Individual- oder Kollektivrecht?

  • Guten Morgen zusammen,

    zwei MA wurde ein anderer, früherer Arbeitsbeginn zugestanden. Nun sind wir uns im Gremium uneinig. Ich sage, das betrifft unsere Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Kollege sagt, da es mit jedem MA einzeln ausgemacht wurde, wäre es Individualrecht.

    Was stimmt?

    LG

    Christine

  • Habt Ihr eine BV zur Arbeitszeit?

    Habt Ihr dort einen Arbeitszeitrahmen oder feste Arbeitszeiten festgelegt?

    Wenn die Mitarbeiter unter den Geltungsbereich der BV fallen, geht eine Änderung auch im Einzelfall nur in Absprache mit dem BR.

  • Nicht mitbestimmungspflichtig ist es nur, wenn es sich um individuelle Umstände handelt. Bei 2 MA würde ich es schon als kollektiven Tatbestand sehen. Erst recht, wenn es bei den MA nicht durch besondere Umstände begründet ist.

    Die Frage wäre also, was ist der Grund und würde der nicht auch auf andere MA zutreffen.

    Gruß, Carsten

  • die Arbeitszeit ist grundsätzlich Mitbestimmugnspflichtig.

    Ausnahme ist das Individualrecht, wobei sich hier die frage stellt, was wurde genau zugestanden und wie wird dieses erfasst.

    Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, wenn mit jeden einzeln etwas anderes vereinbart wurde und dieses auch noch unterschiedlich (also a fängt um 5:30 uhr an und B um 4 Uhr) dann seit ihr als BR aussen vor. Wenn aber die neuen Anfangszeiten für beide gelten, dass ist das kollektiv betroffen udn ohne eure Zustimmung geht da nichts.

    gruß

    rabauke

  • Hallo,

    es wäre auch Kollektivrecht, wenn der AG dass nur mit einem/einer AN vereinbart.

    Wenn Ihr eine BV zur ArbZ habt, kann und darf der AG NICHT EINE EINZIGE davon abweichende individuelle Vereinbarung treffen, da die BV als höherrangiges Recht auf die Einzelarbeitsverhältnisse unmittelbar und zwingend wirkt.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Winfried:

    Hallo,

    es wäre auch Kollektivrecht, wenn der AG dass nur mit einem/einer AN vereinbart.

    Wenn Ihr eine BV zur ArbZ habt, kann und darf der AG NICHT EINE EINZIGE davon abweichende individuelle Vereinbarung treffen, da die BV als höherrangiges Recht auf die Einzelarbeitsverhältnisse unmittelbar und zwingend wirkt.

    hallo Winfried,

    da muss ich dir leider widersprechen.

    Wenn ein Mitarbeiter sich auf das teilzeit und befristetengesetz beruft und teilzeit beantragt so werden hier sicher individuelle Lösungen durchgeführt und die sind rechtens und können nicht abgelehnt werden weil es eine BV zur 35 Stundenwoche in Gleitzeit gibt. Wenn der MA nun 34 Stunden arbeiten will, dann hat er eine Individuelle AZ.

    Gruß

    Rabauke

  • da übersiehst du aber den § 8 Nr. 4 TzBfG

    Der Rechtsanspruch gilt für eine Verringerung des Arbeitszeit.

    Der Anspruch filt nicht auf eine bestimmte VErteilung der AZ auf bestimmte Stunden.

    Die sind noch immer Mitbestimmungspflichtig gem § 87 BetrVG!

  • Zitat von Ohadle:

    da übersiehst du aber den § 8 Nr. 4 TzBfG

    Der Rechtsanspruch gilt für eine Verringerung des Arbeitszeit.

    Der Anspruch filt nicht auf eine bestimmte VErteilung der AZ auf bestimmte Stunden.

    Die sind noch immer Mitbestimmungspflichtig gem § 87 BetrVG!

    stimmt, aber daraus entsteht keine Mitbestimmung des BR nach §87BetrVG, maximal nach § 99 BetrVG!

    § 8 Abs 2 letzter Satz,AN soll die Wünsche der Verteilung benennen

    § 8 Abs 3 letzter Satz AG legt mit AN die Verteilung fest (und auch hier steht nichts vom BR und Mitbestimmung)

    § 8 Abs. 4 sagt lediglich, wenn er AG nicht will und das gut begründet, dann gibt es keine Teilzeit in den gewünschten Umfang.

    Auch hier steht nichts von Mitbestimmung des BR, damit gilt immer noch nicht § 87 BetrVG

    und das ist auch gut so.

    Ich stelle mir vor, jemand will Teilzeit machen, der AG ist einverstanden, Organisatorisch spricht nichts dagegen. Technische Lösung vorhanden um einen Mehraufwand der verbleibenden Beschäftigten zu verhindern, und der BR sagt, nö, hier gilt die Mitbestimmung und bei uns gibt es keine Teilzeit weil wir das nicht wollen und dazu keine Betriebsvereinbarung nach §87 haben. Solange der Arbeitgeber mit uns dazu keine BV abschließt, in dem jedes Teilzeitprofil incl. der lage der Pausen und der Lage der AZ regelt kann es bei usn keine Teilzeit geben. Wo kämen wir denn da hin???? Der BR kann AN Recht verhindern????

    Bei uns arbeiten rund 15% der Beschäftigten in Teilzeit und das mit jeweils einem eigenen Arbeitszeitprofil von 8 Stunden die Woche in Einzelfällen bis max 32 Stunden die Woche in Einzelfällen, mit festgelegten individuellen Arbeitszeiten. Der BR soll also zu jeder Arbeitszeit eine eigene BV machen, weil da der §87 BetrVG gilt? Beginn, Ende der AZ Lage der pause etc? allein für die Teilzeiter derzeit 100 verschiedenes Arbeitszeitprofile, die bei uns im System sind sollen wir regeln?

    Ich weis nicht woher du das nimmst, und wenn ihr damit eure Zeit verbringt, prima, aber einen Rechtsanspruch sehe ich hier nicht und auch die Zeit dazu haben wir nicht. Da müßten wir ja monatlich mindestens 1 neue Regelung machen, weil mindestens einer seine Arbeitszeit verändert.

    Das ihr als BR hier einen Mitbestimmung nach § 99 habt, da bin ich mit dir einig, also z.B. der Arbeitszeitreduzierung zuzustimmen. Denn hiebei kann es ja zu überlastung der verbliebenen Personen und damit zu nachteile dieser kommen, wenn kein ausgleich hierfür geschaffen wird. Aber Mitbestimmung nach § 87 never ever

    Gruß

    rabauke

  • Doch, Rabauke: Sollen andere Arbeitszeiten als die in der BV vereinbarten eingeführt werden, MUSS der BR mitbestimmen.

    Sinnvollerweise vereinbart man in einer BV flexible und damit praktikable Regeln, z.B. ArbZ-Korridore, um nicht jede einzelne Regelung/Abweichung abstimmen zu müssen. Oder man macht einen Anhang zu einer generellen BV, in den man einzelne ArbZ übernimmt (und den man schnell ergänzen kann - eine neue Arbeitszeit pro Monat beschreibst Du als Überforderung des BR, echt jetzt?)

    Nein, Rabauke: Arbeitszeiten eines/einer AN haben regelmäßig Auswirkungen auf die Arbeitszeiten anderer AN und damit Kollektivbezug; wenn z.B. eine AN "individuell" Nachtarbeit ausschließt, müssen andere öfter in der Nacht ran. "Interessen des einzelnen Arbeitnehmers mit Blick auf die Verteilung seiner Arbeitszeit können regelmäßig nicht ohne Rückwirkung auf die Interessen der anderen Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber durchgesetzt werden. Weitere Beispiele für kollektive Auswirkungen sind etwa eine erforderlich werdende Änderung der Arbeitszeit anderer Mitarbeiter oder eine zu erwartende Arbeitsverdichtung. Die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer untereinander auszugleichen und gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen, ist dabei die originäre Aufgabe des Betriebsrats." (https://www.haufe.de/personal/…sk_PI42323_HI1277328.html)

    Und schließlich, Rabauke, das BAG ist anderer Meinung als Du: "1. Hat die Arbeitszeitverteilung eines einzelnen Arbeitnehmers Auswirkungen auf das kollektive System der Verteilung der betriebsüblichen Arbeitszeit, kann eine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Neuverteilung seiner Arbeitszeit nach § 8 Abs. 2 bis 5 TzBfG entgegenstehen. 2. Der Betriebsrat hat bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darauf zu achten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit gefördert wird. Diese allgemeine Aufgabe des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BetrVG führt nicht notwendig zum Vorrang der Interessen des einzelnen Arbeitnehmers, der Familienpflichten zu erfüllen hat. Den Betriebsparteien steht bei der Abwägung der Einzel- und Kollektivinteressen ein Beurteilungsspielraum zu." (BAG, Urteil vom 16. 12. 2008 – 9 AZR 893/07)

    Und nun wirklich, Rabauke: §99 ist nicht Dein Ernst? Das hat das BAG schon vor gefühlt 100 Jahren gegenteilig entschieden: 16.07.1991 - 1 ABR 71/90. "Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers stellt keine Versetzung (...) dar, die der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bedarf. Eine Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, ist noch keine Versetzung, wenn kein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird. Auch Sinn und Zweck der Beteiligung des Betriebsrats an Versetzungen nach § 99 BetrVG erfordern nicht, in einer bloßen erheblichen Veränderung der Lage der Arbeitszeit eine Änderung des Arbeitsbereichs und damit eine zustimmungspflichtige Versetzung zu sehen. Die Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit können durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ausreichend zur Geltung gebracht werden." (https://www.haufe.de/personal/…sk_PI42323_HI1277328.html)

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • hallo Winfried,

    danke für deine Ausführungen.

    Diese stimmt mich sehr nachdenkich, weil die Lage und verteilung der AZ genau das ist, was der AN bei seiner Teilzeit (Reduzierten Vollzeit nach TV) beantragen muss.

    Wenn sich nun AN und AG darauf einigen, wie soll der BR dann in einer BV mit der Festlegung der Lage der AZ und Pause von dieser Einigung abweichen können?

    wir haben hier wie gesagt 20% der Beschäftigten mit individuellen AZ-Profilen auf Grund von verschiedenen Teilzeit / reduzierten Vollzeit-Modellen. jedes Modell in eine BV packen halte ich für sehr komplex.

    Gruß

    Rabauke

  • Hallo.

    Der AG kann und darf sich halt mit dem/der AN nicht auf ein ArbZ-Modell einigen, das einer BV widerspricht, ohne den BR vorher zu beteiligen.

    Ich sehe aber das Problem nicht: Natürlich kann es Szenarien geben, in denen wegen einer kollektivrechtlichen Regelung individuelle Wünsche tatsächlich nicht erfüllbar sind. Das wird dann gute Gründe haben (müssen).

    Man kann doch aber, wie gesagt, BVen abschließen, die einen Rahmen setzen, innerhalb dessen unterschiedliche Arbeitszeitverteilungen möglich sind; und man kann darüber hinaus ArbZ ausserhalb dieses Rahmens prüfen und ggf in einem Anhang zur BV vereinbaren.

    Für meine Abteilung z.B. gilt ein Gleit- und Kernzeitzeitmodell Montag - Freitag, ich als Teilzeitler mit 32 von 38.5 Wochenstunden bin da aber nur Montag bis Donnerstag drin. Geht.

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)