Meldung an AG nach Rückkehr aus dem Urlaub

  • Hallo zusammen,


    heute wurde uns zusammen mit der Gehaltsabrechnung folgendes Schreiben ausgehändigt (ich hoffe, man kann es lesen):


    Was den Info-Teil links angeht, scheint mir alles klar zu sein, aber der rot eingerahmte Satz rechts macht mir Kopfschmerzen.


    Ist der AG berechtigt, eine solche Rückmeldung von allen MA zu verlangen?

    Könnte man das analog zur Selbstauskunft sehen, die man als Besucher in manchen Betrieben abgeben muss?

    Da explizit alle MA angesprochen sind, bin ich geneigt einen Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 zu erkennen...


    Der BR ist im Vorfeld nicht informiert worden.

    Wir arbeiten nur noch diese Woche, danach sind zwei Wochen Betriebsurlaub.


    Für eure fundierte Einschätzung wäre ich sehr dankbar!


    Grüße

  • Kurze Gegenfrage: Seid Ihr ein Betrieb, in dem erhöhte Anforderungen an den Gesundheitsschutz bestehen (Krankenhaus, Pflegeeinrichtung, Lebensmittelverarbeitung etc.)?


    Sollte das nicht der Fall sein bewegt sich der AG m.E. nach auf recht dünnem rechtlichen Eis. Aber der Reihe nach:


    Die drei zitierten Absätze stammen aus der bayrischen Quarantäneverordnung. Interessanterweise hat der AG nur die halbe Information kopiert. Es fehlt z.B. der Hinweis, dass man sich nicht in Quaratäne begeben muss, wenn man einen aktuellen PCR Test (nicht älter als 48h vor Einreise) mit Zeugnis des Arztes nachweisen kann (EQV §2 Abs 1).


    Die Aussage, der AN müsse den Aufenthalt in einem Risikogebiet aufgrund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht melden, ist rechtlich umstritten, und wird kontrovers diskutiert. Urteile dazu liegen m.W. nach noch nicht vor. Die IG Metall z.B. verneint eine solche Pflicht, der DGB dagegen bejaht sie.


    Den Verweis auf $275 BGB bzw. §326 BGB ist zwar korrekt, allerdings fehlt hier auch wieder relevante Folgeinformation: Der Arbeitgeber hat als Erfüllungsgehilfe der Behörde eine Entschädigung auszuzahlen, die sich in den ersten 6 Wochen an der Höhe des Verdienstausfalls bemisst.


    Meine persönliche Auffassung ist, dass diese Aufforderung größtenteils überflüssig ist. Es sind doch nur folgende Szenarien denkbar:


    1. Ich war nicht in einem Risikogebiet => Geht den AG nix an, Privatsphäre

    2. Ich war in einem Risikogebiet und habe mich bei meiner Rückkehr nicht testen lassen => Ich muss in Quarantäne und das Gesundheitsamt informieren. In diesem Falle muss ich auch den AG informieren, denn ich bin ja arbeitsunfähig.

    3. Ich war in einem Risikogebiet und habe mich bei meiner Rückkehr testen lassen. Ergebnis: Positiv => Siehe 2.

    4. Ich war in einem Risikogebiet und habe mich bei meiner Rückkehr testen lassen. Ergebnis negativ => Das ist das einzige Szenario, wo eine solche Meldung irgendeinen Sinn ergeben könnte. Nur in diesem Falle würde ich die Meldung abgeben.


    Wenn jetzt der Arbeitgeber mich nicht beschäftigen will, dann ist er im Annahmeverzug und zur Lohnzahlung verpflichtet.


    Was die Frage nach dem §87 Abs. 1 (1) angeht: Mein Gefühl sagt mir ja, das fällt darunter. Aber hierzu haben wir Kollegen mit wesentlich mehr BR-Erfahrung, sodass ich gerne vor allem deren Meinung hören würde.

    Viele Grüße

    Ex-BRV aus Frankfurt

    Einmal editiert, zuletzt von EDDFBR ()

  • Hallo lebenshelfer,


    auch nach meiner Ansicht besteht hier in der Regel eine Mitbestimmung.


    Aus meiner Sicht kann dieses Formular so nicht verwendet werden, und dass würde ich dem Arbeitgeber auch mitteilen.

    beste Beispiel. Spanien, heute noch kein Risikogebiet, somit kann ich da "problemlos" hinreisen. Wenn sich dort die fallzahlen aber weiter entwickeln, wie Sie es in den letzten Tagen getan haben, kann dort im 10 Tage ein Risikogebiet sein.

    Nun komme ich am 11ten Tage wieder kreuze Ja an und bekomme keine Kohle, kann nicht sein.


    ich würde all meine AN informieren, dass dieses schreiben unter §87 Abs. 1 Satz 1 zu fragen und Ordnung im Betrieb gehört und nicht beantwortet werden muss, da mit dem BR hierüber keine Vereinbarung abgeschlossen wurde.



    Aushang am schwarzen Brett und Brief an alle Beteiligte.. fertig


    Natürlich auf der letzten BR-Sitzung vor den betriebsferien das auch noch über einen BEschluss feststellen lassen, dass ihr so verfahren wollt.


    gruß

    rabauke


    PS: bis ihr dann aus dem Urlaub zurück kommt ist der Test eh für jeden verpflichtend, der aus einem Risikogebiet kommt. Das macht unser Gesundheitsminister schon (hoffe ich)

  • § 87 (1) Ziffer 1 BetrVG: aber klar doch.


    Im Übrigen erscheint es mir inhaltlich unlogisch. Im Nein-Fall würde es Sinn machen, die Meldung nur telefonisch oder per Mail abzugeben. Im Ja-Fall (ich war in keinem Risikogebiet) ist diese Einschränkung doch völlig unsinnig.


    Ansonsten sehe ich das wie der Kollege aus Frankfurt auch.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Wie sehen denn die werten Experten Kollegen die Frage der "Treuepflicht des AN gegenüber dem AG" zur Meldung, ob ich in einem Risikogebiet war? Ich finde hierzu äußerst widersprüchliche Aussagen.

  • Kurze Gegenfrage: Seid Ihr ein Betrieb, in dem erhöhte Anforderungen an den Gesundheitsschutz bestehen (Krankenhaus, Pflegeeinrichtung, Lebensmittelverarbeitung etc.)?

    Sind wir.


    Allen schon mal vielen Dank für die Rückmeldungen!



    Natürlich auf der letzten BR-Sitzung vor den betriebsferien das auch noch über einen BEschluss feststellen lassen, dass ihr so verfahren wollt.

    Natürlich war die letzte BR-Sitzung heute morgen und die Schreiben wurden kurz vor der Mittagspause verteilt; zumindest habe ich persönlich meines um diese Zeit bekommen.

    Einige MA befinden sich schon im verlängerten Urlaub.

    Ob diese auch den Schrieb erhalten haben, weiß ich nicht.


    Den Hinweis auf die Mitbestimmung werde ich noch abgeben. Aber erstmal nur an den AG...


    Grüße

  • Soeben habe ich Rückmeldung von der Gewerkschaft erhalten, die besagt, dass das Ganze wohl eine Verfahrensanweisung des Ministeriums ist und dadurch die Mitbestimmung ausgesetzt wurde.


    Belege dafür habe ich schon beim AG angefordert, bin gespannt...


    da könnte das mit der Treuepflicht schon etwas anders aussehen

    Wie gesagt, mit der Treuepflicht habe ich weniger Probleme als mit der Art und Weise, wie uns das wieder untergejubelt wird.


    Grüße

  • Hallo Lebenshelfer,


    das gilt ggf. für die Auskunftspflicht nicht aber für den Entgeltentzug!

    Es kann nach meiner Auffassung nicht sein, dass dir wenn du heute nach Belgien an die Nordsee reist, weil das kein Risikogebiet ist dir in 3 Wochen weil es auf die letzten Tage zum Risikogebiet wurde das Entgelt entzogen wird.


    Gruß

    rabauke

  • Hallo Lebenshelfer,


    desweiteren ist im Einzelfall zu prüfen ob nicht ein Homeoffice Arbeitsplatz während einer möglichen Quarantäne möglich ist.

    Gerade Verwaltungsaufgaben könnten sicherlich auch aus der Quarantäne erledigt werden, daher ist eine Nichterbringung der Arbeitsleistung nicht als pauschal für alle AN gültig.


    Viele Grüße

    Bernd

  • das gilt ggf. für die Auskunftspflicht nicht aber für den Entgeltentzug!

    Es kann nach meiner Auffassung nicht sein, dass dir wenn du heute nach Belgien an die Nordsee reist, weil das kein Risikogebiet ist dir in 3 Wochen weil es auf die letzten Tage zum Risikogebiet wurde das Entgelt entzogen wird.


    desweiteren ist im Einzelfall zu prüfen ob nicht ein Homeoffice Arbeitsplatz während einer möglichen Quarantäne möglich ist.

    Gerade Verwaltungsaufgaben könnten sicherlich auch aus der Quarantäne erledigt werden, daher ist eine Nichterbringung der Arbeitsleistung nicht als pauschal für alle AN gültig.

    Da gebe ich euch vollkommen Recht!


    Auf die Antwort auf die Frage, wie denn bitteschön die „Einreichung direkt vor der Rückkehr in den Betrieb“ ablaufen soll, warte ich noch.

    Ebenso auf die Belege zur Aussetzung der Mitbestimmung.

    Eine Empfehlung des AG-Verbands, die der ganzen Sache zugrunde liegt und die unsere HR gerne mal als Gesetz sieht, hebelt noch lange nicht die Rechte eines BR aus.


    Grüße

  • Also meiner Meinung nach besteht die Quarantänepflicht aus den jeweils gültigen Coronaverordnungen, bei Einreise aus Risikoländer, daher ist der BR aus der Mitbestimmung raus, da der AG nur rechtliche Vorgaben umsetzt.

    Aus der Treuepflicht ergibt sich für mich eigentlich nur die Informationspflicht wenn der AN in Quarantäne ist/muss, bei allen anderen MA die wieder aus dem Urlaub kommen kann er davon ausgehen dass diese nicht in einem Risikogebiet waren.

    Dieser allgemeine Fragebogen für alle MA wiederum geht für mich über das gesetzlich geregelte hinaus und unterliegt daher der Mitbestimmung nach §87 Abs. 1 Punkt 1 und 7 BetrVG

  • Also meiner Meinung nach besteht die Quarantänepflicht aus den jeweils gültigen Coronaverordnungen, bei Einreise aus Risikoländer, daher ist der BR aus der Mitbestimmung raus, da der AG nur rechtliche Vorgaben umsetzt.

    Aus der Treuepflicht ergibt sich für mich eigentlich nur die Informationspflicht wenn der AN in Quarantäne ist/muss, bei allen anderen MA die wieder aus dem Urlaub kommen kann er davon ausgehen dass diese nicht in einem Risikogebiet waren.

    Dieser allgemeine Fragebogen für alle MA wiederum geht für mich über das gesetzlich geregelte hinaus und unterliegt daher der Mitbestimmung nach §87 Abs. 1 Punkt 1 und 7 BetrVG

    Das sehe ich ganz genau so.


    Mein Vorgesetzter konnte mir gerade eben das

    Im Nein-Fall würde es Sinn machen, die Meldung nur telefonisch oder per Mail abzugeben. Im Ja-Fall (ich war in keinem Risikogebiet) ist diese Einschränkung doch völlig unsinnig.

    auch nicht erklären.

    Das Schreiben wurde im Führungsteam ebenfalls nicht besprochen, er war gestern genau so überrascht und verwundert wie ich.


    Grüße

  • Da es sich hier um eine rechtliche Auflage handelt, an die sich der AG zu halten hat, er also diesbzgl gar keinen Handlungsspielraum hat, kann es auch keine betriebliche Mitbestimmung über die Quarantäne an sich geben. Im Übrigen auch nicht über die Lohnfortzahlung, denn die entfällt in der Quarantäne sowieso. Maximal gibt es nach § 56 I IfSG einen Entschädigungsanspruch in Höhe des Nettolohnes - der ist m.W. bei Reisen in Risikogebiete aber umstritten bzw wird dann wohl eher mehrheitlich abgelehnt.


    Maximal über die Art der Meldung des/der AN an den AG wäre evtl nach § 87 I 1 BetrVG zu beraten. Wobei ich bei obigem Beispiel letztlich auch keinen Spielraum sehe, denn der AG fragt nur das ab, was er lt Gesetzeslage verpflichtend wissen muss (Aufenthalt in Risikogebiet in den 14 Tagen vor Arbeitsantritt Ja / Nein).

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

    2 Mal editiert, zuletzt von Fried ()