Einsichtnahme in die Lohn- u. Gehaltslisten / Aktuelles Verfahren vor dem BAG

  • Hallo zusammen,

    der BR verlangt Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten um Überprüfen zu können, ob einzelne Mitarbeiter diskriminiert werden.

    Der AG möchte aber nur anonymisierte Informationen liefern. Zwar hat das LAG Niedersachsen bereits entschieden, dass der BR einen Anspruch auf eine Einsicht in nicht-anonymisierter Form hat; der AG beruft sich aber nun auf das aktuell noch anhängige Verfahren vor dem BAG - 1 ABR 44/18

    Kann der AG nun mit Verweis auf das anhängige Verfahren die Auskunft in nicht-anonymisierter Form verweigern oder könnte er dies erst, wenn das BAG die Entscheidung des LAG kippt?

  • Zitat von SweBR

    Kann der AG nun mit Verweis auf das anhängige Verfahren die Auskunft in nicht-anonymisierter Form verweigern oder könnte er dies erst, wenn das BAG die Entscheidung des LAG kippt?

    KÖNNEN schon. Aber KÖNNEN ist nicht gleich DÜRFEN. Ich behaupte mal aus dem Bauch raus, das Ihr mit dem Beschluss des

    LAG Niedersachsen, 22.10.2018 - 12 TaBV 23/18

    ein starkes Argument habt, Eueren Anspruch durchzusetzen. Auch das

    LAG Hamm, 19.09.2017 - 7 TaBV 43/17 - dejure.org

    NRWE (Rechtsprechungsdatenbank NRW)

    hat in einem gleichgelagerten Fall zugunsten des BR entschieden. Die Rechtsbeschwerde wurde vom LAG Hamm zwar zugelassen, ist jedoch von der dortigen AG'in nicht betrieben worden. Die Entscheidung des LAG Hamm ist daher rechtskräftig

  • Hallo,

    praktisch gesehen müßtet Ihr aber den AG verklagen, wenn er sich weigert. Im Endeffekt ist dann aufgrund des vorm BAG anhängigen Verfahren eine einstweilige Verfügung relativ aussichtslos und auch das Hauptsacheverfahren würde vom ArbG mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zur Entscheidung des BAG (die mW noch nicht terminiert ist) ausgesetzt werden.

  • Leider ist ja bei dem von Iwan genannten Urteil aus Niedersachsen noch das Berufungsverfahren anhängig und somit noch nichts höchstrichterlich entschieden, was die DSGVO angeht.

    Aber hier ist auch noch ein aktuelles BAG-Urteil (leider noch BDSG) das dem Betriebsrat ein Einsichtsrecht in die nicht anonymisierten Listen zuspricht: 1ABR53/17 vom 07.Mai 2019

    LG Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Zitat von whoepfner:

    praktisch gesehen müßtet Ihr aber den AG verklagen, wenn er sich weigert. Im Endeffekt ist dann aufgrund des vorm BAG anhängigen Verfahren eine einstweilige Verfügung relativ aussichtslos...........

    Da wäre ich mir nicht so sicher. Denn immerhin ist die Entscheidung des LAG Hamm rechtskräftig. SweBR und Kollegen berufen im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eben NUR und AUSSCHLIEßLICH auf diese LAG Hamm-Entscheidung. Meiner Auffassung nach wird es dem AG überhaupt nichts nützen, sich darauf zu berufen, dass gegen die Entscheidung

    LAG Niedersachsen, 22.10.2018 - 12 TaBV 23/18

    Rechtsbeschwerde eingelegt wurde.

  • Hallo Iwan,

    die sich die Entscheidung des LAG Hamm ausdrücklich auf die alte Rechtslage bezieht und das BAG in Hinblick auf die DSGVO einen ähnlichen Fall ausdrücklich wieder zur Entscheidung angenommen hat, wird Dir eine Bezugnahme nur auf das Urteil aus Hamm von 2017 nichts helfen.

    Eine derartige Rosinenpickerei ist schlicht und ergreifend nicht zulässig.

  • Mal so unter uns, wir verklagen den Arbeitgeber nicht, wir stellen Anträge beim Arbeitsgericht LAG oder BAG. Wir bekommen auch keine Urteile sondern Beschlüsse. Der Unterschied ist auch nicht so marginal, wie er vielleicht auf den ersten Blick erscheint.

    Weiterhin kann sich der AG absolut immer auf einen anderen Rechtsstandpunkt stellen und den BR somit dazu zwingen das Arbeitsgericht entscheiden zu lassen.

    Mir fällt auch keine richtige Begründung für einen einstweiligen Rechtsschutz bezüglich der Einsichtnahme in Bruttolohn- und -gehaltslisten ein. Das wäre meiner Einschätzung nach eine Vorwegnahme der Hauptsache und somit unzulässig. Der BR wird sich schon bis zur gerichtlichen Entscheidung gedulden müssen - und das kann dauern (wir haben seit Juni 2018 ein BV vorm ArbG geführt, am 01.08. diesen Jahres endlich einen Beschluss bekommen, gegen den aber der AG Beschwerde eingereicht hat - wir sind somit ebenfalls vor dem LAG mit der gleichen Sache). Lediglich die Begründung des Antrags wird für den BR deutlich einfacher, wenn das BAG endlich mal aus der Hüfte gekommen ist.

    Viele Grüße

  • Zitat von Kulum

    Lediglich die Begründung des Antrags wird für den BR deutlich einfacher, wenn das BAG endlich mal aus der Hüfte gekommen ist.

    genau, und schneller gehts dann im Normalfall auch noch, weil das LAG keine Revision zulassen würde, wenn das BAG schon entschieden hat.

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Vielen Dank für die vielen Antworten. Da werden wir uns wohl bis zur Entscheidung des BAG gedulden müssen.

    Welche Form muss den eine anonymisierte Gehaltsliste aufweisen wenn keine Namen genannt werden (dürfen).

    Eine bloße Aufstellung einzeln gezahlter Gehälter ist ja nicht hilfreich. Muss zumindest die Stellenbezeichnung angegeben werden, so dass man die Gehälter selbst zuordnen kann oder müssen ggf. auch Geschlecht, Alter und Betriebszugehörigkeit angegeben werden?

  • Hallo Swe BR,

    habt ihr Eingruppierungsrichtlinien? Gild ein Tarifvertrag?

    DAnn müsste die Einguppierung (Stufe) angegeben werden und ihr könnt prüfen ob z.B. alle in Gruppe 7 mindestens das Tarifeentgelt bekommen, wenn ihr Sonderzahlungen für einzlene findet Fragen wofür und wieso.

    Angaben ob es sich um männlihc oder Weiblich handelt müssen auch angegeben werden, sonst könnt ihr ja prüfen ob gleich bezahlt bei gleichen Einstufung.

  • was ist dann mit diesem Urteil?

    BAG 07.05.2019, Az.: 1 ABR 53/17

    Amtlicher Leitsatz

    Die Berechtigung des Betriebsausschusses oder eines nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschusses gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen, ist nicht auf anonymisierte Listen beschränkt.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Zitat von rtjum

    was ist dann mit diesem Urteil? BAG 07.05.2019, Az.: 1 ABR 53/17

    Hallo rtjum,

    dass ist das Urteil, dass auch ich schon zitiert habe, allerdings geht es hier noch um das alte Datenschutzgesetz und nicht um die neue DSGVO. Diese wird zwar im Urteil einige male zitiert, aber es ging eben nicht darum.

    Trotzdem würde ich als BR dem AG das Urteil auf den Tisch knallen und hoffen, dass er sich das Urteil nicht zu genau durchliest.

    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Zitat von SweBR

    Vielen Dank für die vielen Antworten. Da werden wir uns wohl bis zur Entscheidung des BAG gedulden müssen.

    Meiner Auffassung nach ist dies nicht zwingend. Denn selbst wenn die Rechtsbeschwerde beim BAG anhängig ist, hindert dies das Arbeitsgericht nicht daran, eine Entscheidung unter Berufung des Beschlusses des

    LAG Niedersachsen, 22.10.2018 - 12 TaBV 23/18

    zu teffen. Meiner Auffassung nach ist diese Entscheidung sorgfältig und stichhaltig begründet, sodass sie einer Rechtsbeschwerde vermutlich standhalten wird.

    Das Arbeitsgericht könnte möglicherweise im Wege eines Aussetzungsbeschlusses das Verfahren ruhen lassen.

  • Hallo Markus,

    wenn ich mir die RN29 der Begündung anschaue:

    4. Die erstrebte Einsicht in die bei der Arbeitgeberin vorhandenen Listen mit einer namentlichen Nennung der Arbeitnehmer als Bezieher des jeweiligen Bruttoentgelts verbietet sich auch nicht in Ansehung der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO) und des durch das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) vom 30. Juni 2017 geänderten Bundesdatenschutzgesetzes – BDSG – (BGBl. I S. 2097). Die streitbefangene Einsichtnahme ist zwar auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten gerichtet. Diese ist aber zulässig.

    dann mache ich mir da keinen Kopf für die Zukunft und würde genau das machen, was Du gesagt hast, dem AG das Urteil um die Ohren hauen.

    Nicht die Dinge sind positiv oder negativ, sondern unsere Einstellung macht sie so. (Epiktet, gr. Philosoph)

  • Zitat von rtjum

    dann mache ich mir da keinen Kopf für die Zukunft

    ich ja auch nicht, da würde ich mehrere Jahresgehälter darauf verwetten, dass das BAG zu gunsten des BR entscheidet. Ich sehe keinen Grund, dass das BAG seine bisherige Rechtssprechung zu dieser Fallgestaltung ändern sollte.

    Ich denke eher, dass die neue DSGVO dem BR in dieser Hinsicht noch mehr Rechte einräumt, als vorher.

    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Zitat von Markus 1973 ED

    ich ja auch nicht, da würde ich mehrere Jahresgehälter darauf verwetten, dass das BAG zu gunsten des BR entscheidet.

    Ich bin zwar komplett deiner Meinung, wetten würde ich trotzdem nicht. Vor Gericht und auf hoher See ...

    Ich bin fast vom Glauben abgefallen, als das BAG seinerzeit mal eben so die Anwendung der Ausschlussfrist aus dem BGB auf §14 Abs.2 TzBfG beschlossen hat. 2018 zum Glück ja vom BVerfG wieder kassiert, aber dennoch kommt auch das BAG hin und wieder zu sehr merkwürdigen Entscheidungen.

  • Zitat von SweBR

    Welche Form muss den eine anonymisierte Gehaltsliste aufweisen wenn keine Namen genannt werden (dürfen).

    Eine bloße Aufstellung einzeln gezahlter Gehälter ist ja nicht hilfreich. Muss zumindest die Stellenbezeichnung angegeben werden, so dass man die Gehälter selbst zuordnen kann oder müssen ggf. auch Geschlecht, Alter und Betriebszugehörigkeit angegeben werden?



    Prinzipiel müssen alle Merkmale enthalten sein welche für eine Überprüfung des Zweckes nötig sind.
    Wahrscheinlich ergibt sich dann der nächste Streitpunkt wegen dem Thema was alles benötigt wird um den Zweck zu erfüllen.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Hallo zusammen,


    zwischenzeitlich hat die GF angeboten, die Lohn- und Gehaltslisten unanonymisiert zu liefern.


    Das datenschutzrechtliche Risiko basierend auf dem aktuell anhängigen Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht würde man dann "auf die eigene Kappe" nehmen.


    Bedingung seitens der GF: Der BR soll eine Betriebsvereinbarung unterschreiben, dass Team- und Abteilungsleiter als "Leitende Angestellte" gelten und somit nicht in den Geltungsbereich des BR fallen würden; tatsächlich haben sich auch einige dieser Mitarbeiter dagegen ausgesprochen, dass der BR für sie zuständig sei.


    Einige BR-Mitglieder hegen nun den Verdacht, dass es auf der Ebene der sog. "Leitenden Angestellten" irgendetwas zu "verstecken" gibt. Beispielsweise gab es in 2019 bei den Löhnen- und Gehältern aufgrund der Geschäftsentwicklung eine Nullrunde. Einige Mitglieder des BR-Gremiums hegen nun den Verdacht, dass u.a. deshalb für die "kleinen" Mitarbeiter kein Geld da sei, weil "oben" bei den Gehältern mit Geld rumgeworden wird - soll heißen: Die "Führungsgehilfen" bekommen ständige Gehaltserhöhungen während der kleine Mitarbeiter an der Maschine leer ausgeht.


    Man überlegt nun die Einigungsstelle einzuschalten, um auch an die Gehaltslisten der "Leitenden Angestellten" zu kommen.


    Mir stellt sich jetzt folgende Frage für die Praxis: Angenommen, der Arbeitgeber wird nach einem ellenlangen Gerichtsverfahren dazu verurteilt, die Gehälter der "Leitenden Angestellten" dem BR zur verfügung zu stellen. Dadurch stellt sich heraus, dass diese Mitarbeitergruppe regelmäßig eine Gehaltserhöhung von 10.000 EUR p.a. erhält während es für die "kleinen" Mitarbeiter nichtmals einen Inflationsausgleich gibt.


    Die Erkenntnis ist dann ja gut und schön, aber kann der Arbeitgeber denn nicht eben halt so entscheiden indem er sagt: Den kleinen Mitarbeiter an der Maschine kann ich jederzeit ersetzen, wenn mir meine Führungsgehilfen weglaufen habe ich aber ein Problem. Also pamper ich diese Leute lieber und dafür gibt es für die anderen halt nichts...


    Das Unternehmen ist nicht tariflich gebunden und es gibt auch keine Entgeldgruppen. Alles sind Einzelverträge und die Gehälter werden frei verhandelt.


    Mir erschließt sich gerade der Sinn nicht, wegen dieses Themas in den Krieg zu ziehen oder sehe ich da was falsch?