich ziehen würde.


    Die Freiwilligkeit bei solchen Angeboten ist gerade im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer nur bedingt gegeben. Was wäre die Konsequenz wenn kein Mitarbeiter das Angebot annehmen würde? Müßte dann Kurzarbeit angemeldet werden oder stünden dann gar Entlassungen bei Euch an? bzw. was wäre wenn alle Mitarbeiter das Maximum der Reduzierung ausschöpfen? Könnten dann noch alle Aufträge erfüllt werden?


    Viele Grüße

    Bernd

  • Muss bei der Einführung eines Systems bei dem freiwillig die Arbeitszeit reduziert werden kann

    Ich frage mich ja gerade, was das für ein System ist, was derartige Folgen hat? Möglicherweise wäre das ja ein Fall für § 111 Ziffer 1 oder 4 BetrVG (Betriebsänderung durch Einschränkung des Betriebes (Ziffer 1) oder Umorganisation (Ziffer 4))?


    Was ich sagen will: ohne weitere Kenntnis ist es schwer bis unmöglich hier eine valide Antwort zu geben. Vieles ist möglich und denkbar, aber nur weniges wird zutreffen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Aus meiner Sicht ja, weil doch die Spielregeln festgelegt werden sollten / müssen

    es um Ausgestaltung der Arbeitszeit geht und für mich hier der § 87 zieht.


    Die Frage die sich doch hierhinter verbirkt, was bezweckt der Arbeitgber hiermit und ist auch allen Klar, was das für Auswirkungen hat.


    Jeder kann doch eh seine Arbeitzeitreduzierung nach dem Teilzeit- und Befristetengesetz jederzeit beantragen.


    Für euch Betriebsräte ist weiterhin wichtig zu schauen, zu welchen Auswirkungen führt das ganze, weiter 100% Arbeit aber freiwillig in nur 90% der Zeit zu erledigen sorgt doch nur für eine Gewinnmaximierung des Arbeitgebers unter Gehaltsreduzierung der Mitarbeiter wenn die reduzierte zeit nicht durch neueinstellungen aufgefangen wird.


    gruß

    rabauke

  • Hallo Meike,


    auf Deine eine grundsätzliche Frage eine grundsätzliche Antwort:

    Die Freiwilligkeit der Mitarbeiter ändert demnach nichts am Mitbestimmungsrecht?

    NEIN !


    Dem AG ist es in mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen grundsätzlich nicht erlaubt, durch "freiwillige" individualrechtliche Vereinbarungen kollektivrechtliche Mitbestimmungstatbestände quasi auszuhebeln.


    Bei dem, was Du schilderst, muß man wahrscheinlich zwei verschiedene Tatbestände trennen.

    Auf die persönliche Entscheidung eines AN, seine Arbeitszeit zu reduzieren, hat ein BR keinen Einfluss, da individualrechtlich.


    Das Regelwerk aber, das abstrakt regelt, wie und unter welchen Umständen evtl. ein AN seine Arbeitszeit reduzieren kann/soll - auch mit einem evtl. "Rückkehrrecht" sowie die evtl. dazugehörigen Regelungen zu Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Lage von Pausen unterliegt grundsätzlich von Anfang an der Mitbestimmung des BR.

  • Die Rechte der Betriebsräte sind erst einmal unabhängig von den Rechten der einzelnen Mitarbeitenden. Manchmal kann der BR auch etwas beschließen, was dem AG und dem einzelnen MA nicht passt, obwohl sich diese einig sind. Eine Reduzierung der Arbeitszeit, die nicht automatisch mit einer Reduzierung der Arbeit einhergeht, bedeutet für alle übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ja ggf. mehr Arbeit. Wenn sich nun neun von zehn Mitarbeitenden bereit erklären, ihre Arbeitszeit um 20% zu senken, dann wird das für den letzten Kollegen oder die Kollegin eher unschön. Aufgabe der Betriebsräte ist nunmal, an alle zu denken, negative Auswirkungen bestmöglich zu vermeiden und dabei immer möglichst gerecht zu sein.

  • Meike , wenn ich es recht verstehe, wird schlicht allen AN ein Angebot zur AV-Änderung (bzgl ArbZ) gemacht, und das kann man annehmen oder nicht? Wo ist da die "Einführung eines Systems"?


    Meine Frage an jene, die bisher geantwortet haben: Wo soll die Mitbestimmung bei arbeitsvertraglichen Reduzierungen individueller Arbeitszeiten denn herkommen? (...und bitte nicht mit § 87 BetrVG daherkommen, da geht es um die Verteilung, nicht den Umfang)


    Imho könnte aber Moritz auf der richtigen Spur sein: Was ist der Zweck, was der Grund dieses Vorgehens?

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Meine Frage an jene, die bisher geantwortet haben: Wo soll die Mitbestimmung bei arbeitsvertraglichen Reduzierungen individueller Arbeitszeiten denn herkommen?

    Hallo Winfried,


    Ich sehe hier auch ein MBR des Betriebsrates.(ich weiss nur noch nicht wie)


    Du hast zwar recht, wenn du sagst, dass eine individuelle Verkürzung der Arbeitszeit nicht dem MBR unterliegt. Dies ist aber m.M.n. Hier aber nicht der Fall.

    Scheinbar möchte der AG durch die Reduzierung der Arbeitszeit für einen gewissen Prozentsatz der Arbeitnehmer Kosten einsparen. Somit ist das kollektiv der Arbeitnehmer betroffen.


    Der 87'er zieht tatsächlich nicht, da es hier nur um die " vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit" geht. Ich würde es wahrscheinlich eher über die Versetzung versuchen.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Markus 1973 ED , da ist das BAG aber anderer Meinung: Die Verlängerung (oder Verkürzung) der Wochenarbeitszeit eines Arbeitnehmers stellt keine Versetzung im Sinne von § 95 Abs 3 BetrVG dar, die der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bedarf. (16. Juli 1991, 1 ABR 71/90)

    Ich sehe hier auch ein MBR des Betriebsrates.(ich weiss nur noch nicht wie)

    Wenn man eine Mitbestimmung sieht, dann kann man sie nicht nur postulieren, sondern muss sie begründen. Das fehlt mir in diesem Thread...


    Ich meine aber, dass Moritz mit dem Verweis auf den §111 BetrVG mögliche Optionen aufzeigt.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo Winfried,


    dein Urteil wurde mittlerweile konkretisiert und in bestimmten Fällen wurde auch ein MBR des BR eingestande. Hierzu eine Besprechung von Haufe. Sollte einer der Mitarbeitenden seine Arbeitszeit um einen Betrag von mehr als 10 Wochenstunden verändern wollen, so gibt es auf alle F´älle ein MBR nach §99 BetrVG.


    Ob jetzt eine Veränderung von weniger als 10 Wochenstunden ein MBR auslösen kann, das wird wahrscheinlich keiner von uns sagen können, da es hier kein entsprechendes Urteil gibt. Bei einer einzelnen Änderung der Arbeitszeit, da sind wir uns einig, da gibt es kein MBR. Ich würde es als BR aber wahrscheinlich schon versuchen. In diesem speziellen Fall geht es ja nicht um einen Einzelfall, sondern um mehrere Mitarbeiter, die auf Initiative des AG die Arbeitszeit verkürzen. Daher gibt es eine Auswirkung auf alle, was das MBR auslösen könnte.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo Markus,


    Du hast aber schon gesehen, daß es im UP um eine Reduzierung der Arbeitszeit geht und das BAG (1 ABR 74/07, 9.12.2008)

    https://lexetius.com/2008,3958

    ein MBR nur für eine Erhöhung und das auch nur unter bestimmten Umständen zugebilligt hat ?


    Und auch das hier

    Ob jetzt eine Veränderung von weniger als 10 Wochenstunden ein MBR auslösen kann, das wird wahrscheinlich keiner von uns sagen können, da es hier kein entsprechendes Urteil gibt.

    stimmt leider nicht.

    Denn gerade im o.a. Urteil hat das BAG, das in einer vorherigen Entscheidung nur allgemein auf § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG (a.F.) Bezug genommen hatte, sich sehr eindeutig auf eine absolute Zahl von 10 Wochenstunden als absolute Untergrenze festgelegt (Rn 20).

    Auch wenn 2019 im § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG die Zahl von 10 auf 20 erhöht wurde, beruft sich die aktuelle Kommentierung weiter auf diese Zahl von 10 Wochenstunden (ErfK, Kania, § 99 BetrVG Rn 6), so daß man weiterhin sehr wohl davon ausgehen kann, daß eine geringere AZ-Erhöhung kein MBR auslöst.

  • Hallo Meike


    kannst du bitte genauer erläutern wie dieses System bei euch aussehen soll?

    Welche Bedingungen erfüllt sein müssen. In welchem Rahmen sich die Arbeitszeit ändern soll? Gibt es Befristungsmöglichkeiten, bzw. ist das Ganze befristet?


    Ich denke wenn wir hier im Forum mehr über die anstehenden Massnahmen erfahren können Wir dir auch besser helfen.


    Viele Grüße

    Bernd

  • Markus 1973 ED , in dem Urteil ging es um Erhöhungen der ArbZ und ab welcher Grenze diese ggf als mitbestimmungsrelevante Einstellungen zu betrachten sind.


    Was das mit Verringerungen und Versetzungen zu tun hat, bleibt Dein Geheimnis...


    Ich weiß bislang von keiner neuen Rechtsprechung bzgl "Arbeitszeitverringerung und Versetzung"

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Markus 1973 ED , in dem Urteil ging es um Erhöhungen der ArbZ und ab welcher Grenze diese ggf als mitbestimmungsrelevante Einstellungen zu betrachten sind.


    Was das mit Verringerungen und Versetzungen zu tun hat, bleibt Dein Geheimnis...


    Ich weiß bislang von keiner neuen Rechtsprechung bzgl "Arbeitszeitverringerung und Versetzung"

    Hallo Winfried,


    wenn ich die Frage richtig verstanden habe geht es um ein System. Also eine Anwendung auf einen oder mehrere Beschäftigte abweichend von den bestehenden Arbeitsvertrag und / oder Tarifvertrag systematisch in die Arbeitszeit aller einzugreifen.

    Wenn es um ein System geht, dann stellt sich bei mit erstmal die Frage ist es nach dem gültigen TV (wenn es denn einen gibt) zulässig. Wenn es denn zulässig ist (wie z.B. im TV reduzierte Vollzeit bei der IGM) schaue ich was dort heirzu geregelt ist. Der TV sieht hier eine Individuelle Anspruchsvoraussetzung vor. Sollte aber nach System auch entschieden werden, wer den Anspruch geltend machen kann und wer nicht, dann kommen wir in die Mitbestimmung.

    Daher auch meine sehr wage Anmerkung.

    Wäre es kein System und würde der Arbeitgeber allen Beschäftigten sagen, weil will kann bei mir ab morgen Teilzeit machen, egal wie, dann wäre die Mitbestimmung (also zu regeln wer es denn nutzen kann und wer nicht) hinfällig.


    Daher ausschließen werde ich die Mitbestimmung nicht, da wir das System nicht kennen.


    Weiterhin gehört Arbeitszeit zum Arbeitsschutz, auch wenn das viele vergessen. Maßnahmen die dem Arbeitsschutz dienen unterliegen jedoch der Mitbestimmung. Eine reduzierte Arbeitszeit ist sicher dienlich für den Arbeitssschutz (von Tägöich 9 auf 7 Runter reduziert die Unfall gefahr) und damit system zur Unfallvermeidung und Minimierung und damit Mitbestimmung (wenn auch durch die Hintertüre)


    Gruß

    rabauke

  • Du hast aber schon gesehen, daß es im UP um eine Reduzierung der Arbeitszeit geht und das BAG (1 ABR 74/07, 9.12.2008)

    https://lexetius.com/2008,3958

    ein MBR nur für eine Erhöhung und das auch nur unter bestimmten Umständen zugebilligt hat ?

    Klar hab ich das gesehen. Aber ich hab genau so gesehen, dass die Urteilsbegründung in der RZ 16 ( II a) auf den Zweck des Gesetzes abstellt: "Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen dient insbesondere den Interessen der schon beschäftigten Arbeitnehmer. Diese sind berührt, wenn der Umfang der bisher vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit eines (teilzeitbeschäftigten) Mitarbeiters nicht unbedeutend erhöht werden soll." Die Interessen der Beschäftigten sind für mich aber auch betroffen (Leistungsverdichtung), wenn die Arbeitszeit in einem nicht unbedeutenden Umfang reduziert wird. Im Einzelfall sind das 10 Stunden. Ob man evtl. auch bei mehreren Reduzierungen von einzeln weniger als 10 Stunden, in Gesamtheit aber wesentlich mehr als 10 Stunden ein MBR hat, wäre mal einen Versuch wert, dass klären zu lassen.


    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Moin Rabauke,


    was die Einführung eines Systems angeht (was auch immer damit hier gemeint ist), da sind wir uns, denke ich, doch weitgehend einig. Die Frage worum genau es in diesem Fall hier geht, ist nun schon mehrfach gestellt worden, nur leider immer noch unbeantwortet.


    Wenn es aber um die (nicht nur vorübergehende) Verringerung der Arbeitszeit geht, so hat jeder einzelne AN hier einen klaren Rechtsanspruch gem. § 8 TzBfG. Aus diesem Grund hat, wenn es um die Verringerung der Arbeitszeit geht, der BR regelmäßig nix mit zu kamellen.


    Was zu der, in der Tat seltsam anmutenden, Konstellation führt, dass der BR u.U. in der Mitbestimmung ist bei der Einführung eines Systems, dass es dem AG ermöglicht hier jedem AN einen Frei-/Spielraum einzuräumen, aber nicht wenn es um die individuelle Inanspruchnahme der Verkürzung der Arbeitszeit geht.


    Bei der Einführung des "Systems" ist der BR klar in der Mitbestimmung, zumal, wenn es u.U. z.B. solche Folgen hat wie: jeder kann seine Arbeitszeit um 3 Wochenstunden verkürzen, aber auch nur, wenn das nicht mehr als x Prozent der AN in Anspruch nehmen, oder die Gesamtsumme der Verkürzungen darf y nicht überschreiten. (Also wann immer das Kollektiv in irgendeiner Form betroffen ist und hier "Spielregeln" festgelegt werden sollen.)

    Der individuelle Rechtsanspruch gem. TzBfG wird damit allerdings regelmäßig nicht berührt!


    Gruß


    Moritz

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo Markus,


    diese Meinung von Dir

    Die Interessen der Beschäftigten sind für mich aber auch betroffen (Leistungsverdichtung), wenn die Arbeitszeit in einem nicht unbedeutenden Umfang reduziert wird.

    wird nun mal nicht durch das BAG-Urteil bestätigt, daß ein MBR bei der Arbeitszeit mit dem Argument der "Einstellung" ausschließlich auf eine Erhöhung von mindestens 10 Wochenstunden begrenzt.


    Wenn es um eine systematische Arbeitsverdichtung geht, dann muß auf andere kollektive Rechtsgrundlagen zurückgegriffen werde, die aber nicht automatisch ein MBR beinhalten wie zB § 90 BetrVG.