Zustimmungsverweigerung nach §99 bei Verstoß gegen innerbetriebliche Lohngerechtigkeit

  • Guten Tag,
    ich habe hier eine Frage, bei der ich hoffe, dass ihr mir helfen könnt.
    Ergänzung: Betrieb hat keinen Tarifvertrag und auch keine Betriebsvereinbarung zu Entlohungsgrundsätzen.

    Im Unternehmen gibt es im „Bereich T“ zwei Stufen von Projektleiterstellen:
    Stufe 1 für weniger erfahrene Mitarbeiter und Stufe 2 für erfahrene Mitarbeiter.
    Stufe 1 soll mindestens mit Summe X entlohnt werden, Stufe 2 soll mindestens mit X+25% entlohnt werden.
    Das steht nirgendwo, wird aber so gehandhabt.

    Nun wurde letztens ein Kollege, nennen wir ihn Kollege A, der anerkanntermaßen sehr gute Arbeit leistet, von Stufe 1 auf Stufe 2 befördert. Aus Kostengründen/Einsparmaßnahmen konnte/wollte man ihm aber nur X+10% zahlen.

    Jetzt werden zwei Kollegen eingestellt für die Stufe 2 und sollen X+25% bekommen.

    Der eine Kollege, nennen wir ihn Kollege B, kommt intern aus dem Unternehmen und hat zuvor in einem anderen Bereich eine Projektleiterstelle innegehabt (Gehaltsniveau ca. Summe X). Er soll nun, ohne Vorkenntnisse im Bereich T, auf eine Projektleiterstelle Stufe 2 im Bereich T eingestellt werden zum Gehalt x+25%.

    Der andere Kollege, nennen wir ihn Kollege C, kommt einem ausländischen Tochter-Unternehmen und hat zuvor in einem Bereich, der Bereich T ähnlich ist, eine Stelle innegehabt (Gehaltsniveau unbekannt, aber deutlich unter X, da aus einem Niedrig-Lohn-Land stammend). Er soll nun, ohne Vorkenntnisse im „Bereich T“, auf eine Projektleiterstelle Stufe 1 im Bereich T eingestellt werden zum Gehalt x+25%.

    Während man es bei Kollege C vielleicht noch mit einem Versehen zu tun hat, das wird noch geprüft, wundert es einen beim Kollegen B im Vergleich zu dem bewährten und engagierten Kollegen A doch sehr, wie einem erfahrenen Kollegen bei der Beförderung die 25% Gehaltserhöhung nicht gewährt werden, wohl aber einem, der das Geschäft noch gar nicht kennt.

    Alle übrigen Projektleiter der Stufe 2 im Bereich T werden mit mindestens X+25 % bezahlt.

    Können wir hier irgendwie eine Zustimmungsverweigerung nach §99 konstruieren?

    Oder fällt euch sonst noch was Brauchbares ein?

    Oder müssen wir jetzt einfach mal den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu Entlohnungsgrundsätzen betrieben?

    Ich finde dieses Vorgehen verstößt in höchstem Maße gegen innerbetriebliche Lohngerechtigkeit. Kollege A hat sich auch bereits vor mehreren Monaten an uns gewandt mit der Bitte um Prüfung seines Gehaltes (von wegen innerbetriebliche Lohngerechtigkeit). Die Prüfung haben wir durchgeführt und den bestehenden Missstand an die Geschäftsleitung berichtet, die sich ihrerseits an den Bereich gewandt hat, der leider nichts tun könne und jetzt werden Neueinstellungen ohne mit der Wimper zu zucken mit x+25% bezahlt.

    Schöne Grüße
    Kintana

  • hallo Kintana,

    es ist hart was ich nun schreibe, aber aus meiner Sicht wird es schwer hier einen Grund zu definieren welche dem Gesetz genügt. Der Grund wir finden das Ungerecht gibt es nicht.

    Nun kommen wir zu dem möglichen Grund:

    Gab es eine Interne stellenausschreibung und war diese Stellenausschreibung konkrekt (also alle Anforderungen, höhe der bezahlung etc. inhalt der stellenausschreibung?)

    Wenn die Stellen nicht (vollständig) ausgeschrieben wurden ist das ein widerspruchsgrund. Weiterhin wenn daraufhin der Kollege, dessen Gehalt niediger ist sich hierauf nicht beworben hat, weil er die Chancen nicht gesehen hat sein Gehalt dort zu steigern, dann kann das ein Nachteil sein.

    Weiterhin habt ihr alle Bewerbungsunterlagen erhalten? Wenn nicht, abfragen, Frist läuft erst, wenn ihr alle Bewerbungsunterlagen habt

    Wie hat der Auswahlprozess statt gefunden (wurde ggf. mit einer Matrix gearbeitet). Wenn das so war, ist diese mit euch vereinbart, wenn nicht, Widerspruchsgrund da Verstoß gegen ein Gesetz

    Gab es bei den Bewerbern einen Schwerbehinderten/Gleichgestellten Bewerber und wenn ihr eine SBV habt, hat die an allen vorstellungsgesprächen dann teilgenommen? Wenn nicht, Widerspruchsgrund weil Verstoß gegen SGB IX.

    hat der Arbeitgeber eine Prüfung durchgeführt, ob es geeignete Schwerbehinderte menschen für diese Stelle gibt (Abfrage bei der Arbeitsagentur) wenn nicht Verstoß gegen ein Gesetz

    Wie gesagt, vor dem Arbeitsgericht, wenn es denn soweit kommt, werden Sie diese konstruierten Gründe widersprechen, der Arbeitgeber erkennt aber euren Unmut, der Prozess wird ggf. verzögert und es kostet Geld.

    Was aber für die zukunft wichtig ist, ihr müßt schnellstens ran an eine BV zu den Entlohnungsgrundsätzen und Eingruppierungsfragen. hierzu braucht ihr auch Sachverstand (und der ist teuer) und ggf. geht es nur über die Einigungsstelle.

    Ich würde nun umgehend eine Schulung nach §37.6 besuchen wo Entlohnungsgrundsätze das Thema sind und dann dem Arbeitgeber einen BV-Entwurf übergeben zu den Entlohnungsgrundsätzen wie Sie ihr euch vorstellt.

    Ihn schriftlich auffordern, mit euch hierüber die verhandlungen zu führen und zu einem Termin einladen, der dann 1 Woche nach Übergabe ist.

    Wenn ihr da mehr gerechtigkeit wollt, dann geht das nur über eine Betriebsvereinbarung.

    Gruß

    Rabauke

    PS: Tip für den ungerecht bezahlten Kollegen,

    wenn er wirklich so gut ist wie du sagts, dann soll er mal zu der GF gehen und um ein Zwischenzeugnis bitten. Grund, er möchte seinen Marktwert erkunden und sich anderweitig bewerben, da er sich ungerecht bezahlt fühlt.

    da Projektleiter derzeit (zumindest bei uns in der Gegend) händeringend gesucht werden sind da Jahresgehälter zwischen 50.000 und 85.000 möglich, je nach Branche und Qualifikation. Evt. ist dass dann der richtige Ansporn der GF den Kollegen das zu geben, was ihm zusteht.

    Gruß

    Rabauke

  • Ergänzend sei noch hinzugefügt, dass die fehlende Ausschreibung auch nur dann ein Grund ist, wenn der BR die Ausschreibung der Stellen (bereits im Vorfeld!) verlangt hat!

    Ansonsten sehe ich das auch so, dass man hier zwar einen Widerspruch gem. Ziffer 3 (Benachteiligung anderer wegen schlechterer Bezahlung) konstruieren kann, aber dieser Widerspruch auf deutlich tönernen Füßen steht. D.h. er würde vermutlich vom ArbG kassiert werden, aber immerhin hättet ihr damit Sand ins Getriebe gestreut und eurem Unmut Ausdruck gegeben.

    Habt ihr den AG denn schon mal gefragt, wie er das erklärt, dass es dort zu solchen Wildwüchsen kommt?

    Kurzfristig wird es schwer hier etwas zu reißen. Mittel- bis langfristig könnt ihr den AG natürlich an den Verhandlungstisch zwingen...

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Dem AG bleibt es doch unbenommen nach Nasenfaktor zu bezahlen, solange er die Mindeststandards einer Stelle einhält. Wenn der AG dies als z.B. freiwillige Zulage definiert, hat der BR nichts zu kamellen.

  • Gibt es einen Weg dem guten, beförderten, aber schlecht bezahlten Kollegen offiziell von BR Seite zu sagen, was wir in den Brutolohnlisten entdeckt haben? Nämlich, dass der Kollege tatsächich der einzige unter den Projektleitern der Stufe 2 ist, der x+10% bekommt, während alle anderen zumindest x+25% bekommen?
    Nach dem neu herausgekommenen Entgelttransparenz-Gesetz darf der BR ihm den Median mitteilen (§ 11 EntgTG „ Angabe zu Vergleichstätigkeit und Vergleichsentgelt“), der liegt natürlich bei x+28%. Aber diese schreiende Ungerechtigkeit, dass er der einzige ist, der so schlecht bezahlt wird durch die Mitteilung des Medians nicht aufgedeckt.
    Wenn der BR ihm legal mitteilen könnte, dass er das mit Abstand niedrigste Gehalt in der Abteilung hat, könnte er doch 1. eine Beschwerde nach §§84-85 BetrVG einreichen oder 2. eine Leistungsklage beim Arbeitsgericht einreichen, hm?

    Wie handhaben das andere Betriebsräte, die wie wir weder einen Tarifvetrag noch ein BetriebVereinbar zu Entlohnungsgrundästezen haben? Wie erreicht man als BR innerbetriebliche Lohngerechtigkeit (ich verstehe das aus §87 Abs. 1 Nr. 10 heraus als eine Aufgabe des BRs: Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist die Sicherung der Angemessenheit und Transparenz des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit (BAG Beschluss vom 29.2.2000 – 1 ABR 4/99).

  • Team-ifb

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