Elektronische Therapieplanung für die Therapeuten im Krankenhaus, Mitbestimmung?

  • Hallo an Alle,

    in unserem Krankenhaus spielt der AG mit dem Gedanken eine Therapieplanung für die Therapeuten einzuführen. Das bedeutet es wird ein Plan erstellt und jeder Therapeut bekommt morgens einen Ausdruck oder muß es am PC einsehen, welchen Patienten er, wann (genaue Uhrzeit) behandeln soll. Bisher haben die Kollegen nur Bereiche bekommen und konnten dann eigenständig handeln. Aus Sicht aller Therapeuten und auch der therapeutischen Leitung ist dies in unserem Hause auch am praktikabelsten, weil in unserem geriatrischen KH, die Patienten oft aus unterschiedlichen Gründen zu vorbestimmten Zeiten nicht behandelbar sind (Toilettengang, allg. Schwäche, verunreinigt im Bett-> Pflege muß erst ran etc.). Bisher konnten wir als Therapeuten auf solch Sachen reagieren, später nochmal hingehen und einen anderen Patienten vorziehen etc.!Desweiteren arbeiten wir eng mit der Pflege im Haus zusammen, helfen Ihnen bei der Mobilisation, bei Toilettengängen mit schwerstbetoffenen Patienten, diese Flexibilität ginge uns zum Nachteil aller Angestellten und Patienten verloren. Dies wird uns mit der eingeführten Therapie Planung alles nicht mehr möglich sein und wir befürchten, daß der Druck bei vermehrten Therapieausfällen auf uns zurückfällt und wir ständig in Erklärungsnot sind. Die Geschäftsleitung will dies trotzdem einführen und scheinbar damit eine Erhöhung der am Tag durchzuführenden Therapien pro Behandler zu koppeln (Arbeitsverdichtung).

    In unserem Haus wird bereits elektronisch dokumentiert mit einer Software und darüber existiert auch eine BV, die aber den Baustein Therapieplanung bewußt nicht enthält!

    Über Eure Hilfe, welche Rechte wir als BR (ich bin BR und Therapeut) haben die Maßnahme zu verhindern, verzögern etc., würde ich mich freuen!

    Gruß

    Stoffel

  • Hallo,

    es kann doch keinen begründeten Zweifel daran geben, daß die von Dir geschilderte Änderung von A-Z mitbestimmungspflichtig ist gem. § 87 Abs. 1, 2, 6 BetrVG und höchstwahrscheinlich auch den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des § 95 Abs. 3 BetrVG erfüllt.

    Wo ist Euer Problem, Eure Mitbestimmung einzufordern?

  • Hallo,
    danke für die Info, genau ich kann es nicht richtig einordnen! Bin deswegen an einer Präzisierung interessiert! Wenn ich Dich aber richtig verstehe sind wir voll in der Mitbestimmung und ohne BV kann das Vorhaben des AGs nicht umgesetzt werden! Werd die oben von Dir whoepfner, später in Ruhe nachlesen und versuchen es für uns einzuschätzen!
    Danke!
    Grüße
    Stoffel

  • Also bei § 95 (3) BetrVG tue ich mich gerade ein wenig schwer, will aber nicht ausschließen, dass der haltbar ist. (Wie heißt es so schön: es gilt das Schrotflintenprinzip - nur eine(r) muss treffen...)

    Ohne jeglichen Zweifel sind aber die Ziffern des § 87 BetrVG anzuwenden und deswegen ganz klar: volles MBR.

    Taktischer Hinweis: ich würde nie damit argumentieren, dass das alles nicht geht, weil bisher alles anders lief. Es soll ja schließlich geändert werden. Wie sagte mal eine schlauer Mensch zu mir: den AG immer da abholen, wo er gerade steht, ihm den Weg freiräumen und ihn selber in das Chaos stürzen lassen. (Fällt mir gerade so auf, klingt ein bisschen nach Jiu-Jitsu...)

    Gemeint ist, in eurem Beispiel, z.B. zu sagen: bessere Planung? Tolle Idee. Aber reicht das denn, wenn die Therapeuten damit arbeiten? Muss denn (aus den von dir genannten Gründen) das Pflegepersonal nicht auch mit beteiligt sein, damit Patient X auch pünktlich um ... bereit ist? (Spätestens dann sollte sich eure Pflegedienstleitung ebenfalls für das Tool interessieren.)

    Und eben, aus der Praxis, gleich fragen: ja, und was passiert wenn... ? Wie regeln wir das? Und wenn dann ..., was machen wir damit?

    Will sagen: nicht einfach blocken (dann ist der BR lediglich der Spielverderber) sondern sagen: toll, aber wenn das funktionieren soll, brauchen wir doch noch ..., ... und ... (dazu habt ihr die fachliche Ahnung). Und dann sollte der AG selber merken, dass er hier vielleicht ein wenig voreilig war... und dann bremst er selber ;)

    Viel Erfolg!

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • ...auch ich sehe 87 I 6 BetrVG als einschlägig, denn eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ist mit dem Verfahren auf jeden Fall möglich. Eine Versetzung ist das aber keineswegs, und auch die Arbeitszeiten sind nicht betroffen.

    Im Übrigen ist das, richtig angewendet, durchaus praktikabel - ich arbeite selbst in einer Neurologischen Reha mit PatientInnen von Intensiv bis Tagesklinik, also Phasen A bis D, und elektronische Therapieplanung gibt es hier seit ca 6 Jahren. Man muss aber im Prozess z.B. darauf achten, dass Interdisziplinarität sich abbildet (Einbezug der Pflege bei der Planung), oder dass Flexibilität möglich bleibt (Termintausche nach Erforderlichkeit). Eine Arbeitsverdichtung bringt das für sich alleine nicht - die PlanerInnen werden aber bestimmt angehalten werden, "lückenfrei" zu planen.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Edit: Verhindern werdet Ihr das nicht, weil spätestens eine E-Stelle der Installation dieses Systems zustimmen wird. Verzögern könnt Ihr damit, aber was soll das à la longue bringen? Macht Euch mal lieber Gedanken ums GESTALTEN...

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Winfried

    Eine Versetzung ist das aber keineswegs, und auch die Arbeitszeiten sind nicht betroffen.

    Mal so unter uns Erbsenzählern:

    § 95 (3) BetrVG spricht ja auch von einer erheblichen Veränderung der Arbeitsumstände. Ob und in wie weit ein solches Tool reicht, um eine solche Veränderung darzustellen - da habe ich keine Ahnung, weshalb ich ja auch schon skeptisch war, ob das hier anzuwenden ist.

    Zitat von Stoffel1068

    welchen Patienten er, wann (genaue Uhrzeit) behandeln soll

    Damit wären, je nach Umsetzung, auch die Pausenzeiten (mindestens mal) betroffen. Nicht per se, aber denkbar sicher. Und zumindest könnte der BR hier sein MBR einfordern, damit es eben keinen Einfluss hat. Nicht?

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Moritz, nein: Die Therapieplanung hat natürlich die geltenden Arbeitszeiten zu beachten, und das geht auch problemfrei durch die möglichen Voreinstellungen im System. Ich z.B. werde gemäß den Arbeitszeitvereinbarungen und meiner persönlichen 32-h-Teilzeit Montag bis Donnerstag 0800 - 1700 (Therapien dabei 0845 - 1615) mit einer Pausenzeit 1230 - 1330 verplant, eine Kollegin mit 20-h-Teilzeit Montag bis Freitag 0830 - 1230 etc. Bei meinem vorigen AG (wo ich als BRV die Einführung des Systems mitbestimmt habe) waren die ArbZ ebenfalls nicht tangiert.

    Und nochmal nein: Die Art der Verplanung ändert die Arbeitsumstände nicht wesentlich, zumindest nicht per se, auch das ist meiner Erfahrung aus zwei Kliniken, wo ich Implementierung und jahrelange Umsetzung erlebt habe. Auch bei händischer oder Eigenverplanung hat man z.B. nicht die Autonomie, die evtl suggeriert wird, denn die Behandlung hat (rechtlich betrachtet, sprich formal) immer nach ärztlicher Verordnung zu laufen (wobei das unterschiedlich strikt gehandhabt wird, ich und andere TherapeutInnen z.B. sagen den Ärztinnen meiner Station, was wir für eine Verordnung brauchen, und zu 90% machen die das); und wenn Arzt/Ärztin dekretiert, dass jemand 5x wöchentlich z.B. Ergotherapie haben soll, dann hat er/sie 5x wöchentlich Ergotherapie, egal ob digital oder händisch geplant wird.

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  • Hallo,

    je nach konkreten Einzelfallumständen kann das sehr wohl eine relevante Änderung der Arbeitsumstände iSd § 95 Abs. 3 BetrVG sein.

    So gab es zB beim hiesigen Klinikum bei der Einführung einer derartigen komplett fremdgesteuerten Terminplanung einige Bereiche, wo das hiesige ArbG den § 95 Abs. 3 für einschlägig hielt.

  • Dann sagen wir es doch mal so: Der § 87 I 6 BetrVG zieht auf jeden Fall.

    Die Munition des BR darf aber ruhig breit streuen, so dass er zusätzlich dazu ins Felde führen kann, dass er vor Verhandlungen über das System noch umfänglich Informationen vom AG darüber braucht, ob und inwiefern sich Arbeitszeiten (§87 I 1+2) und andere Arbeitsbedingungen (§ 95 III) ändern.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo nochmal,
    danke für die vielen Denkanstöße und rechtlichen Einschätzungen!
    Wir werden versuchen eine für alle Kollegen einen gangbaren Weg zu suchen und den Prozess für unsere MA verträglich zu gestalten. Der 87 6 wird hier aus meiner Sicht eine wichtige Hilfe sein, aber daß Streuen von Munition und die “eher positiv, aber“ Einstellung werden wir auch im Auge behalten!
    Fried, die von Dir ins Feld geführte Eigenverplanung der Therapeuten wirft bei mir eine Frage auf, weil dies etwas sein könnte, was der AG auch im Auge haben könnte, weil aus meiner Sicht die billigste Lösung und nur darum geht es unserem Besitzer, bei minimalen Aufwand, daß maximale aus unsrem Haus rauszupressen und Anlegerbedürfnisse zu befriedigen!
    Ich kenne die Eigenverplanung so, daß es bei einem ehemaligen AG von mir, die Therapeuten Morgens zusammen an einer großen Tafel, die Therapien der Patienten selbst terminierten und die Sachen, wer wann wo eigenständig in Einklang brachten!
    Dies wurde damals wegen Datenschutzbedenken eingestellt, da diese Tafel nicht statthaft war!
    Kannst Du mir vielleicht dazu etwas sagen, falls Du Erfahrung damit hast!
    Ich danke Euch nochmal!
    Gruß
    Steffel

  • Zitat von Stoffel68

    Ich kenne die Eigenverplanung so, daß es bei einem ehemaligen AG von mir, die Therapeuten Morgens zusammen an einer großen Tafel, die Therapien der Patienten selbst terminierten und die Sachen, wer wann wo eigenständig in Einklang brachten!

    Dies wurde damals wegen Datenschutzbedenken eingestellt, da diese Tafel nicht statthaft war!

    Das ist wieder so einer der Fälle, wo, anstatt sich Gedanken zu machen, wie man das sinnvoll löst, gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde.

    Es hätte vollkommen gereicht die Patientendaten durch eine Nummer zu ersetzen, so dass alle sehen können: ja, kann ich - passt vom Zeitrahmen - übernehme ich, um dann in einem zweiten Schritt erst Name etc. pp zu erfahren, nicht?

    Aber gut, das ändert ja nix mehr, fiel mir nur gerade so auf/ein.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!