Ladung Ersatzmitglieder und die "neue Rechtsprechung"

  • Guten Morgen zusammen,

    ich war ehrlich gesagt etwas überrascht als ich den Beitrag aus dem newsletter bezüglich der nachladung von Ersatzmitgliedern gelesen habe. Wir haben es in der Vergangenheit so gehandhabt, dass wir es wirklich nur bei sehr kritischen Fällen die organisatorisch nicht anders zu lösen waren(Kunden/Zertifizierungsaudit, Kundenbesuch, Inventur etc.) Ersatzmitglieder nachgeladen haben, wenn das reguläre BRM sich aufgrund von Arbeit abgemeldet hat.

    Durch das Urteil scheint die Schwelle ja etwas gesunken. Wie seht/handhabt ihr das?

  • Dies könne im Einzelfall auch dann der Fall sein, wenn das Betriebsratsmitglied in seiner Stellung als Arbeitnehmer unabkömmlich sei, weil die geschuldete Arbeitsleistung unbedingt sofort erbracht werden müsse.

    LAG Hamm, Beschluss vom 08.12.2017, 13 TaBV 72/17

    Wie die Entscheidung des LAG Hamm zeigt, ging es im dortigen Verfahren um einen Einzelfall. Wie die Entscheidung meiner Auffassung nach weiterhin zeigt, ist die Abwägung zwischen Amts- und Arbeitspflicht immer einzelfallbezogen. Demnach hat die Arbeitspflicht des BRM'des nur bei dringenden betrieblichen Erfordernissen gegenüber der BR'tätikeit Vorrang

  • Hallo zusammen,

    hab mir mal das Urteil durchgelesen.

    @ Lockerflockig: schaut nicht so aus als könnte es wieder einkassiert werden. Die Revision wurde nicht zugelassen.

    @ Iwan: Das Gericht hat m.E. haupsächlich gerügt, dass der BRV berprüfen hätte müssen, ob die Verhinderung tatsächlich bestand oder ob das Fernbleiben unrechtmäßig war. Das macht es künftig echt komliziert, wenn du 5 oder 10 Minuten vor Sitzungsbeginn noch schaun musst, ob es eine Tatsächliche Verhinderung war oder nicht. Bei uns kommt es öfters vor, das ein BRM kurz vor der Sitzung anruft und meint, er müsse arbeiten. Außerdem kann man sich dan kurz vor knapp auch noch um den richtigen Ersatz kümmern. Und das in einem Schichtbetrieb, na super. So wirds dem AG ganz schön leicht gemacht, Beschlüsse anzufechten. Ich weiß nicht, was sich die Richter bei solchen (in meinen Augen realitätsfremden) Urteilen denken.

    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Hallo.

    Es wäre interessant zu wissen, ob gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt wurde, und wenn ja, wie das BAG darüber entschieden hat. Das LAG hielt die Frage interessanterweise nicht für grundsätzlich, aber es wäre durchaus möglich, dass das BAG das anders sieht.

    Ich persönlich habe Probleme, das Urteil einzuordnen. Einerseits überrascht es nicht, weil eine Verhinderung wegen unaufschiebbaren Arbeitsanfalles in Ausnahmefällen tatsächlich möglich ist und man daher nicht immer von Vornherein von einem pflichtwidrigem Fernbleiben des BRM ausgehen kann. Andererseits ist es schlicht kontrafaktisch, davon auszugehen, dass ein BRM, dass sich wegen Arbeit als verhindert sieht, in der Regel pflichtgemäß handelt.

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Zitat von Markus 1973 ED

    Das macht es künftig echt komliziert, wenn du 5 oder 10 Minuten vor Sitzungsbeginn noch schaun musst, ob es eine Tatsächliche Verhinderung war oder nicht. Bei uns kommt es öfters vor, das ein BRM kurz vor der Sitzung anruft und meint, er müsse arbeiten.

    Ich sehe dies nicht so. Ein EM ist nur dann zu laden, Wenn ein BRM zB wegen Krankheit, Urlaub, Seminar, oder eben unaufschiebbare Arbeiten aus dringenden betrieblichen Erfordernissen tatsächlich verhindert ist.

    Wenn jedoch ein BRM kurz vor der Sitzung anruft und meint, er müsse arbeiten, weil er vielleicht keinen Bock hat an der Sitzung teilzunehmen, ist dies ein Indiz für eine groben Amtspflichtverletzung.. Das BRM kann hierfür vom BR abgemahnt werden.

    Es ist meiner Auffassung nach jedenfalls kein EM zu laden

  • Ich sehe jetzt in der "neuen Rechtssprechung" nicht wirklich etwas neues.

    Das Problem einer ordnungsgemässen Nachladung ist ja schon alt bzw. älter.
    Da besteht und Bestand immer das Risiko nicht ordnungsgemäss nachzuladen und dann einen ungültigen und anfechtbaren Beschluss zu fassen.

    Es hilft nur die Gründe und die Grundlagen für die Nachladung von Ersatzmitgliedern klar zu dokumentieren und die Gründe für die Entscheidung auch zu dokumentieren.

    Wenn A 15 Minuten vor der BR Sitzung absagt weil .... und das ein valider Grund ist ich aber das nächste Ersatzmitglied B zwar noch erreiche allerdings gerade 500 km entfernt am anderen Standort und B deshalb sagt er ist auch verhindert ist die die Ladung von C am Standort vielleich doch korrekt wenn C kurzfristig vorbeikommen kann.
    Kann natürlich auch sein das B die 500 km nicht mehr schaft aber deshalb auch C nicht nachgeladen werden darf. Weil mir die Entfernung kein Argument liefert für C.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • @ iwan: so haben wir es bis dato auch gehandhabt. Aber wenn ich mir das Urteil so durchlese ist es eben so, dass du als Vorsitzender überprüfen musst ob er nur "keinen Bock" hat oder ob er tatsächlich verhindert ist.(die wenigsten BRM werden mit dieser Info freiwillig rausrücken) Zumindest dann, wenn Anzeichen für keine echte Verhinderung bestehen. Ansonsten ist ein ERsatzmitglied zu laden.

    suppenkasper: Du hast schon Recht, absolut neu ist das Thema nicht. Aber ich glaube, dass es in den meisten Gremien bis jetzt zu lasch gehandhabt wurde, wenn jemand anruft und sagt er müsse arbeiten. Auch bei uns lief es meist so, dass eher Unlust unterstellt wurde und deshalb kein Ersatzmitglied eingeladen wurde. Wenn es öfter vorgekommen ist hat man dann eben mit dem BRM geprochen und ihn auf seine Amtspflicht hingewiesen, aber das kam nur ein oder zwei mal vor in den letzen vier Jahren.

    LG

    Markus

    "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind" Aristide Briand

  • Markus,

    bei uns wurde das von 2006 - 2014 das ganze schon sehr streng gelebt mit dem Nachladen. Vor allem wenn die Ersatzperson nicht konnnte. Dann wurde die nächste Ersatzperson in der Kette nicht weiter nachgeladen.

    Heute wird das ganze viel lockerer gehandhabt. Also auch tollieriert wenn Termine in der Arbeit wichtiger als Ehrenamt bewertet wurde.

    Im Grunde kann der BRV ja nichts gewinnen. In den Fällen wo er korrekt nachgeladen hat ist alles ok. Wenn er nicht korrekt (nicht geladen, oder geladen wenn die Nachladung nicht erfolgen dürfte) nur verlieren.

    Klären wird das im Fall der Fälle wenn der Arbeitgeber klagewütig ist oder wird halt das Gericht.

    Bevor wir einfache oder komplizierte Gesetzen/Verordnungen erlassen sollten wir es vielleicht mit etwas einfachen wie Hochdeutsch versuchen :)

  • Hallo.

    Ich habe das als BRV so gehalten: Wenn ein (es gab da ein, zwei übliche Verdächtige) BRM sich wegen Unabkömmlichkeit in der Arbeit abmelden wollte, habe ich es darauf hingewiesen, dass der AG ja arbeitsorganisatorisch verpflichtet sei, die Arbeit so zu einzurichten, dass das BRM kommen könne, und dass daraus auch ein einklagbarer Rechtsanspruch des BR gegen den AG bestehe, weil eine Fehlorganisation des AG als Behinderung der BR-Tätigkeit zu werten sei: Das BRM möge mir daher bitte detailliert aufschreiben, aus welchen Gründen es arbeitsmäßig verhindert sei, denn nötigenfalls brauche man die Info zur Information für die Rechtsvertretung des BR und das BRM als Zeugen oder Zeugin vor Gericht.

    Was soll ich sagen? Der Abmeldungsgrund kam nie wieder. Wieso auch immer, hehehe...

    Grüße Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo zusammen,

    ich bin nicht nur neu im BR sondern auch auf dieser Plattform.

    Entschuldigt vorab schon jetzt meine Frage :D

    Wir sind ein BR aus 5 Mitgliedern und 4 Erstatzmitgliedern, welche via Personenwahl ihre Position erlangt haben. Nun ist zur BR-Sitzung ein Mitglied wegen Urlaub, Krankheit oder Seminar verhindert und das Ersatzmitglied rückt nach. Was passiert wenn das Ersatzmitglied auch verhindert ist, rückt somit automatisch das nächste Ersatzmitglied ins Gremium oder bleibt der Stuhl unbesetzt?

    Ich Danke Euch.

    Grüße

    Christian

  • Team-ifb

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